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Auel bearbeitet und konvertiert zum GBA-eBook von LoveGBA ~Kapitel 1 Nackt lief das Kind aus dem mit Fell berspannten Einschlupf der Felsenhhle zu dem steinigen Stck Strand an der Biegung des kleinen Flusses. Es schaute nicht zurck. Niemals wre es ihm in den Kopf gekommen, seine Behausung und deren Bewohner knnten verlorengehen. Planschend watete es in den Flu, sprte, wie Steine und Sand des steil abfallenden Betts unter seinen Fen ins Rutschen kamen. Es tauchte ins kalte Wasser und kam prustend wieder hoch, schwamm dann mit sicheren, ausgreifenden Zgen das gegenberliegende Ufer an. Noch vor dem Laufen hatte es Schwimmen gelernt. Wasser war sein Element, denn hufig kam es vor, da ein Flu nur schwimmend berquert werden konnte. Eine Weile paddelte das kleine Mdchen von einem Ufer zum anderen und lie sich dann von der Strmung fluabwrts tragen. Dort, wo das Gewsser breiter wurde und sprudelnd ber Felsbrocken sprang, unterbrach es seine Fahrt, watete zur Bschung zurck und begann, Kieselsteine zu sammeln. Gerade hatte es ein Steinchen auf den Haufen besonders bunter Kiesel gelegt, als sich pltzlich der Boden bewegte. Erstaunt sah die Kleine, wie der Stein ganz von selbst wieder herunterkollerte, starrte verwundert auf die kleine Kieselpyramide, die ins Wackeln geriet und in sich zusammenfiel. Erst da wurde sie gewahr, da die schwankende Bewegung auch von ihr Besitz ergriffen hatte. Aber noch immer war sie mehr verwirrt als bengstigt. Mit groen Augen um sich blickend, suchte sie das, was ihre Welt auf einmal so vernderte. Der Boden durfte sich doch nicht bewegen! Das Gewsser, kurz zuvor nur leicht gekruselt, brodelte pltzlich. Ungestme Wellen schwappten ber die Bschung. Das Flubett stemmte sich unter der Erschtterung gegen die Strmung, so da vom Grunde Schlamm emporgerissen wurde. Wie von unsichtbarer Hand geschttelt, erzitterten die Bsche an den Ufern fluaufwrts, und fluabwrts sprangen kopfgroe Steine in die Luft. Die himmelhohen Nadelbume des Waldes, in den der Flu sich hineingefressen hatte, taumelten, eine Riesentanne, nahe dem Ufer, deren Wurzeln von den Schmelzwassern kahlgesplt waren und nichts mehr greifen konnten, neigte sich langsam zur anderen Seite hinber. Ein sirrendes Pfeifen erfllte die Luft, als sie dort aufschlug, eine zitternde Brcke ber dem kochenden Flu. Und noch immer schwankte der Boden. Die Kleine steckte den Kopf zwischen die Schultern. Ihr Magen flatterte und krampfte sich zusammen. Angst kroch hoch. Sie wollte auf die Beine kommen, fiel jedoch wieder um, aus dem Gleichgewicht gebracht durch dieses grliche Schwanken. Noch ein Versuch, und sie schaffte es. Auf zitternden Beinen blieb sie stehen, wagte nicht, auch nur einen Schritt zu machen. Als sie dann auf allen vieren zur Felsenhhle kroch, die etwas oberhalb des Flusses lag, vernahm sie ein unterdrcktes Grollen, das in Windeseile zu einem ohrenbetubenden Donnern anschwoll. Ein saurer Ruch von Feuchtigkeit und Fulnis, ekelerregend wie der frhe Atem einer ghnenden Erde, stieg aus der Spalte auf, die sich pltzlich vor ihr im Boden auftat. Mit leerem Blick verfolgte das Mdchen, wie Erde, Steine und kleine Bume in die ghnende Kluft strzten, die unter gewaltigen Zuckungen aufgeplatzt war. Der fellberspannte Vorbau, nun am anderen Rand des Abgrunds, neigte sich, als ein Teil des Gesteins fortgerissen wurde. Die armdicke Astgabel schwankte unschlssig; dann knickte sie um und verschwand in der Erdwunde, mit sich reiend die Fellplane und alles, was sich darunter befand. Zuletzt rutschte der ganze Felsen mit schrillem Getse in die Tiefe. Zitternd, die Augen weit aufgerissen vor Entsetzen, sah die Kleine zu, wie das klaffende, stinkende Maul alles verschlang, was ihr bisher Nahrung und Wrme gegeben hatte. Pltzliches Begreifen berwltigte sie, und im donnernden Tumult des berstenden Felsens war fr sie nicht auszumachen, ob der Schrei, der in ihren Ohren gellte, wirklich ihr eigener war. Irgendwie schaffte sie sich an den Rand des Abgrunds, doch die Erde bumte sich auf und schleuderte sie nieder. Verzweifelt krallte sie sich in den Boden, versuchte auf der lebendig gewordenen, sich umschichtenden Erde Halt zu finden. Dann schlo sich die Schlucht, das Donnern verebbte, die bebende Erde beruhigte sich. Zitternd vor Angst lag das Kind buchlings in der weichen, feuchten Erde, die aufgewhlt war von den pltzlichen Sten, die das Land aufgebrochen hatten, allein nun in einer Wildnis grasiger Steppen und verstreut stehender Wlder. Gletscher glnzten von weit her, sandten Eisesklte aus. Tiere, unvorstellbar viele, durchstreiften die weiten Ebenen, auch ruberische waren darunter. Und Menschen? Die wenigen, die es hier gab, hatte die Erde gefressen. Nur das Kind war noch da, und niemand wrde kommen, es zu suchen. Wieder erzitterte der sich allmhlich setzende Grund. Aus der Tiefe hrte das Kind ein dumpfes Grollen, als verdaute die Erde den hastig verschlungenen Fra. Entsetzt sprang es auf, voller Angst, da sich der Boden erneut ffnete. Unglubig blickte es auf die Stelle, wo Felsen, Vorbau und Hhle gewesen waren. Aufgeworfene Erde und entwurzelte Strucher - sonst nichts! Das Wasser scho ihm aus den Augen, als es zurck zum Flu rannte und sich aufschluchzend in den Schlamm whlte. Doch die durchweichte Bschung bot nicht den geringsten Schutz. Ein weiteres Beben, schwerer diesmal, erschtterte den Boden. Das kleine Mdchen krmmte sich, als eisiges Wasser auf seinen nackten Krper klatschte. Panik in den Augen, sprang es auf die Beine. Nur fort von hier! Aber wohin? An dem steinigen Ufer gediehen keine Pflanzen, gab es keine Bsche; fluaufwrts jedoch waren die Ufer von Struchern berwuchert, an denen schon die ersten neuen Bltter sprossen. Wie schon immer in seinem Leben, suchte nun das Kind die Nhe des Wassers, doch das Geschlinge der dornigen Bsche war undurchdringlich. Aus trnenfeuchten Augen blickte es in die andere Richtung, hin zum Wald aus hohen Nadelbumen. Schmale Sonnenstrahlen fielen zwischen den sich gegenseitig bedrngenden Zweigen der dichtstehenden Bume hindurch, die zum Flu hin wuchsen. Fast kein Unterholz gab's in dem schattendunklen Wald, viele der Bume hatten gelitten. Einige waren umgestrzt, andere neigten sich gefhrlich, gehalten von ihren Nachbarn, die noch fest verwurzelt waren. Jenseits von diesem Baumgewirr stand finsterer Wald, nicht einladender als der Busch stromaufwrts. Unentschlossen sphte das Kind zuerst in die eine, dann in die andere Richtung. Welche war wohl besser? Wo waren Wrme und Schutz? Ein erneutes Zittern beendete die Unentschlossenheit des Mdchens. Es warf noch einen letzten Blick auf das zerschlagene Land und lief dann in den Wald. Vom dumpfen Rumpeln der sich langsam beruhigenden Erde angetrieben, folgte die Kleine dem Lauf des Wassers und hielt nur kurz an, um hastig den Durst zu lschen. Die riesigen, stolzen Tannen, die das Beben aus dem Boden gerissen hatte, lagen niedergestreckt im Unterholz. Wieder und wieder muten in weitem Bogen die Krater umgangen werden, die das gewaltige Wurzelwerk der strzenden Bume, das immer noch feuchte Erde und kleine Steine umschlang, aufgerissen hatte. Gegen Abend verloren sich die Spuren der Zerstrung; kaum noch entwurzelte Bume und versprengte Felsbrocken. Das Wasser flo klarer. Als man nicht mal mehr die Hand vor den Augen sehen konnte, hielt die Kleine an und sank erschpft auf den Waldboden. Das dauernde Laufen hatte sie warmgehalten, jetzt aber begann sie zu zittern; viele winzige Hcker fhlte sie auf ihrer Haut. Die Klte der Nacht. Schnell scharrte sie eine Mulde im weichen Waldboden, legte sich hinein, zog die Beine fest an den Bauch und nahm die Nase zwischen die Knie. Zuletzt warf sie noch mehrere Handvoll Tannennadeln ber sich. Doch so mde sie auch war, die Angst hielt sie wach, die jetzt hochkroch in ihr und sich auszubreiten begann. Mucksmuschenstill lag sie da, die Augen weit offen, und mute zusehen, wie die Finsternis rundum dichter wurde. Keine Regung, kaum zu atmen getraute sie sich. Noch nie war sie nachts allein gewesen; immer hatte ein Feuer gebrannt, um die bedrohliche Dunkelheit abzuwehren. Und pltzlich sa die Angst in ihrer Kehle. In Weinkrmpfen, schluchzend und schniefend, wrgte sie dieses entsetzliche Gefhl heraus. Dann schlief sie erschpft und erleichtert ein. Neugierig beschnupperte ein kleines Nachttier das Kind, das nichts davon sprte. Die Erde aber hatte noch immer nicht zur Ruhe gefunden. Fernes Grollen aus grlichsten Tiefen setzte sich als Alptraum im Kopf des Kindes fort. Schreiend erwachte es, fuhr hoch, wollte fliehen, doch seine aufgerissenen Augen sahen ebenso wenig wie durch die geschlossenen Lider. Wo war sie denn? Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Warum konnte man nichts sehen? Wieso waren da nicht die sorgenden Hnde, die sie trsteten, wenn sie nachts erwachte? Langsam dmmerte ihr die Erinnerung an die Schrecknis ihrer Lage. Zitternd vor Furcht und Klte kauerte sie sich zusammen und verkroch sich wieder unter der Nadeldecke des Waldes. Als die ersten schwachen Lichtstreifen des Morgens den Horizont markierten, schlief das Mdchen fest. Nur mit Mhe drang der Tag in die Tiefen des Waldes vor. Als das Kind erwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel, durch das dunkle Laubdach der dickstmmigen Bume jedoch nur schwer auszumachen. Gestern, als das Tageslicht verglht war, hatte sich die Kleine weit vom Flu entfernt. Und wieder regte sich die Angst, als sie sich jetzt umsah und ringsum nichts als Bume erblickte, die sich breitbeinig ihr entgegenstellten. Sie hatte Durst. Ihre geschrften Sinne vernahmen pltzlich ein leeres Pltschern, dem sie folgte und nach einer Weile voller Erleichterung als Stimme ihres Flusses lauthals Begeisterung zollte. Hier am Ufer war sie zwar nicht weniger verloren als im Wald, aber es verschaffte ein beruhigendes Gefhl, die Fhrung dem vertrauten Element zu berlassen. Sie konnte auch ihren Durst stillen, solange sie in seiner Nhe blieb. Doch gegen ihren Hunger half es nicht. Sie wute, da es Grnpflanzen und Wurzeln gab, die man essen konnte, aber niemand hatte ihr gezeigt, welche davon schmackhaft waren. Das erste Blttchen, an dem sie knabberte, schmeckte bitter und brannte auf der Zunge. Schnell spie sie es aus und splte sich den Mund. Nach dieser wenig ermutigenden Erfahrung hatte sie keine Lust, ein anderes Kraut zu versuchen und trank statt dessen nochmals reichlich, nur um sich den Magen zu fllen. Dann machte sie sich wieder auf, stromabwrts, immer dicht am Wasser, welches das Sonnenlicht gleiend zurckwarf. Als die Nacht kam, buddelte sich die Kleine im nadeligen Boden eine Kuhle und rollte sich darin zusammen. Und wieder lag ihr eisige Furcht im Magen, an dem wtend der Hunger zerrte. Noch nie war sie so verngstigt, nie so hungrig gewesen, noch nie so allein. Diese Erfahrung war fr das Kind so berwltigend, da die Erinnerung an dieses Erdbeben und das Leben zuvor aus seinem Kopf verschwand. Dort saen Angst und Verzweiflung, die sie nur dem Augenblick entgegenleben lieen, alle Sinne allein darauf gerichtet, das nchste Hindernis zu berwinden, den nchsten Seitenarm des Flusses zu berqueren, den nchsten. Baumstumpf zu berklettern. Nur dem Flu nach! war des Mdchens einziger Gedanke, nicht weil er es zu einem bestimmten Ziele rhren sollte, sondern weil er der einzige war, der ihm eine Richtung gab, eine Mglichkeit zu handeln. Irgendwann steigerte sich die Leere in seinem Magen zu einem dumpfen Schmerz, der das Hirn betubte. Hin und wieder weinte es, whrend es vorwrtsstolperte, und die Trnen spurten weie Streifen auf dem zerkratzten, grauen Gesicht des Mdchens, dessen Krper lehmberkrustet war wie das Haar, das einmal beinahe wei gewesen und so fein und weich, ihm aber jetzt, mit Tannennadeln, stchen und Dreck verfilzt, am Kopfe klebte. Das Vorwrtskommen wurde schwieriger, als der Wald von lichterem Gelnde abgelst wurde. Den nadelbersten Boden nahmen nun Grasflchen in Besitz, die von fast undurchdringlichem Gestruch berwuchert waren, aus dem sich hochgewachsene kleinblttrige Laubbume herausgeschafft hatten. Wenn es wieder einmal regnete, hockte sich das Kind in den Windschatten eines umgestrzten Baumes, eines Felsens, manchmal auch eines steinigen berhangs, oder aber es trottete und stolperte einfach weiter durch Schlamm und Gestrpp und lie die Regenflut ber sich hinwegsplen. Nachts trug es haufenweise drres, modriges Laub zusammen, das raschelte dann manchmal, wenn es sich darunter verkroch. Immer schwcher wurde das Kind, in dessen Krper beharrlich die Klte sa, das den Hunger nicht mehr sprte, nur noch einen stumpfen Schmerz im Magen und Schwindel im Kopf, aus dem es alles verdrngte und nur an den Flu dachte, dem zu folgen war. Sonnenstrahlen, die durch die Laubdecke drangen, weckten das Mdchen, das sich aus seinem behaglichen Nest whlte und durstig zum Flu lief, am ganzen Krper feuchte Bltter. Das beruhigende Blau des Himmels und die wrmende Helle taten wohl nach dem ewigen Regen. Es war noch nicht weit gekommen, als die Bschung allmhlich anstieg, die sich nach einer Weile zu einem steilen Abhang aufformte. Vorsichtig mit Fingern und Zehen tastend, machte sich das Mdchen an den Abstieg, rutschte jedoch ab und kollerte bis zum Wasser hinunter. Voller Schrammen und Beulen lag es im Schlamm, zu mde, zu schwach, zu elend, sich zu rhren. Das Wasser sprang ihm in die Augen und rann ber sein Gesicht. Jammervolles Weinen wurde schlielich zum Wimmern, das um Hilfe flehte, aber niemand hrte es und kam. Warum denn noch aufstehen? Warum denn noch weitergehen? Selbst als die Trnen schon lngst versiegt waren, blieb die Kleine da liegen, wo ihr Sturz ein Ende gefunden hatte. Erst als sie den lstigen Druck einer Wurzel sprte, die sich von unten in ihre Seite bohrte, erst als sie den Schlamm schmeckte, der ihr in den Mund gekommen war, setzte sie sich auf, stemmte die Beine in den weichen Grund und stolperte todmde zum Flu, um zu trinken. Danach ging es wieder weiter. Mit stummer Verbissenheit schob sie die Zweige beiseite, die ihr den Weg versperrten, kroch ber moosgepolsterte Baumstmpfe und watete, wenn es gar nicht anders ging, durch das seichte Wasser am Ufer des Flusses. Dieser, durch das Schmelzwasser bereits angeschwollen, war durch den Zulauf seiner Nebenflsse auf mehr als das Doppelte seiner Hhe angestiegen. Sein fernes Tosen hrte das Kind schon lange, bevor es ihn sah, den Wasserfall, der dort, wo ein noch greres Wasser sich mit dem Flu vereinigte, in Stufen die hohe Bschung hinunterscho. Jenseits davon rauschte nun ein unbndiger, silbrig glnzender Strom triumphierend ber mchtige Felsbrocken und bahnte sich, bald mit doppelter Kraft, seinen Weg in die grasbedeckte grenzenlose Weite der tieferliegenden Steppen. Vogelschnell strzten die Wassermassen ber den Scheitel der Stromschnelle und ergossen sich donnernd und schumend in ein tiefes Becken, das der Flu aus seinem Felsenbett herausgeschliffen hatte. Dort, wo beide Gewsser sich vermischten, hing feiner Sprhnebel in der Luft, und die aufeinanderzuschieenden Strmungen verdrehten sich zu wirbelnden Strudeln. Lange, lange zuvor hatte der Flu das harte Felsgestein dahinter unterhhlt und einen Sims geschaffen, ber den jetzt das Wasser herabstrmte. Vorsichtig nherte sich ihm die Kleine, sphte aufmerksam in den feuchten Durchgang hinein und kroch dann kurzerhand hinter den flieenden Vorhang. Schritt fr Schritt klammerte sie sich an den nassen Fels, da ihr schwindlig wurde und das Tosen ihre Ohren betubte, das sich an der Felswand hinter den donnernden Fluten brach. Furchtsam blickte sie aufwrts zum Strom, der ber ihren Kopf hinwegsprang, und tastete sich langsam weiter. Fast hatte sie die andere Seite erreicht, als der Durchgang immer schmaler wurde und schlielich ganz zu Ende ging. Die Unterhhlung der Felswand erreichte nicht das andere Ufer. Sie mute zurck! Enttuscht machte sie kehrt und starrte, als sie wieder den Himmel ber sich sah, wie gebannt auf die Wasserstrme, die sich ber den Sims wlzten, und schttelte den Kopf. Da mute sie durch! Das Wasser war kalt, als sie hineinwatete, und die Strmung drckte mchtig. Sie schwamm bis zur Mitte und lie, nun auf dem Rcken liegend, sich vom Sog des Wassers um die gefhrlichen Wirbel herum tragen, drehte sich dann wieder auf den Bauch und hielt mit kurzen schnellen Sten ihrer kleinen Arme auf das andere Ufer des breiter gewordenen Flusses zu. Das Schwirnmen hatte sie ermdet, aber ihre Haut glnzte wieder frisch und konnte atmen. Das klatschnasse Haar, noch verfilzt und zerzaust wie zuvor, wehrte sich trotzig gegen die ordnenden Finger der Kleinen, die sich aufraffte und die Fe in Gang brachte. Sie fhlte sich wohl. Es war ungewhnlich warm fr die Zeit der Schneeschmelze, und anfangs, als Bume und Bsche offenem Grasland wichen, tat dies der eifrig Ausschreitenden besonders gut. Als die Sonne jedoch hher stieg, verzehrten ihre sengenden Strahlen langsam die drftigen Krfte des Mdchens, und als die sprlichen Schatten wieder lnger wurden, kam es nur noch mit schwankendem Schritt auf dem schmalen Streifen des Sandes vorwrts, der sich zwischen dem Flu und einer steilen Felswand hinzog. Von der glitzernden Wasserflche her traf seine Augen der Widerschein des grellen Sonnenlichts, und vom fast weien Sandstein prallten Helligkeit und Hitze ab und warfen sich auf seinen Krper. Vor ihr, auf der anderen Seite des Flusses, dehnte sich bis zum Horizont die Steppe aus, gesprenkelt mit kleinen Kruterblumen in Wei, Gelb und Violett, deren Farben sich mit dem lichten Grn des jungen Grases mischten, keines Blickes gewrdigt von der Kleinen, die, vllig geschwcht und ausgehungert nun, Fiebertrume berwltigten, die ihre Mutter erscheinen lieen. "Ja, ich hab's versprochen. Ich will vorsichtig sein. Ich bin weggeschwommen, nur ein kleines Stck. Aber wo bist du? ... Mutter, ich hab' Hunger... Es ist so hei ... Warum kommst du nicht mit? ... Bleib hier! Geh nicht weg! Warte doch! La mich nicht allein, Mutter!" Mit ausgestreckten Armen strzte es dem Trugbild nach, als dieses verblate, rannte verzweifelt am Fu der Felswand entlang, doch der Fels wandte sich vom Ufer ab, entfernte sich immer weiter vom Flu, und das Kind kam immer weiter vom lebenerhaltenden Wasser ab, lief blindlings vorwrts, stie mit den Zehen gegen einen Stein und strzte. Der jhe Fall ri es in die Wirklichkeit zurck, und whrend es da hockte und sich den Fu rieb, versuchte es, seinen Kopf wieder klar zu bekommen. Die Sandsteinwand vor ihm war von dunklen Lchern durchbrochen und durchzogen von schmalen Rissen und Spalten durch den grimmigen Widerpart, den sich seit ehedem glhende Hitze und Eisesklte auf dem weichen Gestein lieferten. In eine kleine ffnung am Fu der Wand sphte das Kind hinein, doch die winzige Hhle hatte nichts Beeindruckendes. Weit eher staunen machte sie da die Herde von massigen rotbraunen Tieren, die eintrchtig auf dem ppigen Gras zwischen Fels und Flu weideten; Rinder waren es, mit mchtigen gebogenen Hrnern, nochmal so hoch wie die Kleine, die sie in ihrer blinden Hast nicht bemerkt hatte, die jetzt, als sie die Tiere entdeckte, weiter zurckwich zur Felswand, den Blick unverwandt auf einen massigen Bullen gerichtet, der aufgehrt hatte zu sen und sie beobachtete. Rasch wirbelte das Mdchen herum und rannte auf und davon. Als es noch kurz einen Blick ber die Schulter warf, nahmen seine Augen ein verwischtes Bild blitzartiger Bewegungen auf, bei dem ihm der Atem stockte, so da es wie angewurzelt stehenblieb. Eine gewaltige Lwin, doppelt so gro wie die Raubkatzen, die erst viel spter die Savannen tief im Sden durchstreifen wrden, hatte sich an die Herde herangemacht und sich ihr Opfer ersprungen. In einem wilden Wirbel fauchend entblter Fangzhne und raubgierig ausgestreckter Krallen vergrub sich die riesige Lwin in den massigen Krper der Kuh. Das angstvolle Gebrll des Rindes erstarb unter dem Knirschen der kraftvollen Kiefer, als die Lwin ihm die Kehle aufri. Blut spritzte auf, befleckte das Maul der vierbeinigen Jgerin und bergo das lichtbraune Fell scharlachrot. In matter Abwehr schlugen noch die Lufe der Kuh, als die Lwin auch schon den Bauch des Tieres aufri. Blankes Entsetzen packte das Kind, das in wilder Flucht davonstob, aufmerksam beobachtet vom Gefhrten der groen Lwin. Wie an und fr sich blich htten die mchtigen Katzen ein solch schmchtiges und fleischloses Geschpf wie dieses fnfjhrige Mdchen als Beute glatt verachtet, da sie ihren Hunger gewhnlich an einem Auerochsen, einem Bison oder einem groen Hirsch stillten. Doch das fliehende Kind kam der Hhle der Lwen gefhrlich nahe, in der zwei neugeborene fiepende Junge lagen, die der zottig gemahnte Lwenvater bewachte. Ein warnendes Grollen entrollte dem Riesenrachen. Jh hielt das kleine Mdchen an und starrte angstverzerrt auf die Riesenkatze, die sprungbereit auf einem Felsvorsprung kauerte, schrie dann, strauchelte, strzte, schrammte sich am losen Gestein unter der Felswand, rappelte sich hoch und rannte den Weg zurck, den es gekommen war. Mit spielerischer Lssigkeit sprang ihm der Lwe hinterdrein, um sich den kleinen Eindringling zu schnappen, der so frwitzig den engsten Familienkreis zu stren gewagt hatte. Nur langsam kam die Kleine vorwrts. Der geschmeidigen Leichtfigkeit des Verfolgers war nicht zu entgehen. Nur der Instinkt war es, der die Kleine in ihrer kopflosen Flucht zu dem winzigen Spalt am Fu der Felswand fhrte. Sie hatte ein frchterliches Stechen in den Seiten und atmete keuchend, als sie sich durch die ffnung zwngte, die kaum gro genug war, sie durchzulassen. Nur mit uerster Mhe gelang es ihr, sich umzudrehen in dem engen Loch und hinzuknien, mit dem Rcken zur Wand, und sie wnschte, mit dem harten Felsgestein zu verschmelzen. Der Hhlenlwe brllte wtend seine Enttuschung gegen die Felswand, als er die Stelle erreichte und entdeckte, da sein Spiel durchkreuzt war. Das Kind hielt sich die Ohren zu und starrte wie gebannt auf die ffnung, als eine mit scharfen gebogenen Krallen bewehrte Riesenpranke hineinfuhr und immer nher kam. Und es schrie auf vor Schmerz, als die Krallen sich in seinen linken Oberschenkel schlugen und ihn aufrissen in vier tiefen, parallel laufenden roten Furchen. Die Kleine wand sich, um der Pranke zu entkommen, da entdeckte sie in der finsteren Wand zu ihrer Linken eine kleine Einbuchtung, zog mhsam ihre Beine hinein, krmmte sich zusammen, so eng sie konnte, und hielt den Atem an. Beutesicher schob sich die Pranke erneut in die schmale ffnung und verdunkelte die Nische; doch diesmal griff sie ins Leere. Lange Zeit tappte der Hhlenlwe zornig und enttuscht vor dem Loch auf und ab und stie seinen heien Atem in die Hhle. Den ganzen Tag, die ganze Nacht und den grten Teil des darauffolgenden Tages verbrachte das Kind in dieser frchterlichen Lage. Das Bein schwoll an, die schwrende Wunde schmerzte, und in der rauhwandigen Felsspalte war kein Platz, sich umzudrehen oder auszustrecken. Die Sinne verlieen die Kleine, die, von Schmerzen und Hunger geqult, grliche Trume hatte von Erdbeben und scharfen Krallen. Nicht die Wunde, nicht der bohrende Hunger und auch nicht das Brennen auf der Haut drngten sie schlielich aus ihrem Fluchtloch. Es war der Durst. Angstvoll sphte das Kind durch die kleine ffnung. Vereinzelt stehende, vom Wind gekrmmte Weiden und Kiefern beim Flu warfen lange, frhabendliche Schatten. Lange starrte es auf das grasbewachsene Land und das funkelnde Wasser dahinter und kroch zgernd aus der Hhle. Seine ausgedrrte Zunge fuhr ber die rissigen Lippen, die zusammengekniffenen Augen gewhnten sich allmhlich an die ungewohnte Helligkeit. Kein Laut. Nur die Grser, ber die der Wind hinstrich, raschelten leise. Die Lwen waren fort. Besorgt um ihre Jungen und voller Unbehagen ob der Unvertrauten Witterung des befremdlichen Geschpfs, das ihnen so nahe gekommen war, hatte man sich auf die Suche nach einem neuen Unterschlupf gemacht. Das Kind hatte sich aus der Hhle gezwngt und richtete sich auf. In seinem Kopf war ein stndiges Hmmern, und bunte Kringel tanzten wie irr vor seinen Augen. Wellen des Schmerzes berfluteten es bei jedem Schritt, und aus den blutigen Furchen quoll eine ekelhafte, gelblich-grne schleimige Flssigkeit und flo das geschwollene Bein hinunter. Es war ihm vllig egal, ob der Flu erreicht wrde oder nicht, einzig und allein der Durst trieb das Kind vorwrts, das schlielich auf die Knie fiel und das letzte Stck auf allen vieren zurcklegte, sich dann buchlings ausstreckte und in hastigen Zgen das kalte Wasser in sich hineinsog. Als es endlich genug hatte und aufstehen wollte, waberten dunkle Flecken vor seinen Augen, der Kopf schwamm ihm und ringsum wurde es finster. Dann brach das Kind zusammen. Ein Aasvogel, der trge am Himmel kreiste, ersphte den reglosen Krper, scho herab und nherte sich hpfend. ~Kapitel 2 Mit Bedacht berquerten sie den Flu gleich unter dem Wasserfall, dort, wo er breiter wurde und schumend zackige Felsen umsplte, die aus dem seichten Wasser aufragten. Zweimal soviel, wie zwei Hnde Finger haben, waren es, Junge und Alte. Vor dem Beben der Erde, das ihre Hhle zerstrt hatte, waren sie noch sechs mehr gewesen. Zwei Mnner schritten voraus, weit vor einer dichten Gruppe von Frauen und Kindern, auf jeder Seite zwei ltere Mnner, hinten kamen jngere Mnner: der letzte Clan in dieser Gegend. Sie folgten dem breiten Gewsser, das hier seinen gewundenen Lauf durch das flache Steppenland aufnahm, und beobach teten die gierig kreisenden Aasvgel. Da sich diese noch nicht niedergelassen hatten, mute die Beute, die sie so aufmerksam umflogen, noch am Leben sein. Die Mnner an der Spitze liefen hinzu und hofften, ein verwundetes Tier zu fangen. Eine Frau, deren Bauch tropfenfrmig hervortrat, als wenn sie etwas in ihm trge, und die die anderen Frauen anfhrte, sah, wie vorne die beiden Mnner zu Boden blickten, dann aber weitergingen. Also mute dort ein Fleischfresser liegen, denn die Clan-Leute nhrten sich nicht oft von fleischfressenden Tieren. Die, welche den Frauen und Kindern vorausschritt, war knapp zwei Schritt gro, grobknochig und gedrungen, doch ging sie aufrecht auf ihren krftigen, gebogenen Beinen mit den flachen nackten Fen. Die bermig langen Arme waren, gleich den Beinen, leicht gekrmmt. Sie hatte eine groschlitzige Nasenplatte, ein stark vorgebautes Gesicht mit krftigem Unterkiefer, jedoch kein Kinn. Die niedrige fliehende Stirn rundete sich zu einem langen, groen Kopf, der hinten einen knochigen Auswuchs hatte, einen Hinterhauptswulst, der die Lnge des Schdels betonte und auf einem gedrungenen Hals sa. Kurzer brauner Flaum, der sich leicht ringelte, bedeckte ihre Beine und Schultern und zog sich am oberen Teil ihres Rckgrats aufwrts. Das Haupthaar war schwer und lang und ziemlich buschig. Die winterlich blasse Haut hatte jedoch schon eine leichte Sonnenbrune angenommen. Groe, runde, dunkelbraune Augen - Augen, die schon viel gesehen und verstanden hatten - lagen in tiefen Hhlen unter berhngenden Brauenwlsten. Neugier glimmte darin auf, als die Frau jetzt rascher ausschritt, um zu sehen, was die Mnner hatten liegen lassen. Bald wrde sie ihr erstes Kind kriegen, zu alt dafr eigentlich, beinahe zwanzig Sommer schon. Die Clan-Leute hatten geglaubt, da ihr Leib keine Frchte mehr trge, bis man ihr ansah, da neues Leben in ihr keimte. Dennoch hatte keiner ihr die Brde erleichtert, die sie trug. Der groe Korb auf ihrem Rcken war mit Bndeln beladen und behangen. Mehrere Beutel baumelten an einem Riemen, der sich um die geschmeidige Tierhaut schlang, mit der sie ihren Krper bedeckt hatte, und der so geschnrt war, da Falten und Taschen entstanden, in denen manches getragen werden konnte. Ein Beutel hing da auch, aus einem Otter geschickt gefertigt, dessen Fell, Fe, Schwanz und Kopf man unversehrt gelassen und dem man nicht, wie sonst blich, den Bauch, sondern die Kehle aufgeschlitzt hatte. Durch diese ffnung waren das Innere, Fleisch und Knochen, herausgeholt worden und somit ein feines Behltnis geschaffen, dem der Kopf des Tieres, durch einen Streifen Haut am Rcken gehalten, als Deckklappe diente. Durch Lcher rund um die Halsffnung ging eine rotgefrbte Sehne, die straff zusammengezogen und an dem Riemen um die Mitte der Frau befestigt war. Schon beim ersten Blick auf den Krper, den die Mnner hatten achtlos liegenlassen, hob die Frau die Stirn. Ein Tier ohne Fell? Doch als sie nherkam, rang sie vor Schreck nach Luft und trat schnell einen Schritt zurck, umklammerte das Tierhautbeutelchen an ihrem Hals, befingerte zitternd die winzigen Dinge darin, die sie vor vielem schtzen sollten, und beugte sich zgernd vor. Fast gingen ihr die Augen ber. Nicht ein Tier war es, das die gefrigen Vgel angelockt hatte, es war ein Kind. Dnn und sehr befremdlich. Suchend blickte die Frau sich um, gespannt und auf der Hut vor furchterregenden Geheimnissen, die in der Nhe lauern mochten, und umschritt den leblosen Krper. Da vernahm sie ein Sthnen, blieb stehen, kniete, ihre ngste vergessend, neben dem Kind nieder, berhrte es und schttelte es sachte. Sobald die Frau das angeschwollene Bein und die schwrende Wunde sah, als sie den Findling auf den Rcken rollte, lste sie die Schnur ihres Brustbeutels. Vorn die Mnner blickten zurck und sahen die Frau knien. Einer von ihnen kehrte um. "Iza, komm!" befahl er. "Da sind Spuren eines Hhlenlwen." "Es ist ein Kind, Brun. Verletzt, aber nicht tot", wehrte sie ab. Brun blickte auf die magere kleine Gestalt mit der hohen Stirn, der kleinen Nase und dem seltsam flachen Gesichtchen. "Es gehrt nicht zum Clan", gab er mit einer schroffen Bewegung zu verstehen und wandte sich ab, nach vorne, zu seinen Leuten. "Brun, es ist ein Kind. Es ist verletzt. Es stirbt, wenn wir's hier lassen." Izas Augen flehten, whrend sie beredt ihre Handzeichen machte. Das Oberhaupt des kleinen Clans blickte auf die bittende Frau. Der Mann war um mehr als einen Kopf grer als sie, muskuls und krftig mit einem stark gewlbten Brustkorb und dicken, gebogenen Beinen; ausgeprgter auch sein Gesicht, die Brauenwulste dicker, die Nase grer. Beine, Bauch, Brust und Schufterbltter bedeckte grobes braunes Haar; nicht dicht genug, um noch als Fell zu gelten. Ein struppiger Bart verbarg den kinnlosen hervorspringenden Kiefer. Auch sein berwurf war hnlich, jedoch nicht so weit und krzer und anders geschnrt; er hatte weniger Falten und Taschen. Auch trug er keine Lasten, nur seinen pelzigen Umhang, der, von einem breiten Band um den massigen Schdel gehalten, auf den Rcken herabfiel, und seine Waffen. Auf dem rechten Oberschenkel hatte er eine Narbe, geschwrzt wie eine Ttowierung, einem >U< hnlich, dessen Enden nach auen geschwungen waren. Es war das Zeichen des Bisons. Seine Fhrerschaft bedurfte keiner besonderen Zeichen und Zierden; sein Gehabe und die Ehrerbietung durch die anderen lieen keinen Zweifel an seiner Vorrangstellung. Bedchtig nahm er seine Keule, den langen Vorderlauf eines Pferdes, von der Schulter, und die Frau, die Iza genannt wurde, wute, da er ihre Bitte ernsthafter Betrachtung unterzog. Still wartete sie, verbarg ihre Erregung, um ihm Zeit und Ruhe zu lassen, der jetzt den schweren Holzspeer senkte und den Schaft mit der geschrften, im Feuer gehrteten Spitze nach oben an seine Schulter lehnte. Seine Finger zogen an der Schleuder, die er zusammen mit seinem Amulett um den Hals trug, um das Gewicht der drei rundgeschliffenen Steine besser auszugleichen. Dann zog er aus dem Gurt, um die Krpermitte geschnrt, einen Streifen geschmeidiger Hirschhaut, der sich an den Enden verjngte und in der Mitte eine Vertiefung fr die Steine hatte, die mit tdlicher Absicht ihre Opfer trafen. Nachdenklich glitten die haarigen Hnde ber die weiche Haut. Brun, so hie er, traf nicht gern rasche Entscheidungen, wenn es um Ungewhnliches ging, das sich unmittelbar auf den Clan bezog, schon gar nicht jetzt, wo sie keine Hhle mehr hatten. Seine erste Regung, sogleich abzulehnen, unterdrckte er und lie sich vieles durch den Kopf gehen. Er htte voraussehen mssen, da Iza dem Kind wrde helfen wollen. Manchmal hatte sie sogar schon bei Tieren, besonders bei den jungen, ihre heilenden Krfte angewandt. Er konnte sich schon ein Bild davon machen, wie erregt und bekmmert sie sein wrde, wenn er ihr nicht erlaubte, diesem Kind zu helfen. Ob es nun zu diesem Clan gehrte oder zu irgendwelchen anderen, war fr sie unwichtig, sie hatte nur das Kind im Auge, das verletzt war und ihre Frsorge brauchte. Vielleicht war Iza deshalb eine gute Medizinfrau. Medizinfrau hin. Medizinfrau her, sie war nur eine Frau, und war es da etwa von Bedeutung, wenn sie bedrckt war? Sie wrde es nicht zeigen, und der Clan hatte auch ohne ein verletztes fremdes Kind Sorgen genug. Doch ihr Totem wrde es sehen, alle Geister wrden es sehen, und wrden sie nicht noch zorniger werden, wenn Iza bekmmert war? Iza, die den Trank fr die Feier zu bereiten hatte, wenn die neue Hhle gefunden war! Was wrde geschehen, wenn sie auer sich geriet und dann etwas falsch machte? Zornige Geister konnten so etwas bewirken, und sie waren bereits zornig genug. Bei der Feier zur neuen Hhle aber durfte nichts falsch gemacht werden. Soll sie das Kind doch mitnehmen, dachte er. Sie wrde es bald leid sein, die zustzliche Last zu tragen. Das kleine Mdchen war dem Tod schon so nahe, da vielleicht nicht einmal der Zauber Izas, seiner Blutsschwester, stark genug sein wrde, es zu retten. Brun stopfte seine Schleuder wieder in den Gurt, nahm seine Waffen und zuckte die Achseln. Es war ihr berlassen. Iza konnte das Mdchen mitnehmen oder nicht, ganz wie sie wollte. Er wandte sich ab und ging davon. Iza griff in ihren Korb und zog einen Umhang aus geschabter und getrockneter Haut hervor, in den sie die Kleine einhllte, die sie dann vom Boden aufhob und sich auf die Hfte band. Wie leicht sie war, trotz ihrer Gre! Das Mdchen sthnte, als es hochgehoben wurde. Iza strich ihm beruhigend ber das Haar und nahm dann wieder ihren Platz hinter den beiden Mnnern ein. Die anderen Frauen hatten ehrerbietig angehalten, um die Begegnung zwischen Iza und Brun nicht zu stren. Als sie sahen, da die Medizinfrau etwas aufhob, um es mitzunehmen, reckten sie neugierig die kurzen Hlse und machten mit ihren Hnden rasche vogelartige Bewegungen, die sie mit kurzen kehligen Lauten begleiteten. Sie waren gekleidet wie Iza, bis auf den Otterfellbeutel, und ebenso schwer beladen mit dem brigen der Habe, das nach dem Beben der Erde noch in Gebrauch zu nehmen war. Zwei der sieben Frauen trugen Suglinge in einer tiefen Falte ihrer Gewandung so geschickt am Krper, da sie jederzeit die schwergefllten Brste reichen konnten. Wenn der Clan nicht umherzog, wurden die Suglinge hufig in weiche Hute gewickelt und in das Vlies der Wildschafe gepackt, das von dornigen Struchern gezupft wurde, oder in Daunen vom Brustgefieder der Vgel oder in den Flaum faseriger Pflanzen, um die Ausscheidungen aufzusaugen. Doch wie jetzt, auf Wanderung, war es einfacher fr die Frauen und weniger beschwerlich, die Kinder nackt zu tragen und sie einfach aus der Fellfalte zu nehmen, wenn sich die Kleinen entleeren muten. Als der Zug wieder aufbrach, hob die dritte Frau einen kleinen Jungen auf ihre Hfte und hielt ihn dort mit einer Tragedecke. Doch lange dauerte es nicht, bis er zu strampeln anfing und auf den Boden wollte. Sie lie es zu. Hinter der Frau, die Iza folgte, schritt ein Mdchen, deren Brust Knospen trug, das, noch nicht Frau, aber ebenso beladen, ab und zu einen Blick rckwrts auf einen sehnigen Jungen warf, der am Schlu der Frauengruppe ging und sich bemhte, den Abstand zu ihr so weit wachsen zu lassen, da es aussah, als gehrte er zu den drei Jgern, die das Ende des Zuges sicherten, und nicht zu den Kindern. Gern htte er auch ein Stck Wild getragen. Selbst der alte Mann war zu beneiden, der seitwrts von den Frauen ging, einen Hasen ber der Schulter, den er mit einem Stein aus seiner Schleuder erlegt hatte. Nahrung fr den Clan beschafften jedoch nicht nur die Jger; die Frauen waren es, die hufig den greren Anteil hierbei hatten, und ihre Quellen waren zuverlssiger. So beladen sie waren, sie suchten und sammelten stndig Nhrendes, whrend sie vorwrtswanderten, und waren dabei so behend, da es den Zug kaum aufhielt. Flink wurden Knospen und Blten der Taglilien abgemacht und zarte frische Wurzeln mit wenigen Sten der Grabstcke blogelegt. Leichter noch kam man an die Triebe der Katzenschwanzgewchse, die nur aus dem Erdreich sumpfiger Wiesen zu ziehen waren. Wenn man dieses Gebiet nicht nur auf der Suche nach einer neuen Hhle durchzogen, sondern dort auch eine Bleibe gehabt htte, so wrden die Frauen sich diese Stelle eingeprgt haben, wo die hohen, langstieligen Pflanzen wuchsen, und dann spter, wenn die Tage wieder krzer wurden, zurckkehren, die zarten Wedel der Bltenstnde pflcken und sie schmackhaft zubereiten. Und noch spter konnte man aus dem gelben Bltenstaub, den man mit Strke aus den Fasern alter Wurzeln mischte, teigige, ungesuerte Fladen machen. Wenn dann endlich die Bltenstnde vertrockneten, gaben sie Flaum, und aus den zhen Blttern und Stengeln konnten korbartige Behltnisse geflochten werden. Jetzt aber sammelten die Frauen nur, was sie gerade fanden, bersahen aber kaum etwas. Neue Triebe und zarte junge Blttchen von Klee, Luzerne, Lwenzahn; Disteln, denen man die Stacheln abzog, ehe sie kleingemacht wurden; ein paar frhe Beeren und Frchte. Die spitzen Grabstcke stachen stndig in die ppige Erde und whlten sie um, gruben nach Zwiebeln, Knollen und Wurzeln. Nichts war vor ihnen sicher. Auch zum Hebeln dienten sie den Frauen, die auf der Suche nach Molchen und kstlichen dicken Wrmern Baumstmme fortwlzten, sogar als Angelstcke, mit denen sie Wasserschnecken aus den Bchen spieten und sie nher ans Ufer schoben, so da dieses Weichgetier leichter zu erreichen war. All das wanderte in die Faltenschlitze und Taschen ihrer Gewandung oder in ein freies Eckchen der Krbe. Groe Bltter dienten zum Einwickeln; manche wohlschmeckende Blttchen, wie die der groen Klette, wurden gekocht. Auch drres Holz, abgerissene ste und Gras sowie der Kot weidender Tiere wurden gesammelt. Spter im Sommer war dann die Auswahl grer, doch auch jetzt gab es Nahrung genug - wenn man nur wute, wo man suchen mute. Iza blickte auf. Ein alter Mann hinkte zu ihr hin, sobald der Zug sich wieder in Bewegung gesetzt hatte. Er trug weder Lasten noch Waffen, nur einen langen Stock, auf den er sich beim Gehen sttzen mute. Das rechte Bein war verkrppelt und dnner als das andere, und dennoch bewegte er sich mit erstaunlicher Behendigkeit. Schulter und Oberarm auf der rechten Seite waren verkmmert, und der eingeschrumpfte Arm war unterhalb des Ellbogens abgenommen worden. Die Glieder an der linken Krperseite des Mannes waren ebenmig, krftig und muskuls, so da er schief gewachsen schien, was durch seinen Schdel, massiger noch als bei den Clan-Leuten, besonders betont wurde. Unter groen Mhen und Schmerzen war er vor mehr als dreiig Wintern ans Licht gekommen und dann so geblieben. Er war der Erstgeborene, Bruder von Iza und Brun, und er wre das Haupt des Clans, wenn ihn die Natur nicht behindert htte. Seinen Krper umspannte Tierhaut, und das warme berfell, das auch als Schlafdecke diente, hatte er im Nacken wie die anderen Mnner; von seinem Grtel hingen jedoch mehrere Beutel herab, und auf dem Rcken trug er, sorgsam eingehllt, einen groen unfrmigen Gegenstand. Hliche Narben durchzogen die linke Gesichtshlfte des Einherhinkenden, dessen rechtes Auge klar und forschend die Schwester beschaute, whrend unter dem buschigen linken Brauenwulst eine leere Hhlung dunkel starrte. Es war der Mog-ur, der mchtigste Zauberer aller Clans, als Mann des Wunders und Gefhrte der Geister gefrchtet und verehrt. Er glaubte felsenfest daran, da ihm ein bresthafter Krper gegeben war, nicht um den Clan zu fhren, sondern ihm als Kundiger der Geisterwelt zu dienen, wodurch er oft mehr Macht besa als die Anfhrer, und er wute das. Nur nahe Verwandte kannten seinen Namen und riefen ihn damit. "Creb", grte Iza und bedeutete ihm, da sie sich freute, ihn neben sich zu sehen. "Iza?" sagte er und deutete mit fragender Geste auf das Kind, das sie bei sich trug. Die Frau schlug den Umhang auseinander, und Creb beugte aufmerksam das kleine gertete Gesicht. Sein Blick ruhte eine Zeitlang auf dem angeschwollenen Bein und der eiternden Wunde und wanderte dann wieder zurck zur Schwester. Das Mdchen sthnte, und das finstere Gesicht des Zauberers verzog sich zu freundlichen Falten. Er nickte beifllig. "Gut." Es war ein rauher, kehliger Laut. "Es sind schon genug gestorben", sagten seine flink sprechenden Hnde. Creb blieb an Izas Seite. Fr ihn galten die stillschweigenden Regeln nicht, die Stellung und Rang jedes einzelnen fest bestimmten; er konnte sich jedem an die Seite gesellen, auch dem Anfhrer, wenn er wollte. Der Mog-ur stand ber und neben der strengen Hierarchie des Clans. Brun hatte sie inzwischen ein gutes Stck von den Spuren der Hhlenlwen weggefhrt, als er pltzlich das Zeichen zum Halten gab und forschend den Blick ber das Land schweifen lie. Jenseits des Flusses schwang sich, soweit das Auge reichte, das Gras in sanften welligen Hgeln, fern in einem Grnblau mit dem Himmel verschwimmend. Seine Augen passierten ungehindert die wenigen krppeligen Bume, die, vom ewig blasenden Wind in Zerrbilder erstarrter Bewegung verwandelt, die Tiefe der Sicht verstrkten und die dnis hervorhoben. Eine Staubwolke am Horizont lie vermuten, da dort eine groe Herde Huftiere in Bewegung war, und Brun wnschte aus tiefstem Herzen, er knnte seinen Jgern das Zeichen geben, da sie ihnen nachstellten. Als er sich umdrehte, sah er den Wald, der in der Weite der Steppe schon fast verloren wirkte, und die Wipfel hoher Nadelbume, die aus niederem Laubblattwerk hervorstachen. Dort am Flu, wo er stand, stellten sich dem flachen Grasland schroff die Felszacken entgegen, die immer weiter vom Flu fortrhrten. Das steilwandige Felsenband zog sich hin bis zu den grauen Gerllhalden gewaltiger gletscherweier Berge, die gewhnlich das Land berschatteten, jetzt aber, im Glanz der untergehenden Sonne ihre eisverkrusteten Gipfel in Rosa, Rotgold, Violett und Purpur leuchten lieen, als krnten sie funkelndes Edelgestein. Selbst Brun, den sonst nur der Nutzen eines Dinges oder eines Ereignisses kmmerte, war von der Farbenpracht beeindruckt. Dann wandte er sich vom Flu ab und fhrte seinen Clan zu dem hochaufragenden Felsenband. Dort vielleicht gab es Hhlen. Sie brauchten endlich eine Heimsttte, genauso wie die Schutzgeister, die nach einem sicheren Ort und Feuer verlangten, wenn sie nicht schon lngst den Clan verlassen hatten. Sie zrnten, das Beben der Erde war der Anfang gewesen, das sechs Clan-Leute und die Hhle als Opfer genommen hatte. Und wenn man ihnen nicht bald einen festen Wohnplatz verschaffte, dann wrden sie den Clan den bsen Geistern bergeben, die Krankheit brachten und das Wild vertrieben. Keiner wute, weshalb die Unsichtbaren so zornig waren, nicht einmal der Mog-ur, der sie allabendlich mit wunderlichen Gebrden und Verrichtungen beschwor, um ihren Zorn zu besnftigen und die ngste des Clans zu mildern. Alle waren tief beunruhigt. Doch keiner war so starken Sinnes wie Brun. Er hatte den Clan anzufhren, und es lastete schwer auf ihm; doch Geister, nicht sichtbar und auch nicht zu greifen, diese unergrndlichen Mchte mit ihren sonderlichen Wnschen, konnten ihm nicht bange machen. Er hatte es lieber mit dem zu tun, was man fhlen, riechen, schmecken, hren und sehen konnte, wo es darauf ankam, ein guter Jger und ein guter Anfhrer zu sein. Nicht eine der Hhlen, die er bisher erkundet hatte, wre als Wohnort geeignet gewesen. Jede hatte irgendeinen Mangel. Brun geriet in immer tiefere Sorge. Kostbare warme Tage, die sie htten ausnutzen sollen, Nahrung fr die kommende Klte zu sammeln, waren schon verschwendet worden. Vielleicht wrde er bald gezwungen sein, dem Clan einfach irgendeine Hhle zuzuweisen, auch wenn es nicht die richtige war, und die Suche nach der Schneeschmelze fortzusetzen. Aber das wrde Unruhe und Verzagtheit frdern, und er hoffte zutiefst, da es nicht so weit kme. Whrend die Schatten sich vertieften, wanderten die Clan-Leute am Fu der Felswand entlang. Als sie einen schmalen Wasserfall erreichten, dessen Gischt in den langen schrgen Strahlen der Sonne in den Farben des Regenbogens schimmerte, gab Brun Befehl anzuhalten. Mde setzten die Frauen ihre Lasten ab und schwrmten aus, um am Ufer des Beckens und an den Rndern des schmalen Baches nach angeschwemmtem Holz zu suchen. Iza breitete ihren Fellumhang aus und legte das Kind darauf. Dann eilte sie davon, den anderen Frauen zu helfen. Sie machte sich Sorgen um das Mdchen, dessen Atem sehr flach war und das sich bis jetzt noch nicht gerhrt hatte; selbst sein Sthnen wurde immer seltener. Die ganze Zeit ber hatte Iza nachgedacht, wie sie dem Kind wohl helfen knnte. Sie hatte die getrockneten Krauter, die sie in ihrem Otterfellbeutel trug, durchgesehen und schaute sich nun, whrend sie Holz sammelte, aufmerksam die Pflanzen an, die in der Umgebung wuchsen. Jedes Gewchs hatte einen bestimmten Wert fr sie, als heilendes oder als Nahrung, ob sie nun um seine Anwendung schon wute oder nicht. Doch gab es kaum etwas, was sie nicht kannte. Als sie am sumpfigen Ufer des Bchleins die langen Stengel knospender Iris entdeckte, griff sie sogleich zum Grabstock, um an die Wurzeln zu kommen. Die langen dreilappigen Hopfenbltter, die sich um einen der Bume schlangen, schienen eine neue Mglichkeit zu bergen, doch lieber wollte sie das erprobte Pulver aus getrocknetem Hopfen verwenden, das sie bei sich hatte, die zapfenhnlichen Frchte wrden ja erst spter reifen. Sie schlte glatte, grau schimmernde Rinde von einem Erlenstrauch, der nahe beim Becken wuchs, und hielt die Nase daran. Die Rinde hatte einen starken Ruch. Iza nickte vor sich hin, als sie den Fund in einer Falte ihres Umhangs verschwinden lie. Ehe sie zurcklief, pflckte sie noch ein paar Hnde voll junger Kleebltter. Als das Holz gesammelt und die Feuerstelle vorbereitet war, enthllte Grod, der Mann, der mit Brun die Spitze des Zuges gebildet hatte, ein Stck glhende Kohle, das, von Moos umschlossen, im hohlen Ende eines Auerochsenhornes verwahrt wurde. Zwar konnten sie Feuer machen, aber auf ihre Wanderungen durch unbekanntes Gebiet nahmen sie lieber Glut vom letzten Lagerfeuer mit, weil das viel einfacher war, als jeden Abend ein neues Feuer zu entznden und vielleicht auch noch mit Mitteln, die dazu nicht taugten. Whrend sie umhergezogen waren, hatte Grod die glhende Kohle mit ngstlichem Eifer genhrt. Sie trug, da der Clan seit dem erzwungenen Aurbruch nur mit dieser Glut das Holz entzndet hatte, noch die Flammen der letzten Feuersttte vor der alten Hhle in sich. Und das war gut so, denn der Brauch bestimmte, da zur Weihe einer neuen Hhle das Feuer mit der gleichen Glut zu entfachen war, die ihren Ursprung in den Flammen vor der alten Behausung hatte. Nur einem Mann von hohem Rang durfte die Aufgabe anvertraut werden, dieses wandernde Feuer zu nhren. Und wenn die Kohle ausglhte, so war das ein sicheres Zeichen, da die Schutzgeister den Clan verlassen hatten. Dann verlre Grod seine Stellung als Zweiter des Clans und kme auf die unterste Stufe der Mnner, eine Erniedrigung, die er nicht erfahren wollte, denn sein Amt gereichte ihm zu hoher Ehre und lud ihm groe Verantwortung auf. Whrend Grod nun vorsichtig die Glut auf untergelegtes drres Holz legte und hineinblies, bis die Flammen aufsprangen, machten sich auch die Frauen an die Arbeit. Mit rascher Hand huteten sie das Wild, und wie das Feuer krftig brannte, brutzelte auch schon das Fleisch, das, auf angespitzte grne ste gespiet, die quer ber zwei Astgabeln lagen, unter der starken Hitze schnellstens schmorte, so da es sehr gut den Saft hielt. Mit den scharrkantigen Steinmessern, mit denen sie auch das Fleisch gehutet und geschnitten hatten, schabten und zerkleinerten die Frauen nun Knollen und Wurzeln. Fest geflochtene, wasserdichte Krbe sowie rauhwandige Holzschalen wurden mit Wasser gefllt, dann heie Steine hineingegeben, die man, wenn sie abgekhlt waren, wieder ins Feuer legte und dann immer wieder aufs neue ins Wasser tauchte, bis es kochte. Dicke Wrmer wurden gerstet und kleine Eidechsen im Ganzen gebraten, bis die zhe Haut sich schwrzte und aufsprang und das schmackhafte, gut durchgeschmorte Fleisch blolag. Iza half natrlich berall mit, setzte jedoch nebenbei ein Krftigungsmittel fr das kleine Mdchen an, in einer Holzschssel, die sie viele Jahre zuvor aus einem Klotz herausgeschnitzt hatte. Darin brachte sie Wasser zum Kochen. Sie wusch die Iriswurzeln, zerkaute sie grndlich und gab sie in das kochende Wasser. In einer zweiten Schssel, dem muschelfrmigen Teil vom Unterkiefer des Hirsches, zerdrckte sie Kleebltter, schttete etwas fein zermahlenen Hopfen in ihre Hand, ri die Erlenrinde in dnne Streifen und go kochendes Wasser darber. Danach zerfaserte sie zwischen zwei Steinen hartes Drrfleisch aus dem Notnahrungsbestand des Clans und vermischte das Ganze in einer dritten Schssel mit dem Wasser, in dem das Grnzeug gekocht hatte. Die Frau, die whrend der Wanderung direkt hinter Iza gegangen war, warf ab und zu einen fragenden Blick zu ihr hinber in der Hoffnung, Iza wrde von sich aus eine Antwort geben, denn alle Frauen und auch die Mnner, obwohl sich diese bemhten, es nicht zu zeigen, brannten vor Neugier, das Kind zu sehen, und jeder von ihnen schuf sich einen Grund, Izas Fell nahe zu sein. Einfach unerklrlich, wie das Kind dort an die Stelle gekommen war, wo man es gefunden hatte! Und wo waren die anderen, die zu ihm gehrten? Ebenfalls ein Rtsel war, weshalb Brun erlaubt hatte, da Iza das Kind mitnahm, das nicht zu ihresgleichen gehrte. Ebra sprte mehr als alle anderen das Gewicht der Verantwortung, das auf Brun lastete, und bemhte sich, mit kundigen Hnden des Anfhrers Hals und Schultern knetend, wenigstens seinen Krper zu lockern. Denn sie war es letztlich, die die hitzige Gereiztheit ihres Gefhrten auszuhalten hatte, wenn sie -selten zwar, aber dann mit Macht - von Brun Besitz ergriff, den eigentlich unerschtterliche Ruhe auszeichnete. Ebra fhlte, da seine Raserei ihm leid tat. Doch zugegeben htte Brun das nie, ber den sie sich sehr wunderte, hatte er sogar Iza erlaubt, das Kind mitzunehmen, und das gerade jetzt, wo jede absonderliche Haltung den Zorn der Geister nur noch vergrern knnte! So neugierig Ebra auch war, sie ging nicht hin, um Iza zu fragen, denn niemand durfte die Medizinfrau stren, wenn sie ihre Zauberkrfte ausbte. Und Iza hatte keine Lust zu migen Gesten. Sie war mit dem Kind beschftigt, das ihre Hilfe brauchte. Auch Creb nahm neugierig Anteil, was ihm von seiner Schwester jedoch gern gestattet wurde. In stummer Dankbarkeit folgte Izas Blick dem Zauberer, der zu dem besinnungslosen Kind hinberhumpelte und es eine Weile sinnend betrachtete. Dann lehnte er seinen Stock an einen groen Felsbrocken. Seine Hand beschrieb eine Folge flieender Bewegungen. Ein Bittgesuch an die guten Geister, bei der Gesundung des Kindes zu helfen. Waren doch sie es, die ihren Krieg und manchen Hader im Krper des Menschen austrugen, was dann als Krankheit oder Verletzung sichtbaren Ausdruck fand. Izas Heilkrfte waren der Schutzgeister Gabe, die durch sie handelten; der Zauberer jedoch konnte von sich aus mit ihnen in Verbindung treten und durfte somit bei keinem Krankenlager fehlen. Iza hatte keine Ahnung, weshalb sie solche Sorge um ein Kind versprte, das nicht zum Clan gehrte, aber sie wnschte, da es am Leben bleiben mge. Als der Mog-ur zum Ende seiner Beschwrung gekommen war, nahm Iza das Mdchen in die Arme und trug es zu dem kleinen Becken am Flu des Wasserfalls, tauchte es dort bis zum Kopf hinein und wusch den Schmutz und den verkrusteten Schlamm von dem mageren kleinen Krper. Das khlende Wasser belebte das Kind, in dem immer noch Fiebertrume rasten, so da es wild um sich schlug und Laute ausstie, die die Frau nie zuvor gehrt hatte. Fest hielt Iza das Kind an sich gedrckt, als sie zum Lager zurckkehrte, und versuchte, es mit leisen, kehligen Murmellauten zu beruhigen. Behutsam, doch mit der Grndlichkeit langer Erfahrung, wusch Iza die Wunden mit einem Stck weicher Kaninchenhaut, das sie in einen Sud tauchte, in welchem die Iriswurzeln gekocht hatten. Dann schpfte sie das Wurzelfleisch ab, legte es auf die blutigen Stellen am Bein des Kindes, deckte Kaninchenhaut darber und umwickelte das Ganze, damit nichts verrutschte, mit Hirschhaut, die in Streifen geschnitten war. Mit einem gegabelten Zweig holte die Medizinfrau dann den zerdrckten Klee, die zerfaserte Erlenrinde und zuletzt die Steine aus der Knochenschale, die neben die Schssel mit der heien Brhe zu liegen kamen, damit sie abkhlen konnten. Creb deutete auf die Schsseln, nicht um zu fragen, denn selbst ihm war das Wissenwollen ber Izas Zaubermittel untersagt, sondern um zu zeigen, da er ihr Tun achten wolle. Iza strte dies nicht, war der Bruder doch mehr als jeder andere imstande, ihr Wissen zu wrdigen, gebrauchte er doch selbst einige der Krauter, die auch sie verwendete. "Das hier wird die bsen Geister vernichten, die Vergiftung bringen", bedeutete ihm Iza und wies auf den reinigenden Sud aus Iriswurzeln. "Und hiervon die Wurzeln auf die Wunde gelegt, zieht das Gift heraus." Sie nahm die kncherne Schssel, tauchte einen Finger hinein und prfte, wie hei der Aufgu noch war. "Schau, der Klee hier strkt das Herz, damit die Kleine sich gegen die bsen Geister zu wehren vermag." Hin und wieder verwendete Iza Gesprochenes, um sich mitzuteilen, besonders aber dann, um dem, was sie meinte, Gewicht zu verleihen, denn die Clan-Leute waren nicht imstande, so unterschiedliche und fein abgestufte Laute oder Verbindungen von Lauten zu artikulieren, als da man htte sagen knnen, sie htten eine Sprache, die, vom Ohr erhrt, in ihrem Sinn entschlsselt wrde. Nein, diese nicht. Vielmehr drckten sie das, was sie mitteilen wollten, hufiger durch Gesten und Bewegungen aus, doch ihre Zeichensprache war umfassend und reich an Bedeutungsmglichkeiten. "Klee ist Nahrung. Wir essen ihn oft", machte Crebs Hand. "Ja", nickte Iza, "auch heute. Des Zaubers Kraft liegt in der Zubereitung. Ein groes Bschel Klee wird in wenig Wasser gekocht. Ihm wird entzogen, was ntig ist. Die Bltter werden weggeworfen." Creb nickte bezeichnend. "Erlenrinde", deutete sie an, "reinigt das Blut und treibt die bsen Geister aus, die es vergiften." "Du hast aber etwas aus dem Beutel da genommen." "Ja, gemahlenen Hopfen; hier, die reifen Zapfen mit den feinen Hrchen. Das beruhigt, und sie kann schlafen. Denn whrend die Geister miteinander kmpfen, braucht sie Ruhe", machte Iza und deutete auf das Mdchen. Creb nickte wieder bedchtig. Da Hopfen schnellen und tiefen Schlaf brachte und - anders bereitet - auch milde Wirbel im Kopf, und den ganzen Krper leichter machte, wute auch er. Obwohl auf Izas Zubereitungen immer neugierig, verriet er nur selten freiwillig etwas ber die Art, wie er die Zauberkraft der Krauter einsetzte. Dieses Wissen war geheim, nur den Mog-urs und ihren Gehilfen gestattet. Fr Frauen war es nicht bestimmt, nicht einmal fr Medizinfrauen. Zwar wute Iza mehr ber die wundersamen Krfte von Pflanzen als er, und es stand zu befrchten, da sie allzuviel erriet, aber es konnte auch nichts Gutes bringen, wenn sie sich zuviel ber seine Kunst merkte. "Und die andere Schssel?" Sein Armstumpf hob sich in deren Richtung. "Da ist nur Brhe drin. Das arme Kind ist ja halb verhungert. Was ihm wohl geschehen ist? Woher kommt es? Wo sind seine Leute? Es mu viele Tage allein umhergewandert sein." "Das wissen die Geister", antwortete Mog-ur. "Glaubst du, dein Heilzauber wird bei ihr wirken? Sie gehrt nicht zum Clan." "Ich glaube schon. Die Fremdlinge sind uns hnlich. Mutter hat uns doch von dem Mann erzhlt und seinem gebrochenen Arm, den ihre Mutter dann geheilt hat. Und bei ihm wirkte der Clan-Zauber auch, wenn es auch etwas lnger dauerte, bis er nach dem Schlafmittel wieder die Augen aufschlug." "Es ist traurig, da du sie nie gesehen hast, Iza, die Mutter unserer Mutter. Sie war eine gute Medizinfrau. Auch Leute anderer Clans sind zu ihr gekommen. Jammervoll, da sie so bald von uns ging, nachdem sie unsere Mutter geboren hatte, und in das Reich der Geister kam. Sie und auch der Mog-ur vor mir haben selbst von diesem Mann erzhlt, der eine Weile blieb, nachdem er wieder laufen konnte. Er jagte mit dem Clan; mu ein guter Jger gewesen sein, denn er durfte sogar an einem Jagdfest tanzen. Ja, es ist wahr, es sind Menschen - Erdlinge wie wir - aber sie sind anders." Der Mog-ur lie den Arm sinken. Iza war viel zu scharfsinnig, als da er ohne Preisgabe seiner Stellung weitermachen konnte, denn fr Iza wre es leicht gewesen, sich ein Bild von den geheimen Ritualen der Mnner zu machen. Crebs Schwester prfte noch einmal den Inhalt ihrer Schsseln, dann legte sie den Kopf des Kindes in ihren Scho und flte ihm in winzigen Schlucken das Gebru aus der Beinschssel ein. Das Kind murmelte abgerissene Worte und versuchte, sich gegen das Bittere in seinem Munde zu wehren, aber sein ausgehungerter Krper gierte nach Nahrung. Iza hielt das Mdchen solange im Scho, bis es in einen tiefen Schlaf sank, tastete prfend nach der Kleinen Herz, das jetzt gleichmiger schlug, legte ihr Ohr an den Mund des Kindes und hrte, wie die Luft ruhig ein- und ausging. Sie hatte getan, was in ihrer Macht stand. Wenn der Tod dem Kind nicht schon zu nahe war, gab es Hoffnung; nur noch die Geister konnten helfen. Iza sah, wie Brun sich zu ihr auf den Weg machte. Mivergngt schaute er zu ihr, so da sie hastig aufsprang und den Frauen zur Hand ging. Seit seiner Entscheidung hatte er nicht mehr an das fremde Kind gedacht, jetzt aber stiegen in ihm dstere Bilder auf. Zwar war es Sitte, die Augen abzuwenden, wenn andere miteinander sprachen, aber es war wirklich augenfllig, was den Clan bewegte. Die Verwunderung der ihm Anvertrauten ber die Erlaubnis Iza gegenber, das Kind mitzunehmen, weckte nun auch in ihm ein Gefhl der Unsicherheit, und es regte sich die Furcht, da der Zorn der Geister durch den Findling noch genhrt werden knnte. Dies wollte er seiner Schwester klarmachen und zu ihr hinbergehen, als Creb ihn zurckhielt. "Was gibt's, Brun? Dein Gesicht ist voll Sorge." "lza mu das Kind hierlassen, Mog-ur. Es gehrt nicht zum Clan. Die Geister zrnen, wenn es bei uns ist und wir nach einer neuen Hhle suchen. Ich htte Iza nicht erlauben sollen, es mitzunehmen." "Nein, Brun", entgegnete der Mog-ur. "Schutzgeister werden durch Gte nicht erzrnt. Du kennst Iza. Sie kann es einfach nicht ertragen, ein Geschpf leiden zu sehen, ohne zu versuchen, ihm zu helfen. Und die Geister kennen sie doch auch. Wenn sie nicht wnschten, da Iza dem Kind hilft, dann htten sie es ihr nicht auf den Weg gelegt. Das Kind mag vielleicht dennoch sterben, Brun, aber wenn der Groe Br es in die Welt der Geister rufen will, dann la das seine Entscheidung sein. Rhre du jetzt nicht daran. Das Kind wird sterben, wenn wir es zurcklassen." Brun war noch nicht berzeugt; etwas an dem Kind machte ihn unruhig. Doch er unterwarf sich des Mog-urs grerem Wissen um die Geister und ihr Reich und gab Ruhe. Nach dem Verzehr hockte Creb in Schweigen versunken da und wartete auf die anderen, bis auch sie fertig waren; erst dann wrde er mit den allabendlichen Beschwrungen der Geister beginnen. Inzwischen richtete Iza fr den Bruder den Schlafplatz und bereitete einiges fr den nchsten Tag. Der Mog-ur hatte bestimmt, da Mnner und Frauen nicht Leib an Leib liegen durften, solange keine neue Hhle gefunden war, damit die Manneskraft den Ritualen gelte und allen das Gefhl gegeben wurde, sie leisteten etwas, das sie einer neuen Heimstatt nherbrachte. Iza berhrte das nicht sonderlich. Sie hatte einen Gefhrten gehabt - er war bei dem Einsturz der Hhle ums Leben gekommen - und bei seiner Bestattung mit dem blichen Schmerz um ihn getrauert; es htte Unglck gebracht, anders zu handeln; aber sie war nicht betrbt ber seinen Tod, denn er war grausam gewesen und nie zufriedenzustellen. Zuneigung hatte es zwischen ihnen nie gegeben, und sie wute nicht, was Brun ber sie beschlieen wrde, jetzt, wo sie allein war. Denn jemand wrde fr sie und das Kind, das sie in sich trug, sorgen mssen. Fr Creb htte sie gerne weitergekocht. Er hatte von Anfang an ihr Feuer geteilt und zu verstehen gegeben, da er ihren Gefhrten ebenso wenig mochte wie sie, wen" er slcn auch niemals in die Schwierigkeiten ihrer Verbindung eingemischt hatte. Schon immer galt ihr es als Ehre, fr den Mog-ur zu kochen; aber es war noch mehr. Sie mochte ihren ruder nach und nach so, wie die anderen Frauen ihren Gefhrten mochten. Iza bedauerte Creb manchmal, der eine eigene Gefhrtin htte haben knnen. Doch sie wute, da trotz seiner groen Zaubermacht und hohen Stellung im Clan keine Frau je seinen migestalteten Krper und sein vernarbtes Gesicht ohne Abscheu ansah, und sie war sicher, da auch er es wute. So nahm er niemals eine Gefhrtin; auch nicht mit dem Krper, was ihm zustzliche Achtung verschaffte. Jeder, vielleicht auer Brun, frchtete den Mog-ur. Nur Iza nicht, die, seit sie da war, Crebs Sanft"1111 und Empfindsamkeit erfahren hatte, als eine Seite seines Wesens, die er selten offen zeigte. Und eben diese Seite regte sich nun wieder; denn statt seinen Geist ganz auf die heilige Handlung zu richten, war der Mog-ur bei dem kleinen Mdchen. Schon immer war er begierig gewesen, etwas ber die Leute dieser Art zu erfahren, aber die Clan-Gefhrten gingen den Fremdlingen mglichst aus dem Weg, und nie zuvor hatte er eines ihrer Kinder gesehen. Er konnte nicht wissen, da dieses Beben der Erde das Kind zur Waise gemacht hatte, doch es berraschte ihn, da die anderen so nahe waren. Gewhnlich hielten sie sich viel weiter unten im Land auf, dort, wo es in der warmen Zeit viel lnger hell blieb als hier oben. Er sah, wie einige Mnner aufstanden, um den Lagerplatz zu verlassen. Er stemmte seinen Stock in die Erde und zog sich daran hoch; es galt, die Vorbereitungen zu berwachen, denn das Ritual war der Mnner Vorrecht und Pflicht zugleich. Selten genug gab es fr die Frauen Gelegenheit, an den Beschwrungen teilzuhaben, und von dieser waren sie gnzlich ausgeschlossen. Grtes Unheil wre ber den Clan gekommen, htte eine Frau je die geheimen Handlungen der Mnner beobachtet; die Schutzgeister wren vertrieben, der ganze Clan dem Tod geweiht. Doch die Gefahr, da dieses Ungeheuerliche geschehen wrde, war gering. Niemals wre es einer Frau in den Sinn gekommen, sich auch nur in die Nhe eines so bedeutsamen Ereignisses zu wagen. Davon abgesehen war die Abwesenheit der Mnner eigentlich hochwillkommen, konnte man doch endlich einmal ausspannen und machen, was man wollte, ohne gleich von ihnen zu einer Arbeit oder der Vereinigung der Krper gezwungen zu werden, was besonders mhsam wurde, wenn die Mnner in der jagdarmen Zeit beim Clan waren und dann, voller Unrast und uerst reizbar, das Jagdpech die Gefhrtinnen entgelten lieen. Auch die Frauen wnschten sich von Herzen, da man endlich eine neue Hhle fnde; sie htten gerne geholfen, aber zu befehlen oder zu fordern, wohin es gehen sollte, war ihnen verwehrt. Brun bestimmte die Richtung. Die Frauen wurden nicht um Rat gefragt. Sie vertrauten den Mnnern, die fhrten, die Verantwortung bernahmen und Entscheidungen trafen. Zu einer Vernderung dieser Aufteilung der Arbeit und der Macht war man schon seit langem nicht mehr fhig. Gepflogenheiten, die vor Tausenden von Sommern und Wintern angenommen worden waren, lagen jetzt im Krper beschlossen. Mnner wie Frauen fanden sich kampflos damit ab; in Unvermgen erstarrt, wrde es ihnen nie gelingen, aus ihrer Haut herauszukommen und sich an das Neue heranzumachen. Nachdem die Mnner nun gegangen waren, versammelten sich die Frauen um Ebra und hofften, auch Iza wrde sich zu ihnen hocken, damit endlich ihre Neugier gestillt wrde. Doch die Medizinfrau fhlte sich wie erschlagen; erschpft blieb sie bei dem Kind, das sie nicht allein lassen wollte. Sie legte sich daneben und schlang zrtlich ihr Fell um das schlafende Mdchen, das sie im flackernden Licht des sterbenden Feuers wie gebannt beobachtete. Seltsam, dieses kleine Ding, fand sie. Recht hlich eigentlich. So ein flaches Gesicht unter der hohen gewlbten Stirn, und die Nase nur ein kleiner Stumpf... Und dieser merkwrdige knochige Auswuchs unter dem Mund ... Dabei bewegte Iza die Lippen, als sprche sie zu sich selbst. Wie alt sie wohl ist? Sie ist so gro, das tuscht. Und so mager. Man kann ja die Knochen fhlen, ging ihr durch den Kopf. Beschtzend legte sie ihren Arm um den Findling. Der Mog-ur trat etwas zurck, als die Mnner eintrafen. Jeder suchte sich seinen Platz hinter einem der Steine, die ringfrmig innerhalb eines greren Kreises von Fackeln angeordnet waren. Sie befanden sich auf freiem Feld, fern vom Lagerplatz. Der Zauberer wartete, bis alle Mnner sich gesetzt hatten. Nach einer Weile trat er in die Mitte des Steinkreises, in der Hand einen brennenden Stab wohlriechenden Holzes. An der Stelle, wo nur sein Stock im Boden stak, drckte er die kleine Fackel in die Erde. Hochaufgerichtet stand er in der Mitte des Kreises. ber die Kpfe der sitzenden Mnner hinweg sah er mit trumerischem, schwimmendem Blick in dunkle Fernen, als schaute er mit seinem einen Auge eine Welt, fr die anderen nie zu erblicken. Mit seinem schweren Umhang aus der Haut des Hhlenbren war er eine fast bengstigende und seltsam unwirkliche Gestalt. Ein Mensch und doch kein Mensch, mit seinem zerschundenen Krper und dem entstellten Gesicht; nicht mehr und nicht weniger, einfach anders. Aber gerade seine Migestalt verlieh ihm etwas bernatrliches, das niemals ehrfurchtgebietender wirkte als in solchen Augenblicken. Pltzlich brachte er mit einer blitzschnellen Handbewegung einen Schdel zum Vorschein. Mit dem krftigen linken Arm hielt er ihn hoch ber seinen Kopf und drehte sich langsam im Kreis, so da ein jeder die klobige, hoch aufgewlbte Form sehen konnte. Der Schdel des Bren! Die Mnner starrten ihn an, der im flackernden Fackellicht wei leuchtete. Der Mog-ur setzte ihn vor der kleinen Fackel auf den Boden, lie sich dahinter niedefr und schlo den Kreis. Ein junger Mann, der neben ihm sa, erhob sich und griff nach einer Holzschale. Goov hie dieser, der, man hatte kurz vor dem Erdbeben ihn feierlich zum Manne gemacht, schon als Junge zum Gehilfen des Mog-ur bestimmt war und diesem schon oft bei seinen Vorbereitungen geholfen hatte. Doch erst jetzt war es ihm erlaubt, an den Kulthandlungen selbst teilzunehmen. Bevor sie aufgebrochen waren, eine neue Hhle zu suchen, hatte er es zum ersten Mal gedurft. Fr Goov wrde der Einzug in eine neue Hhle von besonderer Bedeutung sein, denn hierbei knnte er dem groen Mog-ur selbst ber die Schulter sehen und sich die Feinheiten einprgen, die zu diesen selten vorgenommenen und schwer zu beschreibenden heiligen Handlungen gehrten. Als Kind war ihm der Zauberer furchtbar erschienen, wenn er auch gesprt hatte, da es zur Ehre gereichte, erkoren zu werden. Seitdem hatte der junge Mann nach und nach erfahren, da der Krppel nicht nur der hellsichtigste Mog-ur war, den er kannte, sondern da sich hinter seiner herben Strenge auch etwas Gtiges und Sanftes verbarg. Deshalb achtete Goov ihn als Vorbild und liebte ihn. Vorhin, als Brun Befehl zum Halten gegeben hatte und ihm die untergehende Sonne gerade noch gengend Licht hinterlie, hatte der junge Mann den Trankzubereitet, der sich jetzt in der Kultschale befand. Zwischen zwei Steinen mute man zu nchst ganze Daturapflanzen zerstampfen. Und dann kam das Schwierige, nmlich Menge und Verhltnis von Blttern und Stengeln und zu Blten richtig abzuschtzen. Danach war kochendes Wasser darberzugieen, und dann hatte das Gebru so lange zu ziehen, bis die heilige Handlung begann. Unmittelbar bevor der Mog-ur in den Kreis getreten war, hatte Goov den starken Daturasud ber seine gespreizten Finger gegossen und in die Kultschale flieen lassen und erhoffte ngstlich das zustimmende Nicken des Zauberers. Goov hielt die Schale, whrend der Mog-ur einen kleinen Schluck nahm, beifllig nickte und dann trank. Erleichtert und stolz vor Freude trug Goov, der Rangordnung der Mnner folgend, die Schale reihum. Zuerst zu Brun. Jedem hielt er das Gef an den Mund, bestimmte die Menge, die zu trinken war, und leerte als letzter die Schale. Der Mog-ur wartete, bis sein Gehilfe sich gesetzt hatte; dann gab er das Zeichen. Mit den stumpfen Enden ihrer Speere begannen die Mnner rhythmisch auf den Boden zu klopfen. Das stetige dumpfe Pochen der Speere steigerte sich, bis kein anderes Gerusch mehr zu hren war. Das drhnende Auf und Ab der Speerschfte bannte die Hirne der Mnner, die pltzlich aufsprangen und sich hin und her bewegten, bis auf den Zauberer, der unverwandt auf den Schdel starrte. Sein brennender Blick zwang die Augen der Mnner auf den heiligen Brenschdel. Als die Gesichter der Mnner in zitternder Erregung sich verzerrten und auf ihren Krpern Wasserperlen funkelten, blickte Creb zu seinem Bruder, dem Mann, der den Clan fhrte, und jetzt vor dem Schdel niedersank. "Geist des Bisons, Zeichen des Brun", begann der Mog-ur und vollfhrte mit der einen Hand eine rasche Folge gewellter, verschlungener und zerhackter Bewegungen, ohne ein weiteres Wort als "Brun" hervorzustoen, die berkommene und wesensmige Weise, in der mit Geistern, aber auch mit anderen Clans Verbindung aufgenommen wurde. Instndig beschwor er den Geist des Bisons, ihnen alles Bse zu vergeben, das sie vielleicht getan und welches ihn erzrnt hatte, und erflehte seine Hilfe. Dieser Mann, er zeigte auf Brun, habe doch die Geister immer geehrt und stets die Gebruche des Clans beachtet. Er sei ein starker Fhrer, klug und gerecht, ein guter Jger, kmmere sich um alles, sei doch ein besonnener Mann, des mchtigen Bisons wrdig. Er, der groe Geist, solle sich nicht abwenden, sondern Brun zu einer neuen Hhle fhren, zu einem Ort, wo auch er zufrieden sei. Danach richtete der Mog-ur seine Augen auf den Zweiten des Clans. Als Brun wie betubt auf seinen Platz zurckwich, sank Grod vor dem Schdel des Hhlenbren in die Knie und hob die Hand zur Beschwrung, die noch nie Frauen widerfahren war, da sie nicht zu wissen hatten, da ihre Mnner, die stets vermeinten, unerschtterliche Kraft zu zeigen, die Geister genauso flehentlich baten, wie die Frauen oft die Mnner. "Geist des Braunbren, Zeichen des Grod", begann der Mog-ur von neuem und heischte behend um die Gunst dieses Geistes. Und so wurde das Zeichen des Geistes eines jeden Mannes angerufen. Als die Reihe um war, hielt der Mog-ur den Blick wieder auf den Schdel gerichtet; die Mnner stampften wieder mit ihren Speeren auf den Boden; ein neuerliches Zittern durchlief die gedrungenen Krper. Alle wuten sie, was nun kommen wrde. Nicht das Hirn, der Krper zeigte ihnen an, was Abend fr Abend zu geschehen hatte und dennoch mit unverhohlener Begier erwartet wurde: Der Mog-ur wrde den Geist des Bren rufen, sein eigenes Zeichen, jenen unter den Geistern, den sie am meisten verehrten. Der Hhlenbr war nicht nur des Mog-urs Zeichen, er war das Zeichen aller; der mchtigste aller Geister, der hchste Beschtzer, und mehr als das. Durch ihn fhlten die Clan-Leute sich eingebunden in die Gemeinschaft derer, die wie sie waren. Indem sie verehrten, was ihnen gemeinsam war, waren sie vereint und sprten die Kraft, welche all die kleinen, verstreut lebenden Clans zusammenfgen konnte, den groen Clan des Bren. Mit einem Mal - und weit ausholend - gab der einugige Zauberer das Zeichen. Schnell lieen die Mnner ihre Speere sinken und setzten sich hinter ihre Steine, doch das schwere Gedrhn pulste noch durch ihre Adern und hmmerte in den Kpfen. Der Mog-ur griff in einen kleinen Beutel und entnahm ihm getrocknete Brlappsporen. Dann hielt er die Hand ber die kleine Fackel, beugte sich vor und blies in die Flamme. Regengleich prasselten die Sporen in das Feuer, flammten auf und taumelten im grellweien Lichtschein rings um den Brenschdel zu Boden. Der Brenschdel leuchtete auf und gewann an Leben fr die Mnner, deren Sinne die Daturapflanze getrbt hatte. Die hohle Klage einer Eule trieb ihnen Schauer ber den Rcken. Machtvoll hob der Mog-ur an zu deuten und mit beredten Zeichen den Geist zu beschwren, seinem Clan eine neue Hhle zu geben, so wie einst der Hhlenbr den Gro-Clan gelehrt hatte, in Hhlen zu leben und Felle zu tragen. Auch schtzen solle er den Clan, vor dem grimmen Geist des Winters und der weien Berge, der Strme und der Kltnis. Erhren mge er die Bitte seines Clans, jetzt, wo er ruhelos und ohne Schutz war, ihn vor dem Bsen zu bewahren und ihn nicht zu verlassen. Er htte sie doch immer schon gefhrt, von Anfang an, und alles sei durch ihn bestimmt. Und pltzlich legte der mchtige Mog-ur die gesunde Hand ber die buschigen Augenwlste und versank in starrem Schweigen. Sein Hirn bewegte sich. Es sah. Zurck und nach vorne. Den Anfang und das Ende. Crebs Hirn schichtete Erfahrungen wie Steine so schwer und suchte sie zu verbinden. Es dachte in ihm. Eigentlich waren diese Erdlinge sehr einfach im Kopf. Sie hatten dort ein massiges Gehirn sitzen, grer als das aller anderen ihrer Art vor ihnen und noch Kommender. Sie waren einzigartig, die hchste Ausformung einer Hominidenart, deren Gehirn sich im Hinterhaupt entWikkelt hatte, wo der Gesichtssinn sitzt, die Wahrnehmungen des Fhlens, Hrens und Schmeckens gebndelt werden, das Denken erfolgt und dort auch als Gedachtes gespeichert wird. Diese Fhigkeit machte sie zu auergewhnlichen Geschpfen, die hinter ihren flachen, fliehenden Stirnplatten das bewute Wissen vom Urverhalten entwickelt und verfgbar hatten. Jedoch nicht nur die eigenen Erinnerungen lagen dort, sondern sie konnten auch die Erinnerungen derer, die vor ihnen da waren, in sich wachrufen. Und noch ein weiterer Gedankenschritt war mglich. Manche konnten auf gemeinsam Erfahrenes zurckgreifen, sich der Entwicklung ihrer eigenen Art erinnern, und wenn sie tief in sich hineinblickten, konnten sie diese Erinnerung, die bei ihnen allen die gleiche war, verschmelzen und geistig eins miteinander werden. Und eben dieses Vermgen war im Gehirn des zernarbten, krppligen Zauberers vollendet entwickelt. Creb, der sanfte, behinderte Creb, dessen bergroes Gehirn im Kopf die Entstellung seines Krpers verschuldet hatte, hatte als Mog-ur gelernt, die Macht eben dieses Hirnes zu gebrauchen, das er einsetzte, um die Gefhrten in der Runde, von denen doch jeder mit sich alleine war, zu einem Geist, zu einem Fhlen zu verschmelzen und dann zu lenken bis hin in die Vergangenheit ihrer Art, wo sie mit ihren Vorfahren eins werden konnten. Er war der Mog- ur. Er besa wahre Macht - und nicht die Macht des Scheins, die sich nur auf Lichtzauberei oder durch berauschende Mittel erzeugte Verwirrung des Kopfes verstand. Fr Creb war dieses nur Beiwerk, eine Einstimmung der Mnner auf den Weg, den er sie fhren wrde. Und dann durchlebten sie in dieser stillen, von fernen Himmelslichtern erleuchteten Nacht Visionen, die einfach nicht beschrieben werden knnen, denn sie sahen diese Bilder nicht nur, sondern sie fhlten sie auch in sich, wie sie aufstiegen aus dem Nebel der Erinnerung, der Ahnung und des Unbewuten, mhlich zu Vorstellungen gerannen und fabar wurden. In den Tiefen ihres Geistes fanden sie die unentwickelten Gehirne, sie sahen sich als Meeresgeschpfe, die in ihrem warmen, salzreichen Lebenselement dahintrieben, sie durchstanden den Schmerz ihres ersten Atemzugs an der Luft, sie kmpften den Kampf der Zweielementigen, als diese sich zu Wasser und zu Land bewegen lernten. Da der Hhlenbr das alle verbindende Zeichen war, beschwor der Mog-ur ein Urwesen, das beide Arten, die sugenden Tiere und die Menschen, und zahllose andere hervorgebracht hatte, und verschmolz die Sinne der Mnner mit den Anfngen des Bren. Und indem sie die Zeiten durchlebten, als sich die Berge falteten und Feuer spieen, Klte das Land umklammert hielt, das sich vom Wasser geschieden hatte, traten sie nach und nach in den Krper eines jeden ihrer Vorfahren und wurden jener gewahr, die sich abspalteten und andere Formen bildeten. Es war ihnen, als seien sie ein Teil allen Lebens auf der Erde; und die Ehrfurcht, die daraus erwuchs, selbst fr die Tiere, die sie tteten und von denen sie sich nhrten, legte den Grund fr die geistige Einheit mit ihren Zeichen. Auf diese Weise durchmaen sie die Zeiten, und erst als sie der ihren nahe kamen, spalteten sie sich auf und wurden ihre Ahnen und schlielich wieder sie selbst. Das alles dauerte eine ganze Ewigkeit, dabei war doch nur eine kurze Zeit verstrichen. Als die Mnner - einer nach dem anderen - zu sich selbst zurckgekehrt waren, standen sie leise auf und gingen davon. Sie wickelten sich in ihre Felle und fielen in einen tiefen Schlaf ohne Trume, denn die waren schon verbraucht. Der Mog-ur war der letzte. Einsam und versunken sa er da. Ja, zwar waren sie fhig, die Leute des Clans, das Vergangene in seiner ganzen Tiefe zu erleben und zu versinken in die Bilder ihrer Abkunft. Doch war da eine Grenze, die Creb sprte, die andere aber nie sehen wrden: Sie konnten nicht vorausblicken. Nur er allein hatte eine Ahnung dieser Mglichkeit. Nur der Mog-ur war sich bewut, da das Gegenwrtige das Vergangene vom Kommenden unterschied. Nur er begriff, da die Leute des Clans nichts Neues schaffen konnten, fr das bermorgen nicht zu planen, nicht vorauszusehen vermochten. All das, was sie im Kopf oder in ihren Hnden hatten, war eine Wiederholung dessen, was schon frher getan worden war. Selbst das Vorratsammeln fr die kargen Zeiten kam letztlich aus vergangener Erfahrung. Doch einmal hatte es die Zeit gegeben - schon lange war es her -, als Neues weniger zgernd in die Kpfe kam. Da war ein Stein gefunden worden, zersprungen, scharfkantig und sehr wohl geeignet, das Weichere mit Leichtigkeit zu schneiden; man dachte sich, da dieses auch mit Absicht herzustellen sei, und schlug das Steinzeug so in Form, da man's als Werkzeug nutzen konnte. Da war das warme Ende eines Stocks, gezwirbelt zwischen flachen Hnden, aus Neugier, ob's noch wrmer wrde, noch rascher bewegt worden und noch lnger, bis das trockene Gras drumherum sich kruselte, zu rauchen begann und pltzlich brannte. Doch mit der Flle der Erinnerungen, die ihre Hirne ausweiteten, nahm die Fhigkeit dieser Menschen zur Vernderung rasch ab. Es war kein Raum mehr fr neue Einflle, fr Erfundenes, was man im Kopf htte behalten mssen; auch waren ihre Schdel schon zu gro, und die Frauen taten sich schwer beim Gebren. Das Leben der Clan-Leute war unvernderlich. Vom ersten Lichtblick an bis zum Eintritt in das Reich der Geister war alles durch die Vergangenheit bestimmt und eingegrenzt. Es war ein Versuch zu berleben, unbewut und ungeplant, als letzte Kraftanstrengung der Natur, diese eine Art von Menschen nicht aus sich heraus sterben zu lassen. Doch eigentlich umsonst! Die Vernderung um sie herum war nicht mehr aufzuhalten; sie geschah einfach. Und Widerstand dagegen war tdlich, dem berleben entgegengerichtet. Es machte den Clan-Leuten Mhe, sich anzupassen. Erfindungen gab es nur zufllige, und hufig wurden sie nicht gentzt. Und wenn man etwas erlebte, das neu war, konnte das zwar dem Hirn vermittelt werden, aber jede Vernderung hieran vollzog sich nur langsam und mhselig. War ihnen die Natur jedoch einmal aufgezwungen, so folgten sie starr der neuen Richtung. Und weil sie nicht lernen konnten, lieen sie sich leiten. Doch diese Art war nicht gerstet fr ein berleben in der Welt um sie herum, die sich stndig wandelte. Sie hatten nichts im Kopf, was sie in eine andere Richtung htte lenken knnen. Dieses wrde einer anderen Art des Menschen vorbehalten bleiben, deren Hirn vielschichtiger wre und auf das Zuknftige gerichtet. Whrend der Mog-ur sinnend bei den Steinen sa und zusah, wie die letzte Fackel blaffend erlosch, entstand vor ihm das Bild des Findelkindes, das Iza mitgenommen hatte. Seine Unruhe wuchs sich zu einem krperlichen Unbehagen aus. Menschen seiner Art war man schon frher begegnet. Nicht viele dieser zuflligen Begegnungen waren gut verlaufen. Woher sie gekommen waren, diese Fremdlinge, war ihm unerklrlich. Was er wute, war, da sie Neulinge waren im Land und da es seitdem anders war hier, wo der Clan sich befand. Und es schien ihm, da sie die Vernderung mit sich brchten. Creb schttelte sich, als knne er loswerden, was ihn bedrckte, hllte den Schdel des Bren sorgfltig in seinen Umhang, langte nach seinem Stock und hinkte davon. ~Kapitel 3 Das Kind wlzte sich herum und sthnte. "Mutter", schrie es und fuchtelte wild mit den Armen, und nochmals, lauter: "Mutter!" Leise vor sich hinmurmelnd zog Iza das angstgepeinigte Wesen an sich. Die wrmende Nhe der Frau und die beruhigenden Laute durchdrangen seine Fiebertrume und trsteten die Kleine, die sich bisher rastlos hin und her geworfen und Iza mit ihrem Gesthn und neberirren Geplapper immer wieder geweckt hatte. Diese Laute waren seltsam, so anders als das, was die Clan-Leute herausbrachten. Dem Kind kamen sie leicht ber die Lippen, flieend, und ein Laut schwang sich zum nchsten. Iza htte das nicht nachmachen knnen, denn ihre Ohren waren nicht darauf vorbereitet, diese feineren Schwingungen des Tons und seine Verschleifungen aufzunehmen. Doch was ihr auffiel, war die besondere Folge von Lauten, die immer wieder zu hren war. Iza war sicher, da dies ein Name sei, der jemandem gehrte, der dem Kind sehr nahe gewesen war. Doch als sie sprte, da durch sie die Kleine getrstet war, begann sie es zu ahnen. Eigentlich kann sie noch nicht sehr alt sein, dachte Iza. Nicht einmal wie man Nahrung sucht, hat sie gewut. Wie lange sie wohl schon alleine war? Was ihr denn zugestoen sein mag? War'S vielleicht auch das frchterliche Beben der Erde gewesen? Ob sie schon lange so allein umherlief? Und wie war sie dem Hhlenlwen entkommen, ohne mehr als diese Prankenhiebe abbekommen zu haben? Mchtige Geister mssen sie beschtzen, dachteIza. Der Tagesanbruch nherte sich, und es war noch dunkel, als die Hitze im Krper des Kindes etwas absank. Iza drckte die schweigebadete Kleine fest an ihre Brust und freute sich. Wenig spter erwachte das Mdchen, verwirrt, und schaute auf und wute nicht, wo es lag, denn ringsum war Finsternis. Sie sprte die weiche Flle der Frau, die nach Milch roch und Krautern, schlo wieder die Augen und fiel in einen ruhigeren Schlaf. Als der Himmel erblate und der schwache Schimmer des Tages die Bume scharf umri, kroch Iza leise unter dem warmen Fell hervor, schrte das Feuer und legte Holz nach. Dann ging sie zu dem kleinen Bach, fllte eine Schale mit dem klaren Wasser und schlte Rinde von einer nahen Weide. Einen Augenblick lang verharrte sie, umfate ihr Amulett und dankte den Geistern, da sie die Weidenbume hatten wachsen lassen, so ppig gar, und ihnen eine heilende Rinde gegeben. Gegen Schmerzen kannte sie strker wirkende Mittel, doch diese schlferten auch die Sinne ein. Die wohlttige Rinde der Weide jedoch betubte nur den Schmerz und senkte das Fieber. Einige Frauen und Mnner fingen an, sich aus den Fellen zu schlen, als Iza schon am Feuer sa und kleine heie Steine in die Schale mit dem Wasser und der Weidenrinde tauchte. Als der Trank fertig war, trug sie ihn zum Fell. Sorgsam stellte sie die Schale in eine kleine Mulde im Boden, die sie dort ausgehoben hatte, dann legte sie sich daneben und betrachtete das Kind aufmerksam, dessen Atem tief und regelmig war. Das ungewhnlich feingestaltete Gesicht fesselte die Frau und lie sie genauer hinsehen. Da war die Rte des Sonnenbrands einer leichten Brunung gewichen, und nur auf dem Rcken der kleinen Nase schlte sich die Haut. Schon einmal hatte Iza einen Erdling dieser Art gesehen, aber nur von weitem. Die Clan-Frauen waren immer vor ihm weggelaufen und hatten sich versteckt. Bei Zusammenknften der Clans hatte man von hlichen Zwischenfllen bei zuflligen Begegnungen zwischen den Clan-Leuten und den anderen erzhlt, denen man tunlichst aus dem Weg ging. Frauen insbesondere war es nicht erlaubt, mit den Fremdlingen in Berhrung zu kommen. Doch die Erfahrung ihres eigenen Clans war nicht ungut gewesen. Iza erinnerte sich, mit Creb ber den Mann gesprochen zu haben, der vor langer Zeit mit einem gebrochenen Arm in ihre Hhle hereingetorkelt war, vor Schmerz beinah von Sinnen. Ein wenig hatte er verstanden, sich ihnen mitzuteilen, aber sein Gebaren war sonderbar. Er unterhielt sich ebenso gern mit den Frauen wie mit den Mnnern und brachte vor allem der Medizinfrau groe Achtung entgegen, beinahe Verehrung, was der Anerkennung durch die Clan-Gefhrten keinen Abbruch tat. Whrend Iza so dalag und das Kind beobachtete, kamen ihr Fragen ber Fragen. Langsam kroch die Sonne hinter dem Horizont hervor und strich mit einem ihrer Strahlen ber das Gesicht des Kindes, das pltzlich die Augen aufschlug und in ein Paar groe braune Augen blickte, die in einem vorgebauten, schnauzenhnlichen Gesicht tief unter wulstigen Brauenbgen saen. Die Kleine schrie vor Entsetzen auf und drckte die Augen wieder zu. Iza zog sie noch nher an sich; sie sprte, wie der abgemagerte, kleine Krper vor Angst zitterte, und brummte beruhigend. Irgendwie waren diese Laute dem Kind vertraut, vertrauter aber war die trstliche Wrme der Frau. Und so allmhlich verlief sich das Zittern. Langsam ffnete das Mdchen die Augen einen winzigen Spalt breit und blickte auf Iza. Doch diesmal schrie es nicht, ffnete die Augen ganz und starrte auf das angsteinflende, fremde Gesicht der Frau. Auch Iza starrte voller Verwunderung auf das Kind. Nie zuvor hatte sie Augen von der Farbe des wolkenlosen Sommerhimmels gesehen. Einen Herzschlag lang glaubte sie, das Kind wre blind, denn ber den Augen der lteren Clan-Leute bildete sich manchmal ein Schleier, der die Farbe der Augen heller machte und ihr Licht trbte. Doch die Pupillen der Augen des Kindes weiteten sich beim Sehen wie bei Gesunden. Es konnte keinen Zweifel geben, da sie Iza sah. Und wenn dem so war, dann mute das lichte Blaugrau die Farbe ihrer Augen sein! Die Kleine lag ganz still, die Augen weit geffnet, und wagte nicht, sich zu rhren. Als Iza ihr aufhelfen wollte, zuckte sie vor Schmerz zusammen. Und mit einem Mal strzten die Erinnerungen auf sie ein. Schaudernd sah sie wieder den frchterlichen Lwen vor sich, sprte die scharfen Krallen, die ihr Bein aufrissen. Dann sah sie sich zum Wasser taumeln, vom Durst getrieben, der strker war als Furcht und Schmerzen. Doch alles, was zuvor gewesen war, war wie weggeblasen aus dem Kopf der Kleinen. Die Qualen ihrer Einsamkeit, des Herumirrens, des Hungers und der Angst, die Schrecknis der bebenden Erde und die Erinnerung an die, die sie verloren hatte, waren ausgelscht. Iza hielt den Becher an den Mund des Kindes, das durstig war und trank, und das Gesicht verzog, weil es bitter schmeckte. Doch als die Frau ihm den Becher nochmals an die Lippen drckte, schluckte es folgsam. Iza nickte lobend, dann stand sie auf und ging zu den Frauen, die den Morgenverzehr bereiteten. Die Blicke des Mdchens folgten ihr, das pltzlich weit die Augen aufri, als es eine ganze Schar von Erdlingen erblickte, die alle so aussahen wie die Frau. Beim Geruch dessen, was da gekocht wurde, meldete sich bei ihm der Hunger, und als die Frau mit einer kleinen Schale Brhe zurckkehrte, die mit zerstoenen Krnern zu einem Schleim gedickt war, schlang das Kind dieses gierig hinunter. Da die Medizinfrau wute, da das Kind noch nicht weit genug genesen war, um tchtig essen zu knnen, gab sie ihm nur eine kleine Menge, die vllig ausreichte, den geschrumpften Magen zu fllen. Den Rest go Iza in einen Wasserbehlter; das Kind konnte ihn auch unterwegs zu sich nehmen. Als die Kleine satt war; legte Iza sie nieder und entfernte den Verband. Die Wunden nten und die Schwellung war zurckgegangen. "Gut", machte Iza. Erschreckt zuckte die Kleine bei dem harten, kehligen Laut zusammen. Es war das erstemal, da sie die Frau sprechen hrte, und das klang nicht wie sonst in ihren Ohren, wenn sie von ihren Leuten angeredet wurde, sondern eher wie das Knurren oder Brummen eines Tieres. Whrend Iza gerade ein frisches Wurzelpflaster auflegte, humpelte ein migestalteter, schief gewachsener Mann auf die beiden zu. Der furchterregendste und abstoendste Erdling, den sie je gesehen hatte! dachte die Kleine und schaute ihn genauer an. Die eine Seite seines Gesichts war voller Narben, und ein Hautlappen bedeckte die Stelle, wo das andere Auge htte sein mssen. Doch irgendwie waren alle diese Leute so hlich, da sie den Hinkenden so erschreckend gar nicht fand und sich langsam an ihn gewhnte. Zwar wute sie nicht, wer die Fremden waren und wie sie zu ihnen gekommen war, aber sie hatte gesprt, da die Frau sich um sie kmmerte. Sie hatte fr Nahrung gesorgt, die Schmerzen in ihrem Bein gelindert und sie von tiefsten ngsten erlst. Nun war sie nicht mehr allein. Der Verwachsene lie sich auf dem Boden nieder und betrachtete das Kind, das seinen forschenden Blick mit einer Neugier erwiderte, deren Offenheit ihn berraschte. Die Kinder seines Clans waren immer ein wenig ngstlich, wenn er sich ihnen nherte: Sie merkten schnell, da selbst die Erwachsenen eine ehrfrchtige Scheu vor ihm hatten. Und fingen die Mtter erst einmal an, den Kindern mit dem Mog-ur zu drohen, wenn sie nicht folgten, dann vertiefte sich die Kluft noch zwischen ihm und ihnen; und wenn sie schlielich gro waren, frchteten die meisten, besonders die Mdchen, ihn wirklich, und erst spter wandelte sich die Angst in Achtung. In Crebs Auge leuchtete verwunderte Neugier auf, als er sah, da ihn dieses fremde Kind ganz ohne Furcht beschaute. "Es geht dem Kind besser, Iza", stellte er fest. Seine Stimme war tiefer als die der Frau. Auch die Laute, die aus seinem Mund kamen, klangen wie ein Knurren. Die beredten Handzeichen des Mannes sah das Mdchen nicht. Diese Art zu sprechen war ihm vllig fremd, aber es wute, da er der Frau etwas mitgeteilt hatte. "Sie ist noch vom Hunger geschwcht", erwiderte Iza, "aber die Wunde sieht besser aus. Sie war tief, aber das Gift luft jetzt ab. Das war ein Prankenhieb des Hhlenlwen, Creb. Was fr ein Wunder, da sie noch lebt. Sie mu einen mchtigen Schutzgeist haben. Aber was", fgte Iza hinzu, "wei ich schon von Geistern", und deutete mit beiden Hnden zum Himmel. Keiner Frau, nicht einmal seiner Schwester, kam es zu, dem Mog-ur gegenber von Geistern zu sprechen. Iza lie die Arme in einer wegwerfenden Bewegung fallen, mit der sie auch um Verzeihung fr ihre Anmaung bat. Creb betrachtete das Kind mit noch grerer Aufmerksamkeit. Er hatte hnlich empfunden wie Iza und gab viel auf ihr Wort, auch wenn er das nie bekundet htte. Bald danach brachen sie auf. Iza, mit Korb und Bndeln beladen, zog die Kleine auf ihre Hfte und reihte sich hinter Brun und Grod ein. Voller Neugier blickte das Kind um sich, als man ber das offene Land wanderte, und beobachtete alles, was Iza und die anderen Frauen taten. Seine Nasenflgel begannen zu flattern, immer dann, wenn die Frauen anhielten, um Nahrung zu sammeln. Oft steckte Iza dem Mdchen eine frische Knospe oder eine zarte junge Wurzel zu, in dessen Kopf dann ein undeutliches Bild erschien von einer anderen Frau, die das gleiche getan*hatte. Jetzt aber achtete die Kleine genauer auf die Pflanzen, und ihre Besonderheiten von Farbe, Wuchs und Form fielen ihr auf. Die Hungertage hatten ihr beigebracht, wie wichtig es war, selbst fr Nahrung sorgen zu knnen. Und wenn sie ab und zu auf eine Pflanze wies und die Frau stehenblieb und deren Wurzel ausgrub, klatschte sie in beide Hnde. Auch Iza war erfreut. Das Kind begreift schnell, scho es ihr durch den Kopf, denn vorher konnte es die Pflanzen nicht gekannt haben, sonst htte es sich davon genhrt. Um die Tagesmitte machten sie Rast, whrend Brun eine Hhle erkundete. Als die Kleine den Rest der Brhe getrunken hatte, gab ihr Iza einen Streifen des Drrfleisches, das sie immer bei sich trug. Brun war zurckgekommen; die Hhle taugte nicht zur Wohnstatt. Spter, als die Sonne schon ziemlich tief am Himmel hing, zogen im Bein des Mdchens wieder die Schmerzen hoch. Die Wirkung der Weidenrinde war geringer geworden. Iza ttschelte die Kleine, die nun recht verquengelt war, und schob sie ein wenig hher, so da sie besser auf der Hfte zu sitzen kam. Dankbar schlang das Mdchen die mageren rmchen um Izas Hals und legte den Kopf auf die breite Schulter der Frau, deren Herz pltzlich warm wurde und schneller schlug. Durch den wiegenden Gang der gleichmig ausschreitenden Frau wurde das Menschenbndel schnell in den Schlaf gebracht. Als dann der Abend kam, wurde Iza diese zustzliche Last, die sie schon den ganzen Tag mit sich herumgeschleppt hatte, immer beschwerlicher. Sie war froh, das Kind herunterlassen zu knnen, als Brun das Zeichen zum Haltmachen gab. Die Wangen der Kleinen waren hei und rot, die Augen glnzten wie im Feuer. Als sie Holz sammelte, hielt Iza Ausschau nach heilkrftigen Pflanzen, mit denen sie das Kind behandeln wrde. Sie wute zwar nicht, wieso verletzte Hautstellen rot wurden und sich dann entzndeten, aber sie wute sehr wohl, wie man sie und viele andere Leiden behandelte. Hauptschlich heilte man die Kranken durch Zauber und mit Hilfe der Geister, was Izas Heilkunst jedoch nicht weniger wirksam machte, die im Laufe von Generationen durch Ausprobieren, Versuchen und die Hilfe des Zufalls angeeignet und verfeinert worden war. Pflanzen, Hlzer, Frchte, Wurzeln, Erde und Gestein bargen mannigfachen Nutzen in sich, wenn man wute, wie sie zu behandeln waren. Und Iza wute das. Und sie wute noch mehr, zum Beispiel, das Innere der Tiere zu erklren und zu sagen, was die Teile taten. Ein Kind noch war Iza, als sie von der Mutter mitgenommen wurde, wenn man Tiere schlachtete und sie dann ausnahm, und ihr die Innereien gezeigt und ihre Aufgabe erklrt wurden. Doch hatte sie ihrer Tochter damit nur etwas ins Gedchtnis gerufen, was diese bereits wute. Denn Iza gehrte einem hochgeachteten Geschlecht von Medizinfrauen an, und es war so, da das Wissen um die Kunst zu heilen auf geheimnisvollen Wegen, die mit Unterweisung nichts zu tun hatten, von der Medizinfrau auf die Tchter berging. Und eine noch unkundige junge Medizinfrau aus einem groen Geschlecht hatte einen hheren Rang als eine erfahrene von mittlerer Abstammung, und das aus gutem Grund. Iza war mit einem Gedchtnis geboren worden, in dem alles Wissen beschlossen lag, das ihre Ahnen sich erworben hatten, jenes uralte Geschlecht von gewaltigen Medizinfrauen, aus dem Iza hervorgegangen war. Alles Gewute war von Mutter zu Tochter bis zu ihrer Mutter und dann auf sie gekommen, das nun in ihrem Kopf lag und das sie immer, wenn sie es brauchte, abrufen konnte. Es war nicht viel anders als erinnerte sie sich an Erfahrungen, die sie selbst gemacht hatte; und wenn der Pfad zum Erinnerten einmal geschlagen war, dann wuchs er auch nicht mehr zu. Welche ihrer Erinnerungen aus eigener Erfahrung stammten, erkannte sie vor allem daran, da sie sich des Ortes, der Zeit, als das Neue ihre Sinne getroffen hatte, entsinnen konnte. Sie verga niemals etwas. Aus ihrem Kopf waren jedoch nur Kenntnisse abzurufen, aber nichts war drin in ihm, was Iza sagte, wie sie diese erworben hatte. Und obwohl Iza und ihre Geschwister dieselben Eltern hatten, besaen weder Creb noch Brun ihr heilkundiges Wissen. Denn die Fhigkeit der Clan-Leute, sich an Dinge oder Geschehenes zu erinnern, war an das Geschlecht gebunden. Frauen brauchten zum Beispiel nicht auf die Jagd zu gehen und zu wissen, wie man Tiere fngt; und den Mnnern gengten schon oberflchliche Kenntnisse ber Pflanzen. Diese Zweiteilung war naturbestimmt, was durch menschliche Gepflogenheit nur noch besttigt wurde, und ein weiterer Versuch der Natur, die Hirngre dieser Menschenart zu beschrnken, um ihr berleben zu verlngern. War nmlich ein Kind von Geburt aus mit Wissensfhigkeit ausgestattet, die eigentlich dem anderen Geschlecht zustand, so verlor es diese durch mangelnden Anreiz, sie einzusetzen - sptestens dann, wenn es das Erwachsenenalter erreichte. Doch auch dieses Bemhen der Natur, die Clan-Leute vor dem sicheren Untergang, der in ihnen selbst beschlossen lag, zu retten, trug in sich schon die Elemente des Fehlschlags. Die Mnner brauchten die Frauen ebenso, wie die Frauen die Mnner brauchten. Und ohne die einen konnten die anderen nicht lange berleben; beide Geschlechter waren unfhig, die Fertigkeiten des anderen zu erlernen, weil ihr Kopf dafr nicht eingerichtet war. Statt dessen hatten die Clan-Leute scharfsichtige und aufmerksame Augen. Im Verlauf ihrer Wanderungen hatte sich das Land um sie herum allmhlich verndert. Und ohne sich dessen bewut zu sein, hatte Iza jede Einzelheit in sich aufgenommen. Ihr besonderes Augenmerk richtete sie auf Bume, Strucher, Pflanzen, Grser, Bltter. Schon aus groer Entfernung vermochte sie kleine Abwandlungen in der Form eines Blattes oder der Hhe eines Stengels auszumachen, und wenn es auch einige Pflanzen gab, die sie nie zuvor gesehen hatte, so waren sie ihr doch nicht unvertraut. Irgendwo in den Windungen ihres massigen Gehirns ergab sich ein Wiedersehen, eine Erinnerung, die ursprnglich nicht die ihre war. Dennoch - seit kurzem stachen ihr Pflanzen ins Auge, die sie wirklich noch nie gesehen hatte; sie waren so fremd wie das Land, durch das sie ging. Gern htte Iza sie nher angesehen, denn unbekannte Gewchse weckten bei allen Frauen die Wibegierde. Vererbt war den Frauen auch das Wissen, wie man unbekannte Pflanzen auf ihre Eigenschaften prft, und wie alle anderen probierte Iza deren Wirkung zuerst an sich selbst aus. Neue Pflanzen konnten auf Grund gewisser hnlichkeiten solchen, die bekannt waren, entsprechend zugeordnet werden; doch Iza wute, wie gefhrlich es war zu glauben, hnliche uere Merkmale wren ein Zeichen fr gleiche Eigenschaften. Das Prfen war denkbar einfach: ein kleines Stck abbeien, und wenn es auf der Zunge brannte oder bitzelte, sofort wieder ausspucken. War es angenehm, so behielt sie den kleinen Bissen im Mund und wartete, ob sich doch noch ein Brennen oder Beien einstellte oder der Geschmack sich vernderte. Wenn nichts dergleichen geschah, schluckte sie das Bichen hinunter. Am nchsten Tag wagte sie dann einen greren Bissen und machte es so wie beim ersten. Und wenn sich nach einer dritten Probe wieder keine ungnstige Wirkung einstellte, galt die neuentdeckte Pflanze als ebar. Zunchst allerdings durften nur kleinere Mengen gegessen werden. Mehr Beachtung schenkte Iza jedoch meist solchen Pflanzen, die beim Zerkauen oder nach dem Genu eine auffallende Wirkung zeigten, was nmlich eine Verwendung bei der Krankenpflege nahelegte. Wenn die anderen Frauen etwas Ungewhnliches bei ihren Pflanzenfunden feststellten, so brachten sie diese zu Iza; und sie kamen mit jedem Gewchs zu ihr, dessen Merkmale an bekanntermaen ungeniebare oder giftige Pflanzen erinnerte. Iza untersuchte eine dann vorsichtig und nach ihrem eigenen Verfahren, was oft lange dauerte. Doch solange der Clan auf Hhlensuche war, hielt sie sich an Pflanzen, die sie kannte. In der Nhe des Lagerplatzes fand Iza mehrere hoch und gerade gewachsene Malven mit groen leuchtenden Blten und schlanken Stengeln. Die Wurzeln dieser in vielen Farben blhenden Pflanzen konnten, hnlich denen der Iris, zur Behandlung von Verletzungen der Haut verwendet werden. Vor allem wirkten sie gegen Schwellung und Entzndung. Ein Aufgu der Blten wrde den Schmerz des Kindes stillen und es schlfrig machen. Kurz entschlossen nahm sie noch einige der hochgewachsenen Blumen mit, ehe sie vom Holzsammeln zurckkehrte. Als die Kleine gegessen hatte, beobachtete sie, an einen groen Felsbrocken gelehnt, das Tun und Treiben der Leute ringsum. Satt nun und durch einen frischen Wurzelverband aufgemuntert, plapperte sie auf Iza ein. Manche Clan-Leute warten mibilligende Blicke in ihre Richtung, doch deren Bedeutung erkannte sie nicht. Denn die Sprechorgane der Clan-Leute waren so unterentwickelt, da sie zur Sprachbildung nicht taugten. Die wenigen Laute, die sie verwendeten, um ihren Handzeichen Nachdruck zu geben, hatten sich aus Schreien entwickelt, sei es, um zu warnen oder um Aufmerksamkeit zu erregen. Ihre Verstndigung beruhte auf Gebrden, Handzeichen, Krperhaltungen und einem Vorverstehen, das aus nahem Beisammensein, festgefgten Gebruchen und der scharfsichtigen Wahrnehmung von Mienenspiel und Krperhaltung gewachsen war. Sie war ausdrucksvoll, ihre Verstndigung, aber die Mglichkeiten, sich einander mitzuteilen, waren beschrnkt. So war es zum Beispiel uerst schwierig fr sie, bestimmte Dinge, die man wahrgenommen hatte, anderen zu beschreiben. Und noch schwieriger war es, etwas zu benennen, was man weder fhlen, sehen und riechen, schmecken und hren konnte, sondern nur als Bild im Kopf hatte. Das unbekmmerte Geplapper des Kindes verblffte demnach diese Erdlinge und machte sie mitrauisch. Dabei waren Kinder doch so wichtig. Mit sanfter Freundlichkeit zogen die Clan-Leute die ihren gro, aber auch mit Strenge, wenn sie lter wurden. Solange man ihnen noch die Brust geben mute, wurden sie von Frauen wie Mnnern liebkost, wenn sie dann krabbelten, meist nicht beachtet. So konnten sie sich sehr schnell in die strenge Ordnung feststehender Gebruche einpassen; laut herumzutnen, wenn es nicht um des Nachdrucks willen ntig war, galt als ungezogen. Und so war im Augenblick nach Ansicht der Clan-Leute das Mdchen, das wegen seiner Gre lter wirkte, als es in der Tat war. Nur Iza ahnte, da es jnger war, und nahm seine Unbekmmertheit nachsichtiger hin, denn irgendwie sprte sie, da die Fremdlinge, zu denen das Mdchen ja gehrte, sich wohl gewandter und hufiger besprachen und Worte sie mehr beeindruckten als Gebrden. Iza fhlte sich hingezogen zu dem Kind, das so vertrauensvoll seine dnnen kleinen Arme um ihren Hals geschlungen hatte und dessen Leben von ihrer Sorgfalt abhing, als wre es das eigene. Creb hinkte zu seiner Schwester hinber, die gerade heies Wasser ber die Malvenblten go, und setzte sich neben das Kind. Erregte der kleine Fremdling doch wirklich seine Neugier! Er war noch nicht so weit mit seinen Vorkehrungen fr die allabendliche Beschwrung und hatte noch ein wenig Zeit, nach dem Kind der anderen zu sehen. Aufmerksam blickten sie sich an, das Mdchen und der Krppel, und musterten einander mit gleicher Eindringlichkeit. Noch nie war er jemandem ihrer Art so nahe gewesen und hatte nie zuvor berhaupt ein Kind von ihnen gesehen. Und das Mdchen? So etwas wie die Clan-Leute hatte es sich nicht einmal vorstellen knnen, bis es mitten unter ihnen erwacht war. Aber fesselnder noch als des Mog-urs Andersartigkeit war dessen zerschundenes Gesicht. Noch nie hatte es solche Narben gesehen. Und mit der ungehemmten Neugier eines Kindes hob sie die Hand und berhrte das Gesicht des Zauberers, wollte spren, ob die narbige Haut sich etwa anders anfhlte. Creb war verdutzt, als die Kleine mit ihren Fingern leicht ber sein Gesicht strich. Keines der Clan-Kinder hatte dies je getan, und auch die Erwachsenen vermieden es, ihn zu berhren, als htten sie Angst, sich seine Migestalt zu holen, wenn sie ihn anfaten. Nur Iza, die ihn pflegte, wenn ihn die Glieder schmerzten - es wurde jeden Winter schlimmer -, schien sich nichts daraus zu machen, wenn sie ihn berhrte. Weder war sie abgestoen von seinem krppligen Krper und den hlichen Narben im Gesicht, noch empfand sie Furcht vor Crebs Macht und Stellung im Clan. Die sanfte Aufdringlichkeit der tastenden kleinen Finger rhrte den einsamen Mann, der sich gerne mit dem Mdchen verstndigt htte. "Creb", machte er und deutete auf sich selbst. Iza, die gerade mit ihrem Trank beschftigt war, sah stumm zu, heilfroh, da der Bruder das Mdchen nicht abgewiesen hatte, und wohl fiel es ihr auf, da er seinen Namen gebraucht hatte. "Creb", wiederholte dieser und tippte sich auf die Brust. Die Kleine neigte den Kopf und versuchte zu erfassen, was der da wollte. Und noch ein drittes Mal brummte Creb seinen Namen. Pltzlich hellte sich das Gesicht der Kleinen auf. Sie richtete sich auf und lchelte. "Creb?" echote sie und rollte und dehnte dabei den Laut, den dieser hervorgebracht hatte. Der Mog-ur nickte heftig. Er freute sich. Dann deutete er auf sie, die ein wenig die Stirn krauste und sich nicht sicher war, was er jetzt wollte. Wieder tippte er sich auf die Brust, wiederholte seinen Namen und zeigte dann auf sie. Ein strahlendes Lcheln. Sie begriff. Das mehrlautige Wort, das da ber ihre Lippen rollte, war nicht nur unaussprechlich, sondern auch kaum fabar. Noch einmal machte er die deutenden Bewegungen und neigte sich nher, um besser hren zu knnen. Sie sagte ihren Namen. "Aay-rr", mhte sich sein Mund. Zgerte. Creb schttelte den Kopf und versuchte es wieder. "Aay-lla, A-la?" Noch nher konnte er der Lautfolge nicht kommen. Es gab nicht viele im Clan, die dieses geschafft htten; sie strahlte und nickte mehrmals hintereinander. Es war zwar nicht genau das, was sie gesagt hatte, aber sie war bereit, es anzunehmen; sie sprte, da er das Wort fr ihren Namen nicht besser wrde aussprechen knnen. "Ayla", wiederholte Creb, der sich nach und nach das Wort zu eigen machte. "Creb?" sagte das Mdchen und zupfte ihn am Arm, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Dann deutete es auf die Frau. "Iza", machte Creb. "Iza." "li-sa", wiederholte die Kleine, entzckt ber das herrliche Zungenspiel. "Iza, Iza", rief sie und sah dabei die Frau an. Iza nickte ernster. Namen waren sehr wichtig. Sie beugte sich vor und tippte dem Kind auf die Brust, wie zuvor Creb. Das Kind sollte sein Namenwort noch einmal sagen. Die Kleine wiederholte ihren Namen. Iza schttelte hilflos den Kopf. Diese sirrenden, klingenden Tne, die der Kleinen so leicht ber die Lippen kamen, konnte sie einfach nicht zusammenbringen und aneinanderfgen. Das Kind lie bekmmert den Kopf sinken. Dann warf es einen Blick auf den Mog-ur und sagte seinen Namen so, wie er es getan hatte. "Aii-cha?" stie die Frau hervor. Das kleine Mdchen schttelte den Kopf und wiederholte nochmals das Wort. "i-ja?" versuchte es Iza noch einmal. "Ay-ay, nicht i", verbesserte der Bruder. "Aay-lla", wiederholte er sehr langsam, so da Iza die Unvertraute Tonfolge aufnehmen konnte. "Ay-la", formten die Lippen der Frau bedchtig, bemht, das Wort so zu sprechen, wie es Creb ihr vorgemacht hatte. Das Mdchen klatschte in die Hnde vor Freude. Es war nicht schlimm, da sein Name etwas verformt war, hatte sich Iza doch so hart bemht, den Namen auszusprechen. Nun gut, dann hie sie eben Ayla. Heftig umarmte sie die Frau. Iza drckte die Kleine nur kurz an sich. Sie sollte spren, da Liebkosungen vor anderen sich nicht schickten. Aber dennoch war sie gerhrt. Ayla war glcklich, hatte sie sich doch anfangs unter diesen fremden Menschen so verloren und abgeschnitten gefhlt und sich dann wirklich abgemht, mit der Frau, die sich um sie kmmerte, Verbindung aufzunehmen, und war so bitter enttuscht gewesen, als ihr das nicht gelang. Es war zwar jetzt nicht viel herausgekommen, aber wenigstens hatte sie jetzt einen Namen fr die Frau und diese einen fr sie. Ayla wandte sich wieder dem Mog-ur zu, der den ersten Schritt zur Verstndigung gegangen war. Lngst schien er nicht mehr so hlich. berschwenglich schlang sie dem Krppel die Arme um den Hals und drckte ihre kleine Nase innig in dessen Bartgeflecht, wie sie das frher oft hatte tun drfen, zog dann seinen Kopf zu sich herunter und legte ihre Wange an die seine. Diese vertraute Zuneigung bewegte Creb aufs uerste; mit Mhe widerstand er dem Wunsch, die Umarmung zrtlich zu erwidern. Es ging nicht an. Er konnte doch dieses fremdartige kleine Geschpf nicht einfach vor aller Augen liebkosen! Eine winzige Weile lang lie er es zu, da Ayla ihre glatte weiche Wange noch ein wenig lnger an seine brtige drckte, ehe er behutsam ihre Arme herunternahm. Entschlossen griff er zu seinem Stock und stemmte sich hoch. Und als er davonhinkte, waren all seine Gedanken bei der gelehrigen Kleinen. Er selbst wrde ihr beibringen, wie sich die Clan-Leute verstndigten. Dies drfte nicht nur einer Frau berlassen bleiben. Tief in seinem Inneren wute Creb jedoch, da er einfach sooft wie mglich mit ihr Zusammensein wollte. Ohne sich selbst darber klar zu sein, sah er sie schon als Mitglied seines Clans. Tatschlich hatte Brun einfach nicht in Betracht gezogen, was es fr Folgen haben wrde, wenn er Iza erlaubte, das Kind der Fremdlinge mitzunehmen. Das war aber nicht ein Versagen als Anfhrer, sondern ein Versumnis, das sich aus der Veranlagung seiner Art ergab. Niemals wre es in seinen Kopf gegangen, da man unterwegs ein verletztes Kind finden wrde, das nicht zum Clan gehrte, und so war er unfhig gewesen, vorauszusehen, was geschhe, wenn die Kleine gerettet wurde. Gut, man hatte sie dem Tod entrissen. Aber wenn er nicht wollte, da sie beim Clan blieb, gab es nur eines: Sie mute wieder ausgesetzt werden. Doch allein konnte sie nicht berleben. Das brauchte man nicht vorauszusehen. Das war Erfahrung. Aber wenn er sie jetzt erneut dem Tod preisgab, wurde er sich zunchst Iza entgegenstellen mssen. Nun, diese hatte zwar selbst keine Macht, doch die Schar der Geister auf ihrer Seite und nun auch Creb, den Mog-ur, der mit den Geistern reden konnte. Brun hatte Angst, sich die mchtigen Unsichtbaren zu Feinden zu machen. Dieses Schreckbild verfolgte ihn, seit das fremde Mdchen beim Clan war, und lie ihn noch ernster dreinschauen als sonst. Als am folgenden Morgen die Medizinfrau Aylas Bein untersuchte, sah sie, da die Rtung der Haut zurckgegangen war. Die vier tiefen Schrammen hatten sich geschlossen und Schorf gebildet. Die Narben wrden dem Kind allerdings immer bleiben. Den Verband erneuerte Iza nun nicht mehr, machte ihr je doch einen Trank aus Weidenrinde, und als sie Ayla vom Fell heben wollte, versuchte die Kleine zu stehen, wobei Iza ihr half und sie sttzte. Es tat weh, als das kranke Bein belastet wurde, aber nach einigen achtsamen Schritten ging es schon viel besser. Jetzt aufrechtstehend, war Ayla noch grer, als Iza geglaubt hatte. Ihre Beine waren lang und gerade und dnn wie die einer Spinne; die Knie klobig. Iza glaubte zuerst, sie wren migebildet, denn die Beine der Clan-Leute waren kurz und stark durchgebogen. Wenn es auch hinkte, das Kind hatte keine Mhe beim Gehen. Diesen Menschen schienen gerade Beine gegeben zu sein, genau wie die hellen Augen von der Farbe des Himmels im Sommer. Da der Clan wieder aurbrach, hllte die Medizinfrau die Kleine in ihren Umhang und hob sie auf die Hfte, denn man mte vorsichtig sein mit dem Bein und es noch nicht arg belasten. Unterwegs dann lie Iza sie ab und zu herunter, um es leichter zu haben, denn zuletzt hatte Ayla so gierig gegessen, als wollte sie nachholen, was ihr in den Tagen des Hungers entgangen war, und der Frau das Gefhl gegeben, als sei sie schon schwerer geworden. Vorwrtszukommen wurde jetzt zunehmend beschwerlicher, denn man hatte das weite, flache Grasland hinter sich gelassen, das wellige Hgelland durchquert, dessen Hnge immer steiler wurden, und befand sich nun am Fu der Berge, deren glitzernde, eisige Gipfel von Tag zu Tag nherrckten. Die Hgel waren von dichten Wldern berzogen; aber nicht die dsteren Nadelbume der klteren Gebiete wuchsen hier, sondern saftiggrne Laubbume mit handgroen Blttern und massigen, knorrigen Stmmen umschlangen sich mit ihren Zweigen. Es hatte sich viel schneller erwrmt als sonst um diese Zeit frischsprossenden Grns, und das verwirrte Brun. Die Mnner tauschten ihre berwurfe gegen kurze Schurze, so da ihre haarigen Oberkrper in der Sonne dnsteten. Die Frauen zogen nichts aus, ihre Krbe und Bndel htten die nackte Haut nur aufgerieben. Die Gegend hier hatte nun gar keine hnlichkeit mehr mit dem kalten flachen Land, wo ihre alte Hhle gewesen war. Und whrend die Clan-Leute durch schattige Schluchten, ber grasbedeckte Hgel und durch des Morgens tropmasse Laubwlder wanderten, mute Iza immer mehr auf ihre berkommenen Kenntnisse von den Dingen der Natur zurckgreifen. Neben den festwurzligen dunkelbraunen oder auch blaugrauen Stmmen von Eiche, Buche, Walnu, Stechapfel und Ahorn standen biegsame, dnnrindige Weiden, Birken, Hainbuchen und Bergtannen, und dazwischen wucherten die vielzweigigen hohen Strucher von Erle und Haselnu. Die Luft war fast zum Greifen und durchmengt von einem besonderen Geflimmer, das auf dem sanften, weichen Wind, der Wrme herbeitrug, zu schweben schien, und dem Iza keinen Namen geben konnte. Flaumige Samenschwengel hingen noch an den vollbelaubten Birken. Hie und dort rieselte ein feiner Regen zartfarbener Bltenblttchen zur Erde. Die Clan-Leute zwngten sich durch sprdes Unterholz und dichtes Gestrpp des Waldes, bis sie kahle Hnge erreichten. Rundum leuchtete das hgelige Land in vielfltigen Grntnen. Und als sie hher stiegen, begegneten sie wieder der dunkleren Frbung von Fichte und Weitanne; noch weiter oben schimmerten da und dort Blautannen auf. Die dunkelbraunen, grauschwarzen Schattierungen der Nadelbume berlagerten an manchen Stellen das satte Grn der Laubbume, wurden aber von der blassen, weilich wirkenden Farbe der kleinblttrigen, gefiederten Gewchse in ihrer Dichte gemildert. Gengsame hartblttrige Kleinpflanzen klammerten sich fest an den nackten Fels; weie Anemonen, gelbe Veilchen, zartrosa Hagedorn bestanden zuhauf die Bergwiesen. Und noch weiter oben war das blasse Grn des schtter werdenden Grases mit gelben Narzissen und blauem und gelbem Enzian durchmengt. An Schattenstellen erhoben spte Krokusse ihre gelben, weien und lilafarbenen Kpfe. Oben, auf einer steilen Anhhe, machten die Wandernden Rast. Weit unter ihnen verliefen sich die Wellen bewaldeter Hgel rasch in der grenzenlosen Ebene, wo das Gras schon einen strohdrren Schimmer hatte. Weidende Wildherden waren als winzige wandernde Punkte auszumachen. Des Clans schnellfige Jger knnten sie leicht in einem halben Tagesmarsch erreichen. Der Himmel ber ihnen war klar. Doch von Mittag her wlzten sich dunkle Gewitterwolken heran. Und wenn sie nicht vorher zerstoben, wrden sie an den hohen Berggipfeln hngenbleiben und ihr Wasser ber den Clan ausgieen. Brun und die anderen Mnner setzten sich auer Hrweite der Frauen und Kinder zusammen; doch ihre besorgten Mienen und die zgernd geformten Handzeichen verrieten klar den Grund. Man beriet, ob es nicht besser wre, umzukehren, denn dieses Gebiet hier war ihnen fremd, und man hatte sich schon allzuweit von den Steppen entfernt. Zwar gab es in den Wldern der Vorberge viele Tiere, aber die riesigen Herden, die das Grasland der Ebenen bevlkerten, fehlten hier, und das Jagen in den Ast baumlosen Steppen war nicht so beschwerlich; da waren keine Wlder, wo die Tiere sich verbergen konnten, wo auch ruberische hausten. Iza ahnte, da man umkehren wrde. Und alle Mhe, aller Schwei und alles Zittern, ob die steilen Hnge nicht doch zu schaffen seien, wren dann umsonst gewesen. Und wie die Clan-Frauen nach oben blickten und sahen, da die dunklen, drohenden Regenwolken sich immer schneller auf sie zuwlzten, lieen sie verzagt die Arme sinken. In der Zwischenzeit hatte Iza sich ihrer schweren Lasten entledigt und Ayla zu Boden gelassen, die davonhpfte, froh darber, sich jetzt, wo ihr Bein heilte, endlich wieder frei bewegen zu knnen. Iza sah ihr nach, wie sie hinter der scharfkantigen Nase eines vorspringenden Felsens verschwand, der unmittelbar vor ihnen aus dem Boden wuchs. Da die Beratung jederzeit enden konnte und Brun es nicht freundlich aufnehmen wrde, wenn das Kind den Aufbruch verzgerte, lief sie ihm schnell hinterher. Als Iza sich durch das Gestruch an der Felsnase hindurchgezwngt hatte, sah sie zu ihrer Beruhigung Ayla auf dem Boden hocken, die Nase in den Bltenkelch einer breitblttrigen Pflanze getaucht; aber das, was sie hinter dem Mdchen erblickte, versetzte sie in helle Aufregung. So schnell sie konnte, rannte Iza zurck. Da sie es nicht wagen durfte, Brun und die anderen zu stren, erwartete sie voller Ungeduld das Ende der Beratung. Brun sah das wohl, und wenn er es auch nicht zeigte, so hatte er doch gemerkt, da irgend etwas seine Schwester bewegte. Sobald die Mnner sich getrennt hatten, lief Iza zu Brun hin, setzte sich vor ihm nieder und blickte zu Boden, in der clangemen Haltung, die ihm sagte, da man mit ihm sprechen wolle. Einem solchen Wunsch brauchte er nicht nachzukommen. Und wenn er sie bersah, dann durfte Iza ihm nicht mitteilen, was ihr im Kopf herumging. Doch Brun war neugierig. Auch er hatte beobachtet, wie die Kleine hinter dem Felsen verschwunden war. Doch ihn beschftigte anderes. Bestimmt wieder etwas mit diesem Kind, dachte er; und seine Miene verdsterte sich. Eigentlich war er versucht, Izas Bitte zu bersehen. Der Mog-ur mochte sagen, was er wollte, Brun erfllte die Anwesenheit des Kindes in ihrer Mitte mit zunehmender Unruhe. Als er schlielich aufblickte, sah er, da der Zauberer ihn beobachtete. Brun versuchte auszumachen, was dem Einugigen wohl durch den Kopf ging, doch das ausdruckslose Gesicht des Bruders verriet ihm nichts. Dann richtete er seine Augen auf die Frau, die zu seinen Fen kauerte und deren Haltung gespannte Erregung verriet. Brun war zwar verschlossen, aber nicht hartherzig, und er achtete seine Schwester hoch. Obwohl sie es schwer gehabt hatte mit ihrem rauhen, unbeherrschten Gefhrten, war sie ihm doch immer eine folgsame Frau gewesen und somit den anderen ein Vorbild und bedrngte ihn selten mit nebenschlichen Fragen. Ob er sie nicht doch anhren sollte? Bestimmt irgend etwas mit diesem Kind! Aber er brauchte ja ihrer Bitte nicht zu willfahren, wenn er sie fr nichtig hielt. Brun beugte sich nieder und tippte Iza auf die Schulter. Durch diese Geste aufgefordert zu sprechen, richtete Iza sich auf, blickte ihrem Bruder fest in die Augen, erhob sich, wies mit dem einen Arm in die Richtung der Felsnase und machte mit dem anderen: "Hhle!" Brun drehte auf der Ferse um und schritt in die Richtung der angedeuteten Stelle. Als er dort angelangt war und die mannshohen Zweige des Gebschs zerteilte, fielen ihm fast die Augen aus dem Kopf, der pltzlich mchtig zu drhnen anfing, und hchste Erregung pulste durch sein Blut. Eine Hhle! Und was fr eine Hhle! Und genau die Hhle, die er gesucht hatte! Mit Mhe kmpfte er das aufwallende Blut nieder und versuchte die kopfwrts sich ausbreitende Hoffnung niederzuhalten. Jetzt galt es, ruhig und sorgsam die Beschaffenheit der Hhle und ihre Lage auszumachen. Selbst von da aus, wo er stand, war deutlich die efeuberhangene keilfrmige ffnung im graubraunen Fels des Berges zu sehen, gro genug, um der Hoffnung Nahrung zu geben, da der Raum hinter ihr dem ganzen Clan Unterkunft bieten mge. Das dunkle Felsenauge blickte nach Mittag, war also den grten Teil des Tages der Sonne ausgesetzt. Und dann geschah etwas, das so aussah, als wolle der Geist dieser Hhle Bruns Gedanken durch die Natur selbst besttigen lassen, als ein Lichtstrahl, der ein schmales Loch in der Wolkendecke gefunden hatte, auf die rtliche Erde des Hhlenvorplatzes fiel. Der Clan-Fhrer, der eine Zeitlang offenen Mundes und mit bebenden Nasenflgeln den unwahrscheinlichen Fund auf sich hatte wirken lassen, nahm seine Keule von der Schulter und beugte das umliegende Gebiet genauer. Ein hoher Buckel hinter der Hhle und ein hnlicher Hcker auf der Seite, die der Morgensonne zugewandt war, schtzten vor Wind und schrg peitschendem Regen. Und Wasser war auch in der Nhe, stellte Brun fest, als er den Bach sah, der sich am Fu eines sanften Hangs wie eine Silberschlange um die ppigen Moospolster zur anderen Seite der Hhle wand. Beherrscht winkte Brun Grod und Creb zu sich. Schnell liefen die beiden Mnner zu ihrem Clan-Fhrer, gefolgt von Iza, die einen langen, eindringlichen Blick auf die Hhle warf und zufrieden nickte, ehe sie mit Ayla an der Hand wieder zu der Gruppe aufgeregt durcheinander fuchtelnder Menschen zurckging. Bruns mhsam niedergehaltene Erregung war auf alle Clan-Leute bergesprungen. Eine Hhle war gerunden! Und sie sprten, Brun glaubte, da sie bewohnbar sei. Und wieder schien der Geist der Hhle ihnen den Ort zu weisen, denn ganze Bndel heller Sonnenstrahlen, die die tieffliegenden, dunkel gernderten Wolken durchstachen, deuteten jetzt, einer Lichthand gleich, auf die ffnung im Fels. Brun und Grod umfaten ihre Speere, als die drei Mnner sich vorsichtig der Hhle nherten. Vgel flogen zwitschernd und trillernd durch die groe ffnung aus und ein. Diese Fiederlinge sind ein gutes Vorzeichen, dachte der Mog-ur. Geduckt schlichen sie durch das schttere, halbhohe Gras, arbeiteten sich heran, suchten nach jedem Sprung Deckung hinter einem der versprengten Steinbrocken, die jetzt aber immer weniger wurden, schlugen dann einen Bogen um die ffnung und suchten zunchst sorgsam nach frischen Spuren. Ein Durcheinander verwischter Abdrcke und die bleichen, abgenagten Knochen eines Tieres, das von krftigen Zhnen zermalmt worden war, lieen die Jger erkennen, da dort in der Hhle ein Hynenrudel vorbergehend Unterschlupf gesucht haben mute. So wie es aussah, hatten diese feigen Fleischfresser einen altersschwachen Damhirsch gerissen und den besten Teil in die Hhle geschleppt. Etwas abseits von der Hhlenffnung, umschlossen von einem Gewirr aus Schlingpflanzen und dichtem Gestrpp, schimmerte ein kleiner, vermutlich von einer Quelle gespeister Teich; sein Abflu, ein schwchliches Rinnsal nur, rieselte dnn den Hang hinunter zum Bach. Whrend die anderen warteten, suchte Brun die Quelle oben im schroffen Fels der steilen, berwachsenen Flanke der Hhle. Und dann sah er sie; und er sah auch, da das glitzernde Wasser, das aus dem Spalt sprudelte, frisch war und klar. Schon wieder ein gutes Zeichen, dachte er und kehrte zu den anderen zurck. Alles um sie herum wre gnstig, teilte er ihnen mit, doch wie die Hhle innen sei, wrde den Ausschlag geben, ob sie bleiben knnten oder umkehren mten. Als sie dann in sie eindrangen, blickten die beiden Jger und der Zauberer leicht beklommen nach oben, wo die mchtigen Steinflanken unter einem ppigen Gebsch zusammenwuchsen. Die Krper dicht an den Fels gepret, tasteten sie sich vorwrts, schoben dann die Nasen nach, die rasch und nach allen Seiten witterten, und bemhten die Augen. Als diese sich an das Dmmerlicht gewhnt hatten, blickten sich die Mnner voll Staunen um. Eine hohe, gewlbte, rissige Steindecke berspannte einen Raum, der gro genug war, um ein Vielfaches der Clan-Leute aufzunehmen. An der rauhen Felswand entlang schoben sie sich vorwrts und suchten nach weiteren ffnungen, die vielleicht in tiefere Nischen fhrten. Nach einer Weile hrte man Wasser rauschen; eine zweite Quelle, die aus dem Fels hervorsprang und einen kleinen dunklen Teich fllte. Unmittelbar dahinter fhrte die Hhlenwand in scharfem Knick zurck zur ffnung, vor der lediglich ein schwacher Schimmer auszumachen war. Als sie sich dorthin aufmachten, entdeckten sie im allmhlich strker werdenden Licht einen dunklen Ri im graugrnen Felsenband. Auf Bruns Zeichen verhielt Creb seinen Schritt, whrend Grod und der Clan-Fhrer sich an den Spalt herantasteten und hineinsphten. Schwrzestes Schwarz ghnte sie an und lie sie betroffen zurckweichen. "Grod!" Brun hatte sich zu dem Jger gewandt, der ihm auch im Rang nachfolgte, und diesem schnellhndig einen Befehl erteilt, der Grod augenblicklich nach drauen hasten lie. Whrend Brun und Creb angespannt warteten, musterte der Ausgeschickte sorgfltig die Pflanzen, die vor der Hhle in Hlle und Flle am Wachsen waren und strebte dann einer kleinen Gruppe von Weitannen zu, an deren Stmmen Klumpen erhrteten Harzes, das durch die Rinde ausgetreten war, glnzende Flecken gebildet hatten. Mit einem spitzen Schaber zog Grod die Rinde ab. Frischer klebriger Harz-Saft quoll aus der weilichen Narbe. Seine krftigen Finger knickten erstorbene drre ste ab, die noch unter den grnbenadelten Zweigen saen, dann zog der Jger aus einer Falte seines berwurfs die Handaxt aus Stein, hieb mit raschen Schlgen einen grnen Ast ab und schlte ihn. Die harzige Rinde und die drren Hlzchen wickelte er mit krftigen Grsern um das Ende des grnen Astes^ mit Vorsicht nahm Grod dann die glhende Kohle aus dem Auerochsenhorn an seinem Grtel, hielt sie an das Harz und begann zu blasen. Bald darauf rannte er mit einer brennenden Fackel wieder in die Hhle. Hoch ber seinen Kopf hob Grod die Flamme, whrend Brun die Keule schlagbereit in seinen Fusten hielt. Nacheinander, Brun voraus, drangen die beiden Oberen des Clans in den dunklen Spalt ein, krochen lautlos durch einen schmalen Gang, der bald breiter wurde, pltzlich eine Biegung machte und sich durch den Fels wieder zum hinteren Teil der Hhle bohrte. Doch gleich hinter dem Knick mndete der Gang in eine zweite Hhle; kiemer als die anderen und beinahe rund. Im Schein der flackernden Fackel glomm an der hinteren Felswand wei ein Beinhaufen. Zgernd trat Brun nher, ging leicht in die Knie, legte die flache Hand an die Brauenwulste und ri weit die Augen auf, als er das Unwahrscheinliche sah. Hastig winkte er Grod ab, der ebenfalls nach vorne kommen wollte; dann zogen sich beide Mnner eilig zurck. Schwer auf seinen Stock gesttzt und voller Ungeduld hatte der Mog-ur vor dem Spalt gewartet. Als Brun und Grod nun so pltzlich aus der dunklen ffnung traten, richtete sich der Zauberer rasch auf. Wie das wohl kam? Der sonst so ruhige Brun war richtig auer sich! Auf einen Wink folgte der Mog-ur den beiden Mnnern wieder in den dunklen Gang. Als sie die Seitenhhle erreichten, hielt Grod die Fackel hoch. Der Mog-ur kniff die Augen zusammen, als er den fahlen Beinhaufen sah. Erregt strzte er vorwrts. Krachend schlug sein Stock auf den Boden, als er auf die Knie fiel. Hastig durchwhlte seine Hand den beachtlichen Beinberg, erfate pltzlich ein riesiges Schdeldach. Hart griff der Zauberer zu und zog es unter den Knochen hervor. Kein Zweifel! Der Schdel mit dem hochgewlbten Stirnbein glich jenem, den der Mog-ur stets mit sich trug, der nun ehrfurchtsvoll in die Hocke ging, sich das nackte, mchtige Haupt vors Gesicht hielt, bis es fast seine Nase berhrte, und dann gebannt in die dunklen, leeren Augenlcher starrte. In dieser Hhle hatte der Br gehaust! Der ausgebleichten Knochenflle nach mute er hier frher viele Male berwintert haben. Und jetzt begriff der Zauberer Bruns Erregung. Dies war das beste Vorzeichen, das es je geben konnte! Dieses war die Hhle des Groen Bren gewesen. Diese Felswnde waren durchdrungen von der Kraft und der Herrlichkeit des gewaltigen Wesens, das der Clan vor allen anderen verehrte. Und denen, die hier lebten, war die Gunst der Geister sicher. Langsam wandte der Mog-ur seinen Blick vom Brenschdel, in dessen Augenlchern, wie Ihm schien, pltzlich ein tiefes Feuer glomm, und schaute sich um. Ja, es mute so sein! Seit langer Zeit war diese Hhle nicht mehr bewohnt gewesen; sie hatte nur darauf gewartet, von ihnen gerunden zu werden. Und es war eine Hhle, die alles hatte, was eine Erdbehausung haben sollte. Sie war gnstig gelegen, gerumig, hatte Wasser und weit hinten einen Abzweig, wo man die geheimen Beschwrungen abhalten wurde. Dieser Hhlenwinzling wrde sein Reich sein! Ihre Suche hatte ein Ende und der Clan eine neue Bleibe gefunden. Nur die erste Jagd noch, die mute Beute bringen. Als die drei Mnner ins Freie traten, schien die Sonne. Die Wolken waren von einem scharfen Wind auseinandergetrieben worden und hatten eilig dett'Rckzug angetreten. Auch dies sah Brun als ein gutes Zeichen. Aber selbst wenn die Wolken dem Wind getrotzt, sich geffnet und unter Blitz und Donner prasselnden Regen ber ihnen ausgegossen htte, er wrde es als gutes Zeichen angesehen haben. Nichts htte seine Hochstimmung dmpfen oder das Gefhl freudiger Zufriedenheit in ihm vertreiben knnen. Auf dem terrassenfrmigen Vorsprung blieb Brun stehen und betrachtetes das Bild, das sich ihm bot. Gerade vor ihm, durch eine Lcke zwischen zwei grnbelaubten Hgeln hindurch, konnte er das Flirren offenen Wassers erkennen. Und als er diese Entdeckung machte, hatte er eine Erinnerung, die sein Unwissen um die rasch steigende Wrme und die fremdartige Pflanzenwelt in ein berlegtes Erkennen wandelte. Die Hhle befand sich nmlich im Vorgebirgsland einer Bergkette an der unteren Spitze einer halbinselhnlichen Landzunge, die breit in ein von allen Seiten umschlossenes Meer hineinleckte und an zwei Stellen mit dem Festland verbunden war; die erste bildete oben ein breiter, gebuckelter Erdhals; an der Seite jedoch war sie durch einen schmalen Streifen Schwemmlandes mit dem kaum gezackten Gebirgsland verknpft, dessen Flanken halb oben dann ein kleineres Gewsser umschlossen. Dieser Bergschild schtzte das Kstenland vor Eis und Schnee und den grimmigen Strmen, die von den Gletschern hoch oben herunterfegten. Milde Winde, vom Wasser her, die ber die niemals gefrierende Flche des Meeres strichen, hatten an der geschtzten Spitze der unteren Landzunge einen schmalen Streifen gemigter Bedingungen geschaffen, um den dichten Laubwldern, die dort in den Himmel wucherten, hinreichend' Feuchtigkeit und Wrme zukommen zu lassen. Es war die beste aller Hhlen! Und wenn er hierblieb, kam der Clan in den Genu des Besten beider Naturen. Hier war es wrmer als sonstwo in den umliegenden Gebieten, und Holz, mit dem whrend der Kltnis das wrmende Feuer unterhalten werden mute, war in Flle vorhanden. Ein groes Wasser, in dem sich Fische und Schalentiere tummelten, war nahe, und in den Felsklippen nisteten Seevgel vieler Arten. Die Wlder hielten Stechapfel, Quittenartiges, Nsse, Beeren und Grnzeug im berflu bereit. Zum Wasser der Quellen und Bche gab es leichten Zugang. Vor allem aber waren von der neuen Hhle aus die offenen Steppen leicht und schnell zu erreichen, wo die vielkpfigen Wildherden weideten, die nicht nur Fleisch hergaben, sondern auch fr die Beschaffung von Kleidung und Werkzeug taugten. Brun schritt dahin wie beflgelt, als er zu den Clan-Leuten zurckkehrte. Die Geister sind wieder mit uns, dachte er; aber vielleicht haben sie uns gar nicht verlassen, vielleicht wollten sie nur, da wir zu dieser greren, schneren Hhle ziehen. Ja, so mute es sein! Die Geister waren der alten Hhle mde geworden und wollten eine neue Heimstatt haben. Deshalb auch das Beben der Erde. Das Zeichen zum Aufbruch! Und die Gefhrten, die gettet wurden? Das waren die Opfer, welche die Unsichtbaren sich ausbedungen hatten, wenn sie einem schon eine bessere Hhle zeigten. Und Brun fhlte, da er auf die Probe gestellt worden war. Sie hatten sehen wollen, ob er zum Clan-Fhrer tauge. Gut, er hatte gezaudert und geschwankt, ob er nicht doch besser umkehren lassen sollte, aber dann war er fest geblieben. Die Geister hatten's ihm gelohnt. Als die drei Mnner in Sicht kamen, brauchte man keinem der ungeduldig Wartenden zu sagen, da ihr Umherziehen zu Ende sei. Sie sprten es einfach. Keiner von ihnen, auer Iza und Ayla, hatte die Hhle gesehen, und nur Iza ahnte, da sie die Hhle der Hhlen war. Jetzt kann er Ayla nicht mehr wegschicken, ging es der Medizinfrau durch den Kopf. Denn wre sie nicht gewesen, dann wre Brun umgekehrt, ehe die Hhle gefunden war. Bestimmt msse sie ein mchtiges und hilfreiches Schutzzeichen haben, das selbst dem Clan Gutes gebracht habe. Iza blickte auf das Mdchen an ihrer Seite, das in all der handgreiflichen Erregung rundum ganz ruhig war. So ein hilfreiches Totem und trotzdem so allein? Bedchtig schttelte Iza den Kopf. Nie wrde sie den Wegen der Geister folgen knnen. Auch Brun blickte nun nachdenklich auf Ayla; denn als er, aus der Hhle tretend, beider ansichtig wurde, war ihm eingefallen, da es Iza gewesen war, die ihm von der Hhle berichtet hatte, und die Schwester wiederum htte sie niemals gesehen, wenn sie nicht Ayla nachgelaufen wre. Er war verstimmt gewesen, als die Kleine sich so allein davonmachte; er hatte allen bedeutet zu warten. Und doch! Wre sie nicht so ungehorsam gewesen, htte er die Hhle nie entdeckt. Aber warum hatten die Geister zuerst ein Kind - und dann auch noch eins der Fremdlinge - zur Hhle gefhrt? Nun, der Mog-ur mochte recht haben, da die Geister ber Izas Mitgefhl nicht erzrnt waren und auch nicht unwillig darber, da Ayla beim Clan geblieben war. Sie schienen ihr sogar besondere Gunst zu schenken. Brun schaute zu seinem krppligen Bruder hinber, dem eigentlich sein Platz angestammt wre. Es ist gut, da Creb unser Mog-ur ist, dachte er. Seit langer Zeit hatte er ihn nicht mehr als Bruder gesehen, seit ihrer Kinderzeit nicht mehr. Ja, als er jung gewesen war und um die Beherrschung seiner selbst gerungen hatte, die den Mnnern des Clans ein hohes Gebot war, da hatte er sich als Crebs Bruder gefhlt. Doch der mute seinen eigenen Kampf fhren, gegen Schmerz und Spott, weil er nicht recht laufen konnte, nicht jagen; aber schon damals schien Creb zu spren, wenn Brun bekmmert und niedergeschlagen war. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte Brun seinen Bruder bedauert; doch ber der Achtung vor seiner Weisheit und seiner Macht hatte er Crebs Leiden lange vergessen. Er hatte beinahe aufgehrt, ihn als seinesgleichen zu sehen, nur noch den groen Zauberer in ihm erblickt, dessen weiser Rat regelmig gesucht wurde. Zwar war ihm noch nie in den Sinn gekommen, da sein Bruder darum trauerte, nicht der Clan-Fhrer zu sein, aber doch ging ihm schon einmal die Frage durch den Kopf, ob es Creb nicht schmerzte, keine Gefhrtin zu haben und somit auch keine Kinder. Es stimmte schon, da die Weiber einem ab und zu den Kopf voll machen konnten mit ihrem Geschnatter, aber genausoort brachten sie ihren Mnnern Wohlbehagen und die Wrme ihrer Krper. Creb hatte sich nie eine Gefhrtin genommen und niemals zu jagen gelernt; er war kein Mann, aber er war der Mog-ur, der groe Zauberer. Brun kannte sich nicht aus im Zustandekommen und Zusammenwirken von zauberischen Krften und wute wenig ber die Geister, doch er war der Clan-Fhrer, und seine Gefhrtin hatte Ihm einen Sohn geboren. Warmes Wohlgefhl wallte in ihm auf, als er an Broud dachte, seinen Jungen, der eines Tages seinen Platz einnehmen wrde. Er knnte ihn doch schon auf die nchste Jagd mitnehmen, kam es Brun pltzlich in den Sinn, auf die Jagd fr die Hhlenweihe. Und wenn Broud dabei sein erstes Wild erlegen sollte, dann konnte seine Mannbarkeit zusammen mit dem Einzug gefeiert werden. Das wrde Ebra stolz machen. Gro genug dafr war Broud, und er war stark und tapfer; zu starren Sinnes bisweilen, aber er lernte schon noch, sein Blut nicht dauernd zu erhitzen und seinen Kopf khl zu halten. Brun brauchte auch einen weiteren Jger, denn jetzt, wo der Clan eine Hhle gefunden hatte, muten sich viele Hnde regen, um fr die kommende Zeit der Kltnis vorzusorgen. Der Junge war kein Kind mehr; Broud war reif fr das Leben eines Mannes. Es wird bestimmt eine gute Feier, befand Brun, denn Iza wrde wieder den Trank bereiten. Iza. Und was sollte mit Iza geschehen? Und dann noch dieses Kind, das Iza schon umsorgte, so fremdartig es war. Wohl, weil sie solange keine Kinder hatte. Aber bald wrde sie ihr eigenes bekommen und hatte keinen Gefhrten, der ihnen Wrme, Schutz und Nahrung gbe. Iza ist zwar nicht mehr jung, aber sie bekommt ein Kind, und sie hat Zauberkrfte und einen hohen Rang, ging es dem Bruder weiter durch den Kopf. Einem Mann brchte das Ehre. Und wenn sie nun einer der Jger zur zweiten Gefhrtin nhme? Und was wre mit diesem fremdartigen Findling dort? Dieses Mdchen, das in der Gunst der Geister steht! Es knnte sein, da er die Unsichtbaren erzrnte, wenn er das Kind jetzt aussetzte, und dann knnte es sein, da sie die Erde wieder erbeben lassen. Brun fuhr sich mit der Hand ber die Stirn, befingerte die flachen Flgel seiner knochigen Nase und begriff: Iza will das Kind behalten. Sie hat mir die Hhle gezeigt. Ihr ist die Ehre! Aber es drfte nicht so offenkundig sein. Wenn er ihr das Kind liee, wrde ihr Ehre bezeugt, aber das Kind gehrte doch nicht zum Clan! Und wurden die Geister des Clans es denn so haben wollen? Noch nicht einmal ein schtzendes Zeichen war dem Kind gegeben. Und wie sollte es bei ihnen bleiben, ohne Totem? "Creb!" Brun winkte dem Mog-ur. Der Zauberer drehte sich langsam um, glaubte, sich verhrt zu haben; Brun rief ihn mit seinem Geburtsnamen, und Creb humpelte zum Clan-Fhrer hinber, als dieser ihm bedeutete, da er mit ihm allein sein wollte. "Das Mdchen, das Iza mitgeschleppt hat, du weit, sie gehrt nicht zum Clan, Mog-ur", begann ihm Brun unsicher auseinanderzusetzen. Creb wartete. "Du hast mir bedeutet, der Groe Hhlenbr sollte ber ihr Leben bestimmen. Gut, sie lebt. Aber was sollen wir jetzt mit ihr? Sie gehrt nicht zum Clan. Sie hat kein schtzendes Zeichen!" Erregt hatte Brun den Bruder am Arm gepackt. Er wisse doch selbst am besten, da ihre To-tems keinem anderen, schon gar nicht von einem fremden Clan, erlaubten, an der Weihe einer neuen Hhle teilzunehmen. Und nur die Geister, die spter in der Hhle leben wrden, drften dabeisein. Zwar sei das Kind noch jung und - zugegeben -knne sich nicht lange allein am Leben erhalten, und Creb wisse ja auch, da ihre Schwester es zu behalten wnsche, aber was wre dann mit der Hhlenweihe? Creb hatte solches erwartet. Er entzog seinen Arm dem Griff des Bruders. "Das Kind hat ein schtzendes Zeichen, Brun, ein starkes Totem. Aber wir kennen es nicht. Ein Hhlenlwe hat die Kleine angegriffen, sie aber ist mit ein paar Kratzern davongekommen." "Ein Hhlenlwe? Noch nicht mal mit einem Jger wurde so glimpflich verfahren." "Und ist sie nicht lange Zeit umhergeirrt, dem Hungertod nahe, ohne da die Geister beschlossen haben, sie zu holen? Sie legten sie uns in den Weg, damit Iza sie finden sollte. Und du hast es nicht verhindert, Brun. Ich glaube, ihr Schutzgeist hat sie geprft; er wollte sehen, ob sie seiner wrdig ist. Er ist nicht nur stark, erbringt auch Glck. Wir knnen alle an ihrem Glck teilhaben. Vielleicht tun wir das schon." "Die Hhle?" "Ihr ist sie zuerst gezeigt worden. Wir waren nahe daran umzukehren. Du hast uns so nahe herangefhrt, Brun ... " "Die Geister haben mich gefhrt, Mog-ur. Sie wollten eine neue Bleibe." "Ja, sie haben dich gefhrt, zuerst aber haben sie die Hhle dem Mdchen gezeigt, Brun, wir haben zwei Kinder im Clan, deren Totems wir noch nicht kennen. Bis jetzt habe ich sie noch nicht in Erfahrung bringen knnen; wir hatten erst eine neue Hhle zu finden. Ich mchte den Kindern das Totem zukom men lassen, einem jeden das seine, wenn wir die Hhle weihen. Es bringt ihnen Glck und ihren Mttern Freude." "Und das Mdchen?" "Wenn ich die Geister anflehe, mir die schtzenden Zeichen der Kleinen zu enthllen, werde ich sie auch nach dem Totem des Mdchens fragen. Und wenn es sich mir zeigt, kann sie an der Feier teilhaben. Wir knnten sie in den Clan aufnehmen, und dann kann sie bleiben." Brun legte die rechte Hand an sein flaumbestandenes Ohr, formte sie muldenhnlich und wiederholte erregt: "In den Clan aufnehmen? Sie gehrt nicht zum Gro-Clan. Sie ist ein Kind der anderen. Wie knnten wir sie je aufnehmen? Solches wird das freundliche Auge des Groen Bren verfinstern, glaube mir! Noch nie ist so etwas geschehen!" hielt Brun dem Zauberer entgegen. Er wollte sie nicht zu einer der Ihren machen, er wollte nur wissen, ob die Geister nichts dagegen htten, wenn das Mdchen beim Clan bliebe, bis es grer geworden sei. "Iza hat ihm das Leben gerettet, Brun. Sie trgt jetzt etwas von dem Geist des Mdchens in sich. Und dadurch ist es mit dem Gro-Clan verbunden. Es war nahe daran, in die andere Welt hinberzugehen, ist aber bei uns geblieben, hat ein neues Leben bekommen und wurde somit in den Clan hineingeboren." Creb, der mit ernsten, eindringlichen Bewegungen seinem Bruder bedeutet hatte, wie sich die Sache verhielt, sah, da sich die Miene Bruns bei dieser Vorstellung umwlkte, und er gab eilig weiteren Hinweis, ehe Brun Einwendungen machen konnte. "Leute von einem Clan verbinden sich mit denen eines anderen Clans, Brun. Das geschieht oft. Es gab eine Zeit, als die jungen Leute vieler Clans sich zusammentaten, um neue Clans zu grnden. Auch du warst auf der letzten Zusammenkunft des Gro-Clans. Hast du's nicht mehr im Kopf, da sich da zwei kleine Clans zu einem verbunden haben? Denn beide waren geschrumpft, nur wenige Kinder waren geboren worden, und fast alle starben bald darauf." Und demnach sei es wirklich nichts Neues, jemand anderen in den Clan aufzunehmen, war Crebs abschlieende Vorhaltung gewesen. Brun legte beschwichtigend die Hand auf des Bruders Schulter. Er gebe zu, manchmal gingen die Leute von einem Clan zu einem anderen. Und ob er, der Mog-ur, denn glaube, da der Geist ihres Totems sich ihm mitteilen wrde, und wenn es geschhe, wie er denn wissen wolle, ob er ihn auch richtig deute? Ihm, Brun, blieben Sinn und Verstndnis der Sprache des Mdchens verborgen. Ob der Bruder denn wirklich glaube, ihr Totem zu entdecken, mit ihm sprechen zu knnen? Hoch auf richtete sich der Mog-ur nun. Das eine Auge blitzte Brun an, als er vorschlug, es versuchen zu wollen; mit Hilfe des Groen Bren, denn die Geister htten ihre eigene Sprache, und wenn sie es wollten, da das Kind ein Kind des Clans wrde, dann wrde das Totem, das sie beschtze, sich auch erklren wollen. Brun schluckte schwer. Doch dann trug er wieder seine Zweifel vor: "Aber selbst wenn du mit ihrem Schutzgeist sprechen kannst, welcher Jger wird sie haben wollen?" Iza und ihr Kleines seien Brde genug, und man habe nicht so viele Jger, denn nicht nur der Verlust von Izas Gefhrten sei zu beklagen, als die Erde wieder zur Ruhe gekommen war, auch der Sohn von Grods Gefhrtin habe den Tod gefunden, ein junger, krftiger Jger, ebenso wie Agas Gefhrte, und sie habe nicht nur zwei Kinder, sondern auch ihre Mutter am Feuer sitzen. Schmerz trbte Bruns Augen, als er der Toten des Clans gedachte. "Und Oga?" klagte Brun weiter; den Gefhrten ihrer Mutter htten die Hrner eines Auerochsen durchbohrt, und ihre Mutter sei zu Tode gekommen, als die Hhle einstrzte. "Ich habe Ebra befohlen, das Mdchen aufzunehmen. Oga ist fast eine Frau. Wenn sie gro genug ist, will ich sie Broud geben." Einen Augenblick lang behielt Brun den Gedanken an seine eigene Familie im Kopf, schttelte ihn jedoch ab und beendete seinen Vortrag: "Die Last ist schwer genug fr die Mnner, die noch brig sind, Mog-ur. Wenn ich das Mdchen in den Clan aufnehme, wem kann ich dann Iza geben?" "Du wolltest ihr das Mdchen lassen, bis es grer ist, Brun. Und wem wolltest du sie da geben?" fragte der Einugige. Brun kratzte sich im Nacken, und Creb fuhr fort: "Du brauchst deinen Jgern nicht noch Iza und das Kind aufzubrden, Brun. Ich nehme sie an mein Feuer." "Du?" Crebs Auge funkelte. Beredt unterstrich des Zauberers Hand den Vorschlag. "Ja. Sie sind Frauen. Jungen brauchen die Unterweisung eines Mannes, aber es sind keine Jungen da. Steht mir als Mog-ur nicht der Anteil einer jeden Jagd zu?" Er habe ihn noch nie gefordert. Und habe ihn noch nie gebraucht. Nun aber sollten alle Jger den Anteil abtreten, der des Mog-urs sei, dann htte die Last auch nicht auf einem zu ruhen. Ja, in der neuen Hhle wolle er sein eigenes Feuer entznden und Iza Schutz und Nahrung geben, wenn kein anderer Mann sie begehrte. Lange Zeit schon teilte er ihr Feuer, und es kme ihn hart an, wenn es jetzt anders wrde. "Iza kann mich pflegen, wenn die Schmerzen wieder in mir bohren; und wenn ihr Kind ein Mdchen ist, nehme ich es auch. Wenn es ein Junge ist..." Creb zuckte mit den Achseln. Sinnend betrachtete Brun das Bild, das der Mog-ur ihm entworfen hatte. Ja, es war gut. Eine Erleichterung fr alle. Weshalb aber wollte Creb das tun? Iza hatte ihn immer gepflegt, ganz gleich, wessen Feuer sie teilte. Weshalb wollte ein Mann, der so viele Monde gesehen hatte wie er, pltzlich die Brde kleiner Kinder auf sich nehmen? Weshalb wollte er sich abmhen, ein Kind von fremder Art grozuziehen und zu unterweisen? Brun erfllte die Vorstellung, das Mdchen in den Clan aufzunehmen, mit Unbehagen, das krperlich war, so, als htte er Steine im Bauch. Er wnschte, diese Frage wre nie aufgetaucht. Noch weniger gefiel ihm der Gedanke, da ein Fremdling mit ihnen zusammenleben sollte, jemand, der nicht zum Clan gehrte und der nicht seiner Gewalt unterstand. Am besten war wohl, das Mdchen aufzunehmen und so zu erziehen, wie es sich fr eine Frau gehrte. Und wenn Creb dazu bereit war, dann sah Brun keinen Grund, es ihm zu verwehren. Brun senkte die geffnete Hand. "Gut, wenn du ihr Totem entdeckst, nehmen wir die Kleine in den Clan auf, Mog-ur. Beide sollen dein Feuer teilen, bis Iza ihr Kind bekommt." Und zum ersten Mal hoffte Brun nicht auf die Geburt eines Jungen. Als er die entscheidende Handbewegung gemacht hatte, war es Brun pltzlich sehr leicht ums Herz geworden. Da Iza so allein war, hatte ihn geqult, aber zunchst war die Bleibe fr den Clan vordringliche Sorge gewesen. Creb hatte mit seinem Vorschlag nicht nur Brun, dem Clan-Fhrer, einen Ausweg aus einer bedrckenden Lage gezeigt, sondern auch Brun, dem Familien-Vater. Denn seit dem Erdbeben, bei dem Izas Gefhrte verschttet worden war, hatte er es in sich hin und her bewegt, was mit Iza zu geschehen habe. Und stets hatte Brun nur den einen Gedanken fassen knnen: Iza und das Kind, das sie erwartete, und auch Creb waren an seinem eigenen Feuer aufzunehmen. Aber da saen doch bereits Ebra, seine Gefhrtin, Broud und Oga. Das waren einfach zu viele und zu verschiedene, als da sich alle vertrgen. Es wurde nur bses Blut geben. Ebra verstand sich zwar recht gut mit Iza, aber wie wrde es werden, wenn sie gemeinsam an einem Feuer lebten? Brun hatte schon versprt, da Ebra eiferschtig war auf Izas hheren Rang, und Ebra war die Gefhrtin des Clan-Fhrers; in den meisten Clans wre sie die hchstgestellte Frau gewesen, doch Iza war der hohe Rang angeboren, sie hatte ihn nicht durch ihren Gefhrten erworben. Als nun seine Schwester sich des Findlings angenommen hatte, war Brun die Befrchtung aufgestoen, er msse auch noch fr diesen Sorge tragen. Aber da es so kommen wrde, wie es sich jetzt ergeben hatte, da der Mog-ur sein eigenes Feuer entznden und Iza und die Kinder unter seine Fittiche nehmen wrde, das wre frher nie in seinen Kopf gegangen. Brun begab sich zu den Clan-Leuten, die schon ungeduldig von einem Fu auf den anderen traten und darauf warteten, da er ihnen besttigte, was sie schon ahnten. "Wir haben eine Hhle gefunden. Wir bleiben." "Iza", sagte Creb und nahm die Schwester sachte am Arm, whrend sie den Trank aus Weidenrinde fr Ayla bereitete. Heute wrde er nichts essen. Diese neigte zustimmend den Kopf, denn sie wute, da der Mog-ur mit den Geistern Zwiesprache halten wollte, und das mute man mit leerem Magen. Inzwischen begannen die anderen neben dem Bach, etwas unterhalb des sanft abfallenden Hanges, die Lagerstatt aufzuschlagen. Erst wenn die Hhle durch des Mog-urs heilige Handlungen geweiht worden war, konnte Einzug gehalten werden. Obwohl es eigentlich nichts Gutes verhie, wenn man sich allzu ungeduldig zeigte, fand jeder einen Vorwand, sich nahe genug an sie heranzumachen, um vom Innern einen Blick zu erhaschen. Frauen, die Nahrung suchten, arbeiteten sich wie zufllig bis zur ffnung vor, gefolgt von den Mnnern, die vorgaben, ihr Tun zu berwachen. Die Clan-Leute waren erregt, aber heiterer Stimmung. Die ngste, die sie seit dem Erdbeben heimgesucht hatten, waren mit einemmal verflogen, denn das, was sie von der neuen groen Behausung sahen, sagte ihnen zu; zwar konnte man nicht sehr weit in das dmmrige, lichtlose Loch hineinblicken, doch immerhin erkannte man, da sie weitrumiger war und viel luftiger als die frhere Hhle. Voll Freude wiesen sich die Frauen auf das moosbewachsene Becken hin, gleich ne ben der Hhle, welches das Quellwasser auffing; nicht einmal bis zum Bach wrde man hinuntergehen mssen. Der Hhlenweihe sahen sie mit freudiger Erwartung entgegen; eines der wenigen heiligen Feste, an denen Frauen teilnehmen durften. Der Mog-ur raffte seinen Fellumhang und humpelte noch eine Strecke Wegs. Er brauchte Ruhe jetzt und einen Platz, wo er in sich gehen konnte, ohne pltzlich gestrt zu werden. Ein warmer Wind strich ihm um den Bart, whrend er dem eifrig springenden Bach folgte, der weiter unten schon nicht mehr so schnell lief, statt dessen aber immer breiter wurde und schlielich als krftiger Flu sich ins Meer ergo. Creb schaute sich um. Nur ein paar ferne Wolken trbten die Klarheit des sptnachmittglichen Himmels, und dicht und ppig sprossen Strucher und Bsche, die er immer wieder zu umgehen hatte. Ein Rascheln im nahen Gebsch lie ihn pltzlich innehalten. Das Land war ihm fremd hier, und sein einziger Schutz war der schwere Stock, auf den er sich beim Gehen sttzte, der aber in seiner kraftvollen Hand eine frchterliche Waffe war. Er hielt ihn schlagbereit, whrend das Rascheln nher kam und ein Schnauben und Grunzen anhob aus dem dichten Unterholz, begleitet vom Knacken brechender ste. Mit einemmal stie das Tier durch das dichte grne Laubwerk. Den mchtigen Krper trugen kurze, stmmige Beine, zu beiden Seiten des Rssels sprangen spitz und scharf die unteren Eckzhne hervor. Ein Keiler. Angriffslustig funkelten ihn die kleinen, rotgederten Augen des graumassigen Tieres an, das aber dann zu scharren anfing, den Kopf schnffelnd in die Erde bohrte und sich so seinen Weg zurck ins Dickicht grub. Creb seufzte erleichtert und setzte seinen Weg am Bach entlang fort. An einem schmalen, sandigen Uferstreifen hielt er an, breitete seinen Umhang aus, legte den Schdel des Hhlenbren darauf und setzte sich ihm gegenber. Dann beschwor er den Geist des Groen Bren und bat ihn um seine Hilfe. Der Kopf fiel ihm auf die Brust, aus dem alle Bilder und Gedanken getilgt waren, in dem jetzt nur noch Platz war fr die beiden kleinen Kinder, die erfahren muten, welches ihr Totem war. Kinder hatten Creb schon immer gefesselt. Oft, wenn er scheinbar in sich selbst vertieft inmitten der Clan-Leute sa, beobachtete er sie, ohne da jemand dessen gewahr wurde. Das eine war ein Junge, krftig und behend, der lauthals brllte, als man ihn geboren hatte. Und noch immer nuckelte Borg an seiner Mutter herum, grub den Kopf in ihre weichen Brste und suchte und saugte und stie dabei leise, grunzende Laute aus. Er erinnerte Creb an den Keiler, dem er eben begegnet war. Der Keiler schien ihm ein Tier, das man achten mute. Es war schlau. Beim Angriff konnte es auf den kurzen Beinen erstaunlich schnell ber den Boden donnern, und die scharfen Hauer mochten bse Wunden reien. Kein Jger wurde ein solches Totem gering schtzen. Und Borgs Schutzgeist wrde sich heimisch fhlen in der neuen Hhle; gut, ein Keiler also, erkannte Creb. Der Mog-ur war zufrieden mit der Wahl, bndelte wieder seine Sinne und richtete sie auf das andere Kind. Ona, deren Mutter ihren Gefhrten bei dem Erdbeben verloren hatte, war nicht lange vor diesem Schrecknis geboren worden. Ihr Bruder Vorn, der noch nicht lange laufen konnte, war jetzt der einzige mnnlichen Geschlechts an diesem Feuer. Aga brauchte bald einen anderen Gefhrten, ging es dem Zauberer durch den Kopf, einen Gefhrten, der auch ihre Mutter Aba beschtzt. Aber das ist Bruns Sorge, ich mu an Ona denken. Fr gewhnlich brauchten Mdchen sanftere Totems. Das Schutzzeichen einer Frau durfte nicht strker sein als das eines Mannes, weil es sonst die Fruchtbarkeit spendenden Krfte abwehrte, und dann trug die Frau niemals Kinder. Das Bild Izas entstand vor seinem Auge. Viele, viele Monde lang hatte sich ihr Totem, die Steppenantilope, dem ihres Gefhrten berlegen gezeigt. Aber war es wirklich so stark? Dem Mog-ur ging die Frage oft durch den Kopf. Seine Schwester hatte mehr Wissen ber zauberische Krfte, als man gemeinhin annahm, und dem Mann, dem sie gegeben worden war, war sie hchst abgeneigt gewesen, was Creb ihr jedoch nicht verargen konnte. Hatte sie doch alles ertragen und nicht allzuviel nach auen dringen lassen; aber der Zwist zwischen ihnen war zu spren gewesen. Jetzt wrde er, der Mog-ur, sich um sie kmmern, wenn auch nicht als ihr Gefhrte. Niemals konnte Creb mit Iza, die seine Schwester war, zusammengegeben werden; es htte gegen Brauch und berlieferung verstoen. Und schon lange war es her, seit er eine Frau als Gefhrtin begehrt hatte. Iza war eine gute Frau. Sie kochte fr ihn und besorgte sein Feuer. Und wenn jetzt noch Ayla hinzukme? Als wenn er schon am Feuer se, versprte Creb den Anflug einer sanften Wrme, da er daran dachte, wie ihre dnnen rmchen ihn umfangen hatten. Spter, ermahnte er sich und vertrieb das Bild, zuerst Ona. Sie war ein stilles, doch aufmerksames Kind, das ihn oft aus groen, runden Augen anschaute. Alles beugte sie mit stummer Wibegierde. Nichts, so schien es, entging ihr. Das Bild eine? Eule kam ihm vor Augen. Zu stark? Sie ist ein ruberischer Vogel, dachte er; jagt aber nur kleine Tiere, beschwichtigte er. Denn wenn eine Frau ein starkes Totem hat, dann mu ihr Gefhrte ein viel strkeres haben. Kein Mann, ber den nur ein schwacher Schutzgeist wachte, konnte eine Frau mit dem Totem der Eule zur Gefhrtin nehmen. Aber vielleicht brauchte sie einen Mann mit einem starken Schutzgeist. Also soll es eine Eule sein, beschlo der Mog-ur. Alle Frauen brauchen Gefhrten mit starken Schutzgeistern. Habe ich darum niemals eine Gefhrtin bekommen? fragte sich Creb. Wie gro ist der Schutz, den ein Reh geben kann? Izas Totem ist strker. Viele Sommer waren vergangen, seit Creb das letztemal seines Totems, des sanften, scheuen Rehs, gedacht hatte, das, dem Keiler gleich, in diesen dichten Wldern lebte. Der Zauberer war einer der wenigen, der zwei Totems hatte: Das Zeichen Crebs war das Reh; das Zeichen fr den Mog-ur war der Hhlenbr. Dieses Tier, ein mchtiger Pflanzenfresser, der seinesgleichen an Gre weit berragte, auf zwei Beinen beinahe doppelt so hoch stand wie sie und dessen gewaltiger, zottiger Krper dreimal ihr Gewicht hatte, dieser grte Br, den die Erde je gesehen hatte, geriet selten in Zorn. Doch einmal hatte es sich begeben, als eine erschrockene Brin einen krppligen Jungen angriff, der, in seine Trume vertieft, ihren Jungen zu nahe gekommen war/ und ihn zu Boden schlug. Erst spter fand man den Jungen, blutberstrmt, das halbe Gesicht zerfetzt, ein Auge herausgerissen. Seine Mutter hatte ihm unterhalb des Ellenbogens den nutzlosen gelhmten Arm abgenommen, den die riesige Brin zermalmt hatte, und ihn gesundgepflegt. Nicht lange danach war das verwachsene und zerschundene Kind Gehilfe des Mog-urs geworden, der dem Jungen verriet, da der Br gerade ihn, Creb, erwhlt, geprft und wrdig befunden htte und ihm sein Auge genommen zum Zeichen, da er von nun an unter seinem Schutz stnde. Creb sollte seine Narben mit Stolz tragen, sie wren das Zeichen seines neuen Schutzgeistes, seines Totems. Niemals lie der Groe Br es zu, da sein Geist von einer Frau geschluckt wurde, die ein Kind gebren sollte. Und Schutz gewhrte er erst nach einer Prfung. Wenige waren hierzu auserwhlt; und noch weniger berlebten. Creb hatte sein Auge verloren, doch es schmerzte ihn nicht mehr. Heute war er der groe Mog-ur. Und kein Zauberer zuvor hatte je seine Macht gehabt; die Macht des Bren, den der Mog-ur jetzt um Beistand bat. Die eine Hand um das Amulett geschlossen, das an seinem Hals hing, beschwor er den Geist seines groen Beschtzers, ihm den Geist des Totems zu entbergen, der das Fremdlingskind beschtzte. Gewaltig schwollen die Adern an seinen Schlfen, sein Auge saugte sich in die leeren Blicklcher des Brenschdels, der allmhlich sich auflste und Aylas Gestalt annahm. Und wieder sah er sie auf die Hhle zugehen, bar jeglicher Zagheit und Angst. Und vorher? Offen hatte sie sich zu ihm bekannt, hatte Furcht weder vor seiner Ungestalt noch vor dem Mifallen des Clans gezeigt. Wibegierig war sie, und ihr Kopf begriff rasch, als wre sie ... Ayla begann zu verschwimmen, und statt ihrer entstand ein Bild, das Creb mit einemmal den Atem raubte. Nein, das konnte nicht sein! Sie wird doch eine Frau, hmmerte es in seinen Schlfen, das ist kein weibliches Totem! Er verdrngte das Geschaute und lie Ayla wieder ihren Weg zur Hhle nehmen. Doch wieder zerflo die Hhle mit dem Kind, und zum zweiten Mal begann sich das Unglaubliche zu bilden. Er sah Hhlenlwen, ein Rudel war es, das trge in der heien Sonne der offenen Steppe lag, zwei junge darunter. Das eine Jungtier tollte tapsig durch das hohe Gras, beschnffelte neugierig die Erdlcher kleiner Nager und knurrte forsch. Spter wrde es bestimmt zur mchtigen Lwin werden, zur unerschrockenen Jgerin. Doch jetzt sprang es auf den zottiggemhnten Lwen, hob furchtlos seine kleine Tatze und schlug nach dessen mchtiger Schnauze. Bedchtig schob der herrisch Gemahnte das Kleine hinunter und hielt es mit schwerer Pranke; dann leckte er es mit langer, rauher Zunge. Und wiederum versuchte Creb, dieses Bild zurckzustellen, von seinem Auge wegzuschieben, bis es wieder Ayla sah, das Mdchen, das aber nicht mehr zur Hhle ging, sondern bei den Lwen spielte. Des Mog-urs Krper begann zu zittern, als er das Zeichen erkannte: ein Hhlenlwe! Das Bild wirbelte wild in seinem Kopf. Pltzlich durchzuckte es ihn jh und scharf. Das kann doch nicht sein. Keine Frau kann einen so mchtigen Schutzgeist haben. Und mit welchem Mann knnte sie sich je vereinigen? Niemand im Clan hatte das Totem des Hhlenlwen, kaum einer unter den Mnnern aller Clans hatte es. Und wieder sah er vor sich Ayla, das hochaufgeschossene, magere Kind mit den geraden Armen und Beinen, dem flachen Gesicht unter der hohen gewlbten Stirn; farblos und ausgebleicht, selbst die Augen. Sie wird eine hliche Frau werden, dachte der Mog-ur. Und berhaupt, wird je ein Mann sie haben wollen? Aber hat je eine Frau mich haben wollen? Vielleicht wird sie auch nie ihr Feuer mit jemandem teilen knnen. Sie wird den Schutz eines starken Totems brauchen, wenn sie sich alleine durchbringen mu. Aber einen Hhlenlwen? Tief grub Creb in seinem Kopf nach der Erinnerung, ob es im Gro-Clan jemals eine Frau gegeben hatte, deren Totem ein Hhlenlwe gewesen war. Aber sie gehrte ja nicht zum Clan, und alles deutete darauf hin, da sie starken Schutz geno, sonst wre sie doch lngst nicht mehr am Leben; sie wre von jenem Hhlenlwen gettet worden. Und dann stand es klar vor seinen Augen, das Bild, wie Ayla mit den Lwen spielt und der alte sie angreift. Angreift? Nicht doch, auf die Probe gestellt, geprft mit der Macht seiner Pranke! Ein kalter Schauder des Begreifens kroch Crebs Rcken hinauf. Jetzt stand es fest und unerschtterlich in seinem Kopf, das Bild. Nicht einmal Brun kann da mitrauen, dachte er. Der Hhlenlwe selbst hatte sie mit seinen Krallen gezeichnet, wie bei der Weihe zur Mannbarkeit, wo dem Jngling, dem der Hhlenlwe als Schutzgeist gegeben ist, vier nebeneinanderliegende Linien in den Oberschenkel geritzt werden. Doch Ayla war eine Frau, und das Mal war das gleiche! Creb war verwirrt darber, da ihm das nicht frher aufgefallen war. Bestimmt hatte der Lwe gewut, da sich die Leute im Clan sehr schwer tun wrden, das Totem des Mdchens anzunehmen. Und deshalb hatte er selbst ihm das Zeichen mitgegeben, und zwar so deutlich, da es niemand als etwas anderes ausgeben konnte, als es war: das Zeichen des Gro-Clans. Ja, der Hhlenlwe will, da sie unter uns lebt; er hat ihre Leute genommen, damit sie mit uns leben mu. Aber warum? Eine dumpfe Bedrckung legte sich auf das Herz des Zauberers, das gleiche Gefhl, das er versprt hatte, als man das Kind fand. Der Mog-ur schttelte sich. Nie zuvor hatte sich ihm ein Schutzgeist mit solcher Klarheit enthllt. Das, dachte er, war es, was ihm Angst machte. Der Hhlenlwe ist ihr Totem. Er hat sie auserwhlt, so wie der Hhlenbr mich auserwhlte. Langsam lste der Zauberer seinen Blick aus den dunklen Augenhhlen des Brenschdels, vor dem er lange gehockt hatte. Er war erleichtert und bedrckt zugleich. Warum nur, warum brauchte dieses kleine Mdchen so mchtigen Schutz? ~Kapitel 4 Schwarzbelaubte Bume wiegten ihre Kronen sachte im khlenden Abendwind, riesenhafte Schemen tanzender Zauberer vor einem blutroten Himmel. Im Clan-Lager war Ruhe eingekehrt. Der dmmrige Schein glhender Holzkohle half Iza bei der Durchsicht mehrerer kleiner Beutel, die in geordneten Reihen auf ihrem ausgebreiteten Umhang lagen. Hin und wieder warf sie einen Blick in die Richtung, in der Creb davongegangen war. Sie war in Unruhe um ihn, da er allein, ohne Waffen in unbekannten Wldern weilte. Das Kind schlief schon. Fahrig zupfte sie an der Felldecke. Die Sorge der Frau wuchs, je mehr das Licht des Tages schwand. Noch am Mittag hatte sie sich die Pflanzen angesehen, die rings um die Hhle wuchsen. Dort konnten ja welche sein, mit denen ihr Vorrat an Heilkrutern aufgefllt und erweitert werden konnte. Unentbehrliches trug sie stets in ihrem Otterfellbeutel bei sich, aber das, was die kleinen Beutel an getrockneten Blttern, Blumen, Wurzeln, Knllchen, Krnern und Rindenstckchen enthielten, war nur das Allerntigste. In der neuen Hhle war Platz fr mehr. Endlich erblickte Iza die hinkende Gestalt des alten Zauberers. Erleichtert sprang sie auf, um dem Bruder das Essen zu wrmen und Wasser heizumachen fr seinen Krutertrank. Schlurfend kam er heran und lie sich neben ihr nieder, als sie gerade ihre kleinen Beutel wieder wegsteckte. "Was macht das Kind?" Creb deutete auf das Fellbndel, das sich regelmig hob und senkte. "Sie hat einen ruhigeren Schlaf und kaum noch Schmerzen. Sie hat dich nochmal beim Namen genannt, Creb." Der Mog-ur brummte erfreut. "Mach bei Sonnenaufgang ein Amulett fr sie, Iza." Die Frau neigte den Kopf. Dann sprang sie wieder auf, nicht nur, um nach Essen und Wasser zu sehen; die Freude, da Ayla bliebe, lie sie einfach nicht still sitzen bleiben. Creb hat mit ihrem Totem Verbindung aufgenommen, dachte Iza, und ihr Herz klopfte laut vor Erregung. Die Mtter der beiden anderen Kinder hatten heute Amuletts gemacht. Und jeder sollte es sehen. Bald, bei der Hhlenweihe, wrde ihnen das Totem ihrer Kinder offenbart. Oh, alles lie sich so gut an! War Creb deshalb so lange weggewesen? Es mute schwer gewesen sein fr ihn. Gerne htte Iza gewut, welchen Schutzgeist Ayla hatte, doch sie unterdrckte ihre Neugierde. Creb wrde es ihr ohnehin nicht sagen, und sie wrde ihn bald genug erfahren. Sie brachte dem Bruder das Essen und stellte auch sich noch etwas zu trinken hin. Ruhig saen die Geschwister beieinander. Zuweilen krachte es im Feuer, als ein Stck Holzkohle heraussprang, oder etwas Rauch quoll auf, als kleine, gelblichgrne Flammen frischgebrochene ste umzngelten. Sie waren die einzigen, die noch wachten. "Bei Tagesanbruch ziehen die Jger aus", meinte Creb. "Wenn sie gute Beute machen, wird die Hhle am Tag danach geweiht. Bist du bereit?" "Ja, ich bin bereit." Iza hielt ihm einen Beutel vors Gesicht. Er war anders als die brigen. Sie hatte ihn aus der Haut eines Hhlenbren gefertigt und in das Fett, mit dem die Haut bearbeitet worden war, feinzerstampften roten Ocker gemischt, so da die Haut in einem tiefen Rotbraun glnzte. Keine der anderen Frauen nannte einen Gegenstand im heiligen Rot ihr eigen; jeder allerdings trug in seinem Amulett ein Stck des roten Ockers. Und dieser Beutel war das Kostbarste, was Iza besa. "Ja, Creb, wenn die Nacht um ist, werde ich mich fertig machen." Der Bruder brummte zustimmend; die bliche Antwort der Mnner auf die Bemerkung einer Frau, mit der bekundet wurde, da man sie zwar gehrt habe, aber auf eine Stellungnahme verzichte. Eine Zeitlang verharrten beide stumm und reglos. Dann stellte Creb die kleine Schale nieder, aus der er getrunken hatte, wandte sein Gesicht langsam zur Schwester und blickte sie durchdringend an. "Der Mog-ur wird dir und Ayla Schutz und Nahrung geben und auch deinem Kind, wenn es ein Mdchen wird. In der neuen Hhle sollst du mein Feuer teilen, Iza", schlo der Zauberer, griff nach seinem Stock, stemmte sich hoch damit und humpelte zu seinem Schlafplatz. Iza hatte sich erheben wollen, doch als sie Crebs Entschlu vernommen, sank sie wie vom Donner gerhrt zusammen. Alles htte sie erwartet. Aber da ihr Bruder ... Ja, sie hatte es hin und her gewendet im Kopf und wohl bedacht, da nun, da ihr Gefhrte vom Beben zermalmt und eine neue Hhle gefunden war, ein anderer Mann fr sie sorgen mute. Doch was sie fhlte, hatte nichts zu sagen. Brun htte sich nicht mit ihr beraten, und er htte sie jedem der Mnner geben knnen. Droog zum Beispiel; der war allein, seit Goovs Mutter bei dem Beben gettet worden war. Iza achtete Droog. Er fertigte das beste Werkzeug im Clan. Ein jeder der Mnner verstand zwar, einen Brocken Flintstein zu behauen, um sich daraus eine grobe Handaxt oder einen Schaber zu machen, aber Droog besa besonderes Geschick. Er wute den Stein so vorzuformen, da die Splitter, die er herunterhieb, genau die Form und Gre besaen, die er wnschte. Seine Stichel, Schaber, Kratzer, Bohrer und Klingen wurden hoch gerhmt. Wenn Iza unter den Mnnern des Clans htte whlen drfen, dann htte sie Droog genommen. Aber Iza hatte es sich schon im Kopf zurechtgelegt, da man Droog wohl mit Aga zusammengeben wrde. Aga war jnger als sie und schon Mutter zweier Kinder, und ihr Sohn Vorn wrde bald von einem Jger in die Zucht genommen werden mssen, und Ona, seine Schwester, brauchte jemanden, der fr sie sorgte, bis sie gro genug war, selbst einen Gefhrten haben zu knnen, und Droog war sicher bereit, auch Agas Mutter, Aba, aufzunehmen, denn die alte Frau brauchte ebenso wie ihre Tochter einen Platz, an den sie gehrte. Diese Vermehrung der Zahl der Kpfe um sein Feuer wrde das Leben des ruhigen, sorgsamen Werkzeugmachers grndlich verndern; Aga konnte so launenhaft sein wie das Frhlingswetter, und sie hatte nicht den feinen heiteren Sinn fr andere, wie Goovs Mutter ihn gehabt hatte. Aber Goov wrde bald sein eigenes Feuer entznden, und Droog brauchte eine Frau. Goov kam als Gefhrte berhaupt nicht in Betracht. Er war zu jung, kaum ein Mann, und hatte noch nicht einmal mit einer Frau zusammengelegen. Brun wrde ihm doch keine alternde Frau geben, und Iza htte sich mehr als Mutter denn Gefhrtin gefhlt. Und mit Grod und Uka zusammenzuleben und dem Mann, welcher der Gefhrte von Grods Mutter gewesen war, Zoug? Grod war ein in sich gekehrter Mann, aber niemals grausam, Brun treu ergeben. Es htte ihr nichts ausgemacht, mit Grod zu sammenzuleben, obwohl sie die zweite Frau gewesen wre. Doch Uka, Ebras Schwester, hegte noch immer einen leisen Groll gegen Iza, die ihre Schwester um den hchsten Rang im Clan'gebracht hatte; und seit dem Tod ihres Sohnes war Uka traurig und unzugnglich. Nicht einmal Ovra, ihre Tochter, konnte den Schmerz der Frau zerstreuen. Es ist zuviel Kummer an diesem Feuer; Iza schttelte den Kopf. Da sie jemals Crugs Feuer teilen wrde, war ausgeschlossen. Ika, seine Gefhrtin und die Mutter von Borg, kannte Iza als offene junge Frau. Aber das war es ja: beide waren sie so jung. Und mit Dorv, dem alten Mann, einst der Gefhrte von Ikas Mutter, der mit am Feuer der beiden sa, war Iza nie sehr gut zurechtgekommen. So blieb nur Brun. Aber bei ihm htte sie nicht einmal die Stellung einer zweiten Frau bekommen, da er ihr Bruder war. Es machte nichts; sie hatte ja den Rang, der ihr von Geburt gegeben war. Sie konnte ihr eigenes Feuer machen, nicht so wie die arme Alte, welche einem anderen Clan angehrt, ihren Gefhrten schon lange zuvor verloren und auch noch keine Kinder gehabt hatte und die von Feuer zu Feuer geschoben worden war, immer eine Last; eine Frau ohne Rang, ohne Wert, die froh sein durfte, da sie seit dem Beben im Reich der Toten weilte. Da sie jedoch mit Creb das Feuer teilen, da er fr ihre Nahrung und ihren Schutz sorgen wrde, war ihr niemals einer berlegung wert gewesen. Es gab im ganzen Clan niemanden, dem sie sich enger verbunden fhlte. Und Creb mochte Ayla. Das sprte sie. Iza fate sich an die schweren Brste und strich sich ber den tropfenfrmigen Bauch. Aus tiefstem Herzen entstieg ihr der Wunsch, keinen Jungen zur Welt zu bringen. Denn ein Junge mute mit einem Mann zusammenleben, der ihn zum Jger zu machen hatte, und Creb - Creb war ein Krppel. Ich knnte den Trank nehmen, um das Kind zu verlieren, ging Iza durch den Kopf. Dann wre ich sicher. Sie prete beide Hnde auf den Kinderhort ber ihren Beinen und wute, da schon Leben in ihm war. Entschieden schttelte sie den Kopf. Es war zu spt. Es htte gefhrlich werden knnen. Sie fhlte, da sie das Kind haben wollte, und obwohl sie nicht mehr jung war, trug sie nicht sonderlich schwer an der Leibesfrucht, denn sie wute, was fr Frauen wie sie gut war. Allen Kindern im Clan hatte Iza ans Licht geholfen; ihre Erfahrung, aber auch ihre Krauter teilte sie grozgig mit den Frauen. Jedoch einen Zauber gab es, der, von der Mutter auf die Tochter gekommen, so geheim war, da die Medizinfrau eher ihr Leben gelassen htte, als ihn preiszugeben. Und nur deshalb war es ihr gelungen, weil keiner, nicht Mann noch Frau, ihre Zauberkrfte befragen durfte. Was sie im Kopf hatte, konnte sie mitteilen, wenn einer Neugier bekundete, doch keiner durfte fragen. Nie lie Iza etwas von der Zauberhandlung ahnen, die sie selbst bei sich schon vorgenommen und mit der sie uerst sicher die ungewnschte Empfngnis zu verhindern gewut hatte. Niemals wre es dem rden Mann, der ihr Gefhrte gewesen war, in den dicken Kopf gekommen, sie zu fragen, warum sie nicht endlich auch gebren wrde. Er hatte geglaubt, ihr Totem wre zu stark fr eine Frau, und ihr das oft zu verstehen gegeben und bei den anderen Mnnern darber geklagt, da die Kraft seines Schutzgeistes die des ihren nicht zu berwinden vermochte. Iza setzte die Krauter nur ein, weil sie Schande ber ihren Gefhrten bringen wollte und ihn und den ganzen Clan glauben machen, die zeugende Kraft seines Totems wre zu schwach, die Krfte des ihren zu brechen, obwohl er sie schlug. Denn er schlug sie, wie er vorgab, um ihren Schutzgeist niederzuzwingen. Doch Iza sprte genau, da er es mit Lust tat. Anfangs hoffte sie, ihr Gefhrte wrde sie einem anderen Mann geben, wenn sie keine Kinder hervorbrachte. Sie empfand schon glhenden Abscheu vor diesem Gromaul, noch ehe sie mit ihm zusammengegeben wurde. Und als sie es wute, konnte sie nichts dagegen tun. Doch ihr Gefhrte gab sie nicht fort. Iza war Medizinfrau, die hchstgestellte Frau im Clan, und es schmeichelte seiner Mnnlichkeit, ihr gebieten zu knnen. Als der Glaube an die Kraft seines Totems und an seine Mnnlichkeit ins Wanken geriet, weil seine Gefhrtin kein Kind gebar, hielt er sich dafr schadlos und setzte die Kraft seines Krpers gegen sie ein. Iza war, als wrde sie noch heute die wunden und schmerzenden Stellen spren, die er ihr geschlagen hatte. Obwohl Knffe, Pffe und auch Schlge erlaubt waren, weil man hoffte, dadurch wrde die Empfngnis eines Kindes gefrdert, hatte Iza gesprt, da sie Brun mifielen; wre er schon zu jener Zeit der Clan-Fhrer gewesen, so wre sie diesem Mann nicht gegeben worden. Das wute sie. In Bruns Augen bewies ein Mann seine Mnnlichkeit nicht dadurch, da er Frauen drangsalierte. Es war eines Mannes unwrdig, mit Schwcheren zu kmpfen oder sich von einer Frau aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Es war einem Mann aufgegeben, den Frauen zu befehlen, zu zchtigen, wenn's ntig war, zu jagen und Nahrung zu beschaffen, Herr seiner Gefhle zu bleiben und den Schnftrz nicht zu zeigen, wenn er litt. Der Mann durfte eine Frau stupfen und stoen, wenn sie faul war oder dreist, aber nicht im Zorn und nicht aus Lust. Es gab Mnner, die Frauen hufiger verprgelten als andere, aber kaum einer machte sich das Schlagen zur Gewohnheit. Nur Izas Gefhrte tat das, und als Creb sich ihrem Feuer zugesellt hatte, war es ihm erst recht nicht eingefallen, sie fortzugeben. Denn Iza war nicht nur die Medizinfrau, sie war auch die Frau, die fr den Mog-ur kochte. Einige Zeit hatte Izas Gefhrte die Clan-Leute glauben machen wollen, der groe Zauberer enthllte ihm seine Geheimnisse. Doch in Wahrheit war Creb sehr khl zu dem Mann gewesen, wenn er auch die Formen des Umgangs beachtete, und oft hatte er ihn keines Blickes gewrdigt. Iza hatte jedoch weiterhin ihre zauberkrftigen Krauter angewendet, und als sie dann dennoch eines Tages sah, da ihr Leib zu schwellen begann, es still hingenommen. Irgendein Geist war nun endlich doch ber Totem und Zauber siegreich geblieben. Vielleicht der seine? Doch wenn die lebensspendende Kraft seines Totems obsiegt hatte, dachte Iza, warum war er ihrem Gefhrten nicht zur Seite gestanden, damals, als die Hhle einstrzte? Eine letzte Hoffnung blieb ihr. Sie wnschte, eine Tochter zu gebren, ein Mdchen, das die neue Achtung, die er sich erworben hatte, mindern, aber auch das Wissen und das Tun der Mutter fortfhren und erweitern wrde. Wenn sie einen Sohn bekme, dann wre die Ehre ihres Gefhrten wiederhergestellt; ein Mdchen hingegen lie zu wnschen brig. Aber nur, wenn sie ein Mdchen gebar, konnte sie mit Creb zusammenbleiben. Mit einer raschen Bewegung ri sich Iza von diesen Gedanken an das Gewesene los, steckte ihren Kruterbeutel, den sie immer noch in der Hand gehalten hatte, weg und kroch unter das Fell neben das ruhig schlafende Kind. Ayla hat das Wohlgefallen der Geister, sagte Iza zu sich. Sie hat die neue Hhle gefunden, und sie darf bei mir bleiben, und wir werden Crebs Feuer teilen. Vielleicht erreiche ich es auch, und sie lassen mich einer Tochter das Leben schenken. Behutsam legte die Frau ihren Arm um Ayla und schmiegte sich dicht an den warmen kleinen Krper. Als es hell war - die Mnner hatten sich schon lngst aufgemacht -, und gegessen hatte man auch schon, winkte Iza dem Kind, wandte sich dem Wald zu und nahm den Bach als Richtungsweiser. Whrend sie am Wasser entlangwanderten, hielt die Medizinfrau Ausschau nach brauchbaren Pflanzen. Es dauerte auch nicht lange, da entdeckte Iza auf der anderen Seite eine sonnenbeschienene Lichtung. Auf moosbewachsenen Steinen bergingen sie das Wasser. Fuhohe Gewchse erwarteten sie. Die mattgrnen Bltter saen an langen Stengeln, die Rispen kleiner, dicht zusammengedrngter grnlicher Blten krnten. Iza grub eines samt seiner roten Wurzeln aus. Dann nherte sie sich mit sicherem Schritt einer sumpfigen Wiese, wo sie Wasserfarne fand und ein Stck weiter bachaufwrts Seifenkraut. Bei allem sah ihr Ayla voll Neugier zu, immer mit der Nase da, wo Iza gerade hantierte. Sie kehrten zum Lager zurck, und Ayla beobachtete, wie die Frau einen festgeflochtenen Weidenkorb mit Wasser fllte und die Farnpflanzen und heie Steine aus dem Feuer hineingab. Eng kauerte das Mdchen daneben, whrend Iza aus dem Umhang, in dem sie das Kind getragen hatte, mit einer scharfkantigen Steinklinge ein Stck herauszuschneiden begann. Die weiche, geschmeidige Haut, deren Brechen man durch eingeriebenes Fett verhindert hatte, war zh, aber das Gert durchtrennte sie mit Leichtigkeit. Mit einem anderen Stein, zu einer Spitze zugehauen, bohrte Iza Lcher in den Rand des gerundeten Fleckchens. Dann drehte sie zhe, dnne Stammholzfasern eines niedrigstehenden Gestruchs zusammen, fdelte sie durch die Lcher und zog sie mit beiden Hnden zu. Der Beutel war fertig. Mit einem raschen Hieb der Steinklinge - Droog hatte sie gefertigt - kappte sie ein Stck des langen Riemens, der ihren Umhang zusammenhielt. Als das Wasser im Korb endlich hei war, nahm Iza eine wasserdichte Binsenschale sowie die anderen Pflanzen, die sie vorher gesammelt hatte, und ging zum Bach. Ayla immer hinter ihr. Sie liefen so lange das Ufer ab, bis sie zu einer Stelle kamen, wo es sich in sanfter Neige zum Wasser abschrgte. Iza suchte sich einen runden Stein, den sie gut in der Hand zu halten vermochte, legte das Seifenkraut in die Mulde einer Felsplatte nahe dem Bach und gab Wasser dazu. Mit raschen, sicheren Bewegungen beklopfte sie das Seifenkraut mit dem Stein, so da sich ppiger Schaum entwickelte. Iza nahm ihr Steinzeug und anderes aus den Falten ihres Umhangs, lste den Grtel und warf den Umhang ab. Sorgsam zog sie ihr Amulett ber den Kopf und legte es obenauf. Ayla jauchzte hellauf, als Iza sie bei der Hand nahm und in den Bach hineinfhrte. Ihr geliebtes Wasser! Doch nachdem Iza sie grndlich na gemacht hatte, wurde sie herausgeschoben, auf eine Felsplatte gesetzt und von Kopf bis Fu mit Seifenschaum gerieben. Nachdem Iza die Kleine dann noch getaucht und abgesplt hatte, besah sie deren Kopf mit den verfilzten Haaren. Entschlossen machte sie eine Handbewegung und drckte dabei die Augen zu. Ayla verstand nicht, doch als sie die Frau nachahmte, nickte Iza. Da begriff sie, da sie die Augen zu schlieen hatte. Der Kopf wurde ihr nach vorn gedrckt, und schon rann die warme Flssigkeit aus der Schale mit dem Wasserfarn darber, und Izas Hnde kneteten krftig und wuschen das Haar aus. Nach einem zweiten Bad im kalten Bach zerstampfte Iza Wurzel und Bltter des Krautes von der Lichtung und rieb der Kleinen das Gemisch ins Haar, die sie dann ein letztes Mal ins Wasser tunkte. Anschlieend wusch sich Iza selbst. Whrend sie so am Ufer saen und sich von der Sonne trocknen lieen, zog Iza mit den Zhnen kleine Zweige von einem Ast und entwirrte damit das zerzauste Haar des Kindes und ihr eigenes. Sie hob die schweren Brauen, als sie merkte, wie fein und weich Aylas helles Haar war. Heimlich betrachtete sie das Kind von der Seite, dessen Haut die Sonne gebrunt hatte, die aber noch immer heller schimmerte als ihre eigene. Iza fand das magere, hellhutige kleine Mdchen mit den wrigen Augen eigentlich grundhlich. Armes Kind. Wie sollte sie da je einen Gefhrten finden? Iza legte den Finger an die Nase und schlo die Augen. Wenn sie keinen bekommt, ging es ihr durch den Kopf, wie soll sie dann Rang gewinnen? Spter knnte es ihr so ergehen wie der Alten, die die Erde begrub. Wenn sie meine Tochter wre, stnde ihr Rang und Ansehen zu. Und wenn ich sie in der Heilkunst unterweise? Das wrde ihr Wert geben. Und wenn mein Kind ein Mdchen wird, kann ich sie beide unterweisen. Eines Tages wrde der Clan eine neue Medizinfrau brauchen. Und wenn Ayla die Zauberkraft besitzt, nimmt der Clan sie vielleicht an. Und vielleicht findet sich dann sogar ein Mann, der sie zur Gefhrtin nimmt. Sie wird doch in den Clan aufgenommen, warum kann sie dann nicht meine Tochter sein? In Izas Augen war das fremde Kind schon zu eigen Fleisch und Blut geworden. Sie blickte auf, sah, da die Sonne schon sehr hoch stand, und erhob sich, das Amulett fertigzumachen und den Wurzeltrank zu bereiten. "Ayla", rief sie dem Kind zu, das schon wieder zum Bach gerannt war. Folgsam kam das Mdchen angelaufen. Iza befhlte ihr Bein und stellte fest, da das Wasser den Schorf aufgeweicht hatte. Doch die Wunde heilte gut. Eilig hllte sich Iza wieder in ihren Umhang. Nachdem sie am Lagerplatz ihren Grabstock und den neuen kleinen Beutel geholt hatte, fhrte sie das Kind zu der Felsnase des Berggrats. Von hier aus war ihr eine Erdschrunde aufgefallen, gleich auf der anderen Seite, deren Wnde an manchen Stellen gertet waren. Es war dem Ort nahe, wo sie angehalten hatten, ehe Ayla ihnen die Hhle gezeigt hatte. Als sie davorstanden, stocherte Iza mit ihrem Stock in der rissigen Erde herum, bis mehrere kleine Brocken roten Ockers herausbrachen. Sie hob ein paar kleine Stcke auf und hielt sie Ayla hin. Das Mdchen betrachtete sie, wute nicht recht, was von ihr erwartet wurde. Dann berhrte sie zaghaft einen der Brocken. Iza steckte einen kleinen Klumpen in den neuen Beutel, den sie wieder in einer Falte ihres Umhangs verbarg. Ehe sie kehrtmachte, blickte sie ins Land hinein, wo man eine Anzahl kleiner Gestalten sah, die sich weit unten ber das flache Grn bewegten. Die Jger. Sie waren frh am Morgen aufgebrochen. Lange Zeit zuvor hatten Mnner und Frauen, die weit einfacher gewesen waren in Regungen, Bewegungen und Gebrden als Brun und seine Jger, die sich noch oft auf Fen und Hnden absttzten, wenn sie beschwerliche Strecken zu berwinden hatten, das Jagen auf Lebendes erlernt, indem sie ihre Widersacher, die ruberischen Tiere, beobachteten und nachahmten. So hatten diese Erdlinge, denen zwei scharfe, ausgeprgte Zhne in den vorderen Ecken ihres Gebisses gegeben waren, die sich aber bei den Clan-Leuten schon lange zurckgebildet hatten, erkannt, da man, wie die Wlfe, gemeinschaftlich Beutetiere erlegen konnte, die weit grer und krftiger waren als man selbst. Und nach und nach hatten sie erkannt, da auch mit Hilfe von Gerten, Werkzeug und Waffen, anstelle der Klauen und Fangzhne, riesige Tiere zu erlegen waren. Und weil Schweigen geboten war, wenn das Wild, dem sie auflauerten, nicht gewarnt sein sollte, hatten die grobknochigen, fingerfigen Erdlinge begonnen, sich durch Zeichen zu verstndigen, die sich dann allmhlich zu den vielfltigen und feinsinnigen Gebrden entwickelten, mit denen man heute sich im Clan mitteilte. Das Warngeschrei, ein rasches, jhes Ausstoen der Luft aus dem aufgerissenen Mundschlund, hatte durch das Hinzuwachsen einer feineren Kehle die groe Wandlung erfahren, sich zu einer buntlautigen Stimmungsuerung entWikkelt. Das Geschrei war zum Gerede geworden. Beim ersten Lichtschimmer waren die Mnner aufgestanden und hatten sich fertig gemacht. Sie rieben sich den Schlaf aus den Augen und sahen zu, wie die Sonne zunchst ihre Strahlen, Sphern gleich, vorausschickte, sich vorsichtig ber den Rand der Erde hinterherschob und dann als stolze Siegerin ber die Nacht den neuen Tag beschien. Dort, wo sie mhsam heraufgekrochen war, stand eine riesige Wolke braungelben Lstaubs in der Morgenluft. Das Gewoge einer vielkpfigen Wildherde, die sich nickend, rupfend und schlingend durch das zarte Grn fra und in ihrer ganzen Breite einen kahlen und zerstampften Boden, durchmengt mit Harn und Kot, zurcklie. Als die Jger die Vorberge durchstiegen hatten und das taufrische Steppengras unter den Fusohlen und an den Schenkeln sprten, fielen sie in eine schnellere Gangart und machten sich gegen den Wind an die Herde heran. Als sie nahe genug waren, kauerten sie sich tief ins hohe Gras und beobachteten die mchtigen Tiere. Auf den massigen, von einem Hcker besessenen Schultern, die sich nach hinten zu schmalen Flanken verjngten, saen gewaltige zottige Schdel mit schweren schwarzen Hrnern, deren Spitzen bei den ausgewachsenen Tieren mehr als eine Armeslnge auseinander lagen. Die durchdringende Dnstung der dichtgedrngten Tiere stieg den Lauernden in die Nase. Die Erde zitterte unter den Tritten unzhliger Hufe. Brun hielt eine Hand ber die Brauen, um seine Augen zu beschatten, und betrachtete aufmerksam ein jedes der Tiere, das an ihm vorbeikam; er wartete auf ein jagdbares und den geeigneten Augenblick hierzu. Nichts, kein Muskel in seinem Gesicht verriet die bermige Spannung, die seine Brust zu zerreien drohte. Nur das unmerkliche Auf und Ab der Schlfen ber den wulstigen Augenbrauen zeugte vom rasenden Schlag seines Herzens. Dies wrde die wichtigste Jagd seines Lebens. Noch nicht einmal seine erste, die ihn zum Mann gemacht hatte, war von solcher Tragweite gewesen. Vom Ausgang dieser Jagd hier hing es ab, ob die neue Hhle bewohnt werden konnte. Denn war er gut, so hatte man nicht nur Fleisch fr das Fest zur Hhlenweihe, sondern auch die Gewiheit, da die Schutzgeister des Clans an ihrer neuen Heimstatt Gefallen fanden; kehrte man aber mit leeren Hnden zurck, so mute der Clan zu neuer Suche sich aufmachen, denn dann warnten die Totems, da die Hhle kein Glck bringe. Als Brun nun Tier fr Tier an sich vorbeitrotten sah, fhlte er, wie ihn Mut durchstrmte, war doch der Bison gerade sein Totem. Der Clan-Fhrer blickte auf seine Jger, die niedergekauert seines Zeichens harrten. Fr sie war das Warten immer das Hrteste; doch ein zu frhes Losschlagen konnte schweres Unglck bewirken, und Brun wollte alles tun, was in seiner Macht stand, um ein Fehlschlagen zu vermeiden. Mibilligend sah er eine zuckende Unruhe auf Brouds Gesicht und bereute schon fast seine Entscheidung, den Sohn die Beute machen zu lassen. Dann aber tauchten in seinem Kopf die strahlenden Augen des Jungen auf, die geblitzt hatten vor Stolz, als der Clan-Fhrer ihm befohlen hatte, sich auf seine erste Jagd vorzubereiten. Aber es ging ja nicht nur um Broud; von der Kraft seines Armes hing es ab, ob der Clan die neue Hhle wrde seine nennen knnen oder nicht. Der Junge gewahrte Bruns Blick und beherrschte sich mhsam. Sein Kopf hatte einfach nicht fassen wollen, wie gro und massig und stark so ein Steppentier war - selbst der Hcker auf den Schultern wrde ihn, wenn er aufrecht gestanden htte, noch um Fueslnge berragen -, und auch nicht, wie berwltigend eine ganze Herde sein konnte. Das Donnern, Brllen, Schaben und Zischen bedrohte seine Ohren, der faulig-scharfe Ruch stach ihm heftig in die Nase, die krausen, gehrnten Fellberge, die da vorbeizogen, schienen Broud fast zu erdrcken. Und wenn ihn eines entdeckte? Er mute ihm wenigstens die erste, tiefe Wunde schlagen, schon um als Bezwinger eines erlegten Tieres gefeiert werden zu knnen. Und wenn der Sto fehlging und der Bison entkme? Brouds Herz war am Zerspringen. Wie fortgeblasen war nun die forsche berlegenheit, die ihn beflgelt hatte, als er Oga zeigte, wie er den Bison treffen wrde. Voller Bewunderung war sie gewesen; es hatte ihm gefallen; aber er tat so, als gbe es sie nicht; ein Kind war sie und noch dazu ein Mdchen. Bald wrde sie seine Frau sein; keine schlechte Gefhrtin vielleicht, wenn sie erst Brste htte, warmfeuchte Falten, flinke Hnde und einen breiten Rcken. Broud umklammerte seinen Speer fester. Sie braucht einen starken Jger, sagte er zu sich, einen, der sie beschtzen kann, jetzt, da ihre Mutter und der Gefhrte ihrer Mutter bei den Toten sind. Er fand Gefallen daran zu sehen, welche Mhe Oga sich gab, ihn zu bedienen, seit Brun sie aufgenommen hatte. Unermdlich war sie bestrebt, jederft seiner Wnsche zu willfahren, und dabei war er nicht einmal ein Mann. Wie wird sie mich aber anschauen, wenn ich keine Beute mache? Wenn ich bei der Hhlenweihe nicht zum Mann gemacht werde? Wie wrde Brun ihn ansehen? Der ganze Clan? Was wird, wenn wir die neue Hhle, die der Hort des Geistes des Groen Bren ist, verlassen mssen? Brouds Griff um den Speer lie das Weie an seiner Faust hervortreten. Die andere schlo er um sein Amulett und bat beim wollhaarigen Nashorn um Mut und Kraft. Wenn es nach Brun ging, wrde der Bison nicht entkommen; doch er lie den Jungen weiterhin im Glauben, es hinge alles und allein an ihm, ob man nun endlich in die Hhle konnte oder wieder nach einer neuen Umschau halten mute. Denn wenn er eines Tages der Clan-Fhrer werden wollte, konnte er ruhig jetzt schon erfahren, welche Last das Herz dabei zu tragen hatte. Brun wollte dem Jungen nicht vorgreifen, doch er gedachte, in der Nhe zu sein, um notfalls selbst den Todesschlag zu fhren. Er hoffte um des Jungen willen, es nicht tun zu mssen. Der Junge war stolz, das wute er, und er wute auch, da Broud sich tief erniedrigt fhlte, wenn es wrde sein mssen. Doch Brun war nicht gewillt, die neue Hhle dem Eigensinn eines Kindes zu opfern. Dann machte er sich wieder an die Beobachtung der wogenden Herde. Nicht lange, und Brun ersphte einen jungen Bullen, der sich wie eine vom Wind abgetriebene Woge seitwrts in die Bsche schlug. Das Tier war beinahe ausgewachsen, aber eben noch unerfahren. Brun wartete so lange, bis das Tier allein stand, ohne die Sicherheit der Herde. Dann gab er das Zeichen fr "Ausschwrmen"! Die Mnner sausten augenblicklich auf ihre Pltze rings um das Tier, in gleichmigen Abstnden voneinander, whrend Brun angespannt die nahe Beute im Auge behielt. Dann gab er das Zeichen zum "Angreifen"! Schreiend und rufend und mit wild wedelnden Armen strzten die Mnner auf die Herde los. Erschreckte Tiere am Rand drngten einwrts, schlssen auf zu den weiter innen trottenden und stieen diese zur Mitte hin. Gleichzeitig strzte Brun los, um den jungen Bullen noch weiter von der Herde wegzuhetzen. Whrend die verwirrten Tiere sich immer weiter in die schwankende und brllende Masse hineinbohrten, setzte Brun dem Bullen nach, den er abgedrngt hatte, und trieb ihn in weitgreifendem, krftigem Laufschritt vor sich her. Das Leibergeschiebe und Hckergewoge ergriff wellengleich die ganze Herde, und in der Luft wirbelte ein dichter Schleier feinkrnigen Staubs. Dunkler Schwei rann Brun in Strmen an den Lenden herab; kaum noch atmen konnte er und sehen fast genauso wenig. Sein mchtiger Brustkorb hob und senkte sich hastig, seiner Kehle entrang sich ein gebrochenes Krchzen, als er Grod das Zeichen zum "Verfolgen" machte. Augenblicklich schwenkte der Bulle um, als er sich von Grod bedrngt sah, doch die Mnner bildeten einen groen Kreis, um das Tier zu Brun zurckzutreiben, der, noch immer keuchend und spuckend, herankam, um seinen Platz einzunehmen. Ein dumpfes, immer mchtiger werdendes Donnern erfllte die staubverhangene Luft, als die riesige Herde in wildem Schrecken davonraste, die Kpfe tief nach unten gezogen, Schaum vor den Mulern, die Augen weit aufgerissen und verdreht, so da nur das Weie zu sehen war. In die andere Richtung aber stob das junge Tier davon, in panischer Angst vor einem Geschpf, das nur ein Winziges der Bullenkraft besa, jedoch genug Kenntnis im Kopf und Entschlossenheit im Herzen, diesen Mangel auszugleichen. Grod trieb ihn vor sich her, lie nicht locker, obwohl sein hmmerndes Herz zu bersten drohte. Salziger Schwei lief ihm ber das staubbedeckte Gesicht und frbte seinen Bart graubraun. Schlielich kam Grod stolpernd zum Stehen, und Droog sprang fr ihn ein. Die Ausdauer der Jger war gro, doch der starke junge Bison preschte mit nicht erlahmender Kraft vorwrts. Droog war der grte unter den Mnnern. Schnellfig warf er die langen Beine nach vorne, setzte dem Tier nach, jagte es mit weitausschweifenden, federnden Schritten, schwenkenden Armen und schrillen Schreien vor sich her und drngte es ab, als es ausbrechen und den Spuren der fliehenden Herde folgen wollte. Als Crug den vllig erschpften Droog ablste, war ihre Beute schon sichtlich auer Atem. Weiter hetzte Crug das matter werdende Tier und stie ihm den Speer mit der Steinspitze in die Flanke. Als Goov bernahm, wurde das zottige Tier schon langsamer; doch in blinder Beharrlichkeit schlugen die Beine des Bullen den Boden, griff das Tier weit aus, dicht gefolgt von Goov, der es immer wieder mit der Speerspitze antrieb, um auch die letz ten Krfte aus ihm herauszuholen. Broud sah Brun herbeispringen, als er sich mit einem Schrei in das Rennen warf und die Verfolgung aufnahm. Er brauchte das Tier nicht mehr lange zu hetzen. Der Bison hatte sein uerstes gegeben; langsamer und langsamer wurde er und blieb schlielich einfach stehen, unfhig, auch nur einen Schritt von der Stelle zu machen. Mit schweiglnzendem Fell und hngendem Kopf stand er da, Schaum vor dem Mund. Den Speer stobereit in der Hand, nherte sich der Junge dem abgehetzten Tier. Bruns erfahrene Augen prften schnell den Zustand von Jger und Gejagtem. War der Junge ungewhnlich ngstlich oder war er bereifrig? War das Tier wirklich ganz erschpft? Manch listiger alter Bison machte einen Verschnauf, ehe die letzten Krfte aufgezehrt waren, und wagte noch einen Angriff, bei dem der Jger - und besonders dann, wenn er unerfahren war -schwer verletzt oder gettet werden konnte. Sollte er mit seiner Schleuder das Tier zu Fall bringen? Der massige Kopf des Bisons hing fast am Boden, seine zitternden Flanken verrieten, da er sich vllig verausgabt hatte. Wenn er jetzt seine Schleuder nahm, wurde dem Jungen ein Stck Ruhm geraubt; Brun beschlo, ihn Broud ganz alleine zu lassen. Rasch, ehe der Bison sich wieder erholte, trat der Junge an den vierfigen Fellberg heran und hob seinen Speer. Ein letzter Gedanke an sein Totem - dann stie Broud zu. Tief fra sich der lange, schwere Speer in die Seite des Tieres; die im Feuer erhrtete Spitze durchbohrte das dicke Fell und zersplitterte im rasch gefhrten Sto eine Rippe. Jh brllte der Bison auf vor Schmerz und fuhr herum, seinen Angreifer aufzuspieen, als seine Beine unter ihm auch schon einknickten. Als Brun das sah, sprang er an die Seite des Sohnes. Mit beiden Hnden packte er seine Keule, holte weit aus und lie sie auf den Tierkopf niedersausen. Schwer fiel der Bison auf die Seite; seine hornbewehrten Hufe schlugen noch zaghaft in den letzten Zuckungen des Todes. Dann lag er still. Im ersten Augenblick war Broud wie betubt. Doch dann stieg ein schriller Triumphschrei ihm auf, der durch seine Kehle jagte und in der Luft einen gewaltigen Ton erzeugte. Er hatte es geschafft! Er hatte sein erstes Tier erlegt! Er war ein Mann! Broud tanzte in wildem berschwang. Er griff nach seinem Speer, der aus der Seite des Tieres herausragte, ri ihn mit einem Ruck hoch und sprte, wie ein scharfer Strahl warmen Blutes an sein Gesicht spritzte. Seine Zunge schmeckte Salziges. Brun schlug Broud auf die Schulter. Stolz blitzte in den Augen des Clan-Fhrers. Es freute Brun, einen weiteren krftigen Jger unter seinen Leuten zu haben; einen krftigen Jger, der Stolz und Freude in seinem Herzen entflammte, den Sohn seiner Gefhrtin, den Sohn seines Herzens. Die Hhle blieb ihnen nun, und die Weihe wrde das bekrftigen: Die Schutzgeister hatten Gefallen gefunden an der neuen Hhle. Hoch in die Luft hielt Broud den Speer mit der blutigen Spitze, als die brigen Jger zu ihnen hinliefen, hpfende Freude im Schritt beim Anblick des erlegten Tieres. Brun hatte schon seine Steinklinge gezckt, um ihm den Bauch aufzuschlitzen. Er trennte die Leber heraus, zerteilte sie und gab jedem der Jagdgefhrten ein Stck. Dies war der edelste und kstlichste Teil der Tiere, allein den Mnnern vorbehalten, denen er den starken Arm und das scharfe Auge, unerllich fr das Jagen, gab. Brun schnitt auch das Herz des Tieres heraus und begrub den Blutklumpen im Boden, wie er es einstmals seinem Totem gelobt hatte. Broud kaute die noch warme Leber - ein erster Vorgeschmack auf das Mannsein - und dachte, das Herz mte ihm zerspringen vor Glck. Bei der Hhlenweihe wrde er endlich zum Mann werden; den Jagdtanz fhrte er nun an, und auch er se des Nachts mit in der kleinen Hhle, wo des Mog-urs Beschwrungen zu folgen war. Diesen Stolz auf Bruns, seines Vaters Zgen zu sehen, dafr htte er gern sein Leben gegeben. Das war sein Tag heute und seine Nacht morgen. Alles drehte sich um ihn. Nur ihm gehrte die ungeteilte Bewunderung und Achtung des ganzen Clans; nur von ihm und seiner Jagdbewhrung wrde die Rede sein. Und Ogas Augen wrden leuchten, bewundernd und ergeben. Unterdessen hatten die Mnner je zwei Beine des Bisons oberhalb der Kniegelenke mit Riemen umschnrt. Grod und Droog banden ihre Speere zusammen, Crug und Goov taten das gleiche, so da aus den vier Speeren zwei verstrkte Stangen entstanden. Die eine wurde zwischen den vorderen Beinen hindurchgeschoben, die andere zwischen den Hinterlufen. Brun und Broud stellten sich zu beiden Seiten des zottigen Kopfes auf, und jeder packte ein Hrn. Mit der freien Hand hielten sie ihren Speer. Grod und Droog umfaten die Stange mit den Vorderlufen, whrend Crug und Goov die hintere nahmen. Auf ein Zeichen des Clan-Fhrers hoben alle sechs Mnner an und schleiften das massige Tier ber das grasige Land. Der Weg zurck wurde lang und mhsam. Die Mnner chzten unter der Last Ihrer Beute und schafften es nur unter Aufbietung aller ihrer Krfte, den schweren Bison ber die Steppe ins Hgelland hinaufzuschleppen. Oga hatte sich die Hand vors Gesicht gehalten und schaute sich die Augen aus dem Kopf. Pltzlich ging ein Ruck durch den behenden Krper. Da, die Mnner! Sie hatte die zurckkehrenden Jger tief unten in der Ebene erspht. Als die Mnner sich der Felsnase nherten, erwarteten die Frauen sie bereits, liefen ihnen entgegen und begleiteten sie das letzte Stck zur Hhle. In stummer Huldigung schritten sie neben ihnen. Da Broud mit an der Spitze ging, zeigte an, da er die Beute erlegt hatte. Selbst Ayla wurde von der Erregung gepackt, die nun fast greifbar war. ~Kapitel 5 "Der Sohn deiner Gefhrtin ist tapfer", bedeutete Zoug dem Clan-Fhrer, als die Jger das mchtige Tier vor der Hhle niederlegten. "Du hast einen neuen Jger, auf den du stolz sein kannst." "Er hat ein starkes Herz gezeigt und eine krftige Hand." Brun legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter, und Broud reckte den Kopf, als wollte er sich sonnen. Zoug und Dorv musterten das erlegte Tier mit groen Augen, die ganz winzig, aber doch sichtbar eine heimliche Sehnsucht nach der prickelnden Erregung der Jagd und dem berauschenden Hochgefhl des Beutemachens erkennen lieen, denn die Gefahren und Enttuschungen, die Hauptteil ihres Lebens waren, hatten sie vergessen. Die beiden Alten konnten nicht mehr mit und die groen Tiere jagen; doch auch sie trugen ihren Teil zur Beschaffung der fleischlichen Nahrung bei. Schon frh waren sie in den Wald gepirscht und hatten den ganzen Morgen nach kleinem Wild gesprt. "Wie ich sehe, habt ihr von euren Schleudern regen Gebrauch gemacht, du und Dorv", merkte Brun an. "Bald mssen wir einen Platz zum ben finden, denn ntzlich war' es fr den Clan, wenn alle Jger so geschickt die Schleuder zu gebrauchen wten wie du, Zoug. Demnchst mu auch Vorn zum Jger herangezogen werden." Brun stand immer vor Augen, da all dies, was die beiden Alten noch erjagten, dem Clan sehr ntzlich und deshalb auch zu loben sei. Nicht immer war den Growildjgern Glck beschieden, und hufig waren es die lteren, die das ntige Fleisch herbeischafften, besonders whrend der kalten Zeit im Winter, wenn einem der Schnee bis ber die Schultern ging, wenn man einsank, und nur leichte kleine Tiere ihren Bau verlieen. Es tat dann gut, ein bichen frisches Fleisch zu haben, auch weil man mit der Zeit des kalten Drrfleischs berdrssig wurde und auch der Vorrat nicht so schnell zu Ende gehen sollte. "Den jungen Bison wiegt es hier nicht auf", erklrte Zoug und wies auf einen Biber und ein paar Kaninchen. "Auch sah ich eine Lichtung heute, nicht gro, doch sehr geeignet, einen Platz zum Schleudernben anzulegen." Zoug, der seit dem Tod seiner Gefhrtin bei Grod lebte, hatte, nachdem er aus den Reihen der Jger ausgeschieden war, stndig gebt und gearbeitet, sein Geschick mit dem Umgang der Schleuder zu verbessern; Schleuder und Wurfschlinge waren die Waffen, die sich den Hnden der Mnner des Clans am meisten widersetzten. Und wenn Zoug einmal wieder nicht getroffen hatte, so schttelte er wtend den Kopf und blickte sinnend auf seine muskulsen, grobknochigen und leicht gebogenen Arme hinab, die ungeheuer kraftvoll waren und dennoch Bewegungen ausfhren konnten, die soviel Gefhl in den Fingern und Genauigkeit verlangten wie das Behauen von Flintstein. Denn in den Armgelenken, vor allem in der einzigartigen Verbindung von Muskeln und Sehnen mit den Knochen sa diese ungeheure Kraft, die sie hatten, die gepaart war mit der feinbeweglichen Fhigkeit der Finger. Doch dieses Gelenk hatte leider auch den folgenschweren Nachteil, da Zoug und alle diese Menschen mit ihren Armen keinen vollen Rundschwung machen konnten und somit im Erlernen von Schleudern und Werfen durch die Natur selbst behindert waren. Ihr Speer war kein Wurfgert, das durch die Luft geschleudert, sondern eine Waffe, die aus dichter Nhe mit groer Wucht gestoen wurde. Um Speer und Keule zu gebrauchen, war nur die Kraft des Krpers ntig; das Schleudern oder Werfen der Wurfschlinge zu erlernen, erforderte Geschick, ein gutes Auge und lange bung der Gelenke und des Krpers. Ihre Schleuder stellten sie aus einem Streifen geschmeidiger Tier haut her; sie wurde an beiden Enden zusammengehalten und mehrmals ber dem Kopf herumgewirbelt, ehe der Kieselstein, der in der Vertiefung in der Mitte lag, durch Loslassen der Enden freigegeben wurde. Damit hatte es Zoug schon weit gebracht, und er war stolz auf seine Fhigkeit, bisweilen auch ein laufendes oder fliegendes Tier zu treffen. Es tat ihm wohl, da Brun ihn berufen hatte, die jungen Jger darin zu unterweisen. Whrend Zoug und Dorv mit ihren Schleudern die Vorberge durchstreift hatten, waren die Frauen ausgezogen. Pflanzen und Frchte zu sammeln. Nachdem die Buche voll waren, streckten sich die Mnner gesttigt aus und lieen noch einmal gestenreich die aufregende Jagd entstehen, sowohl um der eigenen Freude willen, als auch, um Zoug und Dorv ins Bild zu setzen. Broud glhte vor Stolz, als er gewahr wurde, wie Vorn ihn mit unverhohlener Bewunderung anstarrte. Noch am Morgen waren sie gleich gewesen, zwei Jungen, die sich gerauft, geneckt, geschlagen und vertragen hatten. Broud lchelte bei dem Gedanken, wie er selbst sehnschtig bei den Mnnern sich herumgetrieben hatte, wenn sie von der Jagd zurckgekehrt waren, genauso, wie Vorn das jetzt tat. Nun aber mute er nicht mehr beiseite stehen und aushaken, da er nicht beachtet wurde, whrend er begierig die Jagdschilderungen der Mnner verfolgte. Nun aber war er nicht mehr den Anweisungen seiner Mutter und denen der anderen Frauen unterworfen, die ihn einfach weggeholt hatten, wenn sie bei ihrer Arbeit seine Hilfe brauchten. Nun war er ein Mann. Zwar wrde er zunchst der letztrangige der Mnner sein, das aber machte ihm wenig aus. Es wrde sich ndern. Sein Platz war vorbestimmt. Er war der Sohn der Gefhrtin des Clan-Fhrers; und eines Tages wrde er die Fhrung bernehmen. Broud sah, da Vorn ihn immer noch anstarrte. Der kleine Kerl war manchmal eine rechte Plage gewesen, doch jetzt konnte man sich'sja leisten, groherzig zu sein! Broud schlenderte hinber zu dem kleinen Jungen, und es tat ihm gut zu sehen, wie Vorns Augen erwartungsvoll aufleuchteten, als dieser den neuen Jger auf sich zukommen sah. "Vorn, ich glaube, du bist jetzt gro genug", bedeutete Broud dem Kleinen und hob wichtigtuerisch den Finger, "da ich dir einen Speer mache." Vorn hpfte hoch vor Freude. Ehrfrchtig blickte er zu dem jungen Mann auf, der heute ein Jger geworden war. Der Angesprochene nickte eifrig. "Ich bin gro genug, Broud", sagte er und bewegte zaghaft die Hnde, die noch gestern unbarmherzig an des Jgers Haaren gezerrt hatten. Scheu wies er auf den schweren Speer mit der dunklen blutbefleckten Spitze. Broud legte seinen Speer vor dem Jungen auf den Boden. Vorn streckte zaghaft die Hand aus und berhrte das eingetrocknete Blut des mchtigen Bisons, der jetzt schlaff vor der Hhle lag. "Hast du Angst gehabt, Broud?" wollte er wissen. "Ich wei von Brun, da alle Jger auf ihrer ersten Jagd Unruhe im Herzen tragen", erwiderte dieser, der seine Angst nicht eingestehen wollte. Pltzlich kamen von hinten eilige Schritte herbei. "Vorn! Da bist du ja! Du sollst doch Oga beim Holzsammeln helfen!" Mit festem Griff packte Aga ihren Sohn, der sich von den Frauen und Kindern weggeschlichen hatte, und zog ihn am Handgelenk in den schtteren Wald. Brun hatte die Begegnung der beiden jungen Leute beifllig beobachtet. Er wird bestimmt ein guter Fhrer werden, ging ihm durch den Kopf; er hat den Jungen nicht miachtet, nur weil er noch ein Kind ist. Eines Tages wird Vorn ein Jger sein, und wenn dann Broud der Clan-Fhrer ist, wird Vorn sich dieser Geste gern erinnern. Brouds Augen waren Vorn gefolgt, der sich jetzt im Unterholz verlor. Genauso war es ihm ergangen. Erst am Tag zuvor, fiel ihm ein, hatte Ebra ihn geholt, weil er helfen sollte. Unmutig blickte er auf die Frauen, die gerade eine Grube aushoben, und meinte, sich fortschleichen zu mssen, um dem Blick seiner Mutter zu entgehen. Dann aber entdeckte er die eifrig grabende Oga, und da sie zu ihm herbersah. Schnell gab sich Broud einen Ruck und richtete sich auf. Meine Mutter kann mir nichts mehr befehlen; ich bin doch kein Kind mehr; ich bin ein Mann. Sie mu mir jetzt gehorchen; und Oga schaut zu dabei, strkte er sich selbst den Rcken. "Ebra, bring mir einen Schluck Wasser!" befahl er der Mutter, als er zu den Frauen hinberstolzierte. Doch eigentlich erwartete er Scheltworte und da sie ihm befehlen wurde, Holz zu sammeln, denn erst nach der Hhlenweihe war er wirklich ein Mann. Ebras Blick flog zu ihm, und Stolz spiegelte sich in ihren Augen. Dieser Junge, der so tapfer gejagt hatte, war ihr Sohn! Dieser Sohn, der nun bald ein Mann war, wrde spter Clan-Fhrer werden! Schnell sprang sie auf, lief zum Teich bei der Hhle und kehrte eilig mit dem Wasser zurck. Die Beflissenheit seiner Mutter und der Ausdruck des Stolzes auf ihrem Gesicht, als sie an den anderen Frauen vorbeieilte, um ihm die Schale zu reichen, brachen den Trotz im Kopf des jungen Mannes auf und machten ihn fast verlegen. Noch strker aber erwrmte ihn Ogas Benehmen, die den Kopf gesenkt hielt und ihm, wie er wohl gewahrte, einen Blick voll ehrfrchtiger Bewunderung nachwarf, als er sich zum Gehen wandte. Das Mdchen Oga hatte den Tod ihrer Mutter und des Vaters, deren einziges Kind sie gewesen war, nur schwer verwunden. Bruns Gefhrtin war gut zu ihr gewesen, seit sie am Feuer des Clan-Fhrers sein durfte. Doch der Oberste im Clan flte ihr Angst ein, denn er war strenger als der Gefhrte ihrer Mutter und lie die anderen der Familie spren, wie sehr die Last des Fhrens ihn bedrckte. Ebras Augen, Mund und Hnde und ihr Leib waren dann nur fr Brun da, und auch keiner sonst hatte viel Zeit fr das verwaiste Mdchen, whrend sie auf der Wanderung gewesen waren. Doch eines Abends hatte Broud gesehen, wie sie allein am Feuer gekauert war, die Arme um die Knie geschlungen, und traurig in die Flammen starrte. Noch jetzt sprte Oga einen sanften Schauer den Rcken hinunterrieseln, als das Bild ihr wieder in den Kopf kam, wie der stolze Junge, beinahe ein Mann, der ihr zuvor nur selten Beachtung geschenkt hatte, neben ihr niedergesunken war, den Arm um ihre Schulter legte und wie sich seine Hand auf ihre junge Brust gesenkt hatte. Seit diesem Abend brannte auch in ihr ein Feuer: wenn sie zur Frau wurde, dann wollte sie von Broud genommen werden. Warm durchflutete die Sonne des spten Nachmittags die Stille der Luft. Kein Hauch, der sich regte. Nur die buntschillernden Fliegen summten ber den Fleischresten, und die Grabstcke knirschten, als die Frauen auf Steine trafen, die sie dann aus der immer tiefer werdenden Grube warfen. Ayla hockte neben Iza, die gerade in ihrem Otterfellbeutel nach dem roten Sckchen suchte. Den ganzen Tag ber war das Kind ihr nicht von der Seite gewichen, das nun strte, da Medizinfrau und Mog-ur sich auf die Hhlenweihe und ihr feierliches Tun zu besinnen und vorzubereiten hatten. Sie brachte das Kind zu den grabenden Frauen, die schon eine tiefe Mulde gescharrt hatten. Spter wrde man sie mit Steinen auslegen und darauf ein groes Feuer entfachen, das die ganze Nacht zu brennen htte. Am folgenden Morgen kme der gehutete und zerteilte Bison, gut in Bltter gewickelt, in die Grube, wo man ihn mit einer weiteren Lage von Blttern und einer Erdschicht bedecken und dann bis zum spten Nachmittag in der Glut schmoren lassen wurde. Die Erdarbeiten waren mhsam und gingen oft langsam von der Hand. Doch heute hatten die zugespitzten Grabstcke den Boden fast ungehindert aurbrechen knnen. Das gelockerte Erdreich wurde gewhnlich mit den Hnden auf eine Decke aus Tierhaut geworfen, aus der Grube hochgezogen und auf die Seite geschafft. War die Grube einmal fertig, so konnte sie immer wieder bentzt werden; nur ab und zu mute man die Asche von den Steinen holen. Whrend die Frauen noch gruben, sammelten Oga und Vom unter den wachsamen Blicken von Ukas Tochter Ovra Holz und schleppten Steine vom Bach herbei. Als Iza sich nun mit dem Kind an der Hand nherte, hielten die Frauen inne. "Ich mu zum Mog-ur", bedeutete sie ihnen und schubste Ayla auf die Gruppe zu. Als sie sich zum Gehen wandte, wollte Ayla der Medizinfrau folgen, doch die Frau schttelte den Kopf und schob sie wieder zu den anderen zurck. Dann entfernte sie sich eilig. Es war das erste Mal, da Ayla mit den anderen Clan-Leuten in Berhrung kam. Wie angewurzelt stand sie da, die Hnde auf dem Rcken, die Finger krampfhaft verknult, den Kopf zu Boden gesenkt. Nur ab und zu wagte sie einen scheuen Blick von unten herauf. Obwohl es gegen den Clan-Brauch war, beugten alle das magere, langbeinige Mdchen mit dem seltsam platten Gesicht und der hohen vorragenden Stirn. Zum ersten Mal war dieser Fremdling aus der Nhe zu sehen. Ebra brach schlielich das neugierige Schweigen. "Sie kann mit euch Holz sammeln", bedeutete sie Ovra, bckte sich und setzte wieder den Grabstock an. Die junge Frau schritt auf eine Baumgruppe zu; doch Oga und Vorn konnten sich vom Anblick der kleinen Andersartigen nicht losreien. Ungeduldig winkte Ovra den beiden Kindern, bedeutete dann auch Ayla, ihr zu folgen. Das Mdchen glaubte, verstanden zu haben, war aber nicht sicher, was von ihm erwartet wurde. Noch einmal winkte Ovra, wandte sich dann ab und verschwand hinter den Bumen. Widerwillig trotteten die beiden Kinder hinterher. Ayla sah ihnen nach, dann setzte sie sich zgernd in Bewegung. Als sie auch unter den Bumen war, stand sie eine Weile unttig da und sah zu, wie Oga und Vorn drre ste vom Boden aufhoben, whrend Ovra mit der handlichen Steinaxt einen umgestrzten Stamm bearbeitete. Oga, die eben ein Bndel Holz bei der Grube abgelegt hatte, kam zurck, ergriff ein Stck des Baumstammes, das Ovra abgetrennt hatte, und versuchte, es zum Holzhaufen zu zerren. Wie Ayla sah, da sich das andere Mdchen abmhte, lief sie rasch hinzu. Sie bckte sich, um das andere Ende des Klotzes hochzuheben; und als die beiden sich aufrichteten, blickte Ayla direkt in Ogas dunkle Augen. Einen Herzschlag lang hielten sie inne und starrten einander an. Wer beide so gesehen htte, der wrde gemerkt haben, da sie, so verschieden die Mdchen voneinander auch waren, sich doch irgendwie glichen. Denn beide waren sie Erdlinge und beider Art hatte vielfltige, wenn auch unterschiedliche, Fhigkeiten und Formen des Verhaltens entwickelt - entwickeln mssen. Trennendes war zwischen ihnen nicht allzuviel; doch in den feinen Unterschieden, die das Wechselseitige zwischen Krper, Kopf und Umland mit sich brachte, lag der Ursprung ihrer vllig unterschiedlichen Entwicklung und ihrer darin unverrckbar festgelegten Schicksale. Gemeinsam trugen nun Ayla und Oga den Baumbrocken zum anderen Holz. Als sie Seite an Seite zurckgingen, hielten die Frauen wieder in ihrer Arbeit inne und blickten ihnen nach. Beinahe gleich gro waren die Mdchen, doch zhlte Oga fast doppelt so viel Jahre wie Ayla, die rank und hellhaarig war und gerade geformte Glieder hatte, whrend die andere stmmiger und dunkler erschien und auf gebogenen Beinen ging. Insgeheim verglichen die Frauen die beiden miteinander, doch die Mdchen hatten bald keinen Blick mehr fr die Unterschiede zwischen ihnen. Gemeinsam war die Arbeit leichter, und ehe der Tag um war, hatten sie es geschafft, sich einander mitzuteilen und die Arbeit als vergngliches Tun zu verrichten. Als es dunkelte, taten sich die beiden noch mehr zusammen und hockten auch am Feuer eng nebeneinander. Es machte Iza froh, als sie sah, da Oga die fremde Ayla angenommen hatte, und sie wartete, bis die Dunkelheit kam, ehe sie das Kind zu sich holte. Immer noch ein Staunen in den Augen, blickten die beiden Mdchen einander nach; dann wandte sich Oga ab und legte sich in ihr Fell neben Ebra. Mnner und Frauen schliefen noch immer getrennt. Des Mog-urs Verbot wrde erst aufgehoben werden, wenn sie die Hhle bewohnten. Beim ersten Schimmer des frhen kalten Lichts schlug Iza die Augen auf. Still blieb sie liegen und lauschte dem vielkehligen Tun der Vgel, die zwitschernd und gurrend, quorrend, trllernd, pfeifend und zirpend dem neuen Tag entgegentnten. Bald dachte sie, wrde ihr Blick wieder auf sichere Felswnde treffen, wenn sie die Augen ffnete. Es machte ihr nichts aus, im Freien zu schlafen, solange das Wetter warm und trocken war, doch sie freute sich darauf, endlich im Schutz der Hhle liegen und leben zu knnen. Und sofort stand alles wieder vor ihr, was sie am heutigen Tag noch zu tun hatte; leise erhob sie sich. Creb war schon wach. Man htte meinen knnen, er htte berhaupt nicht geschlafen. Noch immer sa der Mog-ur an derselben Stelle, wo sie ihn am Abend zuvor zurckgelassen hatte, und blickte starr in das glosende Feuer. Sie machte Wasser hei, und als sie ihm den Trank aus Minze, Luzerne und Nesselblttern brachte, war auch Ayla auf und hockte neben dem Krppel. Am spten Nachmittag stieg Wrziges von den Feuern auf und durchzog die Luft rings um die Hhle. Kochgerte und Gertschaften zum Essen, aus der alten Hhle gerettet und von den Frauen in ihren Bndeln mitgeschleppt, wurden ausgepackt. Feingearbeitete, festgeflochtene wasserdichte Krbe mit verschiedenen Mustern dienten als Tpfe und Wasserbehlter; hnlich auch die Holzschalen. Rippenknochen erleichterten das Umrhren, flache groe Beckenknochen wurden ebenso wie dnne Holzscheiben von Baumstmmen als Unterlagen beim Schneiden oder als Behltnisse fr Flssiges bentzt. Markknochen und Schdelteile gaben Schpfgerte und Trinkbecher und Schsseln ab. Mit groen Augen sah sich Ayla um. In einer Tierhaut, die von einem mit Riemen zusammengebundenen Rahmen ber dem Feuer herabhing, dampfte eine dicke, fettaugentriefende Brhe. Sorgsam wurde darber gewacht, da die Flssigkeit durch die Hitze nicht zu wenig wurde; denn solange die Brhe oberhalb der Flammen stand, war das Behltnis noch so feucht, da es nicht verbrennen konnte. Ayla sah zu, wie Uka Fleischbrocken und Knochen vom Hals des Bisons aufrhrte, die mit Zwiebeln, salzigem Huflattich und anderem Grnzeug in der Brhe brodelten. Uka probierte und gab dann abgeschlte Distelstengel, Waldpilze, Lilienknospen und auch deren Wurzeln, Brunrienkresse, Wolfsmilchblten, unreife Yamswurzelchen, Preielbeeren - noch von der alten Hhle - und welke Blten von Taglilien dazu. Die harten, faserigen alten Wurzeln von Katzenschwanzgewchsen waren inzwischen zerstoen, die Fasern auseinandergerissen und entfernt worden. Getrocknete Blaubeeren, die sie mitgebracht hatten, und getrocknete und dann zermahlene Krner wurden dem Breiigen zugefgt, das sich auf dem Grund der mit kaltem Wasser gefllten Krbe absetzte. Auf heien Steinen nahe beim Feuer buken dann die flachen, dunklen, ungesuerten Fladen. Wegerich, Lmmersalat, junger Klee und Lwenzahnbltter, mit Huflattich gewrzt, garten in einem anderen Behlter, und etwas Dickflssiges aus getrockneten sauren pfeln, mit Bltenblttern wilder Rosen und Honig vermengt, dampfte ber einem weiteren Feuer. Iza leckte sich ber die Lippen, als sie Zoug mit etlichen Schneehhnern aus der Ebene zurckkehren sah. Diese schwerflligen Vgel, die mit den Steinen aus der Schleuder eines guten Schtzen leicht aus der Luft zu holen waren, a Creb besonders gern. Bald waren sie gerupft und mit Krautern und Grnzeug gefllt, und, in Bltter wilden Weins gehllt, brieten die Federlinge in einer kleineren, mit Steinen ausgelegten Grube. Hasen und groe Hamster, gehutet und auf Spiee gesteckt, brunten ber glhender Holzkohle. Doch ein Hufchen frischer Waldbeeren hatte es Ayla am meisten angetan. Den ganzen langen Tag war sie schon um die Feuer herumgestreunt und hatte hier und da zu gucken versucht. Iza und Creb waren die meiste Zeit fort, und wenn Iza da war, hatte auch sie alle Hnde voll zu tun. bereifrig half Oga den Frauen bei den Vorbereitungen und hatte keine Lust, sich um den pltzlich so vertrauten Fremdling zu kmmern. Als die langen Schatten des spten Nachmittags die rotbraune Erde vor der Hhle einschwrzten, breitete sich unter den Clan-Leuten erwartungsvolle Ruhe aus. Alle versammelten sich um die grte Grube, in der des Bisons Keulen brieten. Ebra und Uka begannen, die warme Erde, die oben aufgeschichtet war, abzutragen, die welken, angesengten Bltter abzuheben. Als die heie weie Wolke, die emporstieg, abgezogen war, wurde das Fleisch, zart und saftig, wie man sah, vorsichtig aus der Grube gehoben. Ebra oblag es, das Fleisch zu schneiden und an die Leute zu verteilen. Stolz blitzte wieder in ihren Augen, als sie das erste Stck dem Sohn reichte. Mit beherrschter Miene nahm Broud in Empfang, was ihm gebhrte. Nachdem alle Mnner bekommen hatten, erhielten die Frauen ihren Anteil und dann die Kinder. Ayla war die letzte, aber es reichte noch fr viele Male. Es wurde ein groes und langes Verzehren. Immer wieder stand einer auf, um sich noch etwas von diesem oder jenem zu holen. Man sah, die Frauen hatten wirklich hart geschuftet. Es wrde sogar noch fr einige Tage reichen. Danach wurde geschlafen, um Kraft zu schpfen fr die lange Nacht. Als die langen Schattenfinger ber das graugrne Zwielicht hinweggriffen und die Dunkelheit mit Macht herbeizerrten, begannen sich die Leute wieder zu bewegen, reckten sich und schauten sich gespannt um. Auf einen Blick des Clan-Fhrers schafften die Frauen eilig die Reste beiseite und scharten sich am Eingang der Hhle um eine Feuerstelle, die noch nicht entzndet war; jede an ihrem angestammten Platz. Die Mnner, die sich auf der anderen Seite sammelten, hielten es ebenso. Nur der Mog-ur war nirgends zu sehen. Brun, der ganz vorn stand, gab Grod ein Zeichen. Der trat langsam und gemessen vor und zog aus seinem Auerochsenhorn eine glhende Kohle. Dieses eine Stck, dessen Glut seinen Ursprung in dem Feuer besa, das die Verschttung der alten Hhle berlebt hatte, besa die hchste Bedeutung, war doch ihr Fortbrennen greifbares und offensichtliches Zeichen fr das Fortleben des Clans. Dem Brauche nach machte man sich mit dem Entznden dieses Feuers am Eingang diese Hhle zu eigen, bestimmte sie zur neuen Bleibe. Da sie das Feuer beherrschten, war den Menschen des Clans unerlliches Bedrfnis. Selbst der Rauch hatte Sinn; allein schon sein Geruch weckte ein Gefhl des Geborgenseins. Der Rauch, der von diesem Feuer vor der neuen Behausung aufstieg, um die Hhle bis zur hohen gewlbten Decke zu durchziehen, wrde durch Spalten und auf Luftzgen, die durch die ffnungen eindrangen, wieder den Weg ins Freie finden. Und er wrde alle jene unsichtbaren Krfte mitnehmen, die dem Clan vielleicht feindlich gesinnt waren. Er wurde die Hhle reinigen und mit ihrem Geist durchdringen, dem Geist der Erdlinge. An sich reichte das Entznden des Feuers aus, um die neue Bleibe zu reinigen und in Besitz zu nehmen. Doch da die Clan-Leute schon des fteren ihre Hhle hatten wechseln mssen, waren gewisse andere heilige Handlungen in die Weihe miteinbezogen worden; es galt, die Geister ihrer Totems mit der neuen Hhle vertraut zu machen, was durch den Mog-ur geschah und nur den Mnnern vorbehalten war; die Frauen waren unter sich. Hatte die groe Jagd den Clan-Leuten schon klar gezeigt, da ihren Schutzgeistern die neue Wohnstatt genehm war, und war durch den groen Verzehr ihr Wille bekrftigt worden, die Hhle zu ihrer festen Bleibe zu machen - wenn sie auch zu gewissen Zeiten lnger abwesend sein mochten, die Geister der Totems begaben sich auch an andere Orte, waren jedoch durch die Amulette zu erspren, so da sie zur Stelle waren, wenn man sie brauchte -, so konnte man auch die weiteren Feiern in die Weihe der Hhle miteinbeziehen. Fr gewhnlich bestimmte der Mog-ur in Beratung mit Brun darber, wie die verschiedenen Teile zur Gestaltung der ganzen Feier zusammengestellt werden sollten. Diese Weihe nun wrde die Feier von Brouds Mannbarkeit miteinbeziehen und eine zweite Feier zur Benennung der Totems jener Kinder, die ihre Schutzgeister noch nicht kannten. Mit bedchtiger Bewegung, wie sie der hohen Bedeutung der Handlung angemessen war, kniete Grod nun nieder, legte die glhende Kohle auf das drre Holz und begann zu blasen. Gespannt beugten sich die anderen vor, und ein Seufzer, fast gemeinschaftlich ausgestoen, entrang sich der Kehle eines jeden, als gelbrote Zungen die drren ste beleckten. Hoch loderte das Feuer auf. Und da stand pltzlich die erschreckende Gestalt. So dicht war sie am prasselnden Feuer, da die Flammen sie einzuhllen schienen. Dazwischen ein grellrotes Gesicht, auf dem ein riesiger weier Schdel schwebte, umgeben vom Hitzekranz blulicher Flammenspitzen. Entsetzt schrie Ayla auf. Doch Iza drckte ihr beruhigend die Hand. Des Kindes Fusohlen sprten, wie die Erde unter dem dumpfen Pochen der Speerschfte erzitterte; schreiend fuhr es zurck, als pltzlich der jngste der Jger hervorsprang und vor dem Feuer sich in den Boden stemmte, whrend Dorv zur gleichen Zeit auf einem groen schsseifrmigen Holz, das mit der ffnung nach unten auf einem Klotz ruhte, wie rasend gegen das Pochen der Speerschfte anschlug. Broud kniete nieder und beschattete mit der Hand seine Augen, die in weite Fernen blickten. Mit einem Satz sprangen nun auch die anderen Jger herbei und beschworen die Jagd auf den Bison. Und das so mchtig, da die Clan-Frauen, denen keine noch so feine Bedeutung entging, die heien, staubigen Ebenen erlebten, das Erzittern der Erde unter den donnernden Hufen der fliehenden Tiere sprten, den erstickenden Staub von den Lippen leckten und den Triumph des Todesstoes verkosteten. Schon bald hatte sich Broud nach vorne getanzt. Er hatte den Bison erlegt, ihm gehrte diese Nacht. Er sprte, wie die anderen mitgerissen wurden, wie die Furcht sie schttelte, und antwortete mit noch leidenschaftlicherer Eindringlichkeit seiner Darstellung. Auch sonst war Broud einer, der sich hervorragend zur Schau zu stellen wute und der sich niemals wohler fhlte, als wenn er inmitten der Aufmerksamkeit aller stand. Jetzt aber peitschte er durch wilde Sprnge, Schleifen und Verdrehungen des Krpers und der Beine, die ausholten, innehielten, nach vorne schssen, herumwirbelten und pltzlich frei in der Luft waren, die Sinne der Zuschauenden aufs uerste. Als htten ihn das rasendhmmernde Pochen der Speerschfte und die wirbelnden Gegenschlge des schsselartigen Holzes in einem grausam-unbezwingbaren Griff, warf Broud wie auer sich seine Glieder, zuckte zurck, stie wieder vor, schritt herum, wlzte sich, sprang und tobte sich durch den Kampf mit dem Bison. Ein Schauder durchzuckte die Frauen, als er noch einmal den Todessto beschwor. Auch der Mog-ur, der hinter dem Feuer stand, war beeindruckt. Hufig hatte er den Mnnern zugesehen, wenn sie ihre Jagd schilderten, doch nur jetzt, so und auf diese Weise, konnte er, der Krppel, an dem Erlebnis in seiner Gnze teilhaben. Der Junge machte seine Sache gut, dachte der Zauberer, whrend er um das Feuer herum nach vorne ging. Er verdient wahrlich sein Totemzeichen. Mit einem letzten Sprung landete der junge Mann unmittelbar vor dem machtvollen Zauberer. Das dumpfe Klopfen der Speere und die erregenden Wirbel erstarben. Creb und der junge Jger standen einander gegenber. Auch der Mog-ur verstand es, seine Schau zu machen und wartete, damit die Erregung des Tanzes verklingen und gespannte Erwartung sich einstellen konnte. Dunkel hob sich seine klobige, schiefgeneigte Gestalt, in eine schwere Brenhaut geschlagen, vor dem hell lodernden Feuer ab. Das ockerrote Gesicht war jetzt im Schatten, und in seinen verfinsterten Zgen glitzerte das eine Auge, unheilvoll wie das eines bsen Geistes. Nur das Knistern des Feuers, ein leiser Wind, der durch die Bume strich, und das Heulen einer Hyne unten in der Ebene strten die Stille der Nacht. Keuchend stand Broud da. Seine Augen glnzten hei vom Tanz, vor Erregung und vor Stolz, aber auch von einer wachsenden, sein Herz beengenden Furcht. Er wute, was nun kommen wrde, und je lnger es dauerte, desto erbitterter mute er gegen die Eisesklte ankmpfen, die in ihm heraufkroch und ihn zittern machte. Jetzt war der Augenblick gekommen, wo der Mog-ur ihm das Zeichen seines Toteins in den Krper ritzen wrde. Es sich vorzustellen, hatte er nicht wollen, jetzt aber, da es gemacht wrde, frchtete Broud mehr als nur den Schmerz. Der Mog-ur, dieser Zauberer, war es, der ihn mit einer viel greren Angst erfllte. Er stand vor dem Einla zur Geisterwelt, wo Wesen wohnten, die weit schrecklicher waren als ein riesenhafter Bison. Denn so gewaltig und kraftvoll ein solches Tier auch sein wrde, man konnte es sehen, riechen, hren, jagen und wenn man Glck hatte - auch schmecken. Doch mit den unsichtbaren, weit mchtigeren Krften, die selbst die Erde erzittern lassen konnten, war es etwas ganz anderes. Und Broud war nicht der einzige, der einen Schauder versprte, als pltzlich Bilder vom jngst erlebten Beben die Kpfe bedrckten. Nur Zaubermnner, die Mog-urs, wagten es, in diese krperlose Welt einzudringen. Der junge Mann wnschte, dieser grte aller Mog-urs wolle schnell machen. Wie in Erfllung Brouds stummer Bitte hob der Zauberer seinen Arm und blickte hinauf zum Mond, ein heller, schmalgekrmmter Span heute. Mit ruhigen flieenden Bewegungen seiner briggebliebenen Hand begann der Mog-ur die Berufung, die Zwiesprache mit den Geistern. Als er zum Ende kam, hatten die Clan-Leute Gewiheit, da nun der Hauch ihrer Totems und einer Schar anderer unbekannter Geister da war und sie umgab. Und sie frchteten sich sehr. Blitzartig dann, so schnell, da einige erschreckt den Atem anhielten, ri der Zauberer aus einer Falte seines Umhangs eine groe scharfe Steinklinge und hielt sie hoch ber seinen Kopf. Als wollte er ihn peitschen, zog der Mog-ur das spitze, scharfkantige Gert durch die Luft, um es Broud in die Brust zu senken. Doch jh hielt er inne, vermied den todbringenden Stich und ritzte mit rascher Hand zwei Linien in den Krper des jungen Mannes, die sich, leicht gebogen, zu einer Spitze vereinigten. Broud prete die Augenlider zusammen. Er zuckte nicht, als die Klinge seine Haut aufschlitzte. Blut quoll aus der Wunde und rann in roten Bchen seine Brust hinunter. Goov erschien an der Seite des Zauberers. In den Hnden hielt er eine Schale mit etwas Schmierigem, gewonnen aus dem ausgelassenen Fett des Bisons und gemischt mit der heilkrftigen Asche vom Holz einer Esche. Der Mog-ur rieb sie in die Wunde, um den Blutstrom zu stillen. Spter wrde sich eine schwarze Narbe bilden, die allen kundtat, da Broud ein Mann war; ein Mann, der fr immer im Schutz des Geistes des kmpferischen, unberechenbaren wollhaarigen Nashorns stand. Der junge Mann kehrte an seinen Platz zurck. Aller Augenmerk war auf ihn gerichtet, und er fhlte sich wohl dabei, jetzt, wo das Schlimmste vorber war. Felsenfest war Broud berzeugt, da sein starkes Herz und sein guter Arm bei der Jagd, seine Fhigkeit, beim Tanz zu fesseln, und die Unerschrockenheit, die er bei der Offenbarung seines Totems gezeigt hatte, ihn auf lange Zeit zu dem Mann des Clans machten, ber den viel und nur das Beste geredet wurde; whrend des langen kalten Winters vielleicht, wo der Clan die Hhle nicht verlassen konnte, wurde man sich die Geschichte erzhlen und sie bei den Zusammenknften des Gro-Clans weitergeben. Wenn ich nicht gewesen wre, diese Hhle wre nie die unsere geworden, dachte er. Und wenn ich den Bison nicht gettet htte, keine Feier htte man jetzt abhalten knnen, sondern mte noch immer nach einer Hhle suchen. Ayla verfolgte die ihr unverstndlichen Handlungen mit Angst im Herzen, und doch war sie wie gebannt. Sie hatte den Aufschrei nicht unterdrcken knnen, als dieser schreckliche, unfrmige, brenhnliche Mann Broud die Klinge auf die Brust setzte und ihm die blutige Wunde schlitzte. Nur widerstrebend lie sie sich nun von Iza zu dem schrecklichen Zauberer ziehen. Auch Aga, die kleine Ona auf dem Arm, und Ika mit Borg nherten sich dem Mog-ur. Ayla war erleichtert, als die beiden Frauen vor ihr und Iza Aufstellung nahmen. Mit beiden Hnden hielt Goov jetzt einen festgeflochtenen Korb, der mit einem dunkelroten weichen Zeug gefllt war, gewonnen aus femgestoenem Ocker, ber dem Feuer vermischt mit dem ausgelassenen Fett des Bibers. ber die Kpfe der Frauen hinweg blickte er zum nachtschwarzen Himmel und bat die Geister, sich nahe bei ihm zu versammeln und auf die Kinder zu blicken, deren Totems nun enthllt werden sollten. Dann tauchte er einen Finger in das rote breiig Weiche und malte auf die Hfte des kleinen Jungen einen Kringel, der aussah wie der Schwanz eines Wildschweins. Leises, raunendes Gemurmel erhob sich bei den Clan-Leuten, die beifllig kundtaten, da sie das Totem gut fanden. "Geist des Keilers, der Junge Borg ist in deinen Schutz gegeben", sagte der Zauberer mit feierlicher Bewegung und zog dem Jungen einen Lederriemen ber den Kopf, an dem ein kleiner Beutel hing. Ika verneigte sich stumm. Das Totem gefiel ihr. Der Geist des Keilers war stark und ehrfurchtgebietend, der richtige Schutz fr ihren Sohn. Dann trat sie zurck. Und wieder rief der Mog-ur die Geister an, tauchte den Finger in den roten Korb, den Goov hielt, und zog auf Onas Arm eine runde Linie. "Geist der Eule", verkndete seine Hand, "das Mdchen Ona ist in deinen Schutz gegeben." Dann legte der Mog-ur dem Kind das Amulett um, das seine Mutter gefertigt hatte. Wieder war gedmpftes Gemurmel zu hren, und beredte Hnde drckten ihr Erstaunen aus ber das starke Totem, welches dem Mdchen beigegeben war. Auch Aga strahlte. Ihre Tochter war wohlbeschtzt, und der Mann, dem sie gehren sollte, durfte kein schwaches Totem haben. Insgeheim hoffte sie, es wrde der Tochter damit nicht zu schwer gemacht, Kinder zu gebren. Neugierig reckten die Clan-Leute die Hlse, als Aga zur Seite trat und Iza sich bckte, um Ayla auf die Arme zu nehmen. Das Mdchen hatte keine Angst mehr. Jetzt, wo sie nher war, sah sie, da die schreckliche Gestalt mit dem rotgefrbten Gesicht kein anderer war als Creb, dessen Auge warm leuchtete, als er Ayla ansah. Doch dann redete der Zauberer anders als bisher mit den Geistern, die er gerufen hatte. Dieses, was er jetzt entstehen lie, waren Handlungen, die er vornahm, wenn er einem neugeborenen Kind seinen Namen gab. Also wrde diesem fremden Mdchen nicht nur das Totem gedeutet, es wrde auch in den Clan aufgenommen werden! Ruhig tauchte der Mog-ur seinen Finger in den roten Korb und zog von der Mitte ihrer Stirn, jener Stelle, wo bei den Clan-Leuten die hervorspringenden Augenbrauenwlste einander trafen, bis zur Spitze ihrer kleinen Nase eine Linie. "Der Name des Kindes ist Ayla", verkndete er und sprach ihren Namen langsam und sorgfltig aus, damit sowohl die Clan-Leute als auch die Geister ihn verstehen konnten. Iza drehte sich, um den Leuten ihres Clans in die Gesichter zu sehen. So wenig wie die anderen hatte sie geahnt, da Ayla in den Clan aufgenommen werden wrde. Das mu bedeuten, da sie meine Tochter ist, mein erstes Kind, scho ihr durch den Kopf. Nur eine Mutter hlt das Kind, wenn es seinen Namen bekommt und als Mitglied des Clans erkannt wird. Sie mu meine Tochter sein. Wer sonst knnte jetzt ihre Mutter werden? Alle zogen sie nun an Iza vorbei, und jeder nahm das Mdchen auf den Arm und wiederholte mhsam seinen Namen. Dann wandte sich Iza wieder dem Zauberer zu. Er blickte auf und rief die Geister an, noch einmal sich um ihn zu scharen. Die Clan-Leute waren voll gespannter Erwartung. Der Mog-ur war ihrer stielugigen Anteilnahme gewahr und machte sie sich zunutze. Mit langsamen, gemessenen Bewegungen tauchte er wieder den Finger in den roten Korb und zog dann einen der allmhlich verheilenden Kratzer auf Aylas Bein nach. Was kann das wohl bedeuten? Was ist das fr ein Totem? Die Clan-Leute schauten sie fragend an. Wieder tauchte der Zaubermann seinen Finger ein und zog den nchsten Kratzer nach. Das Mdchen sprte, wie Iza zu zittern begann. Keiner der anderen rhrte sich mehr; nicht einmal der rasselnde Atem Zougs war zu vernehmen. Bei der dritten Linie versuchte Brun, mit einem grollenden Murren des Mog-urs Blick auf sich zu ziehen, doch der Zauberer mied das Auge des Clan-Fhrers. Als die vierte Linie gezogen war, war es offen vor aller Augen gedeutet, aber keiner wollte es glauben. Der Mog-ur drehte nun den Kopf und sah Brun ins Gesicht, als er die Hand erhob. "Geist des Hhlenlwen, das Mdchen Ayla ist in deinen Schutz gegeben." Damit war jeder Zweifel ausgeschlossen. Als der Mog-ur Ayla das Amulett um den Hals legte, flogen die Hnde der Clan-Leute in unglubiger Bestrzung hin und her, berschlugen sich beinahe. Konnte ein Mdchen, ein vorher fremdes Mdchen auch noch, eines der strksten Totems der Mnner haben, den Hhlenlwen? Crebs Blick, der sich in die zornigen Augen seines Bruders bohrte, war ruhig und fest. Einen Augenblick lang waren sie in stummem Zweikampf verklammert. Doch der Mog-ur wute, da dem Mdchen der Hhlenlwe als Totem bestimmt war, auch wenn es noch so unannehmbar schien, da eine Frau den Schutz eines so mchtigen Geistes genieen sollte. Der Mog-ur hatte nur bekrftigt und nachvollzogen, was der Hhlenlwe selbst getan hatte. Nie zuvor hatte Brun die Offenbarungen seines verkrppelten Bruders in Zweifel gezogen; aus irgendeinem Grund jedoch fhlte er sich von dem Zauberer berlistet. Dennoch mute er sich eingestehen, noch nie erlebt zu haben, da die Offenbarung eines Totems so greifbare Besttigung gefunden hatte. Er war der erste, der seinen Blick aus dem Auge des Bruders zurckzog. Es war schwer genug gewesen, sich mit der Aufnahme des fremdartigen Kindes in den Clan abzufinden; doch da es ein solches Totem hatte, das ging zu weit. Das war etwas Niedagewesenes; etwas, was nicht in sein Bild von einem wohlgeordneten Clan pate, erzeugte ein Unbehagen in Brun. Knurrend bi er die Zhne aufeinander. Keine Ausnahmen mehr! Wenn das Mdchen also Mitglied seines Clans sein sollte, dann mute es sich nach ihm richten, ob nun der Hhlenlwe sein Totem war oder nicht. Iza war wie vom Donner gerhrt. Das Kind noch immer in ihren Armen, verneigte sie sich vor dem Mog-ur; wenn er es bestimmte, dann mute es so sein. Sie wute, da Ayla ein starkes Totem hatte, aber den Hhlenlwen? Dieses Bild machte ihr Angst. Eine Frau, deren Totem die mchtigste aller Katzenarten war? Fr Iza lag es auf der Hand, da das Mdchen niemals einen Gefhrten bekommen wrde. Und das festigte sie in ihrem Entschlu, Ayla in der Heilkunst zu unterweisen, damit sie sich aus eigener Kraft einen Rang erwerben konnte. Whrend sie das Kind gehalten, hatte Creb ihm einen Namen gegeben und ihm sein Totem offenbart. Und war es dadurch nicht auch ihre Tochter geworden? Also - sie konnte den Gedanken noch kaum fassen - was wre, wenn weiter alles gutging und sie in kurzer Zeit schon wieder mit einem Kind in den Armen vor dem Zauberer stehen wrde? Sie, die solange kinderlos gewesen war, wrde bald zwei Kinder haben! Im Clan brodelte es. Stimmen und wirbelnde Hnde verrieten hitzige Erregung. Befangen kehrte Iza an ihren Platz zurck, begleitet von den staunenden Blicken der Mnner und Frauen. Sie bemhten sie, wie es der Brauch war, die neue Mutter und das Kind nicht anzustarren. Ein Mann aber machte sich keine Mhe, seinen Blick zu verhllen. Das Feuer des Hasses in Brouds Augen, als er das kleine Mdchen anfunkelte, erschreckte Iza. Sie versuchte, sich zwischen die beiden zu stellen, um Ayla vor dem stechenden Blick des jungen Jgers zu schtzen. Broud mute erleben, da er nicht mehr Anla der Aufmerksamkeit aller war, keiner wrdigte ihn denn auch nur eines Blickes. Verdrngt war seine groe Tat, die den Einzug in die Hhle mglich gemacht hatte; verdrngt waren sein groartiger Kampf und seine unerschtterliche Tapferkeit, als der Mog-ur ihm das Zeichen seines Totems in die Brust geritzt hatte. Die Schmiere brannte immer noch! Aber gab es auch nur einen, der erkannte, wie tapfer er den Schmerz aushielt? Alle taten sie, als wre er Luft. Der junge Jger hatte seine Wichtigkeit um einiges zu hoch gedacht. Zwar war die Feier der Mannbarkeit nichts Gewhnliches, aber so etwas Erstaunliches und Unerwartetes wie des Mog-urs Offenbarung ber das Findelkind war noch nie dagewesen. Zhneknirschend sah und hrte Broud, wie die Leute sich erinnerten, da es das Mdchen gewesen war, das sie zu der Hhle gefhrt hatte; es wollte nicht in seinen Kopf: dieses hliche Gestell da hatte ihre neue Wohnstatt entdeckt! Aber hatte sie etwa den Bison erlegt? Seine Nacht hatte das werden sollen, ihm allein htte die Bewunderung und die Ehrfurcht des Clans zu gelten! Doch diese Ayla hatte ihm die Schau gestohlen. Mit zornfunkelndem Blick starrte er auf das staksige, fremdartige Mdchen, doch als er sah, da Iza zum Lager am Bach lief, richtete sich sein Augenmerk wieder auf den Mog-ur. Bald, sehr bald wrde es ihm erlaubt sein, an den geheimen Handlungen der Mnner teilzunehmen. Er wute nicht, was ihn erwartete; er hatte nie mehr darber erfahren, als da er dann zum ersten Mal entdecken wrde, was Erinnerungen wirklich waren. Es wrde sein letzter Schritt auf dem Weg in die Welt der Mnner. Am Feuer am Bach entledigte sich Iza rasch ihres Umhangs. Sie nahm eine Holzschale und einen roten Beutel mit getrockneten Wurzeln, den sie sich schon vorher zurechtgelegt hatte. Nachdem die Schale mit Wasser gefllt war, kehrte sie zum groen Feuer zurck, dessen Flammen noch hher aufstiegen, als Grod frisches Holz auflegte. Als die Medizinfrau wieder vor den Zauberer trat, war sie nackt, nur das Amulett hing ihr um den Hals. Ihr Krper war rot bemalt. Ein groer Kreis betonte die Flle ihres Leibes. Auch die beiden Brste waren mit Kreisen umgeben, und zwei Linien, die von den Schultern ausgingen, liefen im Kreuz zu einer Spitze zusammen. Rote Kreise umschlossen das Ges. Diese Zeichen, deren Bedeutung nur dem Mog-ur bekannt war, schtzten sie vor d^n Mnnern und die Mnner vor ihr. Iza stand ganz nah bei dem Mog-ur. Dicht genug, um auf seinem Gesicht die zahllosen Schweitropfen sehen zu knnen; so lange stand er schon in seinem schweren Brenfell in der sengenden Hitze. Auf ein kaum wahrnehmbares Zeichen von ihm hielt sie die Schale hoch und wandte sich dem Clan zu. Es war eine Schale, die, von den Vorahnen bernommen, nun gehtet und nur bei diesen besonderen Anlssen in Gebrauch genommen wurde. Eine Ahnfrau Izas hatte in langer und sorgfltiger Arbeit die Mitte eines Baumstcks ausgehhlt und das uere geformt und dann die Schale mit grobem Sand und einem runden Stein glattgeschmirgelt. Zuletzt hatte sie das Gef mit rauhen Farnstengeln bearbeitet und ihm dabei seinen schimmernden Glanz gegeben. Innen war die Schale vom vielmaligen Gebrauch mit einer weilichen Schicht berzogen. Iza schob sich die getrockneten Wurzeln in den Mund und kaute sie langsam. Sie achtete darauf, keinen Speichel hinunterzuschlucken, whrend ihre groen Zhne allmhlich die zhen Fasern zerbissen. Schlielich spie sie den Wurzelbrei in die Schale mit dem Wasser und rhrte die Flssigkeit um, bis sie milchig wurde. Nur die Medizinfrauen von Izas Blut wuten um das Geheimnis der berauschenden Wirkung dieser Wurzel. Die Pflanze kam recht selten vor, wenn sie auch nicht unbekannt war, doch die frische Wurzel zeigte kaum benebelnde Wirkung. Das Gewchs war getrocknet und mindestens zwei Sommer gelagert worden; zum Trocknen hatte man es mit der Wurzel nach unten aufgehngt und nicht umgekehrt, wie das sonst bei den meisten Krautern blich war. Nur einer Medizinfrau kam es zu, den Trank zu bereiten; doch nur Mnner durften davon trinken. Es gab eine alte Geschichte, die gemeinsam mit den geheimen Anweisungen, wie die Wirkstoffe der Pflanze in der Wurzel gesammelt werden sollten, stets von der Mutter an die Tochter weitergegeben wurde. Sie besagte, da es einmal eine Zeit gegeben hatte, wo die Frauen das berauschende Mittel zu sich nahmen. Die Rituale, die mit ihrem Gebrauch einhergingen, wurden jedoch von den Mnnern nachgemacht, und den Frauen war es fortan verboten, von dem Trank zu nehmen; doch das Geheimnis der Zubereitung hatten die Mnner nicht rauben knnen. Die Medizinfrauen, die es kannten, hatten es mit keinem auer ihren eigenen Tchtern teilen wollen, und daraus wurde, da es nun allein jener Frau bekannt war, deren Blutslinie bis in die Urtiefen der Vergangenheit reichte. Dem Brauch nach wurde der Trank den Mannern nur gereicht, wenn sie eine entsprechende Gegengabe machten. Als der Trank nun bereitet war, nickte Iza, und Goov trat vor. Er hielt eine Schale, die mit dem Trank der Datura gefllt war, wie er sonst fr die Mnner bereitet wurde, diesmal aber fr die Frauen. Mit beherrschter Gemessenheit wurden die Schalen ausgetauscht. Dann hinkte der Mog-ur den Mnnern voraus in die kleine Hhle. Nachdem sie verschwunden waren, reichte Iza den Daturatrank unter den Frauen herum. Die Medizinfrau verwendete den Saft dieser Pflanze hufig zur Betubung, zur Linderung des Schmerzes oder als Schlafmittel. Bald darauf brachten die Frauen ihre schlaftrunkenen Kinder in die Felle und kehrten dann zum Feuer zurck. Iza ging zu dem schsselartigen Holz, auf dem Dorv whrend des Jagdtanzes herumgeschlagen hatte, und begann, einen langsamen, gleichmigen Rhythmus zu klopfen, dessen Klangfarbe sie langsam vernderte, indem sie den Schlagstock von der Mitte aus allmhlich zum Rand wandern lie. Anfangs saen die Frauen reglos. So grndlich hatten sie gelernt, sich im Beisein der Mnner keine Ble zu geben. Unter der allmhlich einsetzenden Wirkung des berauschenden Mittels jedoch und weil sie wuten, da die Mnner nicht kommen wrden, begannen einige Frauen, sich in den Hften zu der schleppenden Schlagfolge zu bewegen. Ebra war die erste, die aufsprang. In vielschrittigen Figuren tanzte sie im Kreis um Iza herum, und als die Medizinfrau das Trommeln noch schneller, noch wilder machte, wurden die Sinne der anderen Frauen in Bann geschlagen, und ihre Krper gerieten in Verzckung. Rasch sprangen sie auf und stampften, hpften, sprangen und wiegten sich und bewegten die Arme, als wollten sie Regen einfangen. Whrend das Geklopfe immer hektischer und die Abfolge der Schlge immer schwieriger wurde, warfen mit einemmal die sonst so fgsamen Frauen ihre Umhnge ab und tanzten sich frei. Sie bemerkten nicht, da Iza aufgehrt hatte zu trommeln und sich unter die anderen gemischt hatte; zu tief waren sie dem eigenen inneren Schwingen ihres Krpers ausgeliefert. AU das Aufgestaute, all das, was sonst stndig unterdrckt werden mute, machte sich Luft in ungehemmter, maloser Bewegung. Die Spannungen in den Herzen und die in den Kpfen trafen aufeinander und entluden sich in einer gewaltigen sinnenhaften Besttigung ihrer Krperlichkeit, die es ihnen mglich machte, die Grenzen anzuerkennen, die ihrer Entfaltung seitens der Mnner gesteckt waren. In wirbelnder, stampfender Verzckung tanzten sich die Frauen durch die Nacht, bis sie schlielich gegen Morgengrauen zusammenbrachen und einfach liegenblieben. Beim ersten Licht des neuen Tages verlieen die Mnner die Zeremonienhhle, stiegen ber die reglos bereinander liegenden Frauen hinweg und krochen in die Schlaffelle. Ihre aufgestauten ngste, rgernisse und Bedrckungen hatten sie whrend der Jagd herausgeschrien, am Bison zerschlagen und in den Boden gerannt. Das wundgedachte Hirn hatte sich gereinigt. Deshalb war ihre Feier von anderer Art gewesen, verhaltener, nach innen gekehrt. Als die Sonne ber dem Felsgrat aufstieg, humpelte Creb aus der Hhle und lie den Blick ber die schlafenden Frauen gleiten. Einmal, es war schon lange her, hatte er es wissen wollen und das Fest der Frauen beobachtet, und als er sah, wie sie sich bewegten, und sich vor Augen hielt, wie sie lebten, hatte er begriffen, warum sie der Befreiung ihres Innersten bedurften. Er wute, da die Mnner sich stets neugierig fragten, was die Frauen denn taten, um in eine solch tiefe Erschpfung zu versinken; doch der Mog-ur gab ihnen niemals Auskunft. Die Mnner htten sich entsetzt ber das haltlose Benehmen der Gefhrtinnen, wie ebenso die Frauen entgeistert gewesen wren ber das kindische Bitten ihrer sonst so unerschtterlichen Gefhrten, wenn diese die Geister beriefen. Hin und wieder hatte der Mog-ur darber nachgedacht, ob er den Geist der Frauen vereinen und ebenso zu den Anfngen zurckfhren knnte. Sie hatten andere Erinnerungen, ja, aber sie besaen die gleiche Fhigkeit, sich des uralten Gewuten zu entsinnen. Hatten sie Erinnerungen an den Ursprung ihrer Art? Konnten sie an der Feier mit den Mnnern teilhaben? Oft gingen diese Fragen dem Mog-ur durch den Sinn, doch niemals htte er es gewagt, die Geister zu erzrnen, und versucht, dieses Neue zu entdecken. Creb hinkte hinber zum Lager und lie sich auf seinem Fell nieder. Sein Blick fiel auf das zerzauste blonde Haar auf Izas Fell, was ihn bewog, sich die Geschehnisse in den Kopf zurckzurufen, die sich ereignet hatten, seit er gerade noch rechtzeitig aus der einstrzenden Hhle hinausgestolpert war. Wie kam es, da dieses fremdartige Kind so schnell den Weg in sein Herz gerunden hatte? Brouds Ha gegen Ayla bedrckte ihn, und die bsen Blicke, die der junge Jger ihr entgegengeschleudert hatte, waren ihm nicht entgangen. Dieser Zwist in der englebigen Gruppe betrbte ihn schwer. Die Schmach wrde Broud nicht ruhen lassen, dachte Creb. Das wollhaarige Nashorn ist ein passendes Totem fr unseren spteren Clan-Fhrer. Broud kann tapfer sein, aber er ist starrkpfig und allzu hohen Mutes. Er kann ruhig und bedchtig sein, sogar behutsam und freundlich; aber schon im nchsten Augenblick kann blinde Wut aus ihm herausschlagen. Er wird sich beherrschen mssen. chzend legte der alte Mann sich nieder und sprte jetzt erst, wie mde er war. Seit dem Beben der Erde war sein Herz voller Unruhe gewesen, jetzt aber konnte er verschnaufen. Die Hhle war die ihre, und die Schutzgeister hatten eine neue Bleibe; die Clan-Leute konnten einziehen, wenn sie erwachten. Creb ghnte und streckte sich aus. ~Kapitel 6 In stummer Ehrfurcht und zaghaft zuerst hatten sich die Clan-Leute in der breitgrundigen Hhle mit den porigen, baumhoch emporstrebenden Felswnden umgeblickt, als sie das erste Mal hineingegangen waren. Doch schon bald trugen sie die neue Umgebung auch in ihrem Inneren. Und immer seltener gedachten sie der Tage und Nchte in der alten Hhle und der Mhen ihrer Wanderung. Und je vertrauter sie mit all dem wurden, was ihr tgliches Leben begleitete, desto wohler fhlten sie sich und desto schneller verfielen sie wieder auf ihre altgewohnten Ttigkeiten, fr die der kurze heie Sommer gerade recht kam. Die Mnner gingen jagen, und die Frauen machten sich auf, um zu sammeln. Zu tun gab es gengend. Silberne Forellen fangen zum Beispiel, die teils durch das sprudelnde Wasser des Bachs schssen, teils unter berhngenden Wurzeln und Steinen standen; dann schob man mit unendlicher Geduld die Hand langsam und vor sichtig immer nher an sie heran, bis man sie zu fassen bekam. Grere Stre und Lachse, die oftmals den begehrten schwarzen oder leuchtend rosafarbenen Rogen in sich trugen, tummelten sieh nahe der Flumndung; der gefrige Seewolf und der schwarze Kabeljau schwrmten in den tieferen Grnden des von Land umgebenen salzigen Meeres. Mit Schleppnetzen aus langen Tierhaaren, die mit der Hand zu Schnren gedreht worden waren, fing man die groen Fische, wenn sie, im seichten Wasser laichend, vor den durch das Wasser watenden Menschen flohen, die sie mit Knppeln auf die Netze zutrieben. Hufig unternahmen die Clan-Leute den Marsch zum Meer hinunter und hatten bald einen groen schillernden Berg dieser Flossentiere aufgehuft, die sie dann nach und nach ber rauchenden Feuern drrten. Das saftige Fleisch der Schnecken, Muscheln und Krustentiere, die sich im Meer fanden, galt als besonders bekmmlich; die Schalen fanden als ntzliche Gefe oder Hebezeug fr Flssigkeiten Verwendung. Am Abbruch vom Land zum Wasser erklommen die Jger gezackte Klippen, um sich die Eier der Seevgel zu holen, die dort ihre Nester angelegt hatten. Hin und wieder gelang es auch, einen der kurzhalsigen Tlpel, die in riesigen Familien zusammensaen und sehr fluggewandt waren, oder eine Mwe mit einem wohlgezielten Stein aus der Luft zu holen. Whrend die Sommersonne immer praller und leuchtender wurde, sammelten die Frauen Wurzeln, fleischige Pflanzenstengel und Bltter, Krbisgewchse, Hlsenfrchte, Beeren, Obstartiges, Nsse und Krner, jedes zu seiner Zeit. Die Bltter und Blten von Krautern wurden getrocknet, spter wrzende oder heilende Beigaben fr Getrnke. Und sie schleppten sanddurchsetzte salzige Klumpen zur Hhle zurck, die sie finden konnten, wenn das riesige Gletscherkalb weit oben, wo die Kltnis herkam, das Wasser aus dem Meer sog und es weiter zurckdrngte. Auch die Jger zogen noch oft aus, denn zu jagen gab es vieles. Auf dem ppigen, kurzhalmigen Gelbgrn der Steppen, wo nur hier und dort eine Gruppe verkrppelter Bume sich mhsam aufrecht hielt, weideten die wilden Herden. Mchtige Hirsche, deren hornartiger Kopfputz nicht selten ber zwei Manneslngen betrug, durchwanderten ebenso wie riesige Bisons die Ebenen. Steppenpferde kamen selten so weit ins Unterland, aber graubraune Wildesel und die mannshohen fahlgelben, bisweilen auch rotbraunen Pferdeesel zogen ber die weiten Flchen der Halbinsel; das uerst wachsame Waldpferd lebte allein oder in kleinen Gruppen in den Vorbergen. In den Steppen sichteten die Jger hin und wieder auch kleine Rudel von Antilopen. Das wogende, hochstehende Grn zwischen Prrie und Vorgebirge war die Heimat uriger Rinder, dunkelbraune oder schwarze weitgehrnte Tiere. Das dunkelhutige, unbehaarte, besonders ber den kurzen Beinen mit kuppelhornigen Erhebungen behaftete Waldnashorn kam, den khlertrglichen Waldgebieten angepat, nur selten einer anderen, breitmuligen Art in die Quere, die das offene Grasland bevorzugte. Beide unterschieden sich durch ihre krzeren, aufrecht stehenden Hrner und die gerade Haltung des Kopfes vom Wollnashorn, das sich ebenso wie das wollhaarige Mammut nur zu gewissen Zeiten zeigte. Das wollhaarige Nashorn trug ein langes, schrg nach vorn geneigtes Hrn im Gesicht, und sein Kopf bewegte sich dicht ber der Erde, so da es ihm ein leichtes war, den Schnee vom winterlichen Weideland wegzuschieben; Mit seinem dicken Fettgewebe, dem tiefroten, langhaarigen berfell und dem weichen wolligen Unterfell war dieses laubund grasfressende Tier bestens einem Leben in kalten Gebieten angepat, den froststarren, weit oben liegenden Lsteppen. Ein bestndiges Drcken ber den weiten Eisfeldern entzog der Luft die Feuchtigkeit, so da in vergletscherten Gebieten kaum Schnee fiel; dadurch entstand jedoch ein stndig wehender Wind, der feinen Kalkstaub und L vom zermalmten Felsgestein an den Rndern der gewaltigen Eisstrme emportrug und ber weite Strecken verstreute. Gewhnlich schmolz ein kurzer Frhling die dnne Schneedecke und die oberste Schicht ewigen Eises so weit, da schnellwurzelnde Grser und Krauter aufsprieen konnten. Sie wuchsen rasch und vertrockneten zu riesigen Flchen stehenden Heus, Futter fr eine Unzahl von Tieren, die sich der eisigen Klte des Gebiets angepat hatten. Die warmfeuchten Steppen der Halbinsel lockten die wollhaarigen Tiere nur im Sptherbst. Die Hitze des Sommers war ihnen zu sengend, der Schnee des Winters viel zu tief. Viele der Tiere wurden whrend der Kltnis in das obere Land getrieben, an die Rnder des trockneren Llands. Die meisten von ihnen wanderten im Sommer zurck. Nur die Waldtiere, die sich von Unterholz oder Baumrinde oder Flechten nhren konnten, blieben auf den mit Bumen bestandenen Hgeln, die Schutz boten und groen Herden keinen Raum lieen. Hier lebten auer dunkelhaarigen Pferden und den Waldnashrnern vor allem das Wildschwein, gar manche Arten von Hirschwild, Rotwild in kleinen Herden, scheue Rehe als Einzelgnger oder in Grppchen, die etwas greren, brunlichweigefleckten Damhirsche und einige Elche. Weiter oben in den Bergen grasten auf hochgelegenen Wiesen breitgehrnte Schafe, Mufflons, und noch hher sprangen Steinbock und Gemse von Fels zu Fels. Rasch und wendig fliegende Vogelschwrme belebten die Baumkronen des Waldes und erfllten ihn mit unerhrtem Getn. Eine Mahlzeit lieferten diese Fiederlinge selten. Da war es doch einfacher, behbige, tieffliegende Schneehhner oder Moorenten mit der Schleuder zu erlegen und dann, wenn das Laub sich frbte und abfiel, den Schwrmen der Gnse und Eiderenten mit Netzen aufzulauern, wenn sie auf den versumpften Bergseen niedergingen. Raubvgel und Aasgefieder segelten trge mit den Aufwinden und beugten scharf das Leben unter sich. Zahllose kleinere, vorwiegend nagende Tiere lebten in den Bergen und Steppen nahe der Hhle, und gar manche muten, von Zougs Stein getroffen, dem Clan ihr Fell berlassen. Es gab da Nerze mit dichtem Fell und kleinen Schwimmhuten zwischen den Zehen, den fischefangenden Otter, den plumpen Vielfra, das flinke Wiesel, den langgeschwnzten Marder, den schlaukpfigen Fuchs, den weichbepelzten Zobel, den Waschbr, der sich von Wassertieren nhrte, den langschnuzigen, allesfressenden Dachs, die springkrftige Wildkatze, das sanfte Eichhrnchen, das widerborstige Stachelschwein, den langohrigen Hasen, das pfiffige Kaninchen, den Erdhgel hufenden Maulwurf, die das Ufer der Gewsser durchwhlende Bisamratte, den baukundigen Biber, das entsetzliche Stinktier, die spitzschnauzige Whlmaus, die unverwstliche Wasserratte, die wanderund todesschtigen Lemminge, das hhlenliebende Erdhrnchen, den unersttlichen Hamster und andere, die niemals benannt wurden und fr immer unbekannt blieben. Groe Fleischfresser sorgten dafr, da dieses Kleingetier nicht berhand nahm. Es gab die reienden Wlfe und die lauernden Katzen: Luchse, Tiger, Leoparden und in den Bergen den Schneeleoparden und den Hhlenlwen. Aber berall schlich die gefrige Hhlenhyne herum, und ihr lachendes Bellen lie einen erschaudern. In diesem Land fhlte sich der Mensch fast als der geringste Teil des vielgestaltigen Lebens; er, dem die Natur nichts mitgegeben hatte als sein bergroes Gehirn und die Mglichkeit, sich und das andere zu bedenken, war die schwchste der jagenden Kreaturen, denn mittlerweile fehlten ihm Fangzahn und Klaue. Aber trotz minderer Schnelligkeit und Sprungkraft hatte sich der zweibeinige Jger den Respekt seiner vierbeinigen Rivalen erkmpft, so da es sich ergab, da dort, wo Mensch und Tier ber lange Zeit hinweg in dichter Nhe beieinanderlebten, selbst Kreaturen, die ihm an Kraft und Gre berlegen waren, die Flucht ergriffen, sobald sie seine Nhe witterten. Die kundigen Jger des Clans waren jedoch im Angriff so geschickt wie in der Abwehr. Es war ein strahlender sonniger Tag geworden, durchweht von den wrmenden Winden des Hochsommers. Die Bume wiegten ihre dichtbelaubten grnen Bltterkronen, grnschillernde Fliegen schwirrten um liegengebliebene Knochen. Der leichte Wind, der vom Meer her wehte, brachte Salziges auf die Zunge, und auf dem sonnenbeschienenen Hang vor der Hhle flirrten Licht und Schatten. Jetzt, wo eine neue Bleibe gefunden war, hatte der Mog-ur nicht viel zu tun, nur hin und wieder fr eine gute Jagd die Geister zu beschwren oder die bsen Geister zu vertreiben, wenn jemand krank oder verletzt war. Heute frh waren die Jger ausgezogen und mehrere Frauen mit ihnen. Sie wrden viele Tage nicht zurckkehren. Die Frauen begleiteten die Jger, um das Fleisch der erlegten Tiere gleich drren zu knnen, es wurde dann leichter und lie sich besser zur Hhle zurcktragen, wo es fr den Winter gelagert wurde. Wenn man es in dnne Streifen schnitt, trockneten die warme Sonne und der beharrlich wehende Steppenwind das Fleisch schnell aus. Auch die stark rauchenden Feuer aus drrem Gras und Kot muten unterhalten werden, um die Pleischfliegen zu vertreiben, die sonst Eier in die frische Beute legten. Und dann, auf dem Rckweg, wrden die Frauen natrlich den Groteil der Last tragen mssen. Seit der Clan nun die Hhle bewohnte, hatte Creb fast jeden Tag einige Zeit mit Ayla zugebracht, um ihr beizubringen, wie die Clan-Leute sich verstndigten. Die einfachen Laute, fr die Clan-Kinder im allgemeinen das Schwierigere, nahm die Kleine mit Leichtigkeit auf, doch das feine Spiel von Gebrden, Zeichen und Bedeutung erfate sie nicht. Er hatte sich bemht, ihr die Bedeutung gewisser Gebrden klarzumachen, aber fr beide gab es keinen gemeinsamen Boden des Verstndnisses, auf dem sie aufbauen konnten, und es war niemand da, der htte vermitteln knnen. Der alte Mann zerbrach sich den Kopf, wie er die Kluft berbrcken sollte, aber es kam ihm keine Erleuchtung. Auch Ayla war hilflos. Sie sprte, da Creb etwas hatte, das ihr abging, doch sie wollte es auch haben, um Creb wieder davon zu geben. Ihr Kopf hatte erfat, da die Laute des Clans mehr mitteilen und verstehen konnten, als die wenigen einfachen Leute besagten; aber wie, das wute sie nicht, weil ihr die Zeichen nichts bedeuteten. Ihr schien es ein lstiges Gefuchtel und Wedeln der Arme, ein lustiges Drehen, Knicken und Wenden der Hnde oder ein lachhartes Spreizen, Schnippen und Krmmen der Finger zu sein. Allmhlich ahnte Creb, was Ayla hinderte, das Gedeutete zu erfassen, wenn er es auch kaum glauben konnte. Sie wei nicht, da die Bewegungen etwas sagen, dachte er, oder ihr Hirn ist nicht gro genug, um dort deren Bedeutung erkennen zu knnen. "Ayla!" rief Creb und winkte dem Mdchen. So hnlich mu der Stolperstein in ihrem Kopf sein, dachte er, als sie neben dem glitzernden Bach entlanggingen, wo sich ihnen ein grauer, glattgeschliffener Felsen in den Weg gelegt hatte. Aber einfache Gesten versteht sie doch. Er hatte geglaubt, er brauchte Ayla nur zu helfen, ihr Gebrdenspiel zu erweitern und zu verfeinern. Viele Fe auf dem Weg zur Jagd, zum Fischfang oder zur Nahrungssuche hatten bereits das Gras und das Unterholz niedergedrckt und einen Pfad ausgetreten. Sie kamen zu einer Stelle, die den alten Mann besonders anzog, eine Lichtung vor einem mchtigen, dichtbelaubten Eichbaum/ dessen hochliegende wulstige Wurzeln einen schattigen, leicht erhhten Sitzplatz boten. Es kam ihn weniger beschwerlich an, sich dort niederzulassen als auf dem Boden. Mit einem Stock deutete er auf den Baum. "Eiche", benannte ihn Ayla. Creb nickte beifllig und richtete den Stock dann auf den Bach. "Wasser", sprach das Mdchen. Wieder nickte der Mog-ur, der dann eine Bewegung mit seiner Hand machte und das Wort wiederholte. Ein flieendes Wasser ist gleich Bach, bedeutete beides; Wort und Gebrde zusammen. "Wasser?" kam es zaghaft ber des Mdchens Lippen. Es war verwirrt. Creb hatte doch zu verstehen gegeben, da das Wort richtig war; und dennoch war er nicht zufrieden. Ihr Magen flatterte ngstlich. Der Kopf war einfach zu. Es ging nichts mehr hinein; es ging nichts mehr hinaus. Sie wute, er wollte noch etwas, aber was? Sie begriff es nicht und wurde stutzig; zupfte sich krampfhaft an der Nase. Creb schttelte den Kopf. Wie oft hatte er dieses Sprechen und Zeigen dem Kind vorgemacht! Und noch einmal; er wies auf ihre Fe. "Fe", sprach Ayla. "Ja", nickte der Zauberer. Ich mu ihr beibringen, da sie nicht nur hinhrt, sondern auch zusieht, ermahnte er sich, stand auf, nahm sie bei der Hand und ging noch einige Schritte mit ihr, lie aber seinen Stock zurck. Hierzu sagte er das Wort "Fe". Sich bewegende Fe ist gleich laufen, hatte Creb mit der Gebrde bedeutet. Sie lauschte aufmerksam, um zu hren, ob ein sinnvernderndes Schwingen in seinem Tonfall ihr entgangen war. "Fe?" wiederholte das Kind und wute, da dies nicht die Antwort war, die er haben wollte. "Nein, nein, nein! Laufen! Sich bewegende Fe!" machte Creb noch mal Ayla deutlich, sah ihr in die Augen, whrend er sein Aufder-Stelle-Treten bertrieb. Dann zog er sie vorwrts und wies wiederum auf ihre Fe. Ayla fhlte, wie das Wasser ihr in die Augen scho. Fe! Fe! Das war es doch, was er hren wollte. Und warum schttelte Creb denn den Kopf? Oh, wenn er doch nur aufhrte, mit der Hand immer vor ihrem Gesicht herumzuwedeln. Und wieder zog der alte Mann sie vorwrts, wies auf ihre Fe, machte die Bewegung mit seiner Hand, sprach das Wort. Sie blieb stehen und beobachtete ihn. Nochmals machte er die Gebrde, bertrieb sie so sehr, da sie beinahe eine andere Bedeutung bekam, und sprach erneut das Wort. Tief vornbergebeugt stand der Mog-ur und blickte ihr ins Gesicht, whrend er die Hand im Gelenk locker lie und damit genau vor ihren Augen eine wellenfrmige Bewegung vollfhrte. Gebrde, Wort, Gebrde, Wort... Was wollte er? Was hatte sie zu tun? Sie wollte ihn ja gern begreifen. Sie sprte, da Creb ihr etwas zu verdeutlichen versuchte. Aber warum bewegte er dauernd seine Hand? Dann dmmerte es ihr; seine Hand! Er bewegte dauernd die Hand. Zgernd hob sie ihre schmale Rechte. "Ja, ja!" Creb nickte heftig. "Bewegen. Sich bewegende Fe. Laufen!" wiederholte er. Scharf beobachtete sie seine Gebrde und versuchte dann, sie nachzuahmen. "Ja!" machte Creb. Das war ffs also, was er wollte. Das sich bewegende Zeichen, mit den Fen, mit den Hnden; sie sollte durch Zeichen sprechen. Nochmals fhrte sie es aus und sagte dazu die Lautfolge fr Fe. Ayla begriff nicht, was es bedeutete, aber sie verstand, da sie dieses Zeichen machen sollte, wenn sie das Wort aussprach. Creb drehte sich herum und kehrte schwer hinkend zu der Eiche zurck. Als sie sich in Bewegung setzte, deutete er wieder auf ihre Fe und wiederholte noch einmal die Doppelbedeutung aus Gebrde und Laut. Und pltzlich begriff Ayla, stellte den Zusammenhang her. Fe, die sich bewegen, ist gleich laufen! Dann erinnerte sie sich, da die Leute des Clans stndig ihre Hnde bewegten. Und sie sah Iza und Creb vor sich, wie sie dastanden und einander ansahen und dabei ihre Hnde bewegten und auch die Finger, ohne viele Worte zu machen. Redeten sie miteinander? Redeten sie mit ihren Hnden? Creb setzte sich. Ayla blieb vor ihm stehen. Sie glhte vor Aufregung, bemhte sich, ruhig zu bleiben. "Fe", sagte sie und deutete auf ihre eigenen Fe. "Ja", nickte er, gespannt jetzt. Sie drehte sich um und ging von ihm weg. Als sie sich ihm wieder nherte, machte sie das Handzeichen, mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger ruhig durch die Luft fahrend, und sprach dabei das Wort Fe. "Ja! Ja! Das ist es!" machte Creb zu ihr. "Du hast es erfat. Ich glaube, du hast es erfat." Ayla wartete einen Augenblick, dann drehte sie sich wieder um und rannte nun von ihm weg, dann wieder ber die kleine Lichtung zurck, blieb ein wenig auer Atem vor ihm stehen und sah ihn erwartungsvoll an. "Rennen", zeigte er durch drei schnell durch die Luft gezogene Finger an, whrend sie aufmerksam zusah. Jetzt war es eine andere Bewegung, so hnlich wie beim ersten Mal, aber anders. Und zaghaft ahmte ihre Hand sie nach. Sie hat es wirklich erfat! Creb rieb sich die Hnde. Das Mdchen hatte Hirn. Die Handbewegung war zwar grob und ungelenk gewesen, doch der Sinn war gedeutet. Er nickte ihr ermutigend zu und wurde beinahe von seinem Wurzelsitz gerissen, als Ayla sich an seine Brust warf und ihn strmisch umarmte. Hastig und verhohlen sah der alte Zauberer sich um. Sie waren allein. Selig lchelnd zog der Krppel das kleine Mdchen an sich und sprte die junge Wrme auf sich berflieen. Fr Ayla ffnete sich nun eine ganz neue Welt. Mit Feuereifer machte sie sich daran, alle Bewegungen Crebs nachzuahmen. Da dessen einhndige Gebrden jedoch eigene Abwandlungen der normalen Handsprache waren, berlie er es Iza, sie die Feinheiten zu lehren. Whrend Ayla von Tag zu Tag mehr verstand und wute, was wie zu bedeuten war, wurde das verschwommene Bild, das sie vom Tun und Treiben der Leute um sie herum hatte, allmhlich immer klarer. Gebannt beobachtete sie den Austausch von Gebrden und Zeichen und versuchte zu erfassen, was da behandelt wurde. Anfangs lieen die Clan-Leute sich diese Wibegier noch gefallen; man behandelte sie eben wie ein kleines Kind; dann aber flogen die ersten unwilligen Blicke, und es war klar, da man ihr ungezogenes Verhalten nicht lnger duldete. Es gehrte sich einfach nicht, andere zu beobachten; dem Clan-Brauch nach hatte man die Augen abzuwenden, wenn andere sich unterhielten. Es war, als die Clan-Leute nach dem Abendverzehr noch in der Hhle an ihren Feuern saen. ber den Flammen des Feuers am Eingang der Hhle, deren lodernder Schein bse Geister, ruberische Tiere und die nakalte Nachtluft vertreiben sollten, stieg dnner Rauch auf, und hinter der wabernden Hitzewelle schienen schattendunkle Bume und Bsche in flirrender Bewegung zu zittern. Das flackernde Licht warf stndig wechselnde Muster von Hell und Dunkel auf die porige Felswand der Hhle. Ayla sa in dem Steinkreis, der Crebs Bereich umgrenzte, und blickte hinber zu Bruns Feuer. Broud hatte einen roten Kopf; eine Ader an seinem Hals trat dick hervor; er war verdrielich und grob zu seiner Mutter und Oga. An diesem Tag, der nun zu Ende ging, hatte Brouds Stolz einen schlimmen Knacks erlitten. Endlos und mit mhsam bewahrter Geduld hatte er auf der Lauer gelegen, aber sein Schu hatte verfehlt, und der Rotfuchs, dessen Fell Oga versprochen war, verschwand so schnell wie der Blitz im dichten Unterholz, gewarnt vom Sirren des sausenden Steins. Des Mdchens Blick war doppelt krnkend. Die Frauen, die mde waren von dem langen Tagwerk, wollten endlich Ruhe haben; Ebra, die Brouds Benehmen strte, bedeutete dies Brun, der dessen aufsssiges Verhalten wohl bemerkt hatte. Zwar konnte ein Mann die Frauen drangsalieren, wenn er wollte, aber Brun verdro es, weil dies sein Sohn tat, der doch spter fhren sollte und die Frauen zu achten hatte, wenn sie mde waren. "Broud, la jetzt die Frauen. Sie brauchen Ruhe", tadelte er den Sohn. Da er zurechtgewiesen wurde, und noch dazu vor Oga, traf Broud so hart wie ein Keulenschlag. Niedergeschmettert und den Kopf gesenkt stampfte er davon und zog sich zornig und gekrnkt an den uersten Rand von Bruns Wohnkreis zurck. Pltzlich sprte er Aylas Augen und fhlte sich erkannt. Wenn nicht der Brauch gewesen wre, er wrde zu diesem hlichen Eindringling hinbergeflogen sein und htte sie abgestraft; drei, vier Schlge an den Kopf und sie wrde wissen, da man ndern nicht in den Wohnkreis zu gucken habe und auch noch zusehen, wie man ihn gescholten hatte. Broud sandte dennoch einen finsteren Blick hinber zu dem Mdchen. Creb war des Unmuts an Bruns Feuer wohl gewahr geworden. Mit feiner Nase nahm er stets alles auf, was unter den Clan-Leuten vor sich ging. Er ahnte, da nur ein tiefer Groll Broud hatte dazu treiben knnen, vor allen in den Wind zu schlagen, was Sitte war im Clan, und mit seinen Blicken in den Nachbarkreis zu dringen. Brouds Widerwillen gegen das Kind ist zu heftig, als da sie hier im Clan nach ihrer Art sein kann, dachte Creb. Sie mu das lernen, was gebruchlich ist bei uns, zu ihrem eigenen Guten. "Ayla!" rief er sie scharf und rauh, die zusammenfuhr beim harten Klang der Stimme. "La deine Blicke weg von anderen Feuern!" machte er mit warnender Gebrde und hob den Zeigefinger. Sie war verwirrt. "Warum denn nur?" "Das ist der anderen Leute Bereich, und sie mchten nicht, da man sie strt - auch nicht mit den Augen." Der Mog-ur sah, wie Broud herberblickte und helle Schadenfreude auf seinem Gesicht stand. Sie steht noch viel zu hoch in der Gunst des Zauberers, dachte der junge Jger. Wenn sie in unserem Wohnkreis lebte, wrde ich ihr schon Beine machen, da sie nicht mehr solang und grade wren. Sie wte dann, wie eine Frau sich zu verhalten hat. "Ich will wissen", bedeutete Ayla, "was da drben ist", und zeigte auf Bruns Feuer, noch immer verwirrt und ein wenig verletzt. Creb wute, weshalb sie hinbergesehen hatte; doch es war an der Zeit, da sie sich anpate an das im Clan Gewohnte. Und Brouds Groll gegen sie wurde bestimmt besnftigt, wenn er sah, da der Mog-ur ihre Eigenart bestrafte. "Du sollst die anderen nicht einfach anstarren", bedeutete ihr Creb mit strengem Blick. "Das ist schlecht. Du sollst nicht dage-genreden, wenn ein Mann dir etwas sagt. Das ist schlecht, und du sollst vor allem nicht mit deinen Blicken stren, wenn andere in ihrem Wohnkreis sind. Das ist sehr schlecht." In harten kantigen Bewegungen hatte Crebs Hand gesprochen, sogar zur Faust war sie geballt. Er war barsch und deutlich geworden. Er wollte sie spren lassen, da es ihm ernst war. Er sah, wie Broud aufstand und auf Bruns Wink zum Feuer zurckkehrte, unverkennbar Hohn in den Augen. Ayla war niedergeschlagen. Noch nie hatte Creb sich so verhalten, noch nie sie so hart zurechtgewiesen. Sie hatte geglaubt, es machte ihm Freude, wenn sie die Sprache des Clans erlernte; jetzt warf er ihr vor, da es schlecht war, den Leuten etwas abzugucken, nur um mehr zu lernen. Sein barsches Verbot bedrckte sie; pltzlich kam ihr das Wasser in die Augen, das als glitzerndes Rinnsal die Wangen durchzog. "Iza!" rief Creb verstrt. "Komm, Aylas Augen!" Die Augen der Clan-Leute trnten nur, um einen Fremdkrper auszuschwemmen oder wenn sie sich erkltet hatten und die Augen krank waren. Iza kam sogleich herbeigeeilt. "Hier, schau! Ihre Augen sind voll Wasser. Vielleicht ist ein Funken vom Feuer hereingeflogen. Sieh es dir an!" bedrngte er die Schwester. Auch Iza war erschrocken. Sanft zog sie Aylas Lider hoch und starrte suchend in die Augen des Kindes. "Tut das den Augen weh?" machte sie. Entzndliches war nicht zu sehen. Den Augen schien nichts zu fehlen. Aber sie waren voll Wasser gelaufen. "Nein." Ayla schttelte den Kopf und schniefte. Was hatten sie denn fr ein Getue um ihre Augen, jetzt, nachdem Creb sie so gescholten hatte? "Warum ist Creb bse, Iza?" wollte Aylas Hand wissen. "Du mut verstehen, Ayla", gab Iza zur Antwort, "es ist nicht gut, andere mit Blicken zu belstigen. Es ist nicht gut, zum Wohnkreis anderer Feuer hinberzusehen und dort zu stren. Nur die Kleinen reien die Augen auf. Du bist gro. Und wenn du's dennoch tust, verrgerst du die Leute." "Auch Creb?" Und wieder glitzerte es auf Aylas hohen Wangenknochen. Iza hatte immer noch kein klares Bild, was es war, das ohne AnlaC Aylas Augen wsserte; aber sie sprte die hilflose Verwirrung des Kindes. Sie kehlte die ausgestreckten Hnde, so da sie Schalen glichen, und legte sie an ihre Brust. "Schau, so trgt Creb dich in seinem Herzen. Und ich habe dich auch darin." Creb wollte sie doch nur lehren. Aber sie msse sich mehr zu eigen machen als nur die Clan-Sprache; sie msse sich dem unterwerfen, was Sitte und Brauch sei im Clan. Die Frau nahm das kleine Mdchen in die Arme und hielt es fest, whrend Ayla immer noch trostlose Trnen vergo. "Was ist mit ihren Augen?" fragte Creb. "Ist ihnen nicht gut?" "Sie hat geglaubt, du bist ihr nicht gut. Sie hat geglaubt, du wrest bse auf sie. Vielleicht sind helle Augen wie die ihren schwach, ich kann jedoch nicht sehen, da ihnen etwas fehlt. Und sie sagt, da sie nicht weh tun. Creb, ich denke mir, Aylas Augen nssen, wenn sie Kummer hat." "Aus Kummer?" Creb hob erstaunt die Brauen und legte seine Stirn in zwei tiefe verwunderte Falten. Noch nie war jemand krank geworden, weil er meinte, der Mog-ur wre ihm nicht gut. Man hatte doch gewhnlich Angst vor ihm und Ehrfurcht und Achtung; und niemand war ihm schon so zugetan, da dem die Augen nten, der sich des Mog-urs Gunst entschlagen mute. Vielleicht hatte Iza recht; vielleicht waren Aylas Augen feiner als die ihren, wenn auch ungleich schrfer. Dennoch war ihr beizubringen, da es zu ihrem eigenen Guten wre, wenn sie begriff, sich nach der Clan-Art zu verhalten. Denn wenn sie nun die Bruche willentlich verletzt, Brun knnte sie mit Recht verstoen. Den Blick ngstlich zu ihren Fen gesenkt, nherte sich Ayla langsam dem Mog-ur, der seine Hand unter das Kinn gestemmt hatte und das Kind mit dem einen Auge freundlich ansah. Sie blieb vor ihm stehen, hob den Kopf und blickte aus roten verquollenen Augen zu ihm auf. Ihr Zeigefinger beschrieb einen Kreis um die Hhle, kehrte wieder zurck und wies auf ihre Augen. Dann ffnete sie die Hand und machte eine Bewegung, als wollte sie das Gezeigte auswischen. "Ich will die anderen nicht mehr anstarren", meinte sie und fragte: "Bist du mir bse, Creb?" "Nein", gab er zurck, "ich bin nicht bse, Ayla. Aber du ge- hrst jetzt zum Clan, du gehrst zu mir. Du mut unsere Sprache lernen, aber auch die Art, wie Mdchen und Frauen sich zu fgen haben, und diese Unart lassen." "Ich gehre dir? Du bist mir gut?" fragten die kleinen zitternden Finger. "Ja, sehr gut, Ayla." Des Mdchens Gesicht hellte sich auf. Es umarmte Crebs Knie, kroch auf seinen Scho und kuschelte sich dicht an ihn. Schon immer hatte der Mog-ur gerne Kinder um sich gehabt, und es wre ihm eine Freude gewesen, wenn man sie htte zu ihm kommen lassen. Denn nur selten kam es vor, da er das Totem eines Kindes offenbarte, das der Mutter als nicht zu stark gedeutet war. Der Mog-ur mute lcheln. Was nach des Clans Vorstellung von seiner Kraft des Kndens der Teilhabe am Reich der Geister zugewiesen wurde, war doch letztlich Zeugnis seines Scharrblicks und des weiten Herzens, das sein zerstrter Krper trug. Von dem Tag an, an dem man es geboren hatte, begleitete der Mog-ur jedes Kind mit seinem Auge, das dann, wenn etwas sich ereignen sollte, vorher gesehen hatte, was zu knden war. Erschpft vom heftigen Schluchzen war Ayla inzwischen eingeschlafen. Sie hatte sich in die weiten Falten von Crebs Umhang gekuschelt; war zum Zauberer gekommen, den alle frchteten, der aber jetzt den Platz in ihrem Herzen innehatte, den frher einmal auch jemand besa, von dem jedoch nicht mal ein schattenharter Abdruck fhlbar war. Und als der Mog-ur nun auf den kleinen Fremdling blickte, deuchte ihn, da er ihn schon lange vorher gesehen htte, aber nicht mit seinen wachen Augen, sondern seinen Sinnen, tief im Hirn. "Iza", rief er leise und reichte der Frau das schlafende Kind. "Ihr Weh hat sie mde gemacht", bedeutete er, nachdem die Medizinfrau Ayla in das Schaffell gelegt hatte. "Morgen soll sie liegen bleiben. Und sieh ihr noch einmal ihre Augen nach." "Ja, Creb", nickte sie. In diesem Augenblick fhlte sich Iza ihrem Bruder nahe wie selten zuvor. Es lie ihr Gesicht im verhaltenen Schein des glo-senden Feuers aufleuchten, als sie das Glck sprte, das ihr Herz umflo bei dem Gedanken, wie schn es fr Creb sei, nun doch jemanden gefunden zu haben, der ihn liebte und dem er es entgelten konnte. Seitdem sie ein erstes Mal dem drngenden Geschlecht geffnet worden war, war ihr nicht mehr so wohl zumute gewesen. Bedrckend nur die Furcht, die auf ihr lag, da das Kind, das sie trug, vielleicht ein Junge wurde. Denn ein Sohn mute zum Jger erzogen werden. Auch war sie Bruns Schwester, und beider Mutter war die Gefhrtin des vorigen Clan-Fhrers gewesen, und wenn Broud, Bruns Sohn, etwas zustie oder wenn er mit der Frau, die er zu nehmen hatte, nichts Mnnliches zeugte, dann mte ihr Sohn, wenn sie einen gebar, die Fhrung des Clans bernehmen. Brun htte sie und das Kind einem der Jger zu geben oder sie selbst aufzunehmen. Tag fr Tag lag Iza auf den Knien und bat den Schutzgeist, ihrem Scho mchte ein Mdchen entbunden werden. Whrend an den Bumen langsam die Frchte reiften, begann Ayla unter Crebs geduldiger Anleitung allmhlich nicht nur die Sprache, sondern auch die Verhaltensweisen und Bruche des Clans zu verstehen, der sie bei sich aufgenommen hatte. Sie gewhnte sich daran, die Augen abzuwenden oder niederzuschlagen, um den Clan-Leuten das blickoffene Eigenleben im Wohnkreis nicht zu stren. Doch war dies nur der erste Schritt auf einem dornenreichen Weg. Doch Creb und Iza lernten auch hinzu. Sie entdeckten, da Ayla vergngt war und nicht verstimmt, wenn sie bei klaffenden Lippen die Zhne zeigte und befremdlich helle Hauchlaute ausstie; sie lernten, da dieses Benehmen Frohsinn bedeutete. Die leicht das Hirn drckende Sorge aber ber die merkwrdige Empfindlichkeit ihrer Augen, die sich mit Wasser fllten, wenn das Kind Kummer hatte, wurden sie niemals ganz los. Und Iza sagte sich, da dieses wohl den wasserhellen Augen eigen sei; und gerne htte sie gewut, ob das bei allen anderen von Aylas Leuten auch so sei. Da es ja bestimmt nichts schadete, splte sie Aylas Augen mit dem klaren Saft einer blulichweien Pflanze, die es tief in khlen schattigen Wldern gab, wo sie auf verfaulendem Holz und verrottendem Grn gedieh. Sobald man sie berhrte, frbte sie sich schwarz. Und jedesmal, wenn Ayla weinte, trufelte Iza nun ein wenig davon in des Kindes himmelblaue Wasseraugen. Es begab sich nicht oft, da Ayla weinte, die, obwohl sie merkte, da ihre Trnen augenblicklich Zuwendung zur Folge hatten, sich bemhte, sie, so gut es ging, zu unterdrcken; denn fr die Clan-Leute waren sie Ausflu des Fremdartigen. Allmhlich lernte Ayla, mit den Erdlingen zu leben und sie so zu nehmen, wie sie waren. An den Mnnern fra die Neugier zwar, doch war es offensichtlich unter ihrer Wrde, dies auch noch kundzutun, vor allem gegenber einem Kind, ganz gleich, wie ungewhnlich es auch war. Ayla beachtete die Mnner ebensowenig wie diese sie beachteten. Nur Brun zeigte etwas mehr der Anteilnahme; doch machte er ihr Angst, denn er schien streng und unnahbar. Htte sie geahnt, da nicht der Clan-Fhrer, sondern der Mog-ur als unzugnglich und furchteinflend galt, so htte sie es nie geglaubt. Und so gewahrte sie auch nicht das Kopfschtteln ber die Vertraulichkeit, die sich zwischen ihr und dem Zauberer entspann. Doch einer im Clan war Ayla sehr zuwider, und das war der junge Jger, der an Bruns Feuer sa. Stets machte Broud ein finsteres Gesicht, wenn er sie ansah. Mit den Frauen wurde sie schneller vertraut, war sie doch fast den ganzen Tag um sie herum. Und wenn sie nicht im Wohnkreis von Crebs Feuer sa oder mit der Medizinfrau durch Wlder und Wiesen streifte, war sie ebenso wie Iza mit den Clan-Frauen zusammen. Sie sah zu, wie man Tiere hutete, Felle und Hute bearbeitete, Riemen straffte, die in Streifen aus der Haut herausgeschnitten wurden, Krbe, Matten oder Netze flocht, aus Baumstmpfen Schsseln aushhlte. Beeren und Frchte sammelte, den Verzehr vorbereitete und Fleisch und Pflanzen fr die kalten Tage drrte. Und als die Frauen gewahr wurden, da das Mdchen sich willig zeigte, das Ihre anzunehmen, halfen sie ihm gern, das Zeichensprechen grndlicher zu lernen, und unterwiesen sie in manchen Fertigkeiten. Aylas Knochen waren nicht so krftig wie die der Frauen und Kinder des Clans; ihre feineren Gliedmaen htten auch kaum das schwere Muskelfleisch der Clan-Leute zu tragen vermocht. Doch sie war erstaunlich flink und behende. Verrichtungen, die Krperkraft verlangten, waren fr sie schwer zu bewltigen, doch dafr, da sie noch ein Kind war, zeigte sie sich beim Krbeflechten und beim Zuschneiden von Riemen gleicher Breite sehr anstellig. Und bald fate sie eine Zuneigung zu Ika, die ihr erlaubte, Borg herumzutragen und mit dem kleinen Kind herumzutollen. Ovra hielt sich leicht zurck, doch sie und Ika warfen Ayla bei der Arbeit warme Blicke zu. Glich doch das Schicksal ihrer Leute dem Schicksal von Aylas Leuten: die Hhlen hatten es beschlossen, als sie einstrzten und sie unter sich begruben. Das erste feine Band der freundlichen Gefhle, das sich so bald zwischen ihr und Oga angesponnen hatte, ri jedoch kurz darauf entzwei. Denn Oga zog es mehr zu Broud; zwar Ayla zugeneigt, weil diese, wenn auch jnger, ein Mdchen war wie sie und spter Frau, aber Brouds Gefhrtin werden wollend, so da sie Ayla mied, wo es nur ging. Mit Vorn, dem kleinen Gernegro, war nicht viel anzufangen. Obwohl er jnger war als Ayla, hatte er nur eins im Sinn, ihr mit gebieterischer Miene zu befehlen, wie es die Mnner mit den Frauen hielten, das zu ertragen Ayla immer noch nicht recht gelingen wollte. Denn als sie sich dagegen wehrte, trug ihr das nur den Zorn der Mnner wie der Frauen ein. Besonders Aga, die Mutter des Vorn, schalt laut und drohte mit den Fusten, weil immer dann, wenn just ihr Sohn sich wie ein Mann benehmen wollte, ihm Ayla ihre kalte Schulter zeigte und sein Gezeter schnell ins Leere ging. Brouds Groll gegen Ayla war ihr so wenig wie den anderen verborgen geblieben. Der junge Jger wurde eines Tages Brun folgen und Clan-Fhrer werden. Und wenn ihr Sohn dann immer noch in seiner Gunst stand, wrde er bestimmt zum Zweiten im Rang erkoren werden. Sobald sie Broud in der Nhe wute, funkelte sie das fremde Mdchen an und schlug nach ihr und drngte sie, die Arbeit schneller fortzusetzen. Von Tag zu Tag gelang es Ayla immer besser, die Clan-Sprache richtig zu beherrschen. Jedoch ein Zeichen eignete sie sich selbst durch eigene Beobachtung an, denn gnzlich war sie nicht des Blicks entwhnt, den anderen die Augen aufzudrngen, die sich gerade lebhaft unterhielten. So sah sie eines spten Mittags Ika zu, wie sie mit Borg ein Zeichen bte, der dann nach einigen Versuchen mit ungelenken Hnden nachzudeuten wute, was Ika lange und geduldig dem Sohne vorgemacht, und voller Freude ihn dann an sich drckte. Wenig spter beobachtete Ayla, wie Vorn zu Aga hinrannte und sie mit der gleichen Gebrde ansprach. Und auch Ovra begann, wenn sie mit Ika etwas zu behandeln hatte, mit diesem Zeichen. Als es Abend war, drngte sich Ayla etwas scheu an Iza heran, und als die Frau vom Feuer aufblickte, machte das Kind mit zaghaftem Finger einen Kreis und da durch eine Linienkerbe, von oben nach unten gezogen mit der flachen Hand und zeigte dann auf Iza. Die ri die Augen auf. "Creb", rief sie. "Wann hast du das Kind gelehrt, mich >Mut-ter< zu nennen?" "Ich habe das nicht getan, Iza", bedeutete ihr der Bruder. Iza wandte sich wieder dem Mdchen zu. "Hast du das von dir?" wollte sie wissen. "Ja, Mutter", machte Ayla eifrig. Ihr war zwar nicht ganz klar, was dieses Zeichen wohl bedeuten mochte, aber sie hatte gesehen, da es stets von Jngeren gebraucht wurde, wenn sie etwas von den Frauen wollten, die fr sie zu sorgen htten. Iza, die Kinder zu bekommen aus gutem Grunde dem eigenen Krper untersagt hatte, war tief gerhrt. "Kind", machte sie und umarmte Ayla. "Mein Kind", und umschlang den schmchtigen Findling. Und zu Creb gewandt, meinte sie, da sie ihn durch die Geister empfangen htte, die es so gewollt. Creb sagte nichts. Doch er dachte hnlich. Nach diesem Abend wurde Ayla nicht mehr so oft von drkkenden Trumen geqult, hatte nur hin und wieder Bangnis und Unruhe im Schlaf zu erleiden. Zwei Trume stellten sich noch ein; in dem einen versuchte sie voller Angst dem gierigen Schlag einer riesigen Pranke mit groen, spitz gebogenen Krallen zu entkommen; im anderen hatte sie Boden unter den Fen, der schwankte; ihre Ohren erfllte ein tiefes, donnerndes Grollen und den Magen drckte ein schreckliches Gefhl von Leere, und in ihrem Kopf raste ein verzehrendes Feuer. Sie schrie dann auf in fremden Tnen und klammerte sich hilfesuchend an Iza, wenn sie dann erwachte. War es in der ersten Zeit ihres neuen Lebens unter den Clan-Leuten vorgekommen, da sie ungewollt auf die Sprache zurckgriff, die sie von ihrer Mutter hatte, so kehrten spter, als ihr die Zeichen der Clan-Sprache und das, was diese bedeuteten, immer vertrauter wurden, die Laute von einst immer noch in ihren Trumen wieder. Und schlielich erstarben auch sie. Der kurze heie Sommer war verglht und ging zu Ende. Leichte Morgenfrste brachten den ersten Hauch bitterer Klte auf die Grser, die wei berstubt waren mit winzigen Kristallen. Die einst grnen Wlder flammten rot und braun und golden auf. Dann breiteten erste Schneeflle eine weie Decke ber das Land, die bald darauf von schweren Regengssen wieder zerfetzt und fortgeschwemmt wurde. Rauhe Winde raubten den Bumen das farbenprchtige Blattwerk. Nur noch wenige hartnckige Bltter klammerten sich an die sonst nackten ste der Bume und Bsche, als ein paar sonnenwarme Tage die Clan-Leute den letzten Schimmer des Sommers erleben lieen, ehe die eisigen Winde und klirrende Kltnis sie fr lange Zeit in ihre Hhle sperrten. Alle waren sie nun drauen und reckten die nackten Kpfe gierig der wrmenden, blagelben Scheibe hoch oben am Himmel entgegen. Auf dem breiten, festgestampften Vorplatz vor der Hhle worfelten die Frauen die Krner, die sie unten in der Grassteppe gesammelt hatten. Ein scharfer Wind wirbelte drre Bltter auf und hauchte den rauschenden Kndern des vergangenen Sommers flchtiges Leben ein. Aus groen, flachen Krben warfen die Frauen die Krner in die Luft und lieen den Wind das Unntze davontragen. Iza stand von hinten ber Ayla gebeugt, ihre Hnde auf denen des Mdchens, das den Korb hielt, ihr zur Hand gehend, wie sie es anstellen mute, das Geerntete hoch in die Luft zu schleudern, ohne es mit den Hlsen und kleinen Strohhalmen ins Weite hinauszuwerfen. Ayla sprte Izas harten, jetzt voll gerundeten Leib in ihrem Rcken und auch das heftige Zucken, das die Frau pltzlich innehalten lie. Wenig spter lste sich Iza von der Gruppe der Frauen und eilte, gefolgt von Ebra und Uka, in die Hhle. Ayla warf einen furchtsamen Blick hinber zu den Mnnern, die in ihrem Getue innehielten und den Weggelaufenen mit groen Augen folgten, und glaubte, sie wollten die Frauen zurechtweisen, die sich zurckgezogen, obwohl es noch Arbeit gab. Doch die Mnner waren ungewohnt nachsichtig und taten nichts. Ayla lief den Frauen nach. Iza lag schon drinnen in der Hhle auf ihrem Fell. Ebra und Uka hockten sich zu beiden Seiten nieder. Die Medizinfrau sah die Angst im Gesicht des Kindes und hob beschwichtigend die Hand, jedoch ohne Ayla wirklich zu beruhigen, deren Bangnis wuchs, als sie bei dem nchsten Sto, der Izas Leib zusammenbog, das qualvolle Weh in Izas Augen schaute. Ebra und Uka beredeten dabei die alltglichsten Dinge; wo die Nahrung zu lagern sei, die man fr die kurzen Tage gesammelt hatte, wann der Frost wohl wieder kme, wo zugige Stellen noch abgedichtet werden mten. Doch Ayla konnte ganz genau den Mienen und der angespannten Haltung nach die Besorgnis der Frauen erkennen. Nichts, nahm sie sich vor, wrde sie dazu bringen, von Iza wegzugehen, solange sie nicht wute, was da geschah. Zu ihren Fen lie sie sich nieder und wartete. Gegen Abend kam Ika mit dem kleinen Borg, dann auch Aga mit der stillen Ona. Beide setzten sich zu Iza, gaben den Kindern die Brust und taten nur durch ihr Hiersein Mitgefhl kund. Auch Ovra und Oga drngten sich um Izas Lager. Ukas Tochter hatte zwar noch keinen Gefhrten, doch wrde sie bald zur Frau, die zu gebren hatte. Als Vorn bemerkte, da Aba sich zu ihrer Tochter setzte, trottete er hinber, dort, wo sich alle Frauen an des Mog-urs Feuer trafen, und kroch auf Agas Scho. Die aber hatte Ona noch zu stillen. So hob die alte Aba den Jungen zu sich auf die Knie, der nach einer Weile, weil sich nichts tat, unruhig wurde und sich quengelnd davonmachte. Nicht lange danach erhoben sich auch die Frauen, um mit den Vorbereitungen fr den abendlichen Verzehr zu beginnen. Nur Uka blieb bei Iza; Ebra und Oga allerdings warfen immer wieder groe Blicke zu ihr hinber, whrend sie das Feuer unterhielten. Ebra versorgte Creb und Brun, dann brachte sie auch Uka, Iza und Ayla etwas zu essen. Ovra machte dem Gefhrten ihrer Mutter das Essen, doch sie und Oga kehrten eilig an Izas Lager zurck, als Grod sich zu Brun und Creb ans Feuer setzte. Iza schlrfte nur ein wenig von dem Krutergebru, das Ebra ihr gebracht hatte; und auch Ayla war nicht hungrig; die Angst um Iza hielt ihre Kehle so fest umklammert, da sie kaum etwas hinunterbrachte. Was war mit Iza? Warum steht sie nicht auf wie gewhnlich und macht Creb das Geschmorte, das er jeden Abend a? Warum kommt Creb nicht her und bittet die Geister, sie wieder gesund zu machen? Warum bleibt er einfach mit den anderen Mnnern sitzen? Izas Krper qulte sich jetzt noch strker als zuvor. In den kurzen Rastpausen, die ihr vergnnt waren, holte sie hastig Atem und prete dann wieder mit aller Kraft den Leib nach unten, whrend sie die Hnde der beiden Frauen umklammert hielt, die sich in der Wache ablsten. Die Clan-Mnner hockten um das Feuer von Brun, augenscheinlich in ernster Betrachtung vertieft. Doch die manchmal verstohlen zur Hhle gelenkten Blicke verrieten, da sie Anteil nahmen. Lngst war es dunkel geworden. Und pltzlich hasteten alle herum. Ebra breitete schnell ein Fell aus, Uka sttzte Iza, da sie in Kauerhaltung kam, denn die Medizinfrau atmete jetzt hastig und keuchte, schrie immer wieder auf vor Schinerz. Am ganzen Leib zitternd, hockte Ayla zwischen Ovra und Oga, die ebenfalls sthnten und wimmerten. Noch einmal holte die Frau tief Luft und prete mit knirschenden Zhnen den unteren Leib, bis zwischen den Beinen ein Wasserschwall kam und ein Kopf, dann die Schulter und die Hand und ein Bein, bis alles heraus war vom neuen Erdenkind. Zuletzt kam noch ein rotes Geklump, das Aga etwas zur Seite legte. Erschpft lie Iza sich niedersinken; das neue Kind nahm Ebra in die Arme und zog ihm ein w*enig Schleimiges vom Mund und legte es der Medizinfrau auf den Bauch. Als sie dem Kind leicht auf die Sohlen klopfte, ri es die Lippen auseinander, und aus dem Mund kam erste Lebenskunde. Schnell schnrte Ebra ein Stck der rotgefrbten Sehne um die Krperschnur, die Kind und das nun unntze Geklump miteinander verband, und bi sie ab. Sie hob das Kind nun etwas hoch, so da es Iza sehen konnte, und stand dann auf und kehrte an ihr eigenes Feuer zurck, um Brun zu sagen, da ein neues Clan-Kind angekommen und welchen Geschlechts es geworden sei. ~Kapitel 7 "Es schmerzt mich, dir davon zu sagen", machte Ebra, "da Izas Kind ein Mdchen ist." Doch Brun war nicht enttuscht, er war erleichtert, auch wenn er das nie zugegeben htte. So war es gut gewesen fr den Clan, da Creb sein eigenes Feuer angezndet und Iza mit dem Fremdling unter seinen Schutz genommen hatte, und Brun war froh, da sich daran nun nichts mehr ndern wrde. Der Mog-ur hatte Ayla gut erzogen. Und Creb war ber die Geburt von Izas Tochter nicht nur erleichtert, sondern ganz erfllt mit einer tiefen Freude. Seitdem man sich die neue Hhle zur Wohnstatt hergerichtet hatte, war ihm zum erstenmal das Wohlbehagen und die Wrme zugeflossen, die Mann und Frau und Kind entfachen knnen. Da Iza nun ein Mdchen geboren hatte, blieb alles, wie es war. Auch Iza konnte seit der Zeit der Hhlenweihe wieder frei und ohne Bangnis atmen. Es kam ein Lcheln in ihr Gesicht, als ihr einfiel, da sie schon viele Sommer zhlte und dennoch ein Kind zum Leben brachte. Vielen Frauen hatte sie geholfen, denen es viel schmerzlicher ergangen war als ihr. Einige waren dem Tode nahe gewesen, etliche sogar gestorben, und oft hatten auch die Neugeborenen ihr Leben nicht lnger behalten drfen. Ihr schien, da die Kpfe der Kinder fast zu gro waren fr die ffnungen der Frauen. Doch hatte ihre Angst weniger dem Gebren selbst gegolten als vielmehr der Vorstellung, da ihr Kind ein mnnliches sein wrde. Denn davon hing es ja ab, wie ihr Leben weitergehen wrde, und die lange Ungewiheit war fr sie fast schwerer zu ertragen gewesen als die Schmerzen. Aus tiefstem Herzen atmete Iza auf und legte sich zurecht. Uka wickelte das Kleine in ein weiches Kaninchenfell und gab es der Mutter in die Arme. Bei all dem hatte Ayla sich nicht ein bichen gerhrt. Sehnschtig und neugierig zugleich blickte sie auf Iza. Die Frau sah es und winkte ihr. "Komm, Ayla. Schau!" machte die Medizinfrau mit matter Hand. Scheu kroch Ayla hinzu. Iza zog die weichen Hllen auseinander, so da Ayla den winzigen Erdling betrachten konnte. Mit braunem Flaum war der niedrigstirnige Kopf bedeckt, an dessen Hinterteil deutlich der knochige Wulst zu sehen war, der bald von dichtem Haar bedeckt sein wrde. Sacht hob Ayla die Hand, um das Neue anzufassen, das pltzlich die Hand ausstreckte und leise die Lippen bewegte. In Aylas Augen stand immer noch das Staunen ber das, was unfabar zuerst, dann ganz langsam falich werden sollte. "Will sie sprechen, Iza?" fragte sie und deutete auf den Mund des kleinen Kindes. "Es geht noch nicht", gab Iza zurck. Aber wenn es so weit wre, dann msse sie ihr dabei helfen, den Winzling zu unterweisen, setzte sie hinzu. "Ja, das mache ich", beteuerte Ayla. Sie wrde ihr zeigen, so sich auszudrcken, wie einst der Mog-ur und die Medizinfrau es mit ihr getan. "Ja, Ayla", bekrftigte Iza und deckte ihr Kind wieder zu. Und whrend sie tief und fest schlief, blieb Ayla getreulich an ihrer Seite. Ebra hatte das rote Geklump in das Fell gewickelt, das zuvor Iza untergelegt worden war, und verbarg es an einem unaufflligen Ort, wo es liegenbleiben wrde, bis die Medizinfrau sich erheben und die Hhle verlassen konnte, um es an einer Stelle zu vergraben, die nur ihr gelufig war. Wre der Erdling tot geboren worden, man htte es mit ihm zusammen irgendwo verscharrt, und keiner htte jemals wieder darber auch nur ein Wort gesagt. Der Mutter wre der Schmerz nicht anzusehen gewesen, aber man wrde ihr mit unaufdringlicher Behutsamkeit und sanftem Mitgefhl begegnet sein. Wre das Kind mit einer Migestalt zur Welt gekommen oder nach des Clan-Fhrers Ansicht dem wechselhaften Leben nicht gewachsen, so erwartete die Mutter eine schmerzliche Pflicht, das Kind zu nehmen, fortzuschaffen, zu begraben oder einfach irgendwo liegenzulassen. Nur selten wurde einem Kind, das migestaltet war, die Mglichkeit zum Weiterleben eingerumt - und einem Mdchen gar fast nie. War das Kind ein Junge -vielleicht sogar das Erstgeborene - und gedachte der Gefhrte der Mutter es anzunehmen, so konnte der Clan-Fhrer die Erlaubnis geben, da es so viel Tage seines Lebens wie Finger an einer Hand und von der anderen zwei dazu bei der Mutter blieb. Und jedes Kind, das diese sieben Tage berlebte, war im Einklang mit dem seit ewig berlieferten zu benamsen und in den Clan aufzunehmen. Genauso hatte es sich auch vor langer Zeit mit Creb und seinem Leben zugetragen, das sieben Tage in der Schwebe hing. Auch seine Mutter hatte die Geburt beinahe nicht berlebt. Bei ihrem Gefhrten, der Clan-Fhrer war, lag der Entscheid ber Leben und Tod des Kindes, der weniger um dessentwillen als vielmehr um der Mutter willen und dennoch auch zugunsten dieses neuen Kindes getroffen wurde, dessen unfrmiger Kopf und leblose Glieder bereits anzeigten, wie sehr es die Natur fr Zuknftiges behindern wrde. Die Gebrerin war zu sehr geschwcht und hatte mit dem Wasser auch viel Blut verloren, stand selbst am Weg zum Totenreich, als da sie, wie es der Brauch war im Clan, das jmmerliche neue kleine Leben, das nicht lange whren wrde, folgsam beiseite schaffte. Wenn eine Mutter selbst die Pflicht nicht bernehmen konnte, so fiel sie dann der Medizinfrau zu; das war in diesem Fall eines. Und deshalb lie man Creb bei seiner Mutter, die ihn kaum nhren konnte mit der Brust. Und als er nach dem siebenten Tag sich immer noch am Leben hielt, bekam Creb seinen Namen zugewiesen, und eine andere Frau, die voller Nahrung war, gab sie ihm dann, und er gedieh in seinem hinderlichen Krper. Das war der Anfang dieses Mannes, der spter Mog-ur wurde und heute nun der Heiligste der heiligen Mnner war und der kundige und allmchtige Zauberer des Gro-Clans. Der Krppel und sein Bruder hatten sich Iza und dem Neugeborenen genhert. Auf Bruns wegscheuchende Bewegung seiner Hand sprang Ayla hastig auf und machte sich davon, blickte jedoch, in einiger Entfernung sich niederkauernd, verstohlen zu Izas Lager hinber, die sich aufsetzte, den winzigen Erdling aus dem Fell grub und ihn Brun entgegenhielt, ohne die Mnner an- zusehen, die das, was ihnen da entgegengehalten wurde, mit scharfen Blicken beugten. Das Kind fing laut zu wimmern an, als es der Wrme entrissen wurde und an die kalte Nachtluft kam. "Es ist heil", entschied Brun. Dann fgte er hinzu, das Mdchen drfte bei der Mutter bleiben, und wenn es bis zum Tag der Benamsung das Leben in sich hielte, wrde man es in den Clan aufnehmen. Zwar hatte Iza nicht befrchtet, da Brun ihrem Kind nicht das Leben belie, und dennoch war es ihr leicht ums Herz, als dieses auch dem Clan-Brauch nach vollzogen war. Nur noch ein letztes Fnkchen Sorge glomm leise hinten in ihrem Hirn, ob es kein Unglck ber ihre Tochter brchte, da sie selbst keinen Gefhrten hatte. Doch zu der Zeit, als sie das neue Leben in sich sprte, war er noch da gewesen, beruhigte sich Iza. Und jetzt gab Creb als ihr Gefhrte fr beide Schutz und Nahrung. Whrend der nchsten Tage durfte Iza den Wohnkreis von Crebs Feuer nur verlassen, um sich zu entleeren und auch das nachgeburtige Geklump an einer ganz bestimmten Stelle zu vergraben. Und whrend dieser Zeit, in der sie vom Clan abgeschnitten war, galt Izas Kind noch nicht als Kind des Clans, und lediglich Creb und Ayla konnten bei ihr sein, mitversorgt von den anderen Frauen, damit Iza sich erholen konnte. Und wie es blich war im Clan, stand sie ber den siebenten Tag hinaus bis zu dem Tag, an dem das Blut versiegt war, das stets nach der Geburt kam, unter Bann und durfte nur mit Frauen Umgang haben. Zunchst hatte sie auch alle Hnde voll zu tun, ihr Kind zu hegen und zu pflegen. Und als sie wieder krftig war und ausgeruht, begann sie den steinkreisig angelegten Wohnbereich, der mit zu Crebs Feuer gehrte, neu einzuteilen, Drrfleisch, Fisch und Krner, Krauter, Wurzeln, Schaber, Keile, Bohrer, Sichel, Stichel, Knochenschalen, Muschellffel, Holz und Pilze, Beeren umzufllen, einzurumen, abzupacken und neu zu verstauen, den Feuerherd und die Schlafstatt zu vergrern. Da dem Mog-ur ein besonderer Rang zukam, befanden sich sein Feuer und der Wohnkreis drumherum an vorteilhafter Stelle in der Hhle; dem Eingang nahe genug, um Tageslicht und -wrme aufzufangen, aber doch nicht so nahe, da spter die eisigen Schneestrme die Bewohner treffen wrden. Ein faltenreicher Felsvorsprung, der aus der Seitenwand herumschwang, bot weiteren Schutz vor Wind und Wetter, und Iza war froh darber. Trotz des Windbrechers und dieser Wrmequelle, die Tag und Nacht mit groen Mengen Holzes gespeist wurde, spien rauhe Winde hufig frostklumpige Klte in jene Feuerstellen, die nicht so geschtzt gelegen waren. Im tiefsten Winter dann, wenn klammheimlich Feuchtigkeit die Hhle ganz durchkriechen wrde, durchdrang sie auch die Menschen hier bis auf die Knochen und manchmal bis ins Mark. Inzwischen hatten die Mnner einen Windschutz am Eingang zur Hhle errichtet, hohe Pfosten in die Erde getrieben und an ihnen straff gespannte Hute aufgehngt und auerdem rings um den Eingang mit glattgeschliffenen Steinen ausgelegt, so da die Regengsse und Schmelzwasser den Vorplatz nicht in einen schlammigen Sumpf verwandeln wrden. Im Innern der Hhle legte man dort, wo man sa und a, einfach geflochtene Matten auf den nackten Boden. Neben Crebs Lager waren zwei weitere flache Mulden mit trockenen Grsern gefllt und mit Fellen bedeckt; das zuoberst liegende wurde von dem, der hier schlief, auch als wrmender Umhang getragen. Neben Crebs Brenfell lagen Izas Umhang aus der Steppenantilope und das neue weie Fell eines Schneeleoparden, den Goov nicht weit von der Hhle erlegt hatte. Die meisten im Clan trugen Felle oder auch ein Hrn oder einen Zahn jener Tiere, die ihr Totem zeigten. Und Creb fand, da der Schneeleopard das richtige Fell fr Ayla wre. Zwar war er nicht ihr Schutzgeist, doch hnlich dem Hhlenlwen, denn man wrde wohl kaum dazu kommen, ein solches Tier zu erlegen. Selten genug verlie es die heimische Steppe und war fr den Clan und die Hhle im waldigen Hgelland keine Gefahr. Er wurde nur gejagt, wenn sich die Clan-Leute vom Hhlenlwen bedroht fhlten. Iza hatte sich einen Wurmsamentrank bereitet, um das Einflie-en der Milch in ihre Brste anzuregen und die krampfigen Leibschmerzen zu lindern, die eine Zeitlang noch ertragen werden muten. Die langen schmalen Blttchen und die kleinen grnlichen Blten hatte sie schon frh im Jahr gesammelt und getrocknet. Als ein herbfrischer Duft die Hhle durchzog, warf sie einen Blick nach drauen, um nach Ayla Ausschau zu halten, die kurz das Kind hten sollte. Noch schnell hatte Iza nmlich den weichen Tierhautlappen zwischen ihren Beinen gegen einen neuen ausgetauscht, der das Blut aufsaugen sollte, und wollte hinaus, um den alten im nahen Wald zu beseitigen, wie sie es und auch die anderen Frauen taten, wenn sie an manchen Monden ihre Tage hatten, wo das bse Blut aus dem Krper flo. Doch Ayla war nicht nah der Hhle; unten am Bach war sie und suchte Steine. Denn Iza hatte festgestellt, da sie noch einige zum Wasserwrmen brauchte, ehe der Bach gefror, und Ayla wollte sie ihr bringen. Am steinigen Ufer lag nun das Kind auf den Knien und suchte nach Steinen, die ihr passend erschienen. Und wie sie einmal kurz das Haar aus dem Gesicht sich strich, erblickten pltzlich ihre Augen ein kleines weies Etwas unter einem Busch. Schnell drckte sie das kahle Gezweig auseinander und entdeckte ein kleines Kaninchen. Schwach atmend lag es da, ein Beinchen hlich nach hinten geknickt und krustig rot am Ende. Ein Wolfsjunges hatte es in die Fnge bekommen, doch das Langohr war schnell genug gewesen, sich wieder daraus zu befreien. Neben dem rauschenden Wasser hatte es dann seine Kraft verloren und wund und durstig auf den Tod gewartet. Ayla hob das weiche kleine Tier vom Boden auf und hielt es an sich gedrckt in ihren Armen, wie sie auch schon Izas Kind gehalten, in Kaninchenfell gewickelt, und das hier fhlte sich nicht anders an. Sachte hockte sie sich auf den Boden und wiegte das kleine, angstvoll klopfende Leben hin und her und sah dann pltzlich das Blut und entdeckte, da ein Bein des Tieres nicht so war wie alle anderen. Vielleicht kann es Iza wieder richten, dachte das Mdchen; ihr Vorhaben, nach Kochsteinen zu suchen, hatte sie schon ganz vergessen. Schnell richtete es sich auf und sprang eilig hin zur Hhle. Iza schlief, als Ayla kam, doch sie erwachte beim vertrauten Gerusch ihrer Schritte. Sie hielt der Medizinfrau das Tier hin und zeigte ihr das verletzte Bein. Hin und wieder hatte Iza Tieren geholfen, die sie verwundet irgendwo gefunden hatte, aber niemals eines in die Hhle mitgenommen. "Ayla, Tiere gehren nicht hierher", bedeutete sie, und ihr Finger zeigte vom Tier zum Ausgang der Hhle. Ayla senkte enttuscht den Kopf, drckte das Kaninchen an sich und wandte sich zum Gehen. Wieder scho ihr das Wasser in die Augen. Als Iza das sah, winkte sie Ayla zurck und bedeutete ihr, da sie das verletzte Tier betrachten wolle. Aylas Augen strahlten, als sie es ihr sorgsam reichte. "Das Tier ist durstig, hol Wasser", machte die Medizinfrau. Eilig go Ayla Wasser aus einem groen Beutel und brachte Iza vorsichtig einen Becher, der bis zum Rand gefllt war. Von einem Holz hatte die Frau bereits einen Span gespalten. Neben ihr lagen frisch geschnittene dnne Riemen. "Nimm den Beutel und hole frisches Wasser, Ayla, es ist nicht mehr viel da. Dann machen wir welches hei." Iza schrte das Feuer und legte mehrere Steine hinein, whrend Ayla nach dem Wasserbeutel griff und zum Teich rannte. Als sie zurckkam, knabberte das Kaninchen bereits an einigen Samen und Krnern, die Iza ihm hingestreut hatte. Creb, der einige Zeit spter in die Hhle humpelte, machte, als er Ayla mit dem Kaninchen und Iza mit ihrem Kind in den Armen eintrchtig nebeneinander sitzen sah, die blichen Falten in die Stirn, wenn er verwundert war. Er bemerkte das verbundene Bein, fing dann von Iza einen entsagungsvollen Blick auf, und whrend das Mdchen selbstvergessen das Kaninchen streichelte, versuchten die Geschwister sich ihre Ansicht zu bedeuten. "Wieso hat sie dieses Tier berhaupt in die Hhle gebracht?" begann Creb. "Es war verletzt. Sie hat es mir gebracht. Ich soll es heilen. Sie wei doch nicht, da wir keine Tiere in die Hhle bringen", gab Iza zurck, und auerdem habe Ayla fein gefhlt, wie eine Medizinfrau fhlen sollte. Dann aber wurde Izas Hand eindringlich und gewichtig. "Creb, ich mchte mit dir ber Ayla sprechen. Sie ist kein schnes Kind, das siehst du selbst." Creb warf einen Blick auf das Mdchen. "Sie rhrt einen an, trotz ihrer Hlichkeit", bekannte er. "Aber was soll das mit dem Kaninchen?" "Glaubst du, da sie jemals einen Gefhrten findet?" bohrte Iza weiter. Kein Mann, der ein Totem besitze, das dem ihren gewachsen sei, wrde sie haben wollen. Aber was wrde mit ihr werden, wenn sie spter eine Frau sei? Denn wenn sie keinen Gefhrten fnde, habe sie auch keinen Rang. Das sei ihm auch schon durch den Kopf gegangen, meinte der Mog-ur; aber er habe noch keinen Weg gefunden. "Wre sie Medizinfrau, htte sie Rang", gab Iza zurck. "Und mir ist sie wie eine Tochter." "Aber sie ist nicht von deinem Blut, Iza. Deine eigene Tochter wird dein Geschlecht weiterfhren." Iza nickte. Das wisse sie. Aber warum sei nicht auch Ayla im Pflegen und Heilen zu unterweisen? Sie, seine Schwester, habe das Kind doch in ihren Armen gehalten, als der Mog-ur ihr den Namen gab! Sie habe das Kind in ihren Armen gehalten, als der Mog-ur ihr Totem offenbarte! Und damit wre sie ihre Tochter geworden, angenommen von den Geistern, und gehre jetzt zum Clan. Iza legte die Hnde an ihr Herz. "Hier spre ich, da sie es werden wird, Creb", beteuerte sie, "denn immer will sie wissen, was ich mache, wenn ich mit dem heilenden Zauber beginne." "Ja", gab ihr Creb zurck, "sie mischt sich berall hinein. Doch mu ihr Kopf auch mal begreifen, da es bei uns nicht Sitte ist, so vieles wissen zu wollen mit den Augen, der Nase oder auch den Hnden." Verstohlen wies die Schwester auf das Kind, das summend das Kaninchen wiegte. "Ist das nicht Zeichen einer Medizinfrau?" Creb legte einen Finger an die breite Nase. Da sie nun Clan-Kind sei, das wrde nicht vergessen machen, da sie als Kind der anderen geboren sei, und woher wolle Iza wissen, wie dieses Kind all die Erfahrungen, die sie schon habe, sammeln sollte? "Aber sie erfat das Neue schnell. Das hast du selbst gesehen. Du weit auch, wie schnell sie unserer Sprache mchtig war. Und sie hat gute, sanfte Hnde." Iza beugte sich vor. "Wir haben beide schon viele Sommer und Winter gesehen, Creb. Was wird aus ihr, wenn wir ins Reich der Toten hingegangen sind? Soll sie von Feuer zu Feuer geschoben werden wie eine Last, die niemand haben will, und immer eine Frau, die ganz am Ende steht?" Creb senkte den Kopf. Auch ihn hatte dieses Bild schon geqult. Doch da er nicht wute, wie er es htte ndern knnen, hatte er es immer wieder aus dem Hirn verdrngt. Sein Gesicht zeigte immer noch Zweifel, als er fragte: "Glaubst du wirklich, da du sie zur Medizinfrau machen kannst, Iza?" "Beginnen kann ich hier mit diesem Tier. Sie soll es pflegen, und ich zeige ihr, wie sie es machen mu. Ich fhle, Creb, da sie es schaffen kann, auch ohne unsere Erfahrung. Ich zeige ihr alles, weise sie ein, denn sie ist jung; ihr Kopf kann lernen und behalten. Sie braucht nicht das, was wir erinnern knnen. Sie braucht nicht das erfahrene Wissen, sie kann es sich selbst beschaffen." Der Mog-ur nickte bedchtig. "Ich mu es mir noch einmal durch den Kopf gehen lassen", deutete er an und machte mit dem Zeigefinger eine kreisende Bewegung um seinen mchtigen Schdel. Ayla hatte, das Kaninchen immer noch in ihren Armen, gesehen, wie sich Iza und ihr Bruder miteinander eifrig unterhielten, und ihr fiel ein, da es Creb war, der die Geister anrief, um Izas Heilzauber Kraft zu geben. Also stand sie auf und trug das Tier zum Mog-ur, legte es ihm zu Fen und bat mit eindringlicher Gebrde: "Sage, da die Geister dieses Tier hier heilen, Creb." Der Mog-ur blickte in ihr ernstes Gesicht. Noch nie zuvor hatte er den Beistand der Geister fr ein Tier erfleht, und es lchelte in ihm, als er sich vorstellte, dies ausgerechnet jetzt fr ein kleines Langohr tun zu sollen. Doch er brachte es nicht bers Herz, Ayla abzuweisen, und machte mit rascher Hand eine schwierige Gebrde. "Jetzt wird es bald wieder laufen knnen", machte Ayla und nickte voller Zuversicht. Als sie sah, da Iza den neuen Erdling von der Brust genommen hatte, blickte sie die Frau bittend an. Iza nickte, gab ihr das Kind und mahnte: "Aber sei sorgsam, so wie ich es dir gezeigt habe." Und Ayla wiegte summend das Kind. Dann unterbrach sie sich und fragte Creb, welchen Namen er dem Kind wohl geben wrde. Auch Iza war neugierig, doch niemals htte sie danach gefragt. Sie teilten Crebs Feuer. Er gab ihnen Schutz und Nahrung. Ihm allein stand es zu, dem Kind den Namen zu geben. "Das wei ich noch nicht", wehrte des Mog-urs Hand ab, "und du mut dir merken, nicht zuviel wissen zu wollen, Ayla." Crebs Miene war streng, doch ihr Vertrauen in seine Zauberkraft tat ihm gut. Dann wandte er sich Iza zu. "Das Tier mag hier bleiben, bis sein Bein wieder heil ist", gab er zu verstehen. "Es schadet nichts." Iza nickte zustimmend, und ein Gefhl froher Erleichterung bemchtigte sich ihres Herzens. Jetzt war sie sicher, Creb duldete, da sie mit Ayla ihr Wissen teilte, auch wenn er es nicht ganz gebilligt hatte. Der Schwester gengte es zu wissen, da er ihr dabei nichts in den Weg legen wrde. "Wie macht sie den Ton in ihrer Kehle?" fragte Iza und zeigte mit den Augen auf Ayla, die wieder zu summen angefangen hatte. "Es tut den Ohren gut." "Auch das unterscheidet den Gro-Clan von den anderen", beschied sie Creb mit weiser Miene. "Sie haben nicht das Hirn, sich zu erinnern wie wir, aber wir haben nicht die Tne, um uns zu hren wie sie. Ayla macht sie nur noch wenig, seit sie unsere Sprechart begriffen hat." Schwerfllig setzte sich der Mog-ur nieder und starrte nachdenklich in die zngelnden Flammen. Ovra trat mit dem Abendverzehr in Crebs Wohnkreis. Ihre Verwunderung beim Anblick des Kaninchens war nicht geringer als zuvor die des Zauberers. Und sie wuchs noch, als Iza dem jungen Mdchen das Neugeborene in die Arme legte, und Ovra sah, da nun Ayla das Tier hochnahm und sanft hin und her bewegte, als wre es auch ein Kind. Aus den Augenwinkeln blickte sie zu dem Mog-ur hinber, doch der schien daran nichts Absonderliches zu finden. Hastig setzte sie die fette Brhe mit dem Grnzeug ab, die Aga fr die Leute hier gekocht hatte, und konnte kaum erwarten, ihrer Mutter zu berichten. Vielleicht war diese Ayla nicht ganz klar im Kopf? Glaubte sie denn, ein Tier, das wre wie ein Mensch? Nicht lange danach kam Brun herangeschritten und forderte Creb auf, mit ihm zu kommen, da er mit ihm zu sprechen habe. Gemeinsam gingen sie zum groen Feuer am Eingang der Hhle. "Mog-ur", begann der Clan-Fhrer zaudernd. "Ja?" machte Creb und hielt seine Hand hinter das Ohr. "Ich habe es mir durch den Kopf gewlzt, Mog-ur. Die Zeit ist reif fr eine Feier der Zusammengabe. Ovra will ich Goov geben und Droog ist bereit, da Aga und ihre Kinder an sein Feuer kommen - und Aba dazu", teilte Brun mit bedchtiger Gebrde mit. Als Eigentliches hatte er jedoch nach dem Kaninchen an Crebs Feuer fragen wollen. "Ich habe lange schon darauf gewartet, da du sie zusammengeben wrdest", antwortete der Bruder mit gemessener Hand, die auch nicht das Geringste zeigte, da er sehr wohl im Bilde war, weshalb Brun dieses mit ihm sprach. "Ich wollte warten, wollte nicht, da mir zwei Jger fehlen wrden, solange die Jagd noch Beute brachte. Wann ist die beste Zeit, Mog-ur?" Es bereitete dem Clan-Fhrer sichtlich Mhe, nicht zu des Zauberers Feuersttte hinberzustarren, und Creb versprte fast ein wenig Schadenfreude, den Ersten im Clan so hilflos zu sehen. "Bald werde ich Izas Kind benamsen; da knnten wir auch die Feier begehen", war Crebs gelassener Vorschlag. Brun nickte zustimmend, trat von einem Fu auf den ande ren, blickte zur hohen, schroff gewlbten Decke hinauf, dann wieder zu Boden, sphte in die flammendurchzuckten Tiefen der Hhle, lie seinen Blick ins Freie wandern. berallhin schwenkten seine Augen, nur nicht zu Crebs Wohnkreis, wo Ayla das Kaninchen in den Armen hielt, ber das jedoch nicht zu verhandeln war, weil er bis jetzt davon doch nur gehrt und selbst noch nichts gesehen hatte, weil es der Brauch ihm so gebot. Und Brun beschlo, das eine Mal dagegen zu verstoen, indem er fragte, was dieses Tier, es sei wohl ein Kaninchen, an seines Bruders Feuer sollte. Bedchtig drehte Creb sich um und blickte auf die Leute, die in seinem Wohnkreis saen. Iza erkannte, was die Mnner miteinander hatten. Sie machte sich an ihrem Kind zu scharfen. Sie wollte da nicht mit hineingezogen werden. Doch Ayla, die das Ganze ausgelst hatte, war vllig in ihr Spiel versunken. "Das Tier macht doch nichts, Brun", wich Creb aus. Der Bruder wurde ungeduldig. "Warum ist es berhaupt in der Hhle?" machte Brun mit kurzer, harter Gebrde. "Ayla hat es mitgebracht. Es hat ein wehes Bein. Iza sollte es heilen." Und dabei machte Creb ein Gesicht, als teilte er dem Bruder mit, in seinem Wohnkreis wrde augenblicklich fette Brhe und Grnzeug gegessen. Brun entgegnete, da noch nie jemand ein Tier in die Hhle gebracht htte, und lie verzagt die Arme hngen, als der Mog-ur ihm bedeutete, da Ayla das Kaninchen nur solange behalten wrde, bis da sein Bein gesundet sei. Am liebsten htte Brun mit einem lauten Schrei den rger, der in seiner Kehle steckte, hinausgebrllt und Creb befohlen, das Tier noch auf der Stelle fortzuschaffen. Doch leider war es in dem Wohnkreis seines Bruders, und berlieferungen gab es keine, die einem untersagten, Tiere dorthin mitzubringen. Es war einfach so, da niemand es zuvor getan hatte. Aber letztlich ging es ihm auch nicht um dieses Kaninchen, das er immer noch nicht gesehen hatte. Es war dieses Mdchen, diese Ayla, die ihm Hirn und Herz bedrngte. Seit Iza dieses Geschpf vom Wege aufgehoben und mitgenommen hatte, war der absonderlichen Ereignisse, die ihn immer noch durcheinander brachten, kein Ende mehr gewesen. Alles an ihr war anders, war ihm neu und befremdlich; und dann war sie auch noch ein Kind. Wie wrde es erst werden, wenn sie lter wurde? So sehr er auch in seinem Kopf all das Erfahrene durchkramte, er kam nicht darauf, wie er dem Fremdling gegenber sich verhalten sollte. Dies machte ihn unruhig und war ihm unbehaglich. Er wute nicht, wie er dem Bruder die Befrchtung dartun sollte. Creb sprte die Not seines Bruders. "Brun, der Clan, bei dem das groe Miething abgehalten wird, hlt auch ein Tier in seiner Hhle, den jungen Hhlenbren." Des Clan-Fhrers Hand durchschnitt die Luft. "Das ist doch nicht dasselbe. Das ist der Hhlenbr. Das ist doch fr das Brenfest." Und auerdem htten Hhlenbren schon vor den Erdlingen in Hhlen gelebt. Und Kaninchen lebten zudem nicht in Hhlen. Dem entgegnete der Mog-ur, da das Junge des Hhlenbren aber auch ein Tier sei, das man in die Hhle gebracht hatte. Darauf hatte Brun keine Erwiderung mehr, und Crebs Hinweis schien ihm wenigstens eine Erklrung, an die er sich halten konnte. Aber wieso hatte dieses Mdchen das Tier berhaupt in die Hhle bringen mssen? Wre sie nicht so andersartig, er htte diese miliche Unterhaltung nie zu fhren brauchen. Brun sprte, wie der feste Boden seiner Einwendungen unter seinen Fen nachgab wie Grassoden im aufgeschwemmten Moor, und wagte sich nicht weiter vor. Der Tag der Namensfeier war kalt, aber sonnig. Es hatte ein paar Schneeschauer gegeben. Crebs Glieder schmerzten schon seit Tagen. Sie lieen ihn fhlen, da es bald einen Sturm geben wrde. Die letzten klaren Tage vor dem gewaltigen Schneegestber, das dann lange Zeit um die Hhle wten wrde, wollte er noch auskosten und humpelte gemchlich den Pfad am Bach entlang. Ayla an seiner Seite, die stolz war ber die Flinge, die Iza ihr gefertigt hatte, aus Rinderhaut, der das feine, weiche Unterfell belassen und die besonders dick mit Fett behandelt worden war, damit das Wasser dagegen nichts vermochte. Hieraus hatte Iza zwei etwa runde Stcke herausgeschnitten und an den Rand, wie bei dem Beutel, gengend Lcher reingebohrt, sodann die Lappen mit dem Fell nach innen um Aylas Knchel festgezogen. Das Kind hob nun bei jedem Schritt die Fe hoch, fast wie ein Auerhahn. Auch fhlte sie sich wohl und warm, denn ber ihrem Unterzeug lag schwer der Leopardenpelz, und auf dem Kopf trug sie - das Fell nach innen - ein ausgenommenes Kaninchen, das ihre Ohren ganz bedeckte und unterm Kinn, an beiden Zipfeln, die vormals wohl die Hinterlufe dieses Tieres berzo gen hatten, gebunden war. Sie sprang ein Stck voraus und dann zurck, und manchmal ging sie neben Creb. Der Mog-ur sttzte sich schwer auf den Stock und zog wieder die Stirn in Falten. Er war der Schwester zugetan und wollte einen Namen finden, der ihr Freude machte; aber keinen von ihres Gefhrten Seite, dachte er. Denn das, was er von diesem Mann erinnerte, der einst Izas Gefhrte gewesen war, schmeckte bitter. Die Drangsal, die er Iza zugefgt, hatte Creb zornig gemacht, doch seine Bitternis lag tiefer und weiter zurck. Beide noch Kinder, war einst Creb von ihm ein Weib gescholten worden, weil er doch niemals wrde jagen knnen. Und nur die Furcht vor des Mog-urs Macht hatte dieses Schandmaul wohl zurckgehalten, noch dreister sich ihm gegenber zu gebrden. Creb war froh darber, da Iza ein Mdchen geboren hatte. Ein Junge htte ihm zuviel der Ehre angetan. Jetzt, wo dieser tot war, dessen Anblick stets bei ihm die alten Wunden aufgerissen hatte, konnte Creb das Wohlige und das Behagen am eigenen Feuer voll genieen, als Haupt der eigenen Familie. Dieser neue Zustand gab ihm ein Gefhl von Wrde, das er bisher nie gekannt hatte, und er entdeckte, da die anderen Mnner ihm jetzt noch eine andere Art von Achtung entgegenbrachten, und schlielich stellte er auch fest, da es fr ihn von grerer Bedeutung war als frher, ob sie beim Jagen Beute machten oder nicht; denn jetzt war ein Teil davon ihm. Und bestimmt fhlte sich Iza auch wohler, seine Schwester, die ihm stets zur Hand gegangen war. Und Ayla? Gerade da sie anders war, hielt ihn so gefesselt, und sie zu unterweisen und zu fordern, war ihm ein stndig lockendes Erleben. Auch dieses Neugeborene jetzt, es zog ihn an und lie sich nicht aus seinem Kopf verdrngen. Als Iza es ihm das erste Mal in den Scho legte, war er ngstlich gewesen; nun aber hielt er es manchmal in den Armen und machte groe Augen, als er sich vorzustellen begann, wie es wohl kme, da aus diesem Krper dereinst zwei schwere Brste wachsen wrden. Sie ist ein neuer Zweig des Baumes, aus dem auch Iza einst hervorgesprot; ein neuer Zweig des hohen Baumes mit tiefsten Wurzeln bis in die entfernteste Vergangenheit. Auch ihre Mutter war eine der geachtetsten Medizinfrauen des Gro-Clans gewesen, und oft waren die Leute anderer Clans gekom- men und hatten Bresthafte mitgebracht, die zu heilen waren, oder heilende Krauter von ihr mitbekommen. Iza selbst war von gleichem Rang, und ihre Tochter wrde es auch werden. Des Mog-urs Gedanken kehrten zurck zu der Frau, die die Mutter seiner Mutter gewesen war. Und pltzlich blieb er stehen und schlug sich an die Stirn und lachte und wute, wie der Name war. Alsbald nahm er wieder seinen Weg auf, sah, da Ayla vorne an einer hohen Pflanze kniete, und sein Hirn wandte sich den jungen Menschen zu, die bald zusammengegeben werden sollten. Fast augenblicklich rief er sich das Bild des jungen Mannes in den Sinn, der sein ergebener Gehilfe war. Goovs Totem war der Auerochse, fr Ovras Schutzgeist - es war der Biber - stark genug. Und Ovra war ein Mdchen, das unermdlich ihre Hnde regte und selten nur zurechtgewiesen werden mute. Sie wrde ihm eine gute Gefhrtin sein und ihm Kinder gebren, dachte Creb. Und dann ist Goov auch noch ein guter Jger; er wird es an nichts fehlen lassen. Und wenn er Mog-ur wird, dann hat er stets den Anteil an der Beute, wenn seine Pflicht ihn hindert, auf die Jagd zu gehen. Und wird er ein mchtiger Mog-ur werden? Creb schttelte den Kopf. Er war Goov zwar sehr zugetan, doch wute Creb, da sein Gehilfe niemals das Erfahrungswissen haben wrde, das er sich selbst in seinen Kopf gebracht, und auch kein groer Knder werden wrde. Denn dieses einst zu werden, htte des Verzichts bedurft, den er gebt. Sein krppelhafter Krper hatte ihn vieles zu tun gehindert, was zum Leben eines Mannes gehrte; niemals hatte er mit auf die Jagd gehen knnen, niemals mit Frauen zusammengelegen. So war ihm die Zeit und die Kraft geblieben, den Geist auf das Wissen von den Dingen zu richten, zu sehen und zu erfahren, es im Kopf zu bewegen und zu einem Bild zu fgen und schlielich von ihm zu knden. So war er der groe Mog-ur geworden. Beim Miething des Gro-Clans war er der gewaltige Vormann, der bei der heiligsten aller Feiern den Geist aller anderen Mog-urs lenkte. Seine Gedanken wanderten zu der nchsten Zusammenkunft des Gro-Clans, die nur einmal alle sieben Sommer abgehalten wurde, und die letzte hatte man in den heien Tagen vor dem Einsturz der Hhle gehabt. Wenn ich das nchste noch erlebe, ging es ihm pltzlich durch den Sinn, wird es gewi mein letztes sein. Creb nahm seine Gedanken wieder zusammen und lenkte sie auf die baldige Feier, bei der auch Droog und Aga zusammen zugeben waren. Droog war ein erfahrener Jger; seine Fertigkeit als Werkzeugmacher galt nicht nur innerhalb des Clans als rhmenswert. Er war so ruhig und verhalten in seinem Gebaren wie der Sfthn seiner toten Gefhrtin und hatte das gleiche Totem wie Goov. Die beiden waren sich wirklich hnlich, und Creb glaubte fest, da Droogs Schutzgeist Goov erschaffen hatte. Es deuchte ihn jammerschade, da Droogs Gefhrtin ins Reich der Toten abgerufen worden war; das Band warmen Herzens, das sie mit Droog verbunden hatte, wird wohl mit Aga nicht zu knpfen sein. Doch beide, Aga und Droog, hatten einander ntig und der Clan die Kinder, die durch Droog aus Aga kommen wrden. Pltzlich wurden Creb und Ayla, die wieder nebeneinander hergegangen waren, von einem Hasen in ihren Gedanken aufgescheucht. Ayla erinnerte er an das Kaninchen in der Hhle, und augenblicklich kehrte das in ihrem Kopf zurck, was ihr die ganze Zeit schon durch den Sinn gegangen war: das Neugeborene, Izas Kind. Sie hielt den Schritt an und fragte, zu dem Mog-ur gewandt: "Creb, wie ist das Kind in Iza hineingekommen?" "Eine Frau verschluckt den Geist des Totems eines Mannes", machte Creb mit zerstreuter Gebrde deutlich, noch immer in eigenen Gedanken gefangen. "Er kmpft mit dem Schutzgeist der Frau. Und wenn er ihn besiegt hat, lt er als Zeugnis einen Teil von sich selbst in ihr zurck, der neues Leben entbergen wird." Mit groen Augen sah sich Ayla um. berall muten da jetzt die Geister sein. Sie konnte keinen entdecken, doch wenn Creb das sagte, da sie da waren, dann glaubte sie es. "Und kann der Geist von jedem Mann in die Frau hinein?" bohrte sie mit raschen Bewegungen weiter. Der Mog-ur seufzte leise. Die Gedanken lieen sich nicht halten, wenn das Kind sie immer wieder durch Fragen verscheuchte, und antwortete: "Ja, aber nur ein Geist, der strker ist, kann den ihren bezwingen. Und oft bittet das Totem eines Gefhrten einer Frau einen anderen Geist um Hilfe. Dann kann es sein, da der andere Geist seinen Teil in der Frau zurcklt. Gewhnlich kmpft nur der Geist des Gefhrten der Frau darum, in die Frau hineinzudringen, er ist der nchste, aber oft braucht er Hilfe, und ein anderer aus dem Clan tut's fr ihn. Wenn ein Junge das gleiche Totem hat wie der Gefhrte seiner Mutter, dann bringt ihm das Glck", erklrte Creb mit sorgfltiger und langsamer Gebrde. "Kommen nur aus Frauen Kinder?" Der alte Mann nickte. "Mu eine Frau einen Gefhrten haben, damit ein Kind herauskommt?" "Nein, es kommt vor, da sie einen Geist verschluckt, ehe sie einen Gefhrten hat." Aber wenn sie zur Zeit des Gebarens immer noch keinen Gefhrten habe, knnte das Unglck ber das Kind bringen, schrnkte der Mog-ur ein. "Kann aus mir ein Kind kommen?" Creb hob die schweren Brauen und dachte an Aylas mchtiges Totem, das auch mit der Hilfe eines anderen Geistes sich wohl kaum berwinden lassen wrde. Doch das wrde sie bald selbst erfahren. "Dazu mut du noch grer werden", wich er aus und zeigte bis an seine Schulter. "Wann ist das?" "Wenn du eine Frau bist, so wie Ovra." "Und wann bin ich eine Frau?" Creb befrchtete allmhlich, da ihr die Fragen niemals ausgehen wrden, und beschlo, ihr genauer zu antworten, um zum Ende der Unterhaltung zu kommen. "Das allererste Mal, wenn der Geist deines Toteins mit einem anderen Geist kmpft, wird Blut aus dir kommen als Zeichen dafr, da er dich verwundet hat. Und etwas von dem Geist, der mit deinem Totem gekmpft hat, bleibt in dir zurck, um dich bereit zu machen." Der Mog-ur zeigte auf ihren schmchtigen, fellumhllten Krper. Ihm wrden Brste entwachsen, wie sie Iza htte, und noch anderes mehr vernderte sich an ihr. Und danach kmpfe der Geist ihres Totems zu bestimmten Zeiten immer wieder mit anderen Geistern. Und wenn dann die Zeit fr das Zeichen der Unterwerfung kme und das Blut ausbleibe, dann bedeutet dieses, da der Geist des Mannes, den sie empfangen, den ihren bezwungen habe und neues Leben in ihr fruchten wrde. Als Ayla beharrlich nachfragte, wann es denn bei ihr soweit sei, gab ihr der Mog-ur, indem er die Finger seiner Hand spreizte, zur Antwort: "Vielleicht, wenn du ab heute achtmal oder neunmal die Zeit der langen heien Tage hinter dir hast", und zeigte nochmals drei und dann noch vier Finger, "dann werden die meisten Mdchen zu Frauen." "Aber wie lange ist das bis dorthin?" Der alte Zauberer stie einen tiefen Seufzer aus und umfate Aylas Schulter. "Gut, wir werden sehen, ob ich es dir zeigen kann", bedeutete er ihr, bckte sich, hob vom Boden einen Ast auf und zog einen Flintsteinschaber aus seinem Beutel. Er glaubte nicht, da sie verst&hen wrde, doch mglich wre es, da ihre Fragen dann ein Ende htten. Tatschlich war es so, da Zahlen fr die Clan-Leute schwer zu erfassen waren. Sie hatten keine Vorstellung davon, was sie bedeuteten. Die meisten Erdlinge kamen ber die Drei nicht hinaus: ich, du und noch einer; und hoben dabei stets die Finger. Mit Einsichtnehmen in das Reich des Unsichtbaren hatte dieses wirklich nichts zu tun; Brun beispielsweise merkte es sofort, wenn eines der einundzwanzig Clan-Mitglieder fehlte. Er brauchte nur an jeden einzelnen zu denken. Doch aus diesem Greifbaren sich einen Begriff zu machen, bedurfte einer Anstrengung, derer nur wenige fhig waren. Wie knnte dieses >eins< sein und ein anderes auch >eins<, wo jedes doch vom anderen zu unterscheiden war! Und beide auch noch >zwei< zu nennen? Das Unverstndnis der Clan-Leute, Greifbares als Vorstellbares zu deuten und in einem Begriff auszudrcken und zusammenzufassen, erstreckte sich auf alle Gebiete ihres Lebens. Fr alles hatten sie einen Namen. Sie kannten die Eiche, die Weide, die Fichte, aber sie hatten keinen Begriff; sie hatten kein Wort fr Baum. Jede Art von Erde, jede Art des Gesteins, selbst die verschiedenen Arten des Schnees waren ihnen mit Namen bekannt, die sie fast nie vergaen. Denn sie hatten ein groes Gedchtnis und die Fhigkeit, dort mehr zu speichern. Ihre Ausdrucksweise war beredt und bildreich. Aber wenn gezhlt werden mute, dann berlieen sie das lieber dem Mog-ur, denn er konnte dieses und war ja auch der Zauberer. Creb hockte sich also nieder, den Stock fest zwischen seinem Fu und einem Felsbrocken eingeklemmt, und wandte sich zu Ayla. "Iza glaubt, du bist ein wenig lter als Vorn. Und Vorn hat den Sommer seiner Geburt erlebt, dann den Sommer, in dem er zu laufen lernte, dann den Sommer, in dem er zu sprechen vermochte und dann den Sommer, an dem er die ersten Zhne bekam." In seiner Rede hielt der Mog-ur viermal inne, um fr jeden Sommer, den er nannte, eine Kerbe in den Stock zu schlagen. "Nun mache ich fr dich noch einen Schnitt dazu. Denn so viele Sommer hast du dann gesehen. Und wenn ich meine Hand auf den Stock lege und jeden Finger in eine Kerbe gebe, dann sind sie alle zugedeckt. Schau!" Ayla blickte angespannt auf die Narben im Holz und hielt die Finger ihrer Hand hoch. Dann leuchtete ihr Gesicht auf. "So viele Sommer habe ich gesehen", bedeutete sie Creb und hielt ihm ihre Hand hin, alle fnf Finger ausgestreckt. "Aber wie viele sind es noch, Creb, bis ein Kind aus mir kommt?" Creb erstarrte wie vom Donner gerhrt. Wie hatte dieses Kind das so schnell begriffen? Dabei hatte sie ihn noch nicht einmal gefragt, was Kerben im Holz mit Fingern und mit Sommern und mit ihr und mit ihrem Alter zu tun hatten! Vieler Wiederholungen hatte es bedurft, ehe Goov zu zhlen vermochte. Creb hieb noch drei weitere Kerben in den Stock und legte drei Finger darber. Da er nur eine Hand hatte, war es fr ihn besonders schwierig gewesen, das Zhlen zu beherrschen. Ayla blickte auf ihre andere Hand und hielt augenblicklich drei Finger hoch, die anderen umgeknickt, und meinte: "Wenn es so viele Sommer sind?" und hielt acht Finger hoch. Creb nickte. Doch als er sah, was das Kind dann tat, blieb ihm fast der Atem weg, denn er selbst hatte viele Jahre gebraucht, das Hinzufgen und Wegnehmen bei den Begriffen, da es auch stimmte, zu erlernen. Ayla lie nmlich die eine Hand fallen und hielt nur noch drei Finger ihrer rechten hoch und verkndete, wenn sie noch so viele Sommer gesehen, dann sei sie gro genug, um zu einem Kind zu kommen. Gebrden und Gesicht drckten vllige Zuversicht aus und die Gewiheit, da sie aus dem, was Creb ihr gezeigt, das Richtige gefolgert hatte. Der alte Zauberer ri Mund und Auge auf vor staunender Verwunderung. Einfach nicht zu glauben, da ein Kind, ein Mdchen noch dazu, mit einer solchen Leichtigkeit den Weg zu dieser Folgerung gefunden hatte! Er war so berwltigt, da er beinahe vergessen htte, das Vorhergesagte einzuschrnken. "Das ist das Frheste", bedeutete er ihr. "Vielleicht mssen auch noch so viele oder so viele Sommer vergehen", und schlug zwei weitere Kerben in den Stock. "Vielleicht auch noch mehr. Keiner wei es gewi." Ayla kniff die Augen zusammen, hielt ihren Zeigefinger, dann ihren Daumen. "Wieviel sind mehr Sommer?" bedeutete die Frage. Creb beugte sie argwhnisch, denn sie nherten sich einem Zahlenbereich, wo selbst er noch Schwierigkeiten hatte. Und fast tat es ihm leid, mit der Unterweisung angefangen zu haben. Brun wrde ganz schn finster gucken, wenn er errhre, da dieses Kind so mchtige Zauberkrfte besa, Zauberkrfte wie ein Mog*ur; gleichzeitig jedoch war seine Neugier geweckt. Konnte Ayla denn wirklich so hohes Wissen erfassen? "Bedecke alle Kerben mit deinen Fingern", bedeutete ihr der Zauberer. Nachdem sie sorgfltig auf jedes der Male einen ihrer Finger gelegt hatte, schlug Creb noch eine Kerbe und legte seinen kleinen Finger darauf. Dann hob er die Hand wieder und erklrte dem Kind mit langsam eindringlicher Gebrde, da ihren Fingern seine Finger folgten, und wenn diese alle die weiteren Kerben bedeckten, dann der erste Finger von der Hand eines nchsten, zum Beispiel von Iza, und dann ihre zweite Hand und dann die erste Hand von Brun und seine andere dazu und dann noch eine und noch eine und noch eine. Gespannt sah er ihr dabei ins Gesicht. Doch das Kind zeigte nicht einmal Verwunderung. Es blickte auf seine eigenen Hnde, dann auf Crebs Hand, hob den Kopf und nickte heftig. "Danach kommen die Hnde von Leuten der anderen Clans", zeigte sie an. Creb hatte das Gefhl, der Boden schwanke unter ihm und er verlre allen Halt. Mit Mhe konnte der alte Zauberer eine Anzahl bis zwanzig begreifen und benennen. Darber hinaus verschwamm ihm alles zu einer unbestimmten, nebelhaften Menge, die bei ihm "viele" hie. Selten genug hatte er nach tiefem Grbeln und einer gnzlichen Versenkung in die Gesamtheit seiner Art einen Schimmer des Begreifens mitbekommen von dem, was Ayla mhelos in ihrem Kopf erfate: das Wissen um die Vielzahl. Von einem grellen Blitz erhellt, sah er die Kluft, die zwischen seinem Geist und dem des Kindes ghnte. Mhsam beruhigte er sein Hirn, das sich wie rasend drehte, und rang um Luft. "Was hat das hier fr einen Namen?" fragte er Ayla, um sie vom Zhlen abzubringen, und hielt den Stock hoch, in den er die Kerben eingeritzt hatte. Das Mdchen blickte mit zusammengekniffenen Augen auf das Holz. "Weide." "Ist gut." Creb hob den Kopf und sah ihr gerade in die Augen. "Ayla, es wre besser, wenn du dieses hier fr dich allein behltst", bedeutete er dem Kind und strich mit der Hand ber die Kerben, die er dem Stock geschlagen hatte. "Ja, Creb", kam es folgsam von Ayla. "Und jetzt zurck zur Hhle", machte der Mog-ur, der schleunigst allein sein wollte, um in sich zu gehen und das Unerhrte zu begreifen. "Ich will aber noch nicht!" Ayla schttelte den Kopf. "Es ist so schn hier drauen", und zeigte um sich. "Nein", setzte der Mog-ur dawider. An seinem knorrigen Stab zog er sich hoch, "und du solltest dich nicht dagegenstel-len, wenn ein Mann fr dich entschieden hat, Ayla", gab er ihr mit hart gefhrter Hand zu verstehen. Ayla bejahte und senkte den Kopf. Ein wenig bedrckt schritt sie an seiner Seite, als sie den Rckweg unter die Fe nahmen. Bald aber sprang sie wieder Creb voraus, kam mit sten und Steinen zurckgerannt, nannte Creb ihre Namen oder fragte danach, wenn sie sie nicht im Kopfe hatte. Mhlich hatte das erste Morgenlicht die Dunkelheit verscheucht, die die Hhle umschlang, und die Luft schien zu knistern unter einer herben Frische, die Schnee versprach. Iza lag auf ihrem Fell und blickte zu den mchtigen Adern des steinigen Riesengebuchs empor. Sie mute an das Kind denken, das die schtzende Leibeshhle verlassen hatte. Heute war der Tag, an dem es einen Namen bekommen und in die Clan-Gemeinschaft aufgenommen werden sollte; der Tag, an dem ihre Tochter als Clan-Kind Anerkennung fnde. Iza war froh, da nun die Beschrnkung auf Crebs steinernen Wohnkreis ein wenig aufgehoben wrde. Aber Umgang durfte sie nur mit den Frauen haben, bis das Nachbluten ein Ende hatte; den Mnnern hatte sie sich fernzuhalten, so wie alle Frauen, die in die blutenden Tage kamen, die Mnner meiden muten. Es war der berlieferte Brauch im Clan, da ein Mdchen, welches das erste Mal die blutenden Tage hatte, von allen ferngehalten wurde. Und wenn es Winter war, so wurde ihm ein Platz in den finstersten Tiefen der Hhle zugewiesen. Und wenn es Frhjahr war, so hatte es drauen whrend dieser Tage auszuharren, und ganz alleine. Es war dies eine Prfung, die, hnlich der ersten Jagd der Mnner, die Wandlung des Mdchens zur Frau bedeuten sollte; nur, da ihre Rckkehr in den Scho des Clans als Frau nicht wie bei den Mnnern mit einem Fest gefeiert wurde. Und wenn die Mdchen auch Feuer hatten, das sie vor reienden Tieren schtzen sollte, so war es doch schon vorgekommen, da sie niemals zurckkehrten. Manchmal wurde dann etwas gefunden, von den Jgern oder den Frauen, was an sie erinnerte. Nur den Mttern kam es zu, ihre whrend dieser Tage ausgestoenen Tchter aufzusuchen, ihnen einen Verzehr und Trost zu bringen. Und wenn das Mdchen verschwand oder gar gettet wurde, muten sie drei Nchte stille sein darber und dann dem Clan-Fhrer und dem Mog-ur Kunde bringen. Denn die Kmpfe, welche die Geister in ihrem Bemhen, die Krper von Mdchen und Frauen dem Sto des Mannes zu entziehen und der Leibesfrucht den Weg zu bahnen, dieses Ringen im Innern der Frauen selbst war den Mnnern unergrndliches Geheimnis. Und solange eine Frau die blutenden Tage hatte, besa der Geist ihres Totems bermchtige Kraft, und er blieb Sieger, weil er das Mnnliche niederzwang und vertrieb. Und traf in dieser Zeit das Auge der Frau in das Blickfeld des Mannes, so konnte es geschehen, da sein Geist in den fr ihn aussichtslosen Kampf hineingezogen wurde. Dies war der eigentliche Grund, weshalb den Frauen schwchere Totems mitgegeben wurden als Mnnern; doch selbst ein schwacher Schutzgeist zog noch Strke aus der Lebenskraft, die in den Frauen wohnte. Und die Frauen schpften aus dieser Kraft, die Leben schafft. In der Welt des Greifbaren war der Mann grer, krftiger und weit mchtiger als die Frau; doch in der furchteinflenden Welt der unsichtbaren Krfte, die nur sie begreifen konnte, war die Frau die Mchtige. Die Mnner glaubten, ihr kleinerer Wuchs und die geringere Krperkraft wren hierfr ein Ausgleich, der es ihnen erlaubte, die Frau zu beherrschen. Und niemals durfte sie der ganzen Flle ihrer Macht gewahr und auf das Mgliche, was damit anzustellen war, gestoen werden; das htte den immerwhrenden Kampf mit der Frau bedeutet. Bei der Feier ihrer Mannbarkeit wurden die jungen Jger vor der Verderbnis gewarnt, die darauf folgte, wenn eine Frau auch nur einen winzigen Blick von dem, was die Mnner trieben, erhaschte. Man sagte sich, da vor Zeiten die Frauen den Zauber besessen htten, der die Erdlinge befhigte, mit Hilfe der Geister sich mit den Ahnen zu verbinden und wieder die Anfnge zu schauen. Den Zauber hatten ihnen dann die Mnner weggenommen und ihnen untersagt, ihn auszuben; doch ihre Mglichkeit zur Macht lag tief im Innern jeder Frau und konnte nicht entwendet werden. Und da die Macht ihres Geistes whrend der blutenden Tage um vieles mchtiger war als sonst, wurde diese Frau in ihrem Leben beschrnkt. Sie hatte unter den Frauen zu bleiben und durfte auch keinen Verzehr berhren, der womglich einem Mann zugedacht war, sie mute niedrige Arbeiten verrichten, wo man zu bcken, zu knien und zu hocken hatte, Holz sammeln etwa oder Hute behandeln, die dann auch nur von Frauen getragen werden durften. Und whrend dieser Zeit bersahen sie die Mnner samt und sonders und wiesen sie nicht einmal zurecht. Und wenn der Zufall es dann wollte, da sie dem Mann ins Blickfeld lief, dann tat er so, als wre sie unsichtbar, und wrde durch sie hindurchsehen. Dieser Frauenfluch war dem Todesfluch hnlich, der schlimmsten Art, einen Erdling zu strafen, wenn er sich einem heiligen Brauch des Clans verweigert hatte. Nur der Clan-Fhrer konnte dem Mog-ur befehlen, die bsen Geister herabzurufen und den Frevelnden mit dem Fluch des Todes zu belegen. Ein Mog-ur konnte die Verwnschung nicht verweigern, obwohl sie fr den Zauberer so gefhrlich war wie fr den Clan. Denn war der Missetter einmal verflucht, so nahm niemand im Clan ihn mehr zur Kenntnis. Er war einfach nicht mehr vorhanden. Er htte auch ebensogut tot sein knnen, denn so beklagten ihn die Seinen. Man teilte mit ihm nicht mal den Verzehr. Manche hatten dann den Clan verlassen und wurden nie wieder gesehen. Die meisten aber hrten einfach auf zu essen und zu trinken, so da der Fluch an ihnen sich erfllte. Es begab sich aber auch, da ein Todesfluch nur fr beschrnkte Zeit zu gelten hatte, doch war selbst das oft tdlich fr das Opfer; wenn der Bestrafte aber berlebte, so wurde er mit allen Ehren wieder in den Scho des Clans zurckgenommen. Er hatte sich von seiner Schuld gereinigt, und sein Vergehen war vergeben und vergessen. Obwohl auch die Frauen in der Zeit ihrer Tage von den Mnnern behandelt wurden, als wren sie mit dem Todesfluch belegt, sahen das die meisten nicht nur als eine Strafe, sondern auch als eine willkommene Zeit, sich auszuruhen, in der sie nicht stndig die fordernden Mnner und deren scharfe Blicke bedrngten. Iza jedoch freute sich darauf, nach der Namensfeier endlich wieder nach drauen zu knnen, denn die Zeit war ihr lang geworden in der Hhle, und sie blickte mit gierigen Augen in das Licht des jungen Wintertags, der vor der ffnung sich bemerkbar machte. Gewhnlich wurden die Namensfeiern hufig frh am Morgen abgehalten, kurz nachdem die Sonne ihre Strahlen verscho und solange die Totems noch nah waren, die den Clan whrend der Nacht beschtzten. Als Creb seiner Schwester winkte, eilte sie hinber zu den anderen, die sich bereits versammelt hatten. Vor dem Mog-ur blieb sie stehen und senkte den Blick zu ihren Fen, whrend sie das Kind aus den wrmenden Hllen schlte. Hoch hielt sie das Kleine dem Zauberer entgegen, der ber sie hinwegblickte und die Geister beschwor, den Feiernden beizuwohnen. Er tauchte einen Finger in die rote Schale mit dem Flssig-Weichen, die Goov in den Hnden hielt, und zog von da aus, wo die buschigen Brauen des Kindes zusammentrafen, bis zu der Nasenspitze die heilige Linie und machte das Zeichen. "Uba. Der Name des Mdchens ist Uba", verkndete er. Ein kalter Windsto, der durch die ffnung in die Hhle fuhr, fegte ber das nackte Kind. Sein lautes Schreien verdrngte das beifllige Brummen der Clan-Leute. "Uba", wiederholte Iza und drckte das frstelnde Kind fest an sich. Ein treffender Name, dachte sie und wnschte, sie htte die Uba, die Mutter ihrer Mutter, deren Namen ihre Tochter bekommen hatte, gekannt. Die Clan-Leute traten zu ihr, und jeder einzelne wiederholte den Namen ihrer Tochter, um sich und sein Totem mit diesem neuen Clan-Kind vertraut zu machen. Iza achtete darauf, den Kopf gesenkt zu halten, um nicht unbedacht einem der Mnner den Blick zu bieten, die an ihr vorberschritten, um die Aufnahme Ubas in den Clan zu besttigen. Danach wickelte sie das Kind in warme Kaninchenfelle und nahm es unter ihren Umhang an ihre Brust. Iza trat zurck an ihren Platz unter den Frauen, denn die beiden Zusammengaben sollten nun folgen. Hierbei wurde das heilige Flssig-Weiche mit gelbem Ocker vermengt, und Goov reichte dem Mog-ur die gelbe Schale, der sie mit dem Stumpf seiner Linken fest an seinen Krper nahm. Dann trat der Gehilfe, dem die Feier galt, gemessenen Schritts vor den heiligen Mann und wartete, bis Grod die Tochter seiner Gefhrtin zu ihm fhrte. Ukas Gesicht zeigte gemischte Gefhle - stolz darber, da ihre Tochter einen so guten Gefhrten bekam, und Trauer darber, da sie nun das Feuer der Familie verlie. Und Ovra, die einen frisch gesumten Umhang trug, hielt die Augen zu Boden geschlagen, whrenddessen sie Grod nach vorne folgte und mit gekreuzten Beinen sich vor Goov niederhockte. Und wiederum rief der Mog-ur die Geister an. Dann tauchte er den mittleren Finger in die gelbe Schale hinein und zog ber die Narbe von Goovs Totemzeichen langsam das von Ovra. Und nochmals senkte er den Finger in die Schale und bermalte ihr Zeichen mit dem von Goov. Sein Finger folgte genau den Rndern der Narbe, als Ovras Zeichen sich zu verwischen begann. "Geist des Auerochsen, Totem von Goov, dein Zeichen hat den Geist des Bibers, das Totem von Ovra, berwunden", verkndeten des Mog-urs gewaltige Gebrden. "Mge der Groe Hhlenbr geben, da es immer so bleibt." Und zu dem Gehilfen gewandt: "Goov, nimmst du diese Frau an?" Goov antwortete, indem er Ovra einen leichten Schlag auf die Schulter gab und ihr bedeutete, ihm in die Hhle zu folgen. Dort brannte jetzt weit hinten in einem neu ausgelegten Wohnkreis Goovs Feuer. Ovra sprang auf und folgte ihrem Gefhrten, wie das Brauch war im Clan, ohne gefragt zu werden, ob auch sie bereit war, ihn anzunehmen. Sieben und nochmal sieben Tage hatten nun beide von den anderen abgesondert in ihrem Wohnkreis zu leben und durften sich nicht zusammenlegen. Danach wrden die Mnner in der kleinen Hhle eine Feier abhalten, um die Zusammengabe zu bekrftigen. Zur Zeit der Erdlinge war auch das Krperliche genauso ein Bedrfnis, wie man den Durst und Hunger stillte. Schon frh erlernte man, den Leibeslsten stattzugeben und wie man es zu machen hatte. Bis auf die leiblichen Geschwister war jede Frau von jedem Mann zu nehmen, wann immer es ihn dazu trieb. Und wenn ein Mann und eine Frau einmal zusammengegeben waren, lagen sie im allgemeinen auch zusammen. Doch gereichte es dem Manne nicht zu Ehre, wenn er seine Lust unterdrckte, anstatt sich die nchstbeste Frau zu nehmen; und Frauen waren nicht abgeneigt, einem Mann, dem sie zu Gefallen sein wollten, das auch mit Gesten und Gebrden kundzutun. In einer zweiten Feier wurden Droog und Aga zusammengegeben. Auch sie muten nun fr eine Weile abgesondert leben, wenn auch nicht von denen, die Droogs Feuer teilten. Nachdem das zweite Paar sich in die Hhle zurckgezogen hatte, umdrngten die Frauen Iza und ihr Kind. "Sie ist schn, Iza", lobten Ebras Hnde. "Zu Anfang war mein Herz beschwert, als ich sah, da du nun doch ein Kind bekommen wrdest." "Die Geister haben mich beschtzt. Ein starkes Totem macht ein starkes Kind, wenn es einmal bezwungen worden ist." Und Aba meinte besorgt, da sie zunchst Angst gehabt htte, da das Totem des fremden Mdchens Unglck ber Iza bringen knnte, denn sie sehe so anders aus und ihr Schutzgeist sei so mchtig; er htte dem Kind eine Migestalt geben knnen. "Ayla hat mir nur Glckliches gebracht", hielt Iza ihr mit hastig redenden Hnden entgegen und warf einen Blick zu dem Mdchen hinber, um zu sehen, ob seine Augen etwas aufgefangen htten. Doch das Kind blickte unverwandt auf Oga, die das Kleine im Arm hielt. "Hat sie uns nicht allen Glckliches gebracht?" fragte Iza mit weit ausgreifender Bewegung. "Aber dir war es nicht vergnnt, einen Sohn zu gebren", widersprach Aba. "Ich habe gehofft, da es ein Mdchen wrde", bedeutete ihr die Medizinfrau ruhig. "Iza!" Die Frauen schlugen entsetzt die Hand vor den Mund. Selten gab eine unter ihnen zu, da ihr ein Mdchen zu bekommen lieber war. Sie knne es ihr nachfhlen, mischte sich Uka mit heftiger Gebrde ein. Eine Frau bringe einen Sohn zur Welt, sie pflege ihn und sie nhre ihn und ziehe ihn auf. Und kaum sei er ein Mann geworden, da gehe er von seiner Mutter fort, und wenn er nicht beim Jagen gettet werde, dann verlre er sein Leben bestimmt auf andere Weise. So viele wrden schon als junge Mnner in das Reich der Toten abgerufen. Alle fhlten sie mit der Mutter, die ihren Sohn beim Einsturz der Hhle verloren hatte, faten sie an und streichelten sie. Denn alle hatten gesehen, wie gro ihr Schmerz gewesen war. Ebra lenkte ab. "Wie wohl die Zeit der kurzen, kalten Tage in der neuen Hhle werden wird?" "Die Jagd war gut, und wir haben viel Nhrendes gesammelt. Wir haben reichlich vorgesorgt. Die Jger ziehen heute noch mal aus, das letzte Mal vielleicht. Es wird uns an nichts fehlen." Iza blickte zu den Mnnern hinber. "Ich sehe, sie wollen nicht lnger warten. Sie wollen essen." Widerstrebend verlieen die Frauen Iza und ihr Kind, um den Morgenverzehr zu bereiten. Ayla hockte sich neben Iza nieder, und die Frau legte ihren Arm um sie und im anderen hatte sie Uba. Ihr Herz schlug wieder ruhig und sicher. Es tat ihr gut, an diesem frischen, klaren, lichten Tag noch drauen zu sein. Es tat ihr gut zu sehen, da das Kind, das sie geboren hatte, ein Mdchen war und heil. Sie war froh um die Hhle; froh, da Creb sie an seinem Feuer aufgenommen hatte; froh um das magere, sonnenhaarige Mdchen. ~Kapitel 8 "Feintrockener Schnee nahm Krnige Schneeflocke zur Gefhrtin, und nach einer Zeit gebar sie ihm hoch oben, wo es die warmen Zeiten ber einfach nicht mehr Nacht wird, einen Berg aus Eis. Doch die stolzstrahlende Sonne hate das glitzernde Kind, das wuchs und wuchs und immer weiter ber das Land gekrochen kam und ihre Wrme verschlang, so da nicht einmal ein Grashalm sprieen konnte. Wtend geworden, wollte die Sonne den wandernden Wrmefresser vernichten, doch Sturmwolke, Schwester von Krniger Schneeflocke, wute darum. Und in der Zeit der warmen Tage, wenn die Sonne am mchtigsten war, kmpfte Sturmwolke mit ihr, um des Eiskinds Leben zu retten." Mit Uba auf dem Scho sa Ayla da, den Blick versonnen auf Dorv gerichtet, der mit breiter Gebrde und rauhen Tnen von frher erzhlte. Er hatte es schon oft tun mssen, und Ayla wurde nie mde, seinen Schilderungen zuzusehen und sich die Bilder in den Kopf zu denken. Doch das Kind auf ihrem Scho, mittlerweile einen und einen halben Sommer alt, fand Aylas langes sonnenhelles Haar aufregender als das Gefuchtel des alten Mannes und grapschte immer wieder hinein und zupfte daran. Sanft, aber bestimmt lste Ayla ihr Haar aus Ubas fest geballten Fustchen, jedoch ohne die Augen von dem Erzhlenden zu wenden, der am Feuer stand und von den Anfngen gewaltige Kunde gab. "An manchen Tagen gewann die Sonne den furchtbaren Kampf und bohrte ihre glhend scharfen Strahlen in das klirrend harte Eis, so da es zu Wasser zerflo und sein Leben da-hinschmolz. Aber an vielen obsiegte Sturmwolke und stand dann dunkel und drohend vor der Sonne, die nichts mehr sah und ihre sengenden Flammenspeere nicht auf das Eiskind wer fen konnte, das in der Zeit der warmen Tage zwar hungern mute und mchtig abmagerte, doch wenn die kurzen, kalten Tage kamen, von Feintrockenem Schnee und Krniger Schneeflocke gewaltig gefttert wurde. Und wenn er wuchs, der Eisberg, eilte ihm ein strmisch kalter Wind voraus, der markerschtternd heulte; Krnige Schneeflocke raste und brachte immer neue Nahrung, die Feintrockener Schnee auf das Land legte, so da Eiskind immer weiterkriechen konnte bis zu dem Ort, wo die Erdlinge lebten. Den Clan-Leuten schlugen die Zhne vor Klte aufeinander, und sie drngten sich dichter um das Feuer." Als ein heftiger Windsto an den sten der kahlen Bume vor der Hhle rttelte, da es klang, als wrden Gebeine zusammengeschlagen, rann Ayla ein kalter Schauder den Rcken hinunter. Dann sah sie wieder auf Dorv. "Diese Clan-Leute damals wuten nicht mehr, was sie tun sollten und klagten laut: Warum beschtzen uns die Geister unserer Totems nicht? Was haben wir getan, da sie voll Finsterkeit sich von uns wenden? Dann machte ihr Mog-ur sich allein auf den Weg, um die Geister zu suchen und ihre Absicht zu erkunden. Lange war er fort, und viele wurden von Ratlosigkeit gepackt, whrend sie auf seine Rckkehr warteten, besonders die Jungen. Und es war Durc, der ungestmer war als alle anderen, und aussprach, was manche dachten: der Mog-ur wird nie zurckkommen. Unsere Totems haben keinen Gefallen an der Kltnis in diesem Land. Und deshalb sind sie fortgegangen. Auch wir sollten es tun! Auf das, was da gefordert wurde, entgegnete ruhig der Clan-Fhrer: Wir knnen den heimischen Boden nicht verlassen. Schon immer hat der Clan hier gelebt. Dies ist das Land der Ahnen. Dies ist die Heimstatt der Geister unserer Totems. Sie sind nicht fortgegangen. Sie sind zornig mit uns. Aber sie wrden noch strker zrnen, wenn sie durch fremde Orte mten. Als der Clan-Fhrer geendet hatte, sprang Durc auf und trat ihm entgegen. Unsere Totems haben uns schon lngst verlassen. Wenn wir eine bessere Bleibe finden, kommen sie vielleicht zu uns zurck. Wir knnen gegen Mittag wandern, den Vgeln folgen, die vor der Kltnis fliehen, wenn das Laub sich frbt, und dorthin gehen, wo die Sonne frh ihr Haupt erhebt. Dort kann das Eis uns nicht erreichen. Es kriecht nur langsam vorwrts, wir aber knnen laufen wie der Wind. Und wenn wir lnger noch hier bleiben, erstarren wir und werden zu Eis. Aber Durc war blind gegenber den Vorhaltungen des Clan-Fhrers, der riet, man solle auf den Mog-ur warten. Er bedrngte die Leute, und einige lieen sich auf seine Seite ziehen. Sie wollten mit Durc davongehen. Die anderen flehten: Bleibt, bis der Mog-ur wiederkehrt. Bleibt um unserer Geister willen! Aber Durc achtete nicht auf sie. Der Mog-ur wird die Geister nicht mehr finden knnen, denn er ist tot, und niemals wird er wiederkommen. Wir gehen jetzt fort. Kommt schnell mit uns. Sucht mit uns eine neue Bleibe, die dieses Eiskind nicht in seine Finger kriegen kann. Mtter und ihre Gefhrten trauerten um die etlichen jungen Mnner und Frauen, die fortgingen, denn sie fhlten es in ihrem Innern, da sie untergehen muten, und warteten weiter auf den Mog-ur. Aber als viele Tage ins Land gezogen waren und der Mog-ur noch immer nicht zurckgekehrt war, erwachte Zweifel in ihren Herzen, und sie dachten insgeheim, ob sie nicht doch mit Durc htten fortziehen sollen. Eines Tages aber sahen die Clan-Leute ein seltsames Tier, das immer nher kam und keine Angst vor dem Feuer hatte. Und die Leute frchteten sich sehr. Niemals zuvor hatten sie ein solches Tier gesehen. Und als es dann ans Feuer kam, da sahen sie, da es kein Tier war. Nein, der Mog-ur war zurckgekehrt und hatte sich das Fell des Hhlenbren umgelegt! Der hob die beiden Hnde hoch, als wollte er den Himmel sttzen, und verkndete dem Clan, was ihm der Geist des Groen Hhlenbren aufgetragen hatte. Der Hhlenbr lehrte nun die Leute vom Clan, in Hhlen zu leben, die Felle der Tiere zu tragen, in der Zeit der warmen Tage zu jagen und Nahrung zu sammeln, und zwar soviel, da es auch noch fr die kalten kurzen Tage reichte, die in der Hhle zu verbringen waren. So konnte das Eiskind mitnichten den Clan aus seiner Heimat vertreiben, so sehr es sich auch bemhte. Es konnte Kltnis und Schneeschauer schicken, so viel seine Eltern auch schufen, die Leute wichen nicht zurck. Schlielich gab das Eiskind auf. Es war verdrossen und lustlos geworden und wollte nicht mehr gegen die Sonne kmpfen. Da wurde Sturmwolke zornig und half ihm nicht mehr. Und das Eiskind schmollte und wich zurck und kehrte hinauf in das Land der nchtlichen Sonne und zog die Kltnis hinterher. Da freute sich die Sonne ihres Sieges und jagte es immer weiter fort; da war kein Ort, an dem es sich verstecken konnte, die glhen den Speere zerstachen seinen eisigen Panzer. Und lange, lange gab es keine dunkle eisigkalte Zeit mehr, nur feuchte, warme Sonnentage. DotTi Krnige Schneeflocke war voller Schmerz um ihr verlorenes Kind, und schlimmer Gram schwchte sie. Feintrockener Schnee wnschte, da sie wieder ein Kind gebren sollte, und bat Sturmwolke um Hilfe, die Mitleid mit ihrem Bruder hatte und Feintrockenem Schnee behilflich war, ihr die Nahrung zu bringen, die Krnige Schneeflocke erstarken lie. Und wieder verdunkelte Sturmwolke das Gesicht der Sonne, whrend Feintrockener Schnee seinen Geist ausgo, den aufzunehmen Krnige Schneeflocke sich bereitet hatte. Und ein neuer Eisberg sah das Licht der Welt, vor dem die Clan-Leute jedoch nicht mehr wichen. Und was mit Durc und jenen geschah, die mit ihm fortzogen, das glaubten viele bald zu wissen; sie htten Wlfe und Lwen aufgefressen; die groen Wasser verschlungen weit unten. Die Sonne sei zornig geworden, als Durc und die Seinen ihr Land erreichten. Und habe einen gewaltigen Blitz geschleudert, der alle und alles verbrannte." Aga seufzte tief auf. "Siehst du. Vorn", bedeutete sie ihrem Sohn, wie sie das jedesmal tat, wenn Durcs Geschichte zu Ende war, "du mut deiner Mutter und Droog und Brun und dem Mog-ur immer folgsam sein. Ihnen mut du gehorchen und darfst niemals den Clan verlassen. Sonst wirst auch du verschwinden." "Creb", wandte sich Ayla an den Mog-ur, der neben ihr hockte. "Glaubst du, da Durc und seine Leute ein neues Land gerunden haben? Sie sind verschwunden, doch niemand hat sie sterben sehen. Kann es nicht sein, da sie noch leben?" Nachdenklich schttelte Creb den Kopf. "Nein, niemand hat sie sterben sehen, Ayla. Aber die Jagd ist schwer, wenn nicht viele Mnner zur Verfgung sind, die an den langen, warmen Tagen vielleicht ausreichend kleine Tiere tten konnten." Doch schwerer und gefhrlicher wre es fr sie gewesen, sich an die groen Tiere heranzumachen. Denn deren Fleisch war ntig, um die lange Zeit der Klte zu ertragen und zu berleben. Und viele Male htten sie durch Zeiten der Kltnis hindurchgehen mssen, ehe das Land der Sonne zu erreichen war. Schutzgeister wollten eine feste Bleibe und wrden die Menschen, die nur umherziehen, bestimmt verlassen. Der Mog-ur blickte Ayla an: "Du wrdest doch nicht wollen, da dein Totem dich verlt?" Unwillkrlich griff Ayla an ihr Amulett. "Aber mein Schutzgeist hat mich nicht verlassen, obwohl ich allein war und nicht wute wohin." "Weil er dich geprft hat, Ayla", erklrte der Zauberer und wies auf die Narben, die sie trug. Und der Hhlenlwe sei ein mchtiger Geist, der sie erwhlt und immerdar beschtzen wrde. Doch alle Totems wollten einen festen Platz. Und wenn sie es beachtete, dann wrde es auch hilfreich sein. Er sagte ihr, was gut sei oder nicht fr sie. Ratlos geworden fragte Ayla: "Aber wie kann ich sehen, da der Schutzgeist da ist, Creb? Noch nie haben meine Augen den Geist des Hhlenlwen erblickt. Und wie kann ich sehen, was er mir mitteilt?" "Der Geist deines Totems ist unsichtbar, weil er ein Teil von dir ist, das in deinem Innern wohnt. Und dennoch wird er dir sich zeigen. Du mut nur ben, ihn zu erspren. Wenn du an einer Stelle angekommen bist, an der du dich allein zu entscheiden hast, dann hilft er dir. Er wird dir dann ein Zeichen geben, das zu beachten nur dein Bestes bringt." Ayla zog die Brauen hoch. "Was fr ein Zeichen?" Creb stie mit seinem Stock einen glhenden Ast, der aus dem Feuer gesprungen war, wieder in die prasselnden Flammen zurck und meinte, da dieses niemand vorhersehen knne. Gewhnlich sei es etwas, das dadurch auffalle, weil es besonders sei. Ein Stein vielleicht, den sie nie zuvor gesehen habe, oder eine Wurzel von ungewhnlicher Form. Sie msse begreifen, da man nicht nur mit den Augen, sondern auch mit dem Herzen sehen knne. Der Mog-ur lehnte den Stock an sein Knie und verbarg seine Hand unter dem schweren Umhang. Dann zog er sie wieder vor: "Nur du allein kannst fhlen, was dein Totem dir rt; keiner kann dir zeigen, wie du es machen mut. Aber wenn die Zeit kommt und du ein Zeichen entdeckst, das dein Totem dir in den Weg gelegt hat, dann verwahre es in deinem Amulett. Es wird dir Glckliches bedeuten." "Hast du Zeichen deines Totems hier in deinem Amulett?" Ayla blickte auf den Beutel, den der Zauberer am Hals trug. "Ja." Er nickte. "Das eine ist der Zahn von einem Hhlenbren. Er wurde mir gegeben, als ich zum Gehilfen wurde. Er steckte nicht in einem Kieferknochen. Er lag auf einem Stein zu meinen Fen. Als ich mich niedersetzte, sah ich's nicht. Es ist ein schner Zahn, ganz ohne braune Fulnis. Es war ein Zeichen des Groen Bren, da ich die rechte Wahl getroffen hatte." Ayla starrte den Beutel immer noch an. "Und mein Totem wird mir auch Zeichen geben?" Das knne kein anderer vorhersehen, gab der Zauberer zurck. Vielleicht - wenn sie etwas Wichtiges zu entscheiden htte. Sie wrde es spren, wenn die Zeit gekommen sei. Nur ihr Amulett msse sie immer bei sich haben, damit ihr Totem sie zu finden wisse. Und besonders sei fr sie zu merken, da sie ihr Amulett niemals verlieren drfe, das ihr gegeben worden sei, als er ihr Totem offenbarte. Denn dort befinde sich jener Teil ihres Geistes, den auch ihr Totem kennte, das ohne dieses Amulett den Weg zu ihr zurck nicht finden knnte, wenn es umherzuziehen htte. Creb nahm die Hand von seinem Beutel am Hals und schlo: "Es wird in die Irre gehen und seine Bleibe in der Geisterwelt suchen. Wenn du also dein Amulett verlierst und es nicht alsbald wiederfindest, dann wirst auch du ins Reich der Toten abgerufen." Fest legte Ayla die Hand um den kleinen Beutel, der, an einem starken Riemen befestigt, ihr um den Hals hing. Dann kam sie aufDorvs Geschichte zurck. "Glaubst du, da Durc von seinem Totem ein Zeichen bekommen hatte, als er aufbrach, um das Land der Sonne zu suchen?" "Das wei niemand, Ayla." Das Kind ballte die kleinen Fuste, als es bekannte: "Durc war mutig, sich aufzumachen, um eine neue Bleibe zu suchen." "Ja", gab Creb zurck, "vielleicht war er mutig, aber er war auch ungestm und blind." Dann wurde des Mog-urs Miene sehr streng und sein Zeigefinger erhob sich warnend. "Durc verlie seinen Clan und das Land seiner Ahnen und wagte zu viel, dem Totem zuwider. Wofr? Weil er etwas anderes zu finden gedachte. Er wollte sich nicht damit begngen zu bleiben. Im Gro-Clan gibt es junge Mnner, die glauben - wie du - Durc wre mutig gewesen; aber wenn sie lter werden und weise, dann sehen sie alles aus anderen Augen." "Ich glaube, er ist meinem Herzen nahe, weil er anders war", bedeutete ihm Ayla. Als das Kind sah, da die Frauen aufstanden, um den Abendverzehr anzurichten, sprang es ebenfalls auf, um sich ntzlich zu machen. Mit einem langen Kopfschtteln sah Creb ihm nach. Es war doch einfach nicht zu fassen: jedesmal, wenn er das Gefhl hatte, Ayla htte nun verstanden, das Leben aus der Sicht der Clan-Leute zu sehen, so tat sie etwas oder zeigte ihm den Schimmer ihrer Art, der ihn fast blendete und ratlos machte. Durcs Beispiel sollte allen zeigen, wie falsch es war, das Alte, das man hergebracht und wahren sollte bis in alle Ewigkeit, von sich aus einfach zu verndern. Ayla jedoch bewunderte das Wagemutige des jungen Jgers, der etwas Neues suchen wollte. Ob sie's wohl jemals schaffen wrde, ihren Blick mit dem der Clan-Leute zu verschmelzen? In der Regel wurde von den Mdchen des Clans erwartet, da sie, wenn sie den siebenten oder achten Sommer gesehen hatte, die Fertigkeiten der Frauen beherrschten. Viele hatten um diese Zeit das erste Mal ihre blutenden Tage und wurden bald darauf einem Mann gegeben. In der Zeit, die nun verstrichen war, seit der Clan das fremde Kind gefunden hatte, war Ayla nicht nur fhig geworden. Pflanzen und Frchte als ebar auszumachen, sie wute auch, wie man Nahrhaftes zubereitete und fr die kurzen kalten Tage haltbar machte. Und auch anderes hatte sie sich angeeignet, was ihr mindestens ebenso gut von der Hand ging wie den jngeren Frauen des Clans. Sie verstand es, Tiere zu huten und aus den Huten und Fellen, die sie selbst zurichtete. Umhnge, berwrfe, und Beutel jeglicher Art zu fertigen. Sie konnte Riemen von gleicher Breite in einer einzigen langen Windung aus einem Hautstck schneiden. Die Schnre, die sie aus den Haaren der Tiere, auch Sehnen oder faserigen Baumrinden drehte, gerieten krftig und dick oder dnn und fein, je nach Bedarf. Bewundert wurden die Krbe, Matten und Netze, die sie aus festen Grsern, Wurzeln und Baumrinden flocht, von allen. Aus einem Brocken Flintstein konnte sie sogar sich eine grobe Handaxt schlagen oder ein kantiges Stck so zuspitzen, da es sehr gut als Schaber taugte. Dieses machte sie so gut, da selbst Droog die Brauen hob, als er ihr Werkzeug sah. Auch wute Ayla, wie man aus einem Baum-strunk eine Schale oder eine Schssel hhlte und sie auf feinen Glanz polierte. Ihre Finger konnten Feuer machen wie die der anderen im Clan, wobei man einen zugespitzten Stock zwischen den Flchen der Hnde zu zwirbeln hatte, whrend er sich an einem zweiten Stckchen rieb, bis schwelende Hitze entstand, mit der zunchst das drre, dnne Holz mit Vorsicht angefeuert wurde. Und Creb berraschte vor allem, wie leicht es ihr fiel, Izas Wissen ber die Heilkraft von Krautern und Pflanzen in sich aufzunehmen und im Kopf zu behalten. Iza hat doch recht gehabt, dachte der Mog-ur. Ayla schnitt Yamswurzeln auf, um sie in einen Beutel aus Tierhaut zu geben, der mit Wasser gefllt ber dem Feuer hing. Viel blieb davon nicht brig, nachdem sie die verfaulten Teile angetrennt hatte. Hinten in der Hhle, wo die Nahrung gelagert wurd, war es khl und trocken. Doch so spt im Winter fingen das Grnzeug und die Wurzeln an, weich zu werden und zu faulen. Und seit Ayla vor einigen Tagen ein erstes dnnes Rinnsal flieenden Wassers im eiserstarrten Bach entdeckt hatte, trumte sie sich in die nherkommende Zeit der Lichtwrme und der Fruchtblte. Kaum konnte sie es erwarten, das erste frische Grn junger Grser und Knospen zu sehen und zu fhlen, von dem sen Saft des Ahorns zu kosten, der in den Bumen aufstieg und aus den Kerben, die in die Rinden der Bume geschlagen wurden, heraustroff. Die Clan-Leute sammelten ihn und kochten ihn so lange, bis er schwer und klebrig wurde oder aussah wie gekrnter Schnee, der s schmeckte und in Behltnissen aus Birkenrinde aufgehoben wurde. Ayla war die einzige, der der feuchtkalte Winter in der Hhle lang geworden war und die von einer Unruhe im Innern erfllt wurde. Schon frh an diesen Tagen hatte der Wind fr eine Zeit umgeschlagen und vom Meer her wrmere Luft zur Hhle gebracht. Das Schmelzwasser lief an den langen eisigen Zapfen herunter, die an der ueren Rundung der Hhle hingen, und tropfte auf den Vorplatz und gefror wieder, wenn es erneut klter wurde; und immer noch wurde es lnger und lnger, das glitzernde, spitze Gezack, das den ganzen langen Winter ber stndig gewachsen war. Doch dieser erste Hauch milderer Luft gab neue Hoffnung. Whrend sie den Verzehr bereiteten, sprachen die Frauen mit flink flatternden Hnden miteinander. Gegen Ende der Kltnis, wenn die vorrtige Nahrung zur Neige ging, taten sie sich zusammen und kochten fr alle gemeinsam das Essen, auch wenn man es, auer bei besonderen Zeiten, stets getrennt nach Familie zu sich nahm. Je lnger allerdings der Winter sich behaupten konnte, desto magerer wurde die Kost. Doch die Clan-Leute hatten ausreichend vorgesorgt. Frisches Fleisch von kleinen Waldtieren oder einem alten Hirsch, den man, wenn nicht wieder ein Schneesturm kam, noch schnell in die Hhle zerren konnte, war willkommen, wenn auch nicht unbedingt notwendig. Es gab gengend gedrrtes Fleisch, getrockneten Fisch und Krner, Beeren, Pilze die Menge, die man aufweichen und kochen konnte. Gerade war Aba eifrig dabei, mit lebhaften Hnden zu erzhlen: "... doch das Kind war migestaltet und seine Mutter brachte es fort, wie der Clan-Fhrer es befohlen hatte, aber sie hatte nicht das Herz, ihren Sohn sterben zu lassen. So kletterte sie mit ihm auf einen hohen Baum hinauf und band ihn an den obersten Zweigen fest, wo selbst die Wildkatzen ihn nicht erreichen konnten." Man htte meinen knnen, da Aba selbst diese Mutter gewesen war, denn so flink und genau ging ihr die Rede von der Hand, da die anderen dachten, sie msse dabei gewesen sein, als sie schilderte, wie das Kind, nachdem es alleine war und bis zur Nacht so hungrig, da es wie ein Wolf heulte, keinen im Clan zur Ruhe kommen lie. Es htte dann Tag und Nacht gebrllt, und der Clan-Fhrer sei sehr zornig gewesen, aber so lange das Kind schrie und heulte, htte die Mutter gewut, da es noch unter den Lebenden war. Und dann kam die Stelle, bei der Ayla immer leuchtende Augen bekam, wenn Aba sie vortrug: "Am Namenstag kletterte die Mutter dann frh am Morgen wieder in den Baum. Ihr Sohn war am Leben. Aber das war nicht alles. Die Mibildung war fort. Er war gesund und sah aus wie alle anderen. Der Clan-Fhrer hatte den Jungen nicht im Clan gewollt, aber da er noch lebte, war er zu benamsen und mute aufgenommen werden. Spter wurde er selbst Clan-Fhrer. Und er dankte es seiner Mutter, solange sie lebte, da sie ihm ein zweites Mal das Leben gegeben. Selbst nachdem er sich eine Gefhrtin genommen hatte, brachte er ihr von jeder Jagd einen Teil. Er knuffte oder schalt sie nie und behandelte sie immer mit Achtung", schlo Aba. "Wie kann ein Kind die ersten Tage seines Lebens berstehen, wenn es nicht genhrt wird?" fragte Oga und bewegte unglubig die Hand und schaute auf Brac, ihren eigenen heilen Sohn, der eingeschlafen war. Dann zeigte sie auf Aba und zweifelte weiter: "Und wie konnte ihr Sohn Clan-Fhrer werden, wenn seine Mutter nicht die Gefhrtin des Clan-Fhrers war?" Oga war stolz auf ihren kleinen Sohn. Und noch stolzer war Broud, vor allem darauf, da seine Gefhrtin so bald, nachdem sie zusammengegeben worden waren, ihm auch noch einen Sohn geboren hatte. Selbst Brun, den sonst nichts erschttern konnte, wurde weich, wenn er das Kind in seinen Armen hielt. "Wer wre denn als nchster dran, des Clanes Fhrer abzugeben, wenn du Brac nicht geboren httest, Oga?" ereiferte sich Ovra. "Wenn du nun keine Shne kriegen knntest, sondern nur Tchter? Vielleicht war diese Mutter, von der Aba uns bezeugt, die Gefhrtin des Zweiten im Clan, und dem Fhrer war dann etwas zugestoen." Sie neidete es ein wenig dieser jungen Frau, denn Ovra hatte noch immer kein Kind, obwohl sie dem Goov gegeben worden war,^he Broud die Oga nehmen durfte. "Und wie kann ein Kind, das als Krppel geboren wurde, von selbst sich heilen und so sein wie alle anderen?" entgegnete Oga aufgebracht. "Ich denke mir, das hat sich eine Frau mit einem migestalteten Sohn getrumt, die wnschte, da er doch wie alle die anderen wre", deutete Iza. Doch Aba meinte, da schon ihre Mutter davon Zeugnis abgegeben htte, und deren Mutter sei das Wunder auch bekannt gewesen. Sie hob die schrundigen Hnde und beschwichtigte: "Es mag doch sein, da im Leben unserer Ahnen sich manches begab, was es heute nicht mehr gibt und was wir nicht mehr wissen knnen." "Manches mag vor langer Zeit anders gewesen sein, Aba, aber Oga ist recht zu geben. Ein Kind, das krpplig geboren wird, wird nicht aus sich heraus sich heilen knnen. Und ohne Nahrung kann es auch nicht lange leben. Doch recht hast auch du, die Geschichte ist alt, vielleicht ist etwas dran an ihr", erwiderte Iza gelassen. Als der Verzehr bereitet war, trug Iza ihn zu Crebs Feuer. Ayla hob Uba vom Boden hoch und folgte ihr. Die Medizinfrau war magerer geworden und nicht mehr so krftig wie frher. Meist schleppte Ayla das kleine Kind herum. Nach dem Essen kroch Uba zu ihrer Mutter auf den Scho, um an ihrer Brust zu trinken, doch bald wurde sie unruhig und quengelte. Iza begann zu husten, und das Kind schrie. Sichtlich gereizt schob Iza das schreiende, strampelnde Kind zu Ayla hinber. "Nimm sie. Sieh zu, ob Oga oder Aga Milch fr sie haben." Sie konnte kaum zu Ende deuten, als sie die Hnde sinken lie und ein heftiger Anfall trockenen Hustens sie schttelte. Auf Aylas Gesicht verbreitete sich Besorgnis. Als die Medizinfrau das sah, beruhigte sie das Mdchen und erklrte ihr, sie sei nun eben mal eine alte Frau, zu alt fr so ein kleines Kind. Ihre Milch sei versiegt und Uba sei hungrig. Sie solle das Kind zu Oga bringen. Iza sprte, da Creb sie scharf ansah, und wandte sich ab, als Ayla das kleine Kind zu Brouds Gefhrtin hinbertrug. Den Kopf gesenkt, wie es sich gehrte, nherte sie sich des Clan-Fhrersohns Wohnkreis. Sie wute, auch nur beim geringsten Versto gegen die Sitte des Clans kme der Zorn des Jgers ber sie, und das lhmende Gefhl verlie sie nie, wenn sie in seiner Nhe war, da Broud danach trachtete, sie zurechtzuweisen oder zu schlagen, wenn sie sich eine Ble gab. Oga bernahm es gern, Izas Tochter zu stillen, doch da Broud zugegen war, kam keine Unterhaltung auf. Als Uba gesttigt war, trug Ayla sie zurck, hockte sich nieder und wiegte das Kind sachte in den Armen und summte leise, bis die Kleine eingeschlafen war. Ayla hatte die Sprache, die sie in den Clan mitgebracht hatte, schon lngst vergessen; doch immer, wenn sie das Kind hielt, kamen ihr pltzlich diese Tne hoch. "Verzeih, Ayla, da ich unmutig wurde", entschuldigte sich Iza, als das Mdchen Uba niederlegte. Sie wre wirklich zu alt, um Uba noch Milch geben zu knnen. Morgen wrde sie ihr zeigen, wie man besondere Nahrung fr die Kleine zubereite, denn sie wolle Uba nicht stndig zu anderer Frauen Brste geben, wenn sie hungerte. "Uba einer anderen Frau geben? Wie kannst du Uba fortgeben? Sie gehrt zu uns!" machten Aylas Hnde bestrzt. Iza winkte matt ab. "Ach Ayla, ich will sie auch nicht fortgeben, aber sie mu genug Milch haben, und ich habe sie nicht." "Und ich, habe ich denn keine Milch?" bot sich Ayla an. Ein leises Lcheln trat auf der Medizinfrau Gesicht, als sie erklrte: "Du bist doch noch keine Frau, Ayla; und so, wie du aussiehst, wird es wohl noch eine Weile dauern. Nur Frauen knnen Mtter werden, und nur Mtter knnen Milch geben. Und jetzt fangen wir an, Uba andere Nahrung zu geben, und du wirst sehen, wie es geht. Alles mu ganz weich sein; die Krner mssen sehr fein gemahlen werden, ehe du sie kochst, und das gedrrte Fleisch mu man tchtig zerstampfen und mit wenig Wasser zu einem Brei verrhren. Frisches Fleisch ist von den zhen Fasern zu schaben und Gemse mu zerdrckt werden." Iza legte ihre Hand in den Nacken und fragte: "Haben wir noch Eicheln?" "Als ich das letzte Mal hinten war, war noch ein ganzer Haufen da, aber Muse und Eichhrnchen holen auch davon, und viele sind verfault", berichtete Ayla. "Such die heraus, die noch gut sind, dann wssern wir sie, damit die Bitternis in ihnen herauszieht, dann mahlen wir sie, und dann geben wir sie zum Fleisch. Yamswurzeln sind auch gut. Und gut ist auch, da die kalte Zeit bald um ist. Wenn es wieder wrmer wird, gibt es wieder mehr zu tun, und wir kommen auf andere Gedanken." Iza sah wohl den Ausdruck banger Bestrzung auf Aylas Zgen. Wie oft war sie in letzter Zeit froh gewesen um Aylas willige Hilfe! Und beinahe beschlich sie das Gefhl, da man Ayla ihr gesandt hatte, damit sie dem Kind, dem sie so spt das Leben hatte schenken knnen, die zweite Mutter werden konnte. Aber es waren nicht nur die wechselnden Jahre, die Iza langsam aushhlten. Obwohl sie keinen etwas davon wissen lie, da ein stndiger Schmerz in der Brust sie qulte und da sie manchmal nach einem besonders heftigen Hustenreiz Blut spie, sah sie ganz klar, da es nicht gut um sie stand. Und Creb sah das auch, das sprte sie. Aber auch er wird alt, ging es Iza durch den Kopf. Auch fr ihn waren die langen dunklen Tage der Kltnis hart zu ertragen gewesen. Und dann sitzt er zu viel in seiner kleinen Hhle. Nur mit einem Kienspan. Das ist nicht warm genug. Iza sorgte sich sehr um den Bruder. Das zottige Haar des alten Zauberers war fast wei geworden. Die Schmerzen zogen die Glieder hinauf und machten ihm auch die geringste Bewegung zur Qual. Seine Zhne, die er seit seiner Kindheit anstelle der fehlenden Hand dazu benutzt hatte, Dinge festzuhalten, waren abgentzt und schmerzten bestndig. Doch auch Creb hatte schon vor langer Zeit gelernt, mit Schmerz und Leid zu leben und damit fertig zu werden. Sein Geist war so stark und lebendig wie immer, und jedesmal, wenn er Iza beobachtete, wie sie sich qulte, wurde ihm das Herz schwer. Mit Sorge umfing sein Auge ihren ausgemergelten Krper, der vor der Kltnis noch so prall und krftig gewesen war. Ihr Gesicht war eingefallen, und die brennenden Augen lagen in tiefen Hhlen. Aus dem Fleisch an den Armen stachen ihre Knochen, ihr Haar wurde fahl; aber am meisten bedrckte ihn dieser bestndige Husten, der sie hin und her schttelte wie eine riesige Faust. Endlich entlie der Winter das Land aus seiner froststarren Hand, und mit den sich langsam erwrmenden Tagen ergossen sich Strme von Regen darber. Eisschollen trieben noch lange, nachdem Eis und Schnee rund um die Hhle schon geschmolzen waren, den angeschwollenen Bach hinunter. Die Fluten des Schmelzwassers verwandelten den hartgetrampelten Platz vor der Hhle in einen zhen, glitschigen Morast. Nur dank der Steine, die den Eingang bedeckten, war der Boden dort etwas fester und blieb die Hhle einigermaen trocken. Doch die Schlammassen konnten die Clan-Leute nicht in der Hhle halten. Noch ehe der letzte Schnee geschmolzen war, tap- sten sie mit nackten Fen durch den wsten kalten Schlamm oder schlurften im Fuzeug, das nach dem ersten Schritt vllig durchweicht war, durch riesige Wasserlachen. Und jetzt, wo es wrmer wurde, hatte Iza mehr damit zu tun, Erkltungen zu behandeln, als whrend der ganzen langen Zeit des Schnees und der Klte. Whrend die Luft sich langsam erwrmte, und die Frhlingssonne die Schmelzwasser aufsog, rhrte sich das Leben im Clan immer mehr. Die Frauen zogen aus, die ersten grnen Triebe und Knospen zu pflcken, und die Mnner gingen mit ihren Waffen hinaus, um fr die erste groe Jagd wieder Auge und Hand zu ben. Uba wuchs und gedieh. An die Brust kam sie nur noch, um sich dort hinzukuscheln. Iza hustete nicht mehr schlimm; doch sie war schwach und besa nicht die Kraft und den Drang, so weit herumzuschweifen wie vorher. Creb hatte seine Wanderungen am Bach wieder aufgenommen und konnte ein behagliches Grunzen nicht unterdrcken, als er mit Ayla an der Seite durch den matten Schein der Sonne humpelte. Da nun Iza die meiste Zeit in Hhlennhe sich zu schaffen machte, bernahm es Ayla, durch das hgelige Land zu streifen und heilkrftige Pflanzen und Krauter fr Iza zu suchen. Die Medizinfrau war stets in Sorge, wenn das Mdchen allein unterwegs war, denn die Frauen sammelten meist in anderen Gebieten. Seltene Krauter - und die heilsamen waren das - wuchsen nicht immer, wo Frchte und Beeren gediehen. Hin und wieder begleitete Iza das Mdchen, um es mit Pflanzen vertraut zu machen, die ihr noch unbekannt waren, und ihr die Orte zu zeigen, wo bestimmte Krauter, die erst spter gepflckt werden konnten, besonders gediehen. Und obwohl Ayla meist Uba trug, ermdeten die wenigen Ausflge Iza doch stark. Widerstrebend erlaubte sie dem Mdchen immer hufiger, allein loszuziehen. Ayla blhte richtig auf bei diesen einsamen Streifzgen. Fern den scharfen Blicken der Clan-Leute fhlte sie sich frei und unbeschwert. Oft begleitete sie auch die Frauen, wenn diese Holz sammelten; aber wenn es sich irgendwie machen lie, erledigte sie die Arbeit, die von ihr erwartet wurde, so rasch wie mglich, um dann zu ihren Alleingngen aufbrechen zu knnen. Sie brachte nicht nur Pflanzen mit zurck, die sie kannte, sondern vieles, was ihr fremd war, und befragte Iza darber. Brun erhob keine offenen Einwnde; er sah ein, da einer vom Clan der Medizinfrau die Pflanzen beschaffen mute, die sie fr ihren Heilzauber brauchte. Auch ihm war Izas Krankheit nicht entgangen. Doch Aylas Eifer, mutterseelenallein in den Wald zu gehen, befremdete ihn. Die Frauen des Clans frchteten sich. Auch Iza; immer, wenn sie sich allein aufgemacht hatte, besondere Krauter und Pflanzen zu suchen, die sie brauchte, war ihr dabei beklommen zumute gewesen, und stets war sie so rasch wie mglich zurckgekehrt. Ayla drckte sich nie vor irgendeiner Arbeit, verhielt sich stets so, wie es die Sitte des Clans verlangte, tat nichts, was Brun veranlat htte, sie zurechtzuweisen. Und doch hatte der Clan-Fhrer das Gefhl, da ihre Art, die Pflichten zu erledigen, ihre Haltung Creb und Iza gegenber und ihre Einstellung zum Leben anders waren, fremd; und in Bruns Herz stieg die Unruhe. Doch jedesmal, wenn Ayla ausgezogen war, kehrte sie mit vollgesammelten Krben zurck, und solange dieses Ausschweifen notwendig war, konnte Brun nichts dagegen vorbringen. Hin und wieder brachte Ayla nicht nur Pflanzen in die Hhle zurck. Immer wieder kam es vor, da sie mit einem verletzten oder kranken kleinen Tier in den Armen heimkehrte, um es ge-sundzupflegen. Sie verstand sich darauf, mit Tieren umzugehen; sie schienen zu spren, da sie ihnen helfen wollte. Und da Brun damals, als Ayla mit dem verletzten Kaninchen angelaufen kam, dieses als neuen Brauch stillschweigend gestattet hatte, wollte er nun nichts mehr daran ndern. Nur einmal, als Ayla einen jungen Wolf mitbrachte, wurde ihr der Zutritt zur Hhle verwehrt. Reiende Tiere, die Gegner der Jger, verdienten keine Hilfe. Zu hufig schon war es geschehen, da ein vielleicht verletztes Tier, an das sich die Jger mit viel Geduld herangepirscht hatten, ihnen von einem flinken Wolf oder Tiger vor der Nase weggeschnappt wurde. Nein, diesem Tier, das eines Tags vielleicht dem Clan die Beute stahl, dem durfte nicht geholfen werden. "Hier, Ayla, schau, die Rinde der wilden Kirsche ist alt und nicht mehr gut", bedeutete ihr Iza eines frhen Morgens und hielt ihr die graubraune Borke hin. "Hol doch frische, wenn du heute dich aufmachst. Jenseits des Baches, gleich bei der Lichtung, ist ein Hain, da stehen die Kirschbume. Und nimm die innere Rinde. Sie ist am besten." Ayla nickte hierzu. Es war ein leuchtender Morgen. Wei und lila schimmerten die letzten Krokusse neben den schlanken sonnengelben Nar- zissen. Noch locker geflochtene Matten von frischem Grn bedeckten die fruchtbergende braune Erde der Waldlichtung und der sanft geschwungenen Anhhen. Am kahlen Gest der Bume und Bsche hingen die Knospen wie grne Wassertropfen. Und vom wolkenfrei gefegten Himmel blickte milde und wrmend die Sonne herab. Als Ayla die Clan-Leute auer Sicht wute, lockerten sich ihre Glieder, und der sorgsam gemessene Gang wich freier Bewegung. Sich mit den Beinen krftig abstoend, hopste sie einen Hang hinunter und rannte auf der anderen Seite wieder hinauf und schnaufte und strahlte vor Freude. Fast beilufig, so schien es, lie sie den Blick ber die ringsum sprieenden Pflanzen schweifen; doch tatschlich prgte sie sich ein, wo sie standen und was Besonderes an ihnen war, um spter, wenn sie dann gewachsen waren und gereift, zu wissen, wo sie was zu suchen hatte. Alles mgliche ging ihr durch den Kopf. Da war Iza und ihr schrecklicher Husten, der sie die ganze Zeit geqult hatte. Langsam schien es ihr besser zu gehen, aber ihr Krper war so mager, richtig ausgezehrt und viel zu schwach, um Uba berall herumzutragen, die schon so gro war und schwer. Gut, da sie die Kleine nicht hatten Oga geben mssen. Schon sah sich Ayla mit dem Kind zusammen durch die lichten Wlder streifen, um fr Iza Pflanzen und Krauter zu sammeln. Sacht lie sie ihre Finger ber die Ktzchen einer Weide gleiten. Wie weich sie waren, weich wie ein Kaninchenfell; und der Himmel ber ihr so klar. Hrbar sog sie die Luft ein. Sie schmeckte nach Salz; von dem groen Wasser hergetragen, in das der Bach hineinflo. Ayla stellte sich vor, wie sie fischte und schwamm. Bald mute es warm genug sein. Seltsam, da die anderen Clan-Leute sich nichts daraus machten, im Wasser zu toben, sich treiben zu lassen und sich mit der Strmung zu messen. Und wie gut die Fische schmeckten und die Eier aus den Felsennestern. Sie kletterte gern hoch oben in die Klippen. Wie der Wind da sauste und einem die Haare zu entfhren drohte! Bis zur Mitte des Tages durchstreifte Ayla das vielfltige Grn. Als sie dann sah, wie hoch die Sonne schon am Himmel stand, machte sie sich auf zum Kirschbaum-Hain, um die Rinde fr Iza zu holen. Als sie sich der Lichtung nherte, vernahm sie ein Schleifen und Pochen, hin und wieder eine rauhe Stimme. Die Mnner. Hastig wollte Ayla umkehren, doch die Kirschrinde fiel ihr ein, die sie Iza zu bringen hatte. Sie zauderte. Ge wi wrden die Mnner unmutig werden, wenn man sie hier erblickte. Und es konnte sein, da Brun zornig wurde und sie nicht^mehr allein ausziehen lie. Ayla legte den Finger an die kleine schmale und gerade Nase. Aber Iza braucht die Rinde, dachte sie. Vielleicht gehen die Mnner bald. Ayla reckte den Hals. Und was tun sie denn da berhaupt? Leise schlich sie sich nher und versteckte sich schnell hinter einem grobborkigen Baum, von dem drres Geschling herunterhing, durch das sie zur Lichtung hinbersphte. Die Mnner bten sich mit ihren Waffen, um fr die erste Jagd bereit zu sein. Ayla hatte selbst zugesehen, wie sie sich die neuen Speere gemacht; lange, schlanke junge Bume waren gefllt und ihnen ste und Zweige abgeschabt worden. Ein Ende hatte man dann ins Feuer gehalten, bis es zu einer dnnen Spitze verkohlt war, die dann mit einem Flintstein-Schaber noch geschrft wurde. Sie zuckte zusammen, und ihr Gesicht verzog sich schmerzhaft, als sie daran dachte, wie grimmig die Mnner ber sie hergefallen waren, nur weil sie es gewagt hatte, eines der spitzigen Hlzer zu berhren. Frauen hatten Waffen nicht anzufassen, wurde ihr nach einer Tracht Prgel klargemacht, nicht einmal die Werkzeuge, die zur Fertigung von Waffen verwendet wurden. Der neue Speer, den sie durch ihre Berhrung entweiht hatte, wurde verbrannt, und Creb und Iza mhten sich beide in langen, gestenreichen Vorhaltungen, ihr ein Gefhl fr das verwerfliche Betragen zu vermitteln. Die Frauen waren starr vor Entsetzen gewesen, und Bruns finstere Miene zeigte berdeutlich seine Meinung. Aber am tiefsten traf sie die boshafte Freude in Brouds Gesicht, der keinen Hehl daraus machte, wie wohl es ihm tat, den Fremdling gedemtigt zu sehen. Unbehaglich und beklommen ugte das Mdchen hinter dem Gestrpp zu den Mnnern hinber. Auer ihren Speeren hatten sie noch anderes Jagdgert dabei. Dorv, Grod und Grug standen am anderen Ende der Lichtung. Ihren eifrigen Gebrden nach zu schlieen, unterhielten sie sich ber die Vorzge ihrer Waffen, ob Speer oder Keule die bessere sei. Die anderen Mnner bten sich mit der Schleuder und der Wurfschlinge. Auch Vorn stand dabei, wie Ayla jetzt sah. Zoug zeigte ihm, wie man zu schleudern hatte. Vorn war gelegentlich schon frher mitgekommen und hatte dann meist nur mit seinem kleinen Speer gebt, ihn immer wieder in die weiche Erde oder einen verrotteten Baumstumpf hin- eingestoen, um sich an die Waffe zu gewhnen. Doch heute wollte man zum ersten Mal versuchen, Vorn den Umgang mit der Schleuder zu zeigen. Ein Pfosten war in den Boden gerammt, und nicht weit davon entfernt lag ein Hufchen glatter, runder Steine, die die Mnner unterwegs am Bachufer gesammelt hatten. Gerade zeigte Zoug dem Jungen, wie man die beiden Enden des lederartigen Hautstreifens zusammenhalten und den Stein in die kuhlenartige Mitte hineinlegen mute. Er hatte dem Jungen seine alte Schleuder gegeben, die er eigentlich wegwerfen wollte, fr Vorn dann aber ein Stck verkrzt. Ayla blickte genau hin. So aufmerksam und gespannt wie Vorn verfolgte sie jede Bewegung von Zoug. Als Vorn es das erste Mal versuchte, drehte sich die Schleuder, und der Stein fiel heraus. Er tat sich sichtlich schwer damit, die Schleuder so zu bewegen, um gengend Schwung zum Abschu des Steines aufzubauen. Immer wieder fiel ihm der Stein heraus, ehe er ihn so schnell gedreht hatte, da er in der Kuhle der Schleuder gehalten wrde. Broud stand etwas abseits und sah den beiden zu. Vorn war sein Schtzling, und das versicherte ihn dessen Bewunderung. Er hatte ihm einen kleinen Speer gemacht, den der Junge nicht einmal nachts aus der Hand legte; er hatte Vorn gezeigt, wie er den Speer halten mute, um hchste Kraft in den Sto hineinlegen zu knnen. Jetzt aber richtete sich Vorns Bewunderung gnzlich auf den alten Zoug, und Broud rgerte sich. Eigentlich wollte er dem Jungen zeigen, wie mit den Jagdgerten umzugehen war, und es krnkte ihn, als Brun den alten Zoug angewiesen hatte, Vorn das Schleudern beizubringen. Nachdem es dem Jungen mehrmals milungen war, trat Broud dazwischen. "Komm, ich zeige dir, wie du es machen mut. Vorn", bedeutete er mit knapper Gebrde und drckte den alten Mann kurzerhand zur Seite. Zoug trat zurck und schaute den jungen Jger durchdringend an. Rundum hielten die Mnner pltzlich inne und starrten zu Broud hinber. In Bruns Augen zuckten feurige Blitze. Die Art, wie Broud seinen besten Schleuderer behandelte, war nicht die Art, die blich war im Clan. Er hatte Zoug befohlen. Vorn zu unterweisen, und nicht Broud. Die Besten an jeder Waffe sollten Vorn unterweisen, und Broud war mit der Schleuder nicht so vertraut wie Zoug. Er mu begreifen, dachte Brun, da ein guter Clan-Fhrer eines jeden Mannes Strke kennen und ntzen mu. Zoug handhabt die Schleuder wie keiner sonst und hat Zeit, mit dem Jungen zu ben, wenn wir anderen jagen. Broud wird hochnsig. Wie soll ich ihm denn einen hheren Rang geben, wenn er sich wie ein Kind benimmt? Er mu bescheidener werden. Nachdenklich sah Brun auf seinen Sohn, der ihm einst folgen wrde. Gerade nahm Broud dem Jungen die Schleuder aus der Hand und hob einen Stein auf, legte ihn in die Kuhle des Lederbandes, das er wild herumwirbelte, und scho ihn auf den Pfosten ab. Doch weit vor dem Ziel schlug der Stein auf den Boden. Broud lief rot an. Es rgerte ihn, da er nicht getroffen hatte, und er frchtete den Spott der anderen. Rasch bckte er sich, hob einen Stein auf, scho ihn hastig ab und fehlte wieder. Und der Stein flog wieder zu kurz, diesmal zur Seite in die Bsche. "Willst du Vorn zeigen, wie es geht, oder selbst ben, Broud?" fragte Zoug spttisch, als er hinzutrat, und wies mit harter Geste auf den Pfahl: "Ich kann ihn nher rcken." Mhsam kmpfte Broud seine aufsteigende Wut hinunter. Zougs Spott war schwer zu schlucken, und es giftete ihn mchtig, da er zweimal gefehlt und sich selbst blogestellt hatte. Grimmig schleuderte er einen dritten Stein. Doch jetzt gab er ihm zuviel Schwung mit, und er scho weit ber das Ziel hinaus. "Du kannst dich hier drben hinstellen und warten, bis ich mit Vorn fertig bin. Dann zeige ich dir, wie es geht." Des alten Zougs hhnische Gebrden stachen Broud wie spitze Dornen. "Wie kann Vom mit so einer schlechten alten Schleuder lernen?" Hitzig warf Broud die Schleuder zu Boden. "Keiner knnte damit einen Stein schleudern. Vorn, ich mache dir eine neue. Diese hier ist zu abgewetzt wie der Alte, dem sie gehrt, der hier grotun will und nicht einmal mehr mit auf die Jagd gehen kann." Da stieg auch Zoug dunkler Zorn ins Gesicht. Fr jeden Mann war es bitter - und jeder mhte sich, so lange er konnte -, wenn er aus den Reihen der Jger ausscheiden mute; und Zoug hatte, um sich seinen Stolz zu bewahren und die Achtung der Jger zu behalten, hart geschuftet, den schwierigen Umgang mit der Schleuder zur Knnerschaft zu steigern. Einst war er Zweiter im Clan gewesen, wie jetzt der Sohn seiner Gefhrtin, und es war unverschmt, ihm solches vorzuhalten. "Besser, ein alter Mann zu sein, als ein jagender Kindskopf", gab Zoug heftig zurck und bckte sich, die Schleuder zu Brouds Fen aufzuheben. Broud starrte ihn an, mit offenem Mund und aus Augen, die fast nur das Weie sehen lieen. In blinder Wut versetzte er dem alten Mann einen Sto. Zoug fiel unsanft zu Boden und blieb liegen, wo er lag, und konnte es nicht fassen. Niemals griff ein Mann einen anderen ttlich an; Pffe und Ste setzte es nur bei den Frauen. Ihre bersprudelnden Krfte loswerden konnten die jungen Mnner, wenn sie unter Aufsicht miteinander rangen oder aber beim Lauf, Speerwerfen, Schleudern und dem Wurfschiingengebrauch. Geschickt die Jagdgerte zu gebrauchen und sich selbst zu beherrschen, zeugte fr die Wrde eines Mannes, und wer es besser machte, war der Bessere im Clan, der nur durch den Zusammenhalt aller berleben konnte. Verdattert blickte Broud auf den vor ihm liegenden Zoud. Das hatte er nicht gewollt! Alles Blut wich ihm aus dem Gesicht. "Broud!" Ein unterdrcktes Brllen kam aus der Richtung, wo der Clan-Fhrer stand. Der Sohn blickte auf und zog den Kopf zwischen die Schultern. Noch nie zuvor hatte er Brun so frchterlich erregt gesehen, der jetzt mit harten Schritten herankam und sich mhsam beherrschte. "Du hast dich gehenlassen wie ein kleines Kind, Broud. Wrst du nicht schon der geringste unter den Jgern, so wrdest du's jetzt werden. Nicht dir habe ich befohlen. Vom zu unterweisen, es war Zougs Aufgabe." Die Augen des Clan-Fhrers sprhten Funken. "Und du willst ein Jger sein? Du bist nicht einmal ein Mann. Vorn bezwingt sich besser als du. Und eine Frau bt mehr Selbstbeherrschung. Vergi nicht: Du solltest mir nachkommen. Willst du so deine Mnner rhren? Glaubst du, du kannst anderen befehlen, wenn du dir selbst nicht befehlen kannst? Zoug hat recht, Broud. Du bist ein Kind, das von sich denkt, es wre ein Mann." Brouds Kopf war auf die Brust gesunken. Wenn sich doch nur eine Erdspalte ffnete und ihn verschlnge! Noch nie war er so gescholten, so tief gedemtigt worden, und das auch noch vor allen Mnnern - und Vorn. Am liebsten htte er die Flucht ergriffen und sich in ein Mauseloch versteckt; und lieber einem Hhlenlwen gegenbergestanden als diesem harten selbstbeherrschten Mann. Gerade weil Brun so selten Regungen zeigte, war es um so niederschmetternder, den offenen Zorn des Clan-Fhrers auf sich gezogen zu haben. Gewhnlich gengte ihm ein durchdringender Blick, und jeder im Clan, ob Mann oder Frau, gehorchte. Broud wagte nicht, die Augen aufzuschlagen. Brun hob kurz den Blick zur Sonne, dann gab er das Zeichen zum Aufbruch. Die anderen Jger, die sich unbehaglich zurckgezogen und dennoch mit angesehen hatten, wie Brun den Jngsten unter ihnen zurechtstutzte, reihten sich erleichtert und dem Rang gem hinter dem Clan-Fhrer ein, der schnellen Schrittes den Rckweg zur Hhle antrat. Broud als letzter. Ayla kauerte immer noch reglos im drren Geschlinge und wagte kaum zu atmen. Todesangst lahmte sie, da die Mnner ihrer gewahr werden wrden. Niemals, das wute sie, htte eine Frau das Vorgefallene sehen drfen. Niemals wre Broud im Beisein einer Frau so schlimm gescholten worden. Denn in Gegenwart der Frauen gaben sich die Mnner als Felsblock der Einigkeit, die durch nichts ins Wanken zu bringen war. Doch jetzt hatte das Mdchen etwas erfahren, wovon es zuvor noch nichts geahnt: die Mnner waren gar nicht die mchtigen, freien Beherrscher, die sich alles erlauben konnten. Auch sie muten sich unterwerfen, auch sie konnten gedemtigt werden. Allein Brun schien Ayla allmchtig zu sein und nach eigenem Willen walten zu knnen. Lange blieb Ayla in ihrem Versteck hocken, aus Angst, die Mnner wrden zurckkehren. Und immer noch schlug ihr Herz beklommen, als sie sich hinter dem Baum hervorwagte. Die volle Bedeutung dessen, was sie ber die Mnner des Clans erfahren hatte, ging ihr zwar nicht auf, aber eines war ihr klar: Broud war gescholten und gedemtigt worden wie eine Frau, und das gesehen zu haben war wie Balsam auf die Wunden ihres Herzens. Bitterer Ha war in ihrer Brust gegen den jungen Jger gewachsen, der stndig auf ihr herumhackte und auch den kleinsten Anla wahrnahm, sie zu knuffen und zu schlagen. Nie konnte sie es ihm recht machen, sie mochte sich mhen, soviel sie wollte. Die einzelnen Bilder des Vorfalls noch vor Augen, lief Ayla rasch ber die Lichtung. Als sie sich dem Pfosten nherte, sah sie dort die Schleuder liegen, die Broud in seiner Wut weggeworfen hatte. Keinem war eingefallen, sie aufzuheben und mitzunehmen. Ayla blieb stehen und blickte auf die Schleuder, erkhnte sich aber nicht, sie anzurhren. Es war eine Waffe. Die Angst, Brun knnte mit ihr hnlich umspringen wie mit Broud, wenn sie dies tat, hielt sie zurck. Reglos starrte sie das schlaffe Lederband an und stellte sich vor, wie sehr Zoug sich abgemht hatte. Vorn den Umgang mit der Schleuder zu zeigen. War es wirklich so schwierig, mit dem Ding umzugehen? Und wrde sie sich wohl anstelliger zeigen, wenn Zoug sie unterwiese? Der Atem stockte ihr vor Entsetzen ob dieses tollkhnen Gedankens, und angstvoll blickte sie um sich, ob sie dabei auch niemand beobachtet hatte. Nicht einmal Broud, der sonst immer alles konnte, hatte den Pfosten getroffen. Sie sah ihn vor sich, wie er immer wtender geworden war, und noch einmal Zougs schneidende Bewegungen, wie sie Hohn und Spott auf Broud huften, und flchtiges, schadenfrohes Lcheln verzog ihre Lippen. Gift und Galle wrde dieser Angeber spucken, wenn ich knnte, was er nicht kann. Bei dieser Vorstellung, sich Broud berlegen zeigen zu knnen, wurde ihr richtig warm. Noch einmal ugte sie aufmerksam in die Runde, bckte sich dann und hob die Schleuder auf. Als Ayla die weiche Haut zwischen ihren Fingern fhlte, berfielen sie blitzartige Gedanken an die grausame Strafe, die ihr Tun nach sich zge, wenn man sie mit der Schleuder in der Hand ertappte, die sich pltzlich anfhlte, als sei sie ein Stck glimmenden Holzes. Fast htte das Mdchen die Schleuder wieder weggeworfen, doch dann fiel ihr Blick auf das Huflein runder Steine. Ob sie es wohl fertigbrchte? Noch immer hielt die Furcht vor Bruns Zorn Ayla zurck und der Gedanke an Creb, der ihr vorhalten wrde, wie schlecht sie gehandelt hatte. Ayla schaute auf die Schleuder in ihrer Hand. Aber ich bin ja schon schlecht, dachte sie. Aber warum ist es verboten? Nur weil es eine Waffe ist? Ob Brun mich schlagen wrde, wenn man mich erwischte? Broud, ja. Dem hpfte das Herz bestimmt im Leibe vor Freude. Und alle wrden mich finster anblicken. Aylas Augen wanderten zum Pfosten. Und wenn ich es versuchte? Wird die Strafe dann schlimmer? Schlecht ist schlecht. Es knnte doch sein, da der Pfosten da zu treffen wre. Keiner wrde je davon erfahren. Und niemand ist hier, nur ich. Noch einmal blickte Ayla sich um, und dann ging sie zu den angehuften Steinen. Einen davon hob sie auf und hielt ihn eine Weile in der Hand. Wie hatte Zoug das gemacht? Sorgfltig faltete sie die beiden Enden des lederartigen Bandes zusammen und umfate sie fest. Schlaff hing die Schlinge herunter, in deren Kuhle sie mit ungebter Hand den Stein zu legen versuchte. Mehrmals fiel er wieder heraus, sobald sie zum Schwung ansetzte. Ayla krauste mimutig die Stirn, whrend sie sich nochmals an Zougs Gebrden erinnerte. Und wieder tat sie einen Stein hinein, holte weit aus, und der erste Schwung wre wirklich geglckt, wenn sich die Schleuder nicht verdreht htte, so da der Stein herausfiel. Beim nchsten Mal gelangen ihr schon drei Schwnge. Sie lie die Bandenden los, und der Stein plumpste einige Schritte vor ihr trge auf. Ermutigt griff das Mdchen zum nchsten. Und schlielich glckte ihr ein zweiter Wurf. Nach weiteren Versuchen, entweder verdrehte sie das Band, oder der Schwung reichte nicht aus, oder sie hatte die Enden zu frh losgelassen, flog ein Stein weit durch die Luft, ehe er in der Nhe des Pfostens zu Boden schlug. Als die Steine aufgebraucht waren, sammelte Ayla sie wieder auf, was sie ein drittes und noch ein viertes Mal tun mute, bis es ihr gelang, die meisten Steine auch wirklich abzuschleudern. Und wieder bckte sie sich, einen der Steine aufzuheben, von denen nur noch drei neben ihr lagen. Mit weiten Schwngen drehte sie die Schleuderschlinge ber ihrem Kopf; als sie sicher war, da der kreisende Stein in des Pfostens Richtung wies, lie sie die Enden los. Es gab einen krachenden Aurprall, als der Stein gegen den Pfosten knallte und wieder zurcksprang. Mit einem Jauchzer ri Ayla die Arme hoch und sprang in die Luft vor Wonne. Schnell griff sie zum nchsten Stein, der jedoch weit ber das Ziel hinausflog; und beim letzten verdrehte sich wieder das Band. Doch einmal wenigstens hatte sie es geschafft. Als sie voller Eifer nochmals die Steine einsammeln wollte, sah Ayla, wie tief die Sonne schon stand. Und pltzlich kam ihr wieder in den Kopf, da sie noch Iza etwas Rinde von der wilden Kirsche holen sollte. Erstaunt blickte sie auf die blutrote Sonne, die weit hinten von den Baumwipfeln aufgestochen worden war. Wie war es nur so spt geworden? Iza wrde unruhig sein, und Creb auch. Hastig stopfte sie die Schleuder in eine Falte ihres berwurfs, rannte zu den Kirschbumen, schlte mit dem Flintsteinschaber die Auenrinde ab und kratzte lange, dnne Fasern von der darunter liegenden weichen Schicht herunter. Dann lief sie, so schnell sie konnte, zur Hhle zurck und verhielt erst den Schritt etwas, als sie zum Bach kam, wo sie wieder in die gebcktergebene Haltung verfiel, die von Mdchen und Frauen erwartet wurde. Izas Hnde waren auer sich, als sie des Mdchens ansichtig wurde. "Ayla! Wo warst du? Ich bin ganz krank vor Sorge. Mir war schon, als htte ein wildes Tier dich berfallen. Gerade wollte ich Brun bitten, die Jger auszuschicken, um dich zu suchen." Leicht betreten versuchte Ayla, die Medizinfrau zu be- schwichtigen. "Ich bin herumgelaufen und habe geschaut, was alles wchst, und dann bin ich zur Lichtung gegangen", gab Ayla zurck, und es war ihr nicht wohl dabei. "Ich habe gar nicht gesehen, da die Sonne schon so tief stand." Es war zwar die Wahrheit, aber nicht die ganze Wahrheit. "Hier ist die Kirschrinde. Unten im Sumpf kommen die Moosbeeren wieder. Und hier - die Wurzeln - die sind doch gut fr Crebs Schmerzen." "Ja, aber du mut sie wssern, und nur der Saft wird eingerieben. Aus den Beeren wird ein warmer Trank bereitet. Aber vorher mut du sie ... " Mitten in der Bewegung hielt Iza inne. "Ayla", machte sie und hob den Finger, "mit deinen Fragen willst du mich doch nur vershnen. Nie wieder darfst du so lange wegbleiben und mir solche Angst machen." Ihr Zorn war verflogen, jetzt, wo das Kind zurck war. Aber Ayla sollte wissen, da sie mit dieser Herumtreiberei nicht einverstanden war. "Ich tue es nie wieder, Iza. Der Tag ist so schnell vergangen." Als sie in die Hhle traten, rannte ihnen Uba entgegen, die den ganzen Tag sehnschtig nach Ayla Ausschau gehalten hatte. Mit ihren stmmigen, kurzen, krummen Beinchen lief sie auf das Mdchen zu und stolperte, kurz, ehe sie es erreichte. Doch Ayla fing die Kleine auf, ehe sie fiel, und schwang sie durch die Luft. "Kann ich Uba einmal mitnehmen, Iza?" bedeutete sie fragend, das Kind auf dem Arm. "Ich bleibe auch nicht lange fort. Aber ich kann ihr manches zeigen." "Sie ist noch zu klein", gab Iza zurck. "Und verstehen tut sie auch noch nichts. Aber wenn du nicht allzu weit weggehst von der Hhle, kannst du sie ab und zu mitnehmen." "Gut!" Das Kind im Arm, drckte Ayla Iza kurz an sich. Hielt dann die Kleine hoch in die Luft und lachte ihre Freude laut heraus. Welcher Geist ist nur ber das Kind gekommen? zweifelte Iza. Sie ist so frei und so froh wie ein Vogel in der Luft. So habe ich sie lange nicht gesehen. Es scheint heute wirklich seltsam zu sein. Erst kommen die Mnner vor der Zeit zurck und setzen sich nicht wie sonst zusammen, sondern jeder geht an sein eigenes Feuer, und die Frauen beobachten sie kaum; nicht einmal schelten tun sie. Sogar Broud war beinahe gutmtig zu mir. Und dann bleibt Ayla den ganzen Tag fort und kehrt froh und munter wie ein Reh zurck. Was fr ein seltsamer Tag! ~Kapitel 9 "Ja, was willst du?" Unwillig wandte Zoug den Kopf zu Ayla und wischte sich den Schwei von der Stirn. Es war heute ungewhnlich warm fr einen frhen Sommertag. Zoug hockte in der heien Sonne und bearbeitete mit einem stumpfen Schaber ein groes Stck Hirschhaut, das noch zu trocknen hatte, und wollte jetzt nicht gestrt werden, schon gar nicht von diesem plattgesichtigen, hlichen Mdchen, das sich neben ihn niedergelassen hatte und mit gesenktem Kopf darauf wartete, da man ihm Beachtung schenkte. Ganz sanft tippte Ayla ihn an und hielt ihm ein Gef aus Birkenrinde hin. "Mchte Zoug einen Schluck Wasser haben?" fragte sie. "Ich war an der Quelle und habe gesehen, wie der Jger in der feurigen Sonne arbeitet. Ich dachte, der Jger wird durstig sein, aber ich will ihn nicht stren." Sie streckte die Hand mit dem Becher noch etwas weiter vor und hielt ihm das bauchige, khle und tropfende Wasserbehltnis hin, das aus dem Magen einer Bergziege gemacht war. Zoug knurrte zustimmend und wute nur mit Mhe zu verbergen, da er wirklich berrascht war ber die Aufmerksamkeit dieses Mdchens, das ihm soeben kaltes Wasser in den Becher go. Vergeblich hatte er versucht, das Augenmerk einer der Frauen auf sich zu ziehen, die ihm etwas zu trinken holen sollte, denn selbst zu gehen war ihm viel zu weit. Denn die Haut hier war fast trocken, und wenn sie als Fertiges so weich und geschmeidig sein sollte, wie er sie haben wollte, durfte er seine Arbeit nicht unterbrechen. Sein Blick folgte dem Mdchen, das den Wasserbeutel zu einer nahen schattigen Stelle trug, ein Bndel zher Grser und in Wasser aufgeweichter holziger Wurzeln hervorzog und dann einen Korb zu flechten begann. Zoug beschattete die Augen mit seiner rissigen und zerschun-denen Hand und schaute in die Ebene. Seine verstorbene Gefhrtin fehlte ihm. Uka begegnete ihm zwar achtsam und gehorchte ihm unverzglich, seit er das Feuer mit ihr und dem Sohn seiner Gefhrtin teilte, doch bemhte sie sich nicht, vorauszusehen, was ihm fehlte. Ukas ganze Hingabe galt Grod, und es gab Tage, da fhlte Zoug sich so, als ob er nicht zu ihnen gehrte. Mitunter warf der Alte einen Blick auf das Mdchen, das nicht weit von ihm sa und sich ganz in seine Arbeit vergraben hatte. Der Mog-ur hat sie gut erzogen, dachte er und merkte nicht, da Ayla ihn auch beobachtete - aus listigen Augenwinkeln. Spter, als es langsam dunkelte, hockte Zoug sich allein vor die Hhle. Die Jger waren ausgezogen. Uka und zwei andere Frauen mit ihnen. Kurz zuvor hatte er noch mit Ovra an Goovs Feuer gesessen und gedacht, als er die starkknochige und wohl-bebrstete junge Frau betrachtete, die, wie ihm scheinen wollte, vor nicht zu langer Zeit noch ein Winzling in Ukas Armen gewesen war, wie schnell die Sommer und Winter verflogen. Und er hatte sich der Tage erinnert, als er noch selbst mit auf die Jagd gezogen war. Bei diesen alten Bildern hatte er schwer zu schlukken gehabt und war gleich nach dem Verzehr aufgestanden und ins Freie gegangen. Da trat Ayla mit einer geflochtenen Schale hinzu und streckte sie ihm hin. "Ich habe so viele Erdbeeren gepflckt, da wir sie nicht alle essen konnten", machte sie Zoug klar. "Mchte der Jger sie haben?" Zoug nahm die Schale, und das harte Braun seiner Augen wurde wie Bernstein, und er verbarg es nicht. In gebhrendem Abstand blieb Ayla sitzen, whrend Zoug genlich schmatzend das se Zeug verzehrte. Als er fertig war und sich die Finger abgeleckt hatte, gab er die Schale zurck, und sie eilte davon. Ich sehe nicht ein, warum Broud sie aufsssig findet, dachte Zoug, als er ihr nachblickte. Sie ist gut gezogen, aber leider grundhlich. Am folgenden Tag brachte ihm Ayla wieder khlendes Wasser, whrend Zoug arbeitete, setzte sich in seine Nhe, holte ihr Flechtwerk hervor und begann einen neuen Korb zu fertigen. Spter, als Zoug gerade die weichgeklopfte Haut des Hirsches mit Fett einrieb, humpelte der Mog-ur zu ihm. "Schweitreibende Arbeit ist das", machte der Zauberer und deutete auf Zougs beperlte Stirn. "Ich mache neue Schleudern fr die Mnner, Mog-ur, und Vorn habe ich auch eine versprochen. Die Haut mu schmiegsam sein fr die Schleudern. Sie mu ohne Unterla bearbeitet werden und hat das Fett ganz aufzusaugen. Das geht am besten in der Sonne", bedeutete ihm Zoug. "Die Jger werden daran ihre Freude haben", lobte ihn der Mog"ur. "Alle wissen, da du am besten zu schleudern vermagst. Ich habe zugesehen, wie du Vorn unterwiesen hast; es ist zu seinem Glck, da du es machst. Mit der Schleuder zu treffen ist ein hohes Knnen. Und wie ich sehe, ist die Gabe dir gegeben, sie auch noch selbst zu machen." Des Mog-urs Lob lie Zougs Zge leuchten, als er mit wichtigen Hnden auf das Gehutete wies. "Wenn die Nacht um ist, schneide ich sie aus. Eine Schleuder mu zum Arm passen, sonst wird der Wurf nie gut." Der Mog-ur nickte. "Iza und Ayla bereiten das Schneehuhn, das du uns gebracht hast. Sie zeigt dem Mdchen, wie es zu rupfen ist. Willst du heute an mein Feuer kommen und es zusammen mit uns verzehren? Es war Ayla, die mich bat, dich zu fragen. Auch ich habe Freude, dich bei mir zu sehen. Manches Mal braucht der Mann einen Mann, um das, was im Herzen und Kopf gesammelt ist, sich gegenseitig auszutauschen. An meinem Feuer habe ich nur Frauen." Der ehemalige Jger legte die Hand auf die Brust und bog sich leicht nach vorne. "Zoug wird mit dem Mog-ur essen", machte er, und man sah, wie er sich freute. Im Clan wurde hufig gemeinsam gegessen, und oftmals teilten zwei Familien den Verzehr miteinander; der Mog-ur jedoch lud selten an sein Feuer. Fr ihn war sie noch immer etwas ungewhnlich, die eigene Feuersttte. Zoug kannte er von Kindesbeinen an, hatte ihn stets geachtet und war ihm zugeneigt. Er htte ihn eigentlich, ging es ihm durch den Kopf, schon frher an sein Feuer holen sollen. Er war froh, da dieses Ayla so gewollt. Schlielich war es ja Zoug gewesen, der heute den frischen Verzehr besorgt hatte. Iza war nicht gewhnt, Gste zu haben. Sie war in heller Aufregung und flatterte umher wie das Schneehuhn, das Zoug mit einem dicken Ast erschlagen mute, weil ihm der Schleuderstein nur einen Flgel gebrochen hatte. Der Verzehr, ber den man sich hermachte, war feinwrzig und uerst schmackhaft. Nachdem die Mnner volle Buche hatten, streckten sie sich aus, rlpsten krftig und lieen harte Winde streichen. Ayla brachte ihnen einen warmen Trank aus Kamille und Minze, der den Verzehr gut aufweichen wrde. Umsorgt von zwei aufmerksamen Frauen, und das stmmige kleine Kind dabei, das auf ihnen herumkrabbelte und sie an den buschigen Barten zupfte, fhlten sich die beiden Mnner brig wohl. Zoug stach es ein wenig ins Herz, da soviel Wrme und freundliche Helle des Mog-urs Feuer umgab, und Creb deuchte, er habe noch nie einen so schnen Abend erlebt. Am nchsten Morgen sah Ayla zu, wie Zoug dem jungen Vorn die neue Schleuder anpate. Scharfugig wie eine Wildkatze beobachtete sie Zougs Handzeichen, mit denen dieser dem Jungen erklrte, warum die Enden des Bandes nach auen hin schmler werden muten und warum der Lederstreifen weder zu lang noch zu kurz sein durfte. Sie sah, wie er einen runden Stein, der im Wasser gelegen hatte, in die Mitte drckte und das Schleuderband dehnte und zog, bis sich eine kleine Kuhle formte. Spter, als er das, was von seiner Arbeit abgefallen war, einsammelte, brachte ihm Ayla wieder Wasser. "Braucht Zoug das Restliche noch?" fragte sie ihn. "Die Haut ist sicher weich." Zougs Herz ffnete sich dem Mdchen. "Nein. Du kannst sie haben." "Schnen Dank. Manche Stcke sind so gro, da aus ihnen noch etwas zu machen ist." Dem alten Mann fehlte das Mdchen, als er anderen Tags wieder an der gleichen Stelle sa wie gestern. Doch seine Arbeit war beendet. Die Waffen waren fertig. Er sah Ayla, wie sie, den Korb auf den Rcken gebunden und den Grabstock in der Hand, in Richtung auf die Wlder fortwanderte. Wird wohl fr Iza Pflanzen sammeln, dachte er sich. Warum denn nur ist Broud zu ihr so feindselig? Zoug achtete den jungen Jger nicht sehr, er hatte den schlimmen Zusammensto noch nicht vergessen. Warum hackte er immer auf dem Mdchen herum? Sie arbeitet gut und macht dem Mog-ur Ehre. Er kann sich glcklich nennen, da er sie und Iza hat. Seinem Kopf entstieg das Bild vom gestrigen Abend, und es vermischte sich mit dem, was er sah: das aufgeschossene Mdchen mit den geraden Beinen und den sonnenhellen Haaren. Ein Jammer, da sie so grundhlich war, wischte er das Bild aus; dann ging er zur Hhle zurck. Aus dem Restlichen, das sie Zoug abgeluchst hatte, fertigte sich Ayla eine neue Schleuder, da die alte nicht mehr zu gebrauchen war. Dann machte sie sich auf die Suche nach einer freien Stelle fern der Hhle, wo sie das Schleudern ben konnte. Immer noch war ihr bang zumute, da einer vom Clan sie ertappen knnte. Den Bach entlang lief sie ein ganzes Stck, bis sie zu der Stelle kam* wo dieser in das Flchen mndete. Dort bog sie ab und kmpfte sich durch Dickicht und Gestrpp auf der anderen Seite wieder den Berg hinauf. Doch eine mchtig steile Bergwand, von der das Wasser in schumendem Schwall herabstrzte, versperrte ihr den Weg. Felszacken, an die sich dunkelgrnes Moos geklammert hatte, teilten das Gewsser in lange, dnne und glitzernde Springbgen, die von Fels zu Fels eilten und feine Nebelschleier sprhten. Weischumend sammelte sich das Wasser schlielich in einem felsigen Becken am Fu der Wand, ehe es mit seinem raschen Lauf den Berg hinunter weiterkonnte. Himmelhoch und unberwindlich erhob sich die Wand, an deren Fu der Bach verlief, den Ayla entlangging, und allmhlich schien die Wand zu einem Buckel sich zu runden, der immer noch steil, aber zu erklimmen war. Schwer atmend kam Ayla oben an, das Gelnde wurde eben, und nach einiger Zeit erreichte sie den oberen Lauf des Baches, dem sie wieder folgte. Hier, in der Hhe, berwucherten feuchte, graugrne Flechten die Fichten und Tannen. Braunrote Hrnchen huschten an den hohen Stmmen empor oder flitzten ber das handspannendicke Moos, das Erde, Steine und gefallene Bume wie grner Schnee bedeckte. Vor ihr stach flirrender Sonnenschein durch die riesigen grnen Laubdcher. Allmhlich lichtete sich der Wald, und schlielich kam Ayla auf eine kleine Wiese, die am anderen Ende vom graubraunen Bergfels begrenzt wurde. Und hier oben war auch die Quelle des Baches, der am Rand der Wiese entlanggurgelte. Sprudelnd kam sie aus dem Felsen, nahe einem dichten Haselnugebsch, das fast am Gestein zu kleben schien. Spalten, Risse, Schrunden und Lcher durchsetzten den Berg, durch die Schmelzwasser des Gletschers drangen, um wieder frisch und klar ans Licht zu kommen. Ayla rannte ber die Bergwiese und trank in gierigen Zgen das khlende Na. Als ihr Durst gestillt war, lief sie zum Haselstrauch hin und schaute nach den Nssen, die noch fest in ihren grnen Bechern saen. Einen Zweig brach sie ab, pulte die Nu aus dem Becher und knackte die weiche Schale mit den Zhnen, und das Innere kam wei zum Vorschein. Unreife Nsse hatte sie lieber als die prallen, trockenen Dinger, die man zum Ende des Sommers berall finden konnte auf dem Boden. Und Ayla begann, sie eifrig zu pflcken. Als sie in das Gestruch eintauchte, entdeckte sie hinter Moosflechten und dem dichten Laub eine dunkle ffnung. Langsam und vorsichtig bog Ayla die Zweige auseinander und sah, da dahinter eine winzige Hhle war. Mit bebenden Hnden drckte sie die Zweige noch weiter weg, sphte luchsugig in die Hhle und trat hinein. Hinter ihr schlug das Gestruch die schtzenden ste zusammen. Auf der einen Wand tanzten flimmerlichte Sonnenkringel, die das Innere schwach erhellten. Die Hhle war gut zwei Manneslngen tief und breit wohl eine. Und wenn Ayla die Hand hob, konnte sie fast an die Decke ber dem Eingang greifen, die sich nach hinten sachte abwrts neigte, um schlielich ganz zum trockenen Erdboden hin abzufallen. Die Hhle war nicht mehr als ein kleines Loch in der Bergwand, fr das Mdchen aber gro genug als Unterschlupf. Dem Einschlupf nahe entdeckte sie ein Versteck mit verfaulten Nssen und Tannenzapfen. Bestimmt hatten grere Tiere die Hhle verschmht. Ayla klatschte in die Hnde und hpfte in der Hhle herum. Sie hatte gefunden, was sie nie zu finden glaubte, einen eigenen kleinen Bereich. Summend tanzte sie wieder hinaus, zerteilte das Gestruch und blickte ber die Lichtung. Hand ber Hand und Fu ber Fu kletterte sie ein kurzes Stck hinauf zum kahlen Fels und schob sich vorsichtig hinaus auf einen schmalen Sims, der sich um einen Felsvor-sprung herumzog. Geblendet von der Heftigkeit des flirrenden Lichts, kniff Ayla die Augen zusammen. Weit, weit unten in der Ferne glitzerte das landumschlossene Meer. Und genau unter sich, unweit des schmalen, sonnenfunkelnden Wasserlaufs, sah sie eine winzige Gestalt. Dort mte die Clan-Hhle sein. Zufrieden stieg sie wieder ab und ging zur Lichtung hinber. Ayla machte groe Augen und sah sich schon mit ihrer Schleuder auf der hellen Wiese ben. Und niemand strte sie dabei. Es gab Wasser in der Nhe, und Schutz vor Regen bot die Hhle. Dort war auch ihre Schleuder zu verstecken und ihre Angst umsonst, da Iza oder Creb sie finden wrden. Die Mnner stiegen kaum so hoch hinauf, wenn sie zur Jagd gingen. Dies war ihr Platz, und nur fr sie. Wie der Wind rannte das Mdchen ber die Wiese zum Bach und suchte nach kleinen, glatten runden Steinen. Wann immer sie konnte, kletterte Ayla zu ihrer Wiese hinauf. Und bald erkundete sie sich einen krzeren, wenn auch steileren Weg zu ihrer Zuflucht und scheuchte anfangs wilde Schafe, auch Gemsen oder Rehe auf. Nach einiger Zeit gewhnten sich die Tiere jedoch an sie und grasten einfach auf der anderen Wiesenseite weiter. Und immer sicherer traf sie den Pfosten, so da es langsam reizlos war und schwierigere Ziele gesucht werden muten, die ihrer Fhigkeit entsprachen. Oft beobachtete sie Zoug, wenn er Vorn anwies, und machte das, was der alte Mann tat, mit ihrer Schleuder nach, wenn sie allein auf ihrer Wiese war. Da ihr das Schleudern so trefflich gelang, machte ihr Freude und Vergngen. Aber ein Gefhl des Stolzes schlich sich in ihr Herz, als sie sich fast daran gewhnte, das, was sie konnte, mit dem, was Vorn zuwege brachte, zu vergleichen. Vorn fand keine rechte Lust am Umgang mit der Schleuder; auch sah er sie als eine Waffe alter Mnner an, die als Jger nichts mehr nutzten. Eifriger bte er sich mit dem Speer und hatte schon Schlangen und Stachelschweine erlegt. Als Ayla sah, da sie besser war als der Junge, wuchs ihr Stolz, und sie vernderte sich, kaum merklich zwar, aber dennoch so deutlich, da Broud sich wieder getroffen fhlte. Die Mdchen und Frauen im Clan hatten sich fgsam zu geben, demtig und in allem den Mnnern zu Willen zu sein. Und wenn Ayla nicht stndig kuschte und sich beugte, falls Broud in ihrer Nhe war, bedrohte dies seine Mnnlichkeit. Aufsssig war sie irgendwie und anders geworden, fand der junge Jger heraus, und es reizte ihn, ihr einen Schlag oder Sto zu versetzen, um die Furcht in ihren Augen glimmen zu sehen oder ihren Krper, wie er zusammenfuhr. Ayla war bemht, sich so zu betragen, wie es von ihr erwartet wurde; sofort kam sie seinen Befehlen nach. Doch wute sie nicht, da, wenn sie dieses eilends besorgte, in ihrem festen Schritt etwas Beschwingendes lag, was sie von ihren Wanderungen hatte durch die Wlder und Wiesen und durch das Gebirge. Sie verhielt ihren Stolz, ein schwieriges Knnen erbt zu haben und darin besser zu sein als Vorn. Doch schon an ihrer Haltung war abzusehen, wie ihr Selbstbewutsein sich zu bilden begann. Ayla konnte sich nicht erklren, warum Broud mit ihr mehr schalt als mit allen anderen Frauen. Doch der wute selbst nicht, was es war, das ihn an ihr so reizte. Es war nicht zu bestimmen und htte so wenig gendert werden knnen wie die Farbe ihrer Augen. Zum einen wurzelte sein Zorn in dem Erinnerten an die Feier seiner Mannbarkeit, wo Ayla ihn des Augenmerks der Clan-Leute beraubt hatte, zum anderen - und tiefer noch - in ihrer Andersartigkeit. Denn ihr war nicht, wie all den anderen Frauen, die Unterwrfigkeit in Fleisch und Blut gegangen und Zeichen der Person geworden. Sie gehrte zu den anderen, der neuen, jungen Art, die lebensfhiger und frischer war und nicht blockiert durch starre berlieferungen, die in den Hirnen abgelagert hatten, was nur noch aus dem Gestern lebte. Das Denken in ihrem Kopf suchte sich andere Wege. Hinter ihrer hohen Stirn entwickelte sich die Fhigkeit, vorauszudenken, manches, was hieraus sich bedingte, zu bedenken und aus der Sicht des Gestern, Heute, Morgen zu begreifen. Das Neue konnte sie aufnehmen und nach ihrem Willen formen, konnte es zu Vorstellungen verschmelzen, die zu trumen die Leute des Clans nicht fhig waren. Und es war die Natur, die beschlossen hatte, da die neue Art der Hominiden die uralte, absterbende der Erdlinge ablsen sollte. Und tief in seinem Innern wurde Broud der berlebtheit seiner Art gewahr. Nicht nur sein Mann-Sein war bedroht, er fhlte, da dies fremde Mdchen sein ganzes Sein in Frage stellte. Der Ha gegen Ayla war der Ha des Alten auf das Neue, des Vergehenden auf das Kommende. Die Erdlinge waren in ihrem Sein zu festgefgt, zu unbeweglich. Einst hatten sie zu den Fhigsten gehrt von denen, die sich nur auf zwei Beinen fortbewegten. Doch die Natur hatte Neues geschaffen, Wesen wie Ayla, denen die Zukunft gehrte. Doch allein und noch nicht fhig zum berleben, versuchte sie, sich den Frauen des Clans in allem anzugleichen; doch das war wie ein Fell, das man umhngen konnte, wenn die Kltnis kam, und abschtteln, wenn die Sonne strahlte. Und es war die Zeit, da Ayla begann, sich aus dieser beengenden Hlle zu befreien. Sie gab sich zwar alle erdenkliche Mhe, dem jungen Jger zu Gefallen zu sein, aber immer strker wurde der Drang, sich aufzulehnen, gem der eigenen Art zu sein. Es war an einem Morgen, als es besonders viel zu tun gab, und Ayla ging zum Teich hinunter. Die Mnner hockten jenseits des Eingangs der Hhle und berieten sich fr die kommende Jagd. Das Mdchen war froh, da sie wieder auszogen; dann wre sie Broud eine Weile los. Mit dem Becher in den Hnden sa sie an dem stillen Wasser und hing selbstvergessen ihren Gedanken nach. Unwillkrlich schrie sie heftig auf, als ein harter Schlag sie von hinten traf. Broud! Aller Blicke flogen zu ihr hinber, erstaunt und verrgert. Ein Mdchen, eine Frau beinahe, hatte keinen Mucks zu machen, nur, weil ein Mann ihr einen Schlag versetzte. Mit zornig rotem Gesioht schnellte Ayla herum und sah den jungen Jger, der ihr hhnisch bedeutete: "Du sitzt hier herum, du faule Krte, ich wollte dich ein wenig hpfen sehen! Du solltest Wasser bringen und nicht hier verweilen!" Flammender Zorn lie Aylas Wangen noch tiefer erglhen. Zorn auf sich selbst, da sie aufgeschrien und sich vor den Clan-Leuten eine Ble gegeben hatte; und noch mehr Zorn auf Broud, der die Schuld daran trug. Folgsam stand sie auf, aber nicht wie sonst mit einem hastigen Sprung und gesenktem Kopf; aufreizend langsam erhob sie sich und durchbohrte Broud mit einem Blick eiskalten Hasses, ehe sie davonging, um den Trunk zu holen. In blinder Wut rannte Broud ihr nach, wirbelte sie herum und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht. Ayla torkelte und brach in die Knie. Und wieder traf sie ein schrecklicher Hieb. Sie zog sich zusammen und versuchte, mit verschrnkten Armen sich zu schtzen, whrend der Rasende wieder und wieder auf sie einschlug. Hart bi Ayla die Zhne aufeinander, so fest, da es knirschte, nur, um nicht zu schreien. Und Brouds Wut steigerte sich mit seiner Enttuschung, da sie nicht endlich schrie und um Vergebung bat, und dichter und dichter fielen die Schlge mit beiden Fusten aus verletzter Eitelkeit. Doch das Mdchen prete die Lippen zusammen, bis sie wei wurden und schmal wie die Klinge eines Schabers. Alles verschwamm in rtlichem Nebel. Nach einer Ewigkeit sprte sie, wie Iza sie hochhob und ihr auf die Beine half. Schwer lehnte sie sich gegen die Frau, die sie sttzte, und stolperte mhsam in die Hhle zurck. Wellen von Schmerz splten ber sie hin, whrend sie zwischen Wachsein und Traumhaftem taumelte. Wie von ferne nahm sie wahr, da Iza ihr Khlendes auf die Haut legte und ihr den Kopf hielt, damit sie etwas Bitteres trinken konnte, das ihr zu einem tiefen Schlaf verhalf. Als Ayla erwachte, hob das schwache Licht des neuen Tages die Umrisse alles Vertrauten aus der Dunkelheit. Im Feuer glomm trbe das letzte Holz. Mhsam versuchte sie aufzustehen. Muskeln wie Knochen ihres geschundenen Krpers wehrten sich schmerzhaft dagegen. Ein Sthnen kam ihr ber die Lippen. Und schon war Iza an ihrer Seite, deren Augen den Schmerz und die Sorgen zeigten, die ihr das Herz zerrissen hatten. Das war noch nicht dagewesen im Clan, da so grausam und ohne Erbarmen gezchtigt wurde. Noch nicht einmal sie. Iza glaubte fest, da dieser Broud ihre Ayla gettet htte, wre ihm nicht Einhalt geboten worden. Brun war voll Zorn, jenem eisigen, unbeugsamen Zorn, den alle im Clan frchteten, so da sie mit leisen Schritten einherschlichen und um den Clan-Fhrer einen mglichst groen Bogen machten. Da Ayla aufmuckte, hatte ihn verrgert, doch da Broud so aus der Haut gefahren war, hatte ihn zutiefst entsetzt. Gewi, das Mdchen gehrte bestraft, aber der junge Jger war dabei vllig auer sich geraten. Nicht einmal auf seinen Befehl hin hatte er von dem Mdchen abgelassen; Brun selbst hatte ihn wegzerren mssen. Schlimmer noch - er hatte wegen einer Frau die Beherrschtheit verloren, sich von einer Frau zu einem Ausbruch blind rasender Wut hinreien lassen und sich damit der Wrde, Mann zu sein, begeben. Noch vor zwei Tagen, nach dem Vorfall auf der Lichtung, war Brun ganz sicher gewesen, Broud htte sich nun in der Gewalt und beherrschte seine Gefhle. Heute aber hatte er einen Ausbruch gehabt, der in Brun zum erstenmal ernstliche Zweifel erweckte, ob es ratsam war, dem Sohn dereinst die Fhrung des Clans zu berlassen. Und das traf tief. Ehe er Broud zu sich kommen lie, lie Brun mehrere Tage verstreichen, denn er brauchte Zeit, um im Herzen zur Ruhe zu kommen. Dieses hatte der junge Mann voll banger Beklommenheit erwartet, sich kaum einen Schritt von seinem Feuer entfernt. Beinahe erleichtert folgte er Brun aus der Hhle, auch wenn sein Herz vor Angst ihm bis zum Halse hmmerte. Klar, einfach, hart und unerbittlich teilten Bruns Hnde dem jungen Jger mit, was ihm in der Zwischenzeit durch den Kopf gegangen war. Er beschuldigte sich, fr des Sohnes Versagen durch seine Nachsicht verantwortlich zu sein. Als der Clan-Fhrer dieses ihm dartat, fhlte sich Broud so tief beschmt wie nie zuvor in seinem Leben. Auf eine ganz neue Weise offenbarte sich ihm Bruns Zuneigung und Qual. Ihm gegenber sa nicht der unnahbare Fhrer, den Broud geachtet und gefrchtet hatte, sondern ein Mann, der ihn liebte und zutiefst enttuscht von ihm war. Doch dann sah Broud eine harte Entschlossenheit in Bruns Augen treten. Ein solcher Ausbruch noch, nur noch ein einziger, und Broud wre nicht mehr des Clan-Fhrers Sohn. Auch sei er nicht bereit, den Clan der Fhrung eines Mannes zu bergeben, der nicht einmal fhig sei, ber sich selbst zu herrschen. Ein solcher Ausbruch noch, und er wrde ihn verstoen und ihn mit dem* Todesfluch beladen lassen. Wenn er ihm, Brun, nicht zeigte, da ein Mann aus ihm geworden sei, so knnte er nicht glauben, da Broud fhig wre, den Clan zu fhren und dessen Wohl zu wahren. Brun deutete auf den vor ihm stehenden Broud: "Mein Blick wird dir folgen, aber auch den anderen Jgern. Ich mu erkennen knnen, da du ein Mann bist, Broud. Und wenn ich einen anderen Jger zum Clan-Fhrer machen mu, dann wirst du bis zum Ende deines Lebens der niedrigste der Jger bleiben." Broud erstarrte. Verstoen? Zum Tode verflucht? Clan-Fhrer wrde ein anderer? Der niedrigste der Jger? Lebenslnglich! Er sah in Bruns steinernes Gesicht und wute, da es so kommen wrde. Er nickte. Seine Zge waren grau wie Asche. Brun deutete kurz zur Hhle. "Die anderen sollen nichts davon wissen. Sie wrden nur unruhig in ihren Herzen. Du aber zweifle nicht. Es wird geschehen, was beschlossen ist. Und geh jetzt, Broud; ich will allein sein." Erst nach mehreren Tagen vermochte Ayla wieder aufzustehen, und noch lnger dauerte es, ehe die blauen Flecken, die ihren Krper bedeckten, sich gelb frbten und langsam verblichen. Anfangs war sie so verngstigt, da sie es nicht wagte, Broud auch nur in die Nhe zu kommen, und schreckhaft zusammenfuhr, wenn sie ihn sah. Doch nach und nach erkannte sie mit Staunen, da etwas an ihm sich verndert hatte. Er gab sich anders, auch ihr gegenber; vor allem ihr, das sprte sie. Er schlug sie nicht, er knuffte nicht, er hie sie nicht einmal, ihm rasch zu Willen zu sein. Er ging ihr offensichtlich aus dem Weg. Und als Aylas Schmerzen abgeklungen waren, wuchs in ihr das Gefhl, da auch dieses sein Gutes gehabt hatte. Sie lebte leichter und unbeschwerter, seitdem Broud sie nicht mehr stndig qulte, und merkte erst jetzt, wie niedergedrckt sie unter des jungen Jgers Machtflle gewesen war. Sie ging wie beflgelt mit leichtem Schritt, hielt den Kopf hoch, lie ihre Arme schwingen und wagte sogar, laut herauszulachen. Iza lchelte in sich hinein, denn sie sah, da Ayla sich wohl fhlte. Die anderen aber schttelten befremdet die Kpfe und warfen mifllige Blicke auf sie. Da Broud Ayla mied, sahen auch die anderen; sie verwunderten sich und fhrten bewegte Reden. Gebrden, die das Mdchen hier und da zufllig auffing, wenn die Mnner oder Frauen des Clans beieinander saen, bedeuteten nichts anderes, als da Brun Broud schlimme Bestrafung angedroht hatte, wenn er sie noch einmal schlagen sollte. Und dieses wurde ihr zur Gewiheit, als sie gewahr wurde, da der junge Jger sie selbst dann nicht beachtete, wenn sie mit Bedacht ihn reizte. Anfangs war sie nur ein wenig nachlssig, ohne es heftig zu wollen. Doch dann versuchte sie, Broud herauszufordern, nicht, da sie grob fahrlssig wurde, sondern mit Kleinigkeiten, die nur der Gegner bemerkte. Sie hate ihn. Sie wollte Rache nehmen und fhlte sich von Brun geschtzt. Der Clan war klein und englebig, und so sehr sich Broud auch bemhte, diesem hochbeinigen hlichen Fremdling aus dem Weg zu gehen, es ergab sich immer wieder die Notwendigkeit, ihr dann und wann Befehle erteilen zu mssen. Bewut bewegte sich Ayla dann noch langsamer. Und wenn sie das Gefhl hatte, da niemand hersah, hob sie den Blick und starrte ihm frank und frei mitten ins Gesicht, whrend der junge Jger um seine Selbstbeherrschung rang. Waren aber andere in der Nhe oder gar Brun, so hielt sie sich zurck. Des Clan-Fhrers Zorn war noch immer zu frchten; doch Brouds Unmut hatte fr sie jeden Schrecken verloren. Und whrend der Sommer fort-schritt, bot sie ihm immer offener die Stirn. Unbehagen regte sich erst in ihr, als sie einen Blick von Broud bekam, der blanken Ha zu ihr herberschickte. Denn sie war schuld an seiner milichen Lage. Wenn sie nicht so aufsssig gewesen wre, dann htte seine Wut ihn nicht berwltigen knnen. Wenn sie ihn nicht so gereizt htte, dann brauchte er jetzt nicht zu frchten, zum Tode verflucht zu werden und der niedrigste im Clan zu bleiben. So unbekmmert wie sie war, so un-clanmig wie sie sich verhielt, das war doch gegen jeden Brauch! Und warum schritt dagegen niemand ein? Sein Ha hufte sich zu einem Scheiterhaufen, der heier brannte als zuvor. Aber Broud achtete darauf, das Feuer Brun nicht sehen zu lassen. Dieser Zwist wurde zwar nicht offen ausgetragen und wtete mit verstrkter Leidenschaft, doch so fchsingleich, wie Ayla sich dnkte, da niemand es merkte, so war sie nicht. Jeder im Clan witterte die tdliche Spannung zwischen ihnen, und alle schttelten verwundert die Kpfe, weil Brun dem Treiben kein Ende machte. Die Mnner richteten sich nach dem Clan-Fhrer und taten nichts, auch wenn das Gebaren des Mdchens ihnen uerst mifiel. Doch wurden sie wie die Frauen die Ahnung nichtilos, da sich bald etwas ereignen wrde, das hnlich dem Beben der Erde wre. Auch Brun mifiel Aylas Verhalten; ihm waren ihre kleinen Hinterhltigkeiten nicht entgangen, und es verdro ihn, mit ansehen zu mssen, wie Broud ihr alles durchgehen lie. Sich aufzulehnen gegen den Brauch, sei es von Seiten eines Mannes oder einer Frau, war unerlaubt und wurde nicht geduldet. Er sah mit Unmut und Verdru, da dieses Mdchen sich erkhnte, sogar als Fremde einem Mann die Stirn zu bieten, was keiner Frau im Clan je eingefallen war. Denn weshalb sollte eine Frau darum kmpfen, zu verndern, was die Natur gegeben hatte? Fr Brun war es das gleiche, als wollte sie aufhren zu essen oder zu atmen. Und wre er nicht sicher gewesen, da Ayla eine Frau war, sowie sie ihre Art zu leben und sich zu betragen augenblicklich dartat, htte er vermutet, da sie mnnlich wre. Und doch hatte sie sich die Fertigkeiten der Frau angeeignet und konnte sogar schon manches heilen. So sehr Brun dieser verdeckte Kampf zwischen den beiden auch grmte, er trat nicht dazwischen, weil er sah, wie Broud tglich um die Beherrschung seiner selbst zu ringen hatte. Aylas trotzige Auflehnung half dem jungen Jger, sich selbst gebieten zu lernen. Und wenn auch Brun ernstlich erwog, einen anderen zu seinem Nachfolger zu bestimmen, wenn Broud versagte, am liebsten wrde er den Sohn seiner Gefhrtin zum Clan-Fhrer gemacht haben. Denn Broud war ein unerschrockener Jger, und Brun war stolz auf sein tapferes Herz. Wenn es dem jungen Mann nur gelang, diese Hitze in seinem Kopf zu bannen, so wrde er, glaubte Brun, ein guter Clan-Fhrer werden. Ayla sprte kaum etwas von der gequlten Spannung, die sie mit ihrem Verhalten auslste. In jenem Sommer war sie froher und glcklicher als je zuvor. Da sie nicht so zu sein brauchte wie die anderen Frauen, ntzte sie dazu aus, hufiger allein umherzustreifen, Krauter zu sammeln und mit ihrer Schleuder zu ben. Sie drckte sich zwar nicht vor der Arbeit, die ihr aufgetragen wurde, aber da es ihr oblag, Iza die Pflanzen zu bringen, die sie brauchte, war dies immer vorzuschieben, um sich davonzumachen. So recht zu Krften kam Iza nicht mehr, auch wenn der Husten, der ihr unter dem Brustbein sa, durch die sommerliche Wrme gemildert wurde. Sie und auch Creb sorgten sich um Ayla. Die Medizinfrau fand es einfach unertrglich, wie gespannt das Leben im Clan geworden war, und beschlo deshalb, zusammen mit dem Mdchen Krauter zu suchen und ihm sein Verhalten klar zu machen. Uba nahmen sie mit. Ayla hob die Kleine hoch und setzte sie auf ihre Hfte. Zusammen wanderten sie dann den Hang hinunter, querten den Bach und folgten jenseits einem schmalen Pfad, der durch die Wlder fhrte. Als sie zu einer sonnenbeglnzten Wiese gelangten, blieb Iza schnaufend stehen und sah sich um. Dann schritt sie auf eine Gruppe hochgewachsener Blumen mit gelben Blten zu. "Diese Blumen hier, Ayla", erklrte Iza mit ausfhrlichen und feinen Bewegungen der schon leicht gekrmmten Finger, "wachsen auf Wiesen und an freien Stellen. Die Bltter sind gro und sehen aus wie eine geschlossene Hand, am Ende spitz. Oben sind sie dunkel, siehst du, und unten flaumig." Iza kniete nieder und hielt eines der Bltter hoch. "Die Rippe in der Mitte ist dick und fleischig." Iza brach das Blatt ab, um es Ayla zu zeigen, die fast mit der Nase darauf stie und eifrig nickte. "Verwendbar ist nur die Wurzel; aus ihr heraus wchst die Pflanze immer wieder. Bevor du sie ausgrbst, la lieber eine Reifezeit vergehen. Dann ist sie fest und glatt. Du schneidest sie in kleine Stcke und legst so viel, wie du in deiner Hand behalten kannst, in das kleine beinerne Behltnis. Dann giet du Wasser auf und kochst die Wurzeln. Der Sud mu kalt getrunken werden, zwei Becher jeden Tag. Er lst das Schleimige im Hals und in der Brust und hilft auch gegen Blutauswurf und treibt das Wasser aus dem Krper." Mit dem Grabstock legte Iza eine Wurzel frei. Sie hockte auf dem Boden und zeigte alles genau, whrend sie erklrte. "Du kannst die Wurzel auch trocknen und zerstampfen." Dann grub sie mehrere Wurzeln aus und legte sie in ihren Korb. Sie wanderten weiter ber die kleine Anhhe. Dort blieb Iza wieder stehen. Uba, sicher und warm auf Aylas Hfte, war eingeschlafen. "Siehst du die kleine Pflanze mit den gelblichen Blten, die wie kleine Becher aussehen und in der Mitte dunkel werden? " Ayla berhrte ein etwa fuhoch stehendes Gewchs. "Diese?" "Ja. Sehr gut als Medizin, aber du darfst sie niemals essen. Sie ist giftig." "Welche Teile verwendest du? Die Wurzel?" "Viele Teile. Wurzeln, Bltter, Samen. Die Bltter sind grer als dig Blten, und sie sitzen im Wechsel am Stengel. Eines hier, eines dort, siehst du? Schau, Ayla. Die Bltter sind bla und ohne Glanz, und an den Rndern haben sie Zhne. Siehst du die langen Haare in der Mitte?" Iza berhrte die feinen Hrchen. Dann brach sie ein Blatt ab und zerdrckte es. "Riech!" bedeutete sie ihr. Ayla hielt die Nase an das zerquetschte Blatt. Ein starker betubender Duft ging von ihm aus. "Wenn das Blatt getrocknet ist, verfliegt der Duft. Spter kommen viele kleine braune Samenkrner." Iza griff zu ihrem Grabstock und legte damit eine dicke, lnglich gerippte Wurzel mit brauner Haut frei. Dort, wo sie abgebrochen war, schimmerte es wei. "Viele Teile dieser Pflanze kannst du verwenden. Fr viele Krankheiten. Alle lindern den Schmerz. Du kannst einen Trank machen - er ist sehr stark oder einen Sud, um die Haut einzureiben. Es ist gut bei Krmpfen und macht ruhig, damit der Schlaf kommen kann." Iza brach mehrere Pflanzen ab und warf sie in ihren Korb. Dann schritt sie zu einer Gruppe hochstehender Malven und pflckte weie, rosarote, violette und gelbe Blten von den Stengeln. Und wieder erklrten Izas Hnde. Die Malven wren gut bei Schmerzen im Hals und kleinen Verwundungen. Aus den Blten knne man einen Trank bereiten, der den Schmerz besnftige, jedoch mache er auch schlfrig. Ihr Bein habe sie mit Mal-venwurzel behandelt. Nachdenklich fuhr sich das Mdchen mit den Fingern ber die vier langgezogenen schmalen Narben auf seinem Oberschenkel. Was wre gewesen, wenn Iza sie nicht gefunden htte? Eine Weile liefen sie still nebeneinander durch die lichtberflutete Hgelgegend und gaben sich dem beruhigenden Gefhl gegenseitiger Nhe hin. Golden leuchtete das brusthohe Gras; die Frau legte die Hand an die schweren Brauenwlste und blickte ber das weite Grsermeer hin, das in der warmen Brise eine sanfte Dnung hatte. Dann entdeckte sie Roggen, und da dessen Krner eine schwarz-violette Frbung hatten. Bekmmert und freudig zugleich wies sie auf eines der Grser. "Schau/ Ayla, so sehen die Samen aus, wenn es krank ist. Man nennt das Mutterkorn. Aber es ist gut, da wir es gefunden haben. Riech!" Ayla verzog die Nase vor Ekel. "Wie alter Fisch." Fast feierlich erklrte Iza ihr die Wirkung. In den kranken Krnern wohne ein Zauber, der fr Frauen, wenn sie Kinder kriegten, von groer Wohltat sei. Wenn eine Frau zu lange in ihrem Weh liege, dann knne das Korn bewirken, da das Kind schneller komme; der Zauber in ihm liee den Leib sich fest zusammenziehen. Doch knne er auch bewirken, da eine Frau ihr Kind noch vor der Zeit verlre, was besonders wichtig wre, wenn sie bei frherem Gebren Beschwerden gehabt htte oder wenn sie noch stillte. Keine Frau drfe ihre Kinder in zu schneller Folge bekommen. Das zehre sie aus. Wer nhre sie dann, wenn ihre Milch versiege? Zu viele Kinder strben gleich nach der Geburt oder in der ersten Zeit ihres kleinen Lebens. Ernst blickte die Medizinfrau auf das Mdchen. Eine Mutter msse das Kind, das schon das Leben habe, hten und pflegen, damit es heil bleibe und gedeihe. Als sie ein Fragen in Aylas Augen bemerkte, fgte Iza hinzu, da es noch andere Pflanzen gbe, die bewirken knnten, da man sein Kind vor der Zeit verlre. Aber Mutterkorn sei auch nach dem Gebren gut; die Zauberkraft vertreibe auch das alte Blut und lasse den Leib schrumpfen. Zwar schmeckte es faulig, wre aber wohlttig, wenn Ayla es mit ernstem Sinn verwendete. Denn zuviel davon knnte Krmpfe bringen sowie Erbrechen oder gar den Tod. "Wie das Kraut, das wir vorhin gefunden haben", stimmte Ayla eifrig zu. "Es kann Gutes tun, aber auch viel Schlechtes." Die Medizinfrau hob den Finger. "Giftiges ist oftmals wohlttig. Aber man mu wissen, wie es anzuwenden ist." Auf dem Rckweg zum Bach blieb Ayla stehen und wies auf ein Gewchs mit blulich-lilafarbenen Blten, das etwa einen Fu hoch stand, und meinte: "Ein Trank daraus bekmpft den Husten." "Ja, nimm welche mit", bestimmte Iza. Ayla zog mehrere Pflanzen mit den Wurzeln heraus und ri beim Weitergehen die schmalen Bltter ab, die sie brauchen wrde. "Ayla", sagte die Frau und deutete auf des Mdchens volle Hnde. "Aus diesen Wurzeln kommen immer wieder neue Pflanzen. Du hast sie mit herausgezogen. Im nchsten Sommer wchst hier nichts mehr. Pflck nur die Bltter von den Pflanzen, wenn du die Wurzeln nicht bentigst. Und selbst wenn du die Wurzeln brauchst, sollst du nicht alle haben wollen. Ein paar von vielen Stellen sich zu holen ist besser, weil dort wieder neue Pflanzen kommen knnen." Ali" sie auf dem Weg zurck zum Bach ber eine sumpfige Wiese muten, hielt Iza wieder an und deutete auf den Boden. "Die Wurzeln dieser Pflanze hier, die hnlich aussieht wie Iris, sie tun wohl und helfen gegen manchen Schmerz." Leicht chzend ging die Medizinfrau in die Hocke, hob die Bltter hoch und legte die Wurzel frei. Wenn man sie kochte, bedeutete sie, knnten mit dem Sud Verbrennungen gelindert werden, und wenn man die Wurzeln kaute, helfe das gegen Schmerzen im Zahn. Auch gegen Leibschmerzen und Verstopfungen der Drme. Im Schatten eines breitblttrigen Ahorns am Bach machten sie halt. Ayla pflckte ein Blatt ab, drehte es hornfrmig zusammen, knickte das Ende um und hielt es mit dem Daumen fest. Dann tauchte sie das mundgerechte Behltnis in den Bach, schpfte das erfrischende Na und trank. Auch Iza brachte sie davon, ehe sie den Blattbecher wieder fortwarf. "Ayla", begann die Frau, nachdem sie getrunken hatte. "Du sollst das befolgen, was dir Broud befiehlt", bedeutete sie mit bestimmter Gebrde. "Er ist ein Mann. Er hat dir zu befehlen." "Ich tue alles, was er mir befiehlt", gab Ayla heftig zurck und warf ihr Haar in den Nacken. Iza schttelte verneinend den Kopf. "Aber nicht so, wie es sich dem Clan-Brauch nach gehrt. Du stellst dich gegen ihn, du zeigst ihm Trotz. Du wirst das eines Tages noch bereuen. Eines Tages, wenn Broud der Fhrer ist im Clan. Du mut das tun, was Mnner wollen." Sie sei nur eine Frau und habe keine Wahl. "Warum sollen die Mnner den Frauen befehlen? Was macht sie besser? Sie knnen nicht einmal Kinder kriegen", entgegnete Ayla hitzig und voller Trotz. "So ist es nun einmal. Und so war es immer schon im Clan. Und du gehrst jetzt zu uns, Ayla. Du bist meine Tochter. Du mut so sein wie alle Clan-Mdchen", erklrte Iza mde. Die so Zurechtgewiesene lie den Kopf hngen. Es stimmte ja, sie trotzte Broud. Was wre aus ihr geworden, htte Iza sie nicht gerunden und mitgenommen? Was wre aus ihr geworden, htte Brun sie nicht bleiben lassen? Was wre aus ihr geworden, htte Creb sie nicht in den Clan aufgenommen? Ayla hob den Kopf und sah die Frau voll an. Iza war alt geworden, mager und ausgezehrt. Die Haut hing schlaff an den Knochen, und ihr vor- mals dunkles Haar war fast schlohwei geworden. Zuerst war ihr Creb so alt erschienen, doch der hatte sich kaum verndert. Es war Iza, die jetzt gealtert war, strker als Creb. Iza dauerte Ayla, doch immer, wenn sie es zeigte, wehrte die Frau entschieden ab. Bekmmert gab Ayla dann der Medizinfrau recht: "Ja, ich mu Broud gehorchen. Ich will mir Mhe geben." Und legte die rechte Hand auf ihr Herz. Die Kleine auf Aylas Scho wurde unruhig. Aus hellforschen Augen blickte sie zu dem Mdchen auf und nahm das Dumchen aus dem Mund und schrie. Iza schaute hoch zum Himmel. "Die Sonne steht schon tief, und Uba hat Hunger. Gehen wir." Ach, wenn Iza doch krftig genug wre, hufiger mit ihr zu gehen, seufzte Ayla in sich hinein, als sie zur Hhle zurckeilten. Sie wei so viel und knnte es mir zeigen. Ayla hatte sich wirklich zu Herzen genommen, was Iza ihr vorgehalten, und sie gab sich wirklich Mhe, es Broud recht zu machen, so schwer es ihr auch fiel. Es war ihr zur Gewohnheit geworden, ihn nicht mehr zu beachten. Sie wute, er wrde sie nicht schlagen und sich, wenn sie ihm nicht gehorchte, an einer anderen Frau entschdigen. Seine finsteren Blicke machten ihr keine Angst mehr; sie wute, da er seinen Zorn zu zhmen hatte. Zwar unterlie sie es, ihn mit Bedacht zu reizen, aber ihre Widersetzlichkeit war ihr zur zweiten Haut geworden. Zu lange hatte sie ihm trotzig ins Gesicht gesehen, anstatt ergeben ihren Kopf zu senken; zu lange hatte sie getan, als blickte sie durch ihn hindurch, anstatt so schnell wie mglich aufzuspringen und seinen Befehlen zu gehorchen. Die eigene Art war in ihr durchgebrochen. Sie war so, wie sie war, und nicht so, wie man sie haben wollte. Doch die Geringschtzigkeit, mit der sie Broud begegnete, reizte ihn mehr als ihre frheren mit Absicht vorgetragenen Herausforderungen. Der junge Jger fhlte irgendwie, da Ayla ihn nicht mehr als Mann begriff. Doch nicht die Achtung vor ihm hatte sie verloren, sondern die Furcht vor ihm als Mann. Die Zeit, wo kalte Winde und schwere Regenflle den Clan wieder in die Hhle verbannen wrden, rckte nher und nher. Ayla sah es mit traurigem Herzen, wie die Bltter sich frbten, zu glhen schienen und dann wie tot zur Erde fielen. Die Frauen hatten alle Hnde voll zu tun, die Frchte der Bume und Strucher zu ernten, so da das Mdchen whrend dieser Tage eifri ger Regsamkeit nicht einmal zu ihrer Zuflucht hinaufsteigen konnte. Dann aber war das Vorrtige gelagert, und eine Mattigkeit legte sich ber die Leute im Clan. Eines Abends band sich Ayla ihren Korb auf den Rcken, nahm den Grabstock und kletterte noch einmal zu ihrer Hhle hinauf. Kaum war sie oben angelangt, warf sie ihren Korb ab, rannte in die kleine Hhle und holte ihre Schleuder hervor. Ihre Zuflucht war wohnlicher geworden. Ein Fell zum Schlafen hatte sie heraufgeschleppt; auf einem abgeflachten Holz, in eine Felsenritze eingepat, lagen einige Muschelschalen, ein scharfer Flintsteinschaber, ein paar gerundete Steine und ein Behltnis aus Birkenrinde. Mit letzterem und ihrer Schleuder, die sie in einem Korb versteckt hielt, rannte sie zur Quelle, trank daraus in hastigen Zgen und lief dann am Ufer entlang, um Steine zu suchen. Als Ayla einen ganzen Haufen beisammen hatte, stellte sie sich auf und zeigte sich, was sie noch mit der Schleuder konnte. Vorn trifft nicht so gut wie ich, ging ihr durch den Kopf, als sie sah, da ihre Steine meist dort aufschlugen, wo sie auch hintreffen sollten. Nach einer Weile hatte sie die Lust verloren, trug ihre Schleuder und die letzten Steine in die Hhle, nahm ihren Korb und sammelte die Nsse, die unter den knorrig-stmmigen Struchern lagen. Bilder von Uba und Iza und Creb traten ihr vor Augen, whrend sie flink die Finger greifen lie. Uba, sah sie, war krftig und gro geworden. Iza hatte sich in den letzten Tagen der sonnigen Zeit ein wenig erholt, und Creb war kaum noch von Schmerzen geplagt. Beim Anblick des Korbs kam ihr die Schleuder in den Sinn, und sie sammelte schneller und begann zu summen. Ja, schleudern - zu schleudern verstand sie gut! Beinah schon zu leicht war es, den Pfosten oder den Felsen oder die ste zu treffen, die sie als Ziele fr die Steine gedacht hatte. Ha, wenn Broud das wte! Nichts gab es mehr, was sie grmen konnte. Sie fllte ihren Korb mit Nssen bis zum Rand. Fauchende Winde rissen gierig die braunen und sprden Bltter von den Bumen, sie fielen taumelnd zur Erde und bedeckten die Nsse, die noch ungesammelt unter Struchern und Bschen lagen. Reif und schwer hingen die letzten Frchte an kahlen Asten. Die Steppe wogte im Wind wie ein weites fahlgelbes Meer; weiter unten peitschten zornige Strme die grauen Wasser des landumschlossenen Sees. Die letzten prallen Beeren wil- den Weins warteten darauf, gepflckt zu werden. Wie immer vor einer Jagd hockten die Mnner dicht beisammen und berieten sich. Seit dem frhen Morgen schon machten sie ihre Plne. Soeben war Broud beauftragt worden, eine der Frauen zu heien, ihm Wasser zu bringen. Suchend blickte er sich um und sah Ayla nicht weit vom Eingang der Hhle sitzen, Stcke und Riemen um sich ausgebreitet. Sie fertigte gerade Gestelle, an denen Weintraubenranken aufgehngt und die Beeren getrocknet werden sollten. "Ayla! Bring Wasser!" befahl Brouds heischende Hand. Das Mdchen hielt gerade ein Gestell an seinen Krper gepret, um es zu sttzen, weil es noch nicht gebunden war. Wenn sie jetzt wegging, wrde es auseinanderfallen, und sie wrde wieder von vorne beginnen mssen. Ayla zgerte und schaute, ob nicht eine andere Frau in der Nhe wre. Flutwellengleich sprang Broud der Zorn an, als er sah, mit welcher Unlust sie gehorchte. Rasch schaute er nach einer anderen Frau, die ihm mit gehrigem Eifer zur Hand wre. Doch pltzlich verebbte der Zorn, so schnell er gekommen war. Die Augen kniff er zusammen und blickte auf Ayla, die eben erst sich langsam erhob. Es war kein Zorn in ihm, nur klare berlegung. Wieso durfte sie sich eigentlich erlauben, ihm gegenber Aufsssigkeit und berheblichkeit zu zeigen? War er nicht der Mann? Und mute sie ihm nicht gehorchen? Brun hat mir nie befohlen, solch unverschmtes Treiben zuzulassen. Er kann mich doch nicht mit dem Todesfluch bedrohen, nur weil ich dieses widerliche Mdchen zwinge, das zu tun, was sie nach altem Brauch zu machen hat? Gab es je einen Clan-Fhrer, der es hinnahm, da eine Frau ihm trotzte? Zu lange hat man ihre Eigenart geduldet! Ich lasse mir das nicht mehr bieten. Sie mu zu-rechtgestoen werden. Mit drei, vier schnellen Schritten sprang er zu ihr hin. Gerade wie sie sich erheben wollte, traf Ayla seine harte Faust und schleuderte sie wieder zu Boden. Dem Ausdruck der Bestrzung auf ihren Zgen folgte augenblicklich Zorn. Wtend blickte sie sich um und sah, da Brun herberschaute; doch kein Muskel in seinem Gesicht hatte sich verzogen. Und als sie Brouds Augen sprte, kalt und beherrscht, doch abgrundtief bse, zerfiel ihr Zorn und wurde Furcht. Eilig kroch Ayla davon, damit der nchste Schlag sie nicht trfe. Dann rannte sie zur Hhle, um das Behltnis zu holen. Broud blickte ihr nach, mit geballten Fusten abwartend, und kmpfte die Wut hinunter. Er drehte den Kopf und blickte zu den anderen Jgern hinber und sah Bruns unbewegtes Gesicht, das ych einer Regung enthielt. Dann verfolgten seine Augen Ayla, die wie gehetzt zum Teich hinunterlief, den Behlter fllte und die schwere Blase auf den Rcken schwang. Broud war es nicht entgangen, wie eilig sie sich aufgerappelt hatte, als sie erkannte, da er nochmals schlagen wrde. Er stie den Atem durch die Zhne und merkte, wie die Wut entwich. Als Ayla, von der Last gebeugt, an dem jungen Jger vorberkam, versetzte dieser ihr einen ruhig gefhrten und gezielten Sto, der sie beinah nochmals zu Boden geworfen htte. Zorn flammte in des Mdchens Wangen. Es richtete sich auf, scho einen haerfllten Blick auf ihn ab und lief langsamer. Und wieder schlug der Jger zu. Ayla duckte sich, so da sie schmerzhaft an der Schulter getroffen wurde. Jetzt waren die Augen aller Jger auf das Geschehen gerichtet. Hilfesuchend blickte das Mdchen zu den Mnnern. Doch Bruns Blick trieb sie schrfer zur Eile an als Brouds Fuste; sie rannte das letzte Stck zu den Mnnern hinber, kniete nieder und begann mit gesenktem Kopf, das Wasser in einen Becher zu gieen. Broud kam ihr mit langsamen Schritten nach. "Crug hat die Herde nach Sonnenuntergang ziehen sehen, Broud", bedeutete ihm Brun mit ruhiger Hand, als der junge Jger sich wieder in den Kreis setzte. Also war der Clan-Fhrer nicht unmutig ber sein Verhalten! Er hatte ja auch nur clanmig gehandelt. Eine widerspenstige Frau hatte gebhrende Strafe verdient. Broud war erleichtert und wute, da er sich ab heute wrde beherrschen knnen. Als die Mnner getrunken hatten, kehrte Ayla niedergeschlagen zur Hhle zurck. Die meisten der Clan-Leute waren wieder mit ihren Verrichtungen beschftigt; Creb aber stand noch immer am Eingang, das Auge starr auf sie gerichtet. "Creb! Broud hat mich wieder geschlagen", beschwerte sich Ayla und lief zu ihm hin. Als sie zu dem alten Mann aufblickte, erkannte sie auf seinem Gesicht einen Ausdruck, den sie dort noch nie gesehen hatte, der ihr aber das Herz zusammenzog. "Du hast bekommen, was du verlangt hast", gab ihr der Mog-ur mit grimmiger Miene zu verstehen. Er kehrte ihr den Rcken und humpelte zu seinem Feuer zurck. Erst am Abend nherte sich Ayla wieder dem alten Zauberer und streckte die Arme aus, sie ihm um den Hals zu legen, hatte dies doch stets sein Herz gerhrt. Doch diesmal blieb er unbewegt; nicht einmal ihre Arme schttelte er ab. Reglos sa der Mog-ur da, kalt und verschlossen und unnahbar. Ayla zuckte zurck, als htte sie einen Eisklotz umarmt. Tief grollte der Mog-ur und schwer war seine Gebrde, als er ihr seinen Unmut dartat. "Stre mich nicht. Geh und suche dir eine Arbeit. Der Mog-ur hat nichts brig fr eine aufsssige Frau." Ayla scho das Wasser in die Augen. Da er sie ablehnte, tat ihr weh, und pltzlich kroch eine Furcht in ihr hoch, eine Furcht, die ausging von dem alten Zauberer. Das war nicht der Creb, der ihr vertraut war. Das war der Mog-ur. Zum ersten Mal, seit sie unter den Clan-Leuten lebte, war Ayla klar geworden, warum die anderen es nicht wagten, sich diesem frchterlichen Mann zu nhern, sondern ihm stets mit einer gewissen Furcht begegneten: Er hatte sich von ihnen - und jetzt von ihr - zurckgezogen. Mit seinem harten, schroffen Blick, der drohend abweisenden Gebrde und seiner tiefen fernen Stimme hatte er dem Mdchen kundgetan, da ihm sein Tun mifallen hatte, und in Ayla ein Gefhl der Zurckweisung ausgelst, wie sie es bitterer noch nie empfunden hatte. Sie war aus seinem Herzen gestoen. Tief getroffen trottete sie zu Iza hinber. "Warum ist Creb bse auf mich?" fragte sie bekmmert. "Du weit es, Ayla. Du mut tun, was Broud dir gebietet. Er ist der Mann. Ihm steht es zu, dir zu befehlen", bedeutete ihr die Medizinfrau. "Aber ich tue doch alles, was er will." "Du zeigst dich widerspenstig, Ayla. Du bist zu bockig. Du weit, da du aufsssig bist. Das wirft ein schlechtes Licht auf Creb und mich. Creb frchtet, da er dich nicht gut gezogen hat, da er dich zu ungestm aurwachsen lie. Mit Langmut hat er dich behandelt, und du glaubst nun, da alle sich in Langmut mit dir ben mten. Auch Bruns Blick hat sich schon verdunkelt, wenn er dich sieht. Du hpfst und springst immer, Ayla. Das machen kleine Kinder, nicht aber Mdchen, die bald Frauen sind. Du machst diese Tne in deinem Hals. Du bewegst dich trge wie eine satte Schlange, wenn dir befohlen wird. Alle sehen dich mit Mifallen an, Ayla. Du hast Schmach und Schande ber Creb gebracht." "Ich wute nicht, da ich so schlecht bin, Iza", gab Ayla zurck. "Ich wollte auch nicht schlecht sein. Ich hab' nur nicht auf mich geachtet." "Das mut du aber! Du bist zu gro, als da du wie ein Kind dich gehen lassen knntest!" Aylas Hand setzte zaghaft dawider: "Aber Broud ist immer so hart gegen mich. Und er hat mich wieder geschlagen." Traurig blickte Iza auf das Mdchen. "Er darf so hart sein, wie er will, Ayla. Es steht ihm zu. Er ist ein Mann. Er darf dich schlagen, so oft er will. Und er wird Clan-Fhrer werden. Du mut gehorchen. Du mut tun, was er befiehlt. Du mut es." Ratlos blickte die Medizinfrau in das kleine gequlte Gesicht und dachte: Warum macht sie es sich denn so schwer? Ayla legte sich auf ihrem Fell nieder. Doch lange Zeit verging, ehe sie einschlief. Rastlos wlzte sie sich die ganze Nacht hin und her und erwachte sehr frh. Dann nahm sie Korb und Grab-stocK und brach noch vor dem morgendlichen Verzehr auf. Sie wollte allein sein. Eilig kletterte sie zu ihrer Wiese hinauf und holte ihre Schleuder aus der Hhle. Lustlos lie sie das Leder durch ihre Finger gleiten. Broud allein ist schuld, ging es ihr durch den Kopf. Was habe ich ihm denn getan? Er hat mich immer zurckgestoen. Warum sind die Mnner etwas Besseres? Nur, weil sie Mnner sind? Broud ist kein groer Mann. Mit der Schleuder ist er nicht einmal so gut wie Zoug. Ich knnte ebensogut sein wie er. Ich bin schon besser als Vorn. Er fehlt viel hufiger als ich. Und Broud sicher auch. Er hat sogar gefehlt, als er dem kleinen Vorn das Schleudern zeigen wollte. Zornig griff sie nach einem Stein. Als sie ihn abscho, flog er in ein Gebsch und scheuchte ein verschlafenes Stachelschwein auf, das sich jetzt ber die Wiese trollte. Von allen wurde Vorn in den Himmel gehoben, als er sein erstes Stacheltier bezwang, dachte Ayla. Knnte ich auch, wenn ich nur wollte. Verbittert legte sie einen Stein in ihre Schleuder, zielte und scho den Kiesel ab. Getroffen! Unter jubelndem Freudengeheul rannte sie hin. Aber als sie die Beute berhrte, sprte Ayla, da das Tier nicht tot war, sondern nur betubt. Sie fhlte den raschen Schlag seines Herzens und sah das Blut aus der Kopfwunde rinnen. Pltzlich war sie gar nicht mehr so froh. Warum habe ich das getan? Ich wollte es doch nicht verletzen. Und ich kann es nicht einmal in die Hhle mitnehmen. Iza she sofort, da es von einem Stein getroffen worden ist. Von meinem Stein. Starr blickte das Kind auf das waidwunde Tier. Niemals werde ich jagen knnen, scho es ihr durch den Kopf. Selbst wenn ich ein Tier tte, ich kann es doch nie in die Hhle bringen. Warum be ich dann noch mit der Schleuder? Creb hat mich schon aus seinem Herzen gestoen. Was wrde er tun, wenn er wte, da ich mich mit einer Waffe bte? Was wrde Bruns Verhalten sein? Wrde er mich fortschicken? Angst berkam Ayla. Wohin soll ich denn gehen? Ich kann doch Iza und Creb und Uba nicht verlassen. Ich will nicht fort. Ayla ballte die Hnde. Ich war schlecht. Und Creb trgt mich nicht mehr in seinem Herzen. Er darf mich nicht hassen. Warum ist er nur so bse auf mich? Trnen liefen ihr ber das Gesicht. Ayla warf sich ins Gras, umfing es, als wre es die Mutter Erde, und schluchzte ihre ganze bittere Not heraus. Als sie nur noch trocken zu schlucken vermochte, setzte sie sich auf und wischte sich mit dem Handrcken ber das Gesicht. Nie wollte sie wieder schlecht sein. Sie wollte alles tun, was Broud befehle. Und nie wieder wrde sie eine Schleuder auch nur anfassen. Wie um ihren Entschlu zu bekrftigen, warf sie das lederne Band weit ins Gebsch. Dann packte sie ihren Korb und hetzte den Hang hinunter. Iza hatte nach ihr Ausschau gehalten und sah sie kommen. "Wo warst du? Du warst lange weg, und dein Korb ist leer." "Ich habe in mich hineingeschaut", bedeutete Ayla der Medizinfrau und sah Iza aus gerteten und verquollenen Augen an. "Ich war schlecht. Ich will es aber nicht mehr sein. Ich will alles tun, was Broud befiehlt und will so sein, wie ich sein soll. Glaubst du, Creb nimmt mich wieder in seinem Herzen auf, wenn ich gut bin?" Iza strich dem Mdchen sanft ber das sonnenhelle Haar. "Ja, Ayla", gab sie nachsichtig lchelnd zurck. Alles ist schwerer fr sie; sie ist von anderer Art, dachte die Medizinfrau und wandte sich um. ~Kapitel 10 Ayla hatte sich vllig gewandelt. Fgsam war sie geworden und untertnig und zeigte sich voller Eifer, Brouds Befehlen nachzukommen. Die Mnner fhrten das auf Brouds strenge Hand zurck. Bedchtig nickten sie mit ihren Kpfen. Wenn der Mann zu nachsichtig war mit der Frau, dann wurde sie faul und wi derspenstig. Frauen brauchten eine feste Hand. Sie waren schwach, halsstarrig und nicht fhig, sich selbst zu beherrschen. Sie hatten die Mnner ntig, die ihnen geboten. Nur so waren sie arbeitsam und ntzlich fr den Clan. Dies war unumstlich. Und kein Mann wollte sich der Nachsicht zeihen lassen. Von allen Mnnern machte Broud sich diesen Grundsatz am nachhaltigsten zu eigen. Nicht nur Oga fate er nun strenger an. Er bte Ayla gegenber seine mnnliche Gewalt mit gnadenloser Hrte aus. Unentwegt setzte er ihr zu, hetzte sie, jagte sie, lie sie fr jede Kleinigkeit springen, schlug sie beim geringsten Anla und auch, wenn nicht der geringste vorhanden war. Sie hatte seine Mnnlichkeit bedroht. Und dafr sollte sie nun bluten. Sie hatte ihm die Stirn geboten. Jetzt hatte er das Faustrecht, die Eigenart aus ihr herauszuschlagen. Er hatte sie sich gefgig gemacht, und gefgig wrde sie bleiben. Und Ayla tat, was sie konnte, um es dem jungen Jger recht zu machen. Sie versuchte sogar vorauszusehen, was er wnschte. Doch auch das trug ihr scharfe Zurechtweisung ein. Wie konnte sie sich anmaen zu erkennen, was er wollen wrde! Wenn sie aus dem Wohnkreis von Crebs Feuersttte heraustrat, erwartete Broud sie schon; doch ohne einen besonderen Grund konnte sie nicht mehr zurck. Denn dies war die Zeit, wo die letzten Vorbereitungen fr die kommenden Tage der Kltnis getroffen wurden; da durfte keiner fehlen oder die Hnde in den Scho legen. Von Izas Heilkrutern gab es Vorrat genug, so da es fr Ayla keinen Vorwand gab, sich aus der Nhe der Hhle zu stehlen. Broud lie sie dann den ganzen Tag nicht zur Ruhe kommen, und abends sank sie erschpft auf ihr Lager. Iza war sicher, da Aylas gewandelter Sinn nicht durch Brouds Strenge bewirkt worden war; des Mdchens tiefe Zuneigung zu Creb, dem Mog-ur, hatten es dazu bewogen, nicht die Furcht vor Broud. Die Medizinfrau lie den Bruder wissen, da Aylas Augen wieder krank geworden waren, weil sie glaubte, er htte sich von ihr abgewandt. Creb schttelte bedchtig sein Haupt. "Du hast gesehen, da sie dem Brauch nicht nachgekommen ist, Iza. Ich habe dieses ganz bewut getan. Und htte Broud sie nicht gezchtigt, so wre Brun bald eingeschritten. Das htte schlimmer werden knnen. Der junge Jger kann sie qulen und schlagen, der Clan-Fhrer aber kann sie fortschicken." Danach war Creb mit Ayla wieder gut. Die ersten dnnen Schneeschleier, die sich ber alles legten, wurden von kalten Regengssen fortgesplt; doch gegen Abend, wenn es wieder klter wurde, prasselten Graupelschauer herab. Morgens berzog dann die Wasserlachen eine feine Eisschicht, die strkere Kltnis ankndigte und dann doch wieder auftaute, wenn der launische Wind aus dem unteren Land herberfegte und die schwankende Sonne die Wolken verdrngte. Whrend dieser ganzen Zeit des bergangs vom Sptherbst zum frhen Winter bemhte Ayla sich unermdlich, gehorsam zu sein, wie es von Frauen erwartet wurde. Ohne die Stimme zu erheben oder einen bsen Blick zu schrfen, ertrug sie einen launenhaften Broud, plagte sich, all seine Forderungen zu erfllen, hielt stets den Kopf gesenkt und achtete darauf, wie sie sich hielt und wie sie ging. Sie lachte nie, nicht einmal lcheln tat sie mehr. Bot keinen Widerstand. Doch einfach war es nicht fr sie. Obwohl sie sich dagegen wehrte, sich zwang, noch fgsamer zu sein, begann in ihrem Innern etwas sich zu regen, zu wachsen und sich schnell zu hrten. Immer magerer wurde sie, verlor die Lust am Essen, war selbst im Wohnkreis von Crebs Feuersttte stets still und niedergedrckt. Nicht einmal Uba konnte sie zu einem Lcheln zwingen, obwohl sie hufig die Kleine in die Arme nahm, dann festhielt, bis sie beide einschliefen. Iza wurde das Herz schwer, wenn sie das Mdchen so ansah; und als auf einen Tag eisigen Regens ein strahlender, sonnenheller Morgen folgte, beschlo sie, Aylas Lage etwas zu erleichtern. "Ayla", rief sie, als sie aus der Hhle traten, laut, um Brouds erstem Befehl zuvorzukommen. "Hilf mir!" bedeutete sie. "Die Schneebeeren fr Leibschmerzen sind ausgegangen. Du kannst sie leicht erkennen. Du weit, die weien Beeren, die an einem Busch wachsen; sie bleiben hngen, auch wenn die Bltter schon abgefallen sind." Mit keiner Miene verriet sie, da sie noch andere Mittel hatte. Brouds Gesicht verdsterte sich, als Ayla wie der Wind in die Hhle rannte und ihren Sammelkorb hervorkramte. Doch er wute, da es Vorrang hatte und wichtiger war, Iza zauberkrftige Pflanzen zu beschaffen, als ihm einen Trank Wasser zu holen oder ein Stck Fleisch oder die Fufelle, die er um seine Beine zu wickeln mit Absicht verga, oder seinen Umhang nripr pinon Anrp1 nripr zwei Steine aus dem Bach zum Nsse knacken. Finster stakste er davon, als Ayla mit Korb und Grabstock aus der Hhle kam. Gejst und dankbar, seit langem wieder einmal allein sein zu drfen, lief Ayla in den Wald. Sie schaute zwar hin und wieder umher, whrend sie vorwrtsschritt, aber die Schneebeeren hatte sie schon vllig vergessen. Auch achtete sie nicht darauf, welche Richtung sie nahm, und merkte nicht, da ihre Fe sie zu einem sprudelnden Gebirgsgewsser fhrten. Hngenden Kopfes und voller Gedanken kletterte sie den steilen Hang hinauf und stand pltzlich auf ihrer Wiese, die sie so lange nicht betreten hatte. An der Bschung des Baches setzte sie sich aufatmend nieder und lie Kiesel ins Wasser plumpsen. Es war kalt. Hier oben war gestern schon Schnee gefallen. Eine weie Decke lag ber der Lichtung. Die stille Luft war von einer sprden Klarheit, und das leuchtende Licht der Sonne brach sich im Schnee, der funkelte. Doch Ayla hatte kein Auge dafr. Sie dachte daran, da bald die groe Kltnis kam, die den ganzen Clan in die Hhle verbannen wrde, und da sie Broud zu ertragen hatte, bis der Schnee zu schmelzen begann. Dster und drohend - wie Riesenbume - stand die lange Reihe feuchtkalter, finsterer Tage vor ihr. Und sie sah Broud vor sich, der sie ohne Grund und ohne Erbarmen durch diese endlose Reihe jagte. Als sie so dahockte, fiel ihr Blick auf ein Fleckchen brauner Erde, und sie sah ein halbverfaultes Fell und ein paar verstreut liegende Stacheln. Das war alles, was vom Stachelschwein briggeblieben war. Sicher eine Hyne, dachte das Mdchen, oder ein Vielfra. In Gedanken kehrte es zu dem Tag zurck, an dem sie das Tier geschossen hatte. Verzagt schttelte Ayla den Kopf. Nie htte ich eine Schleuder in die Hand nehmen sollen. Das war nicht recht. Creb wrde mir zrnen, und Broud frohlocken, denn dann htte er guten Grund, mich zu schlagen. Ayla ballte die Faust und schlug sich auf den Oberschenkel. Aber er wei nichts davon und wird es nie wissen. Das Gefhl der Befriedigung, etwas getan zu haben, wovon dieser Angeber nichts wute, ihn hinters Licht gefhrt zu haben, war eine kstliche Entdeckung. Die Schleuder! Sie hatte sie doch weit in irgendein Gebsch geworfen. Nur einen Stein schleudern! Nur mal sehen, ob sie es noch konnte. Das Mdchen machte einen Satz und fing zu suchen an und fand das Band ganz in der Nhe. Die Haut war feucht, doch nicht beschdigt. Andchtig zog sie das weiche, geschmeidige Band zwischen ihren Hnden hindurch und sah sich, wie sie zum erstenmal eine Schleuder gehandhabt hatte. Ein Lcheln flog ber ihr Gesicht, als sie sich Brouds erinnerte, wie er sich gewunden hatte unter Bruns zornigen Blicken, nachdem er Zoug zu Boden gestoen. Es tat gut zu wissen, da sie nicht die einzige war, die Brouds Jhzorn erregte. Aber nur bei mir kann er seinen Unmut rasen lassen, dachte sie bitter. Nur weil ich eine Frau bin. Brun hatte ihn gescholten, aber mich kann er schlagen, wenn er Lust hat, und Brun bleibt unbewegt. Ayla blickte kurz hoch und schttelte leicht den Kopf. Nein, ganz so ist es nicht, gestand sie sich ein. Von Iza wei ich, da Brun ihm befahl, mich nicht mehr zu schlagen. Auch schlgt er mich nicht mehr so arg in seiner Nhe. Er kann mich ruhig schlagen, aber mich nicht dauernd hetzen, dal; .ch kaum mehr zu Atem komme. Ihre Finger drckten einen Stein in die Kuhle der Schleuder. Als sie sich umblickte, entdeckte sie ein letztes welkes Blatt, das verloren am kahlen Ast eines Busches hing. Sie zielte, schleuderte, scho und traf. Herrlich! Rasch sammelte sie noch ein paar Kieselsteine und ging mitten auf die Wiese. Ich kann es noch, dachte sie befriedigt. Doch dann kamen zwei Falten auf ihre Stirn. Kann ich es denn auch gebrauchen? Auch habe ich noch nie versucht, etwas zu treffen, was sich schnell bewegt. Ob ich das knnte, wei ich nicht. Wenn ich lernte, auf bewegte Ziele Jagd zu machen, was ntzte es? Ich knnte die Beute niemals in die Hhle bringen. Und nur dem Wolf, dem Vielfra oder einer Hyne wrde das Fressen leicht gemacht. Stndig muten die Jger des Clans vor den reienden Tieren auf der Hut sein, die ihnen die Beute streitig machen wollten. Nicht nur Katzenartige, auch Wlfe und Hynen schnappten den Jgern ein Tier weg; geinein lauernde Hynen oder hinterhltige Vielfrae trieben sich unablssig an den Stellen herum, wo Fleisch gedrrt wurde, oder aber versuchten, etwas von den Vorrten zu erbeuten. Und diesen Gegnern wollte Ayla nicht erlauben, durch ihre Hand sich leichter Beute zu erfreuen. Brun hatte auch nicht erlaubt, da ich den jungen Wolf mit in die Hhle brachte; und oft tteten die Jger die ruberischen Tiere, auch wenn man nicht einmal die Felle brauchte. Die fleischfressenden Tiere sind uns immer eine Plage. Aber, scho es ihr da durch den Kopf, man knnte sie auch mit der Schleu-.-IQ- orioo-on Nur d\e s?anz eroen nicht. Zou^ hatte es Vorn er klrt und ihm bedeutet, da es manchmal besser sei, eine Schleuder zu nehmen, weil dann der Jger nicht so nahe an das Tier herangehen msse. Aylas Wangen rteten sich. Noch lebhaft erinnerte sie sich des Tages, an dem Zoug gelobt hatte, wie vielseitig eine Schleuder zu verwenden sei. Gewi, eine Schleuder schuf Abstand zur Beute, und ein damit Jagender war sicher vor den scharfen Zhnen und den gefhrlichen Pranken. Doch Zoug war nicht darauf eingegangen, da man dann, wenn das Tier nicht getroffen war, schutzlos und alleine seine Rache zu erwarten hatte. Und wenn ich nur fleischfressende Tiere jage? Wir essen sie nie; und es wre nicht verschwendet, wenn ich sie den Aastieren briglasse, so wie die Jger. Ayla schttelte heftig den Kopf, um die unclanmigen Vorstellungen zu vertreiben. Ich bin ein Mdchen, sagte sie sich. Ich darf nicht jagen, nicht einmal eine Waffe berhren. Aber ich kann schleudern, auch wenn ich es nicht darf. Ich wrde gern den Jgern helfen. Wenn ich einen Vielfra oder einen Fuchs erlegte, dann knnten sie uns nicht stndig befehlen. Und eine Hyne! Dieses hliche Tier, wie gern wrde ich eines mit meiner Schleuder erlegen. Ayla sah sich schon listig an die verschlagenen Ruber heranpirschen. Den ganzen Sommer ber hatte sie mit der Schleuder gebt. Es war vergnglich gewesen und ohne ueren Grund. Doch jetzt war ihr klar, da eine Waffe nur einem Zweck diente - dem Jagen. Was Ayla nur ahnte, war, da der Reiz, einen Pfosten oder ein Blatt zu treffen, bald verblassen wrde, wenn ihr Geschick nicht neu herausgefordert wrde. Dem Mdchen hatte es Freude gemacht, sich zu erproben, sich im Zusammenspiel von Hand und Auge zu ben, und Ayla war stolz darauf, das Schleudern aus eigener Kraft erlernt zu haben. Jetzt war sie bereit zu Grerem. Sie war bereit zu jagen. Von Anfang an, als alles noch zufllig und vergnglich gewesen war, hatte sie sich schon als Jgerin gesehen, sich vorgestellt, wie sie mit ihrer Schleuder auszog, wilde Tiere zu erlegen. Ayla hatte sich die unglubigen und entgeisterten Gesichter der Clan-Leute vor Augen gehalten, wenn sie mit der Beute zur Hhle zurckkehren wrde. Doch als sie das Stachelschwein getroffen hatte, war ihr klargeworden, da dieses alles eingebildet war. Denn niemals konnte sie ein Beutetier zur Hhle bringen und sich fr ihre Khnheit feiern lassen. Eine Frau hatte nicht zu jagen. Als ihr der Einfall wieder kam, nur ruberische Tiere zu erlegen, regte sich in ihrer Brust eine leise Hoffnung, da vielleicht auf diese Weise ihre Fertigkeit gewrdigt wrde, auch wenn sie ein Geheimnis bleiben mute. Je lnger sie diesen Gedanken von allen Seiten im Kopf bewegte, desto sicherer wurde sie, da dies der Ausweg war. Und dennoch wurde ihr nicht wohl ums Herz. Ayla wickelte gedankenverloren das Schleuderband um ihr Handgelenk. Creb und Iza hatten ihr wiederholt klargemacht, da eine Frau Unrecht tat, wenn sie eine Waffe berhrte. Aber ich habe ja schon viel Schlimmeres getan, gestand sie sich. Kann es noch schlimmer sein, als mit der Schleuder zu jagen? Sie Wikkelte das Lederband wieder los, nahm sie fest in ihre Rechte. "Ich mache es doch!" sagten ihr Blick und ihre Gebrden, als sie trotzig in die Richtung der Hhle blickte und mit harter, rascher Bewegung sich erhob. "Ich werde jagen. Ihr fleischfressenden Tiere sollt mich kennenlernen!" Mit hochrotem Kopf und wehenden Haaren rannte sie zum Bach und suchte neue Steine. Als sie nach glatten, wohlgerundeten Kieseln Ausschau hielt, die auch die richtige Gre hatten, fiel ihr Blick auf etwas Merkwrdiges, und sie bckte sich tiefer herab. Es sah aus wie ein Stein, aber auch wie eine Muschel aus dem Sand des groen Wassers. Sie langte danach, hob es auf und hielt es nahe vor die Augen. Es war ein Stein, geformt wie eine Muschel. Seltsam, dachte sie. Noch nie zuvor habe ich so einen gesehen. Dann kam etwas in ihren Kopf, was Creb ihr einmal erklrt hatte, und pltzlich wute sie, was der Fund fr sie bedeutete. Ayla fhlte, wie ihr Blut im Krper zu Eis erstarrte, ihre Knie weich wurden und so heftig zitterten, da sie sich niedersetzen mute. Wie gebannt blickte sie auf die versteinerte Schnecke. Sie hatte noch genau im Kopf, was Creb ihr damals angedeutet hatte. Wenn sie sich entscheiden mte, dann wrde ihr das Totem dabei helfen. Es wrde ihr ein Zeichen geben. Etwas Ungewhnliches ereignete sich dann, und niemand knne sie beraten, ob es wirklich das Zeichen ihres Totems sei. Sie msse lernen, mit dem Herzen zu sehen. Der Geist ihres Totems in ihr selbst wrde sie sehend machen. "Groer Hhlenlwe, ist dies das Zeichen von dir?" formte sie zitternd die heiligen Fragen. "Lt du mich wissen, da ich mich recht entschieden habe? Tust du mir kund, da ich auch als Mdchen das Jagen wie die Mnner betreiben kann?" Unbeweglich sa sie danach da und starrte auf den gemu- schelten Stein in ihrer Hand und versuchte, in sich hineinzublicken. Sie wute, da sie bei den Clan-Leuten als etwas Besonderes galt, weil sie das Totem des Hhlenlwen erhalten hatte,* doch war ihr das nie als wichtig erschienen. Jetzt aber wurde ihr langsam klar, was es bedeutete. Feierlich schob sie die Hand unter ihren Umhang, und ihre Finger fuhren nachdenklich ber die vier langen, schmalen Narben des Oberschenkels. Warum sollte ein Hhlenlwe gerade mich erwhlt haben? Er ist ein mchtiges Totem, Schutzgeist der Mnner. Warum hat er sich ein Mdchen ausgesucht? Und was war der Grund? Sie dachte an die Schleuder und sah sich mit der Waffe ben. Warum habe ich die alte Schleuder aufgehoben, die Broud fortgeworfen hat? Nicht eine einzige der Frauen htte sie auch nur angerhrt. Wer hat mich dazu getrieben? Hat mein Totem es so gewollt? Will es, da ich die Jagd erlerne? Nur Mnner jagen. Ich bin eine Frau. Aber mein Totem ist das eines Mannes. Ja, ich habe einen mchtigen Schutzgeist, der mir gebietet, da ich jage. Aylas Augen hatten sich weit geffnet, und langsam verschwand die Kerbe in ihrer Nasenwurzel. Sie drehte den Stein in ihrer Hand noch einmal herum, nahm das Amulett von ihrem Hals, zog den Riemen auf, der den kleinen Beutel geschlossen hielt, und steckte die versteinerte Schnecke zu dem roten Ocker. Jetzt war sie ruhig und gelassen. Es war ihr also aufgegeben, auf die Jagd zu gehen; ihr Schutzgeist hatte es so gewollt. Und da sie eine Frau war, hatte keine Bedeutung. Ich bin wie Durc, ging es ihr durch den Kopf. Er hat seinen Clan verlassen, obwohl alle meinten, es wre nicht das Rechte, was er tat. Ich glaube, er hat wirklich einen besseren Ort gefunden, wo das Eiskind ihn nicht mehr erreichen konnte. Ich glaube, er hat einem neuen Clan zum Wachstum verhelfen. Auch ihn mute ein mchtiges Totem beschtzt haben. Nach Creb stellt ein mchtiges Totem den, der ihm anempfohlen ist, auf die Probe, um zu sehen, ob er seiner wrdig ist. Deshalb wre auch ich um ein Haar in die Totenwelt hinbergegangen, ehe Iza mich fand. Sicher hat auch Durcs Totem ihn auf die Probe gestellt. Der Hhlenlwe - wird er mich nochmals prfen? Ayla stand langsam auf. So eine Probe kann hart und schmerzhaft sein, dachte sie und zuckte unwillkrlich zusammen. Was wird, wenn ich nicht wrdig bin? Wie sehe ich, ob man mich auf die Probe stellt? Was wird mein Totem wohl von mir wollen? Schritt fr Schritt spurte Ayla durch den Schnee und dachte darber nach, was in ihrem Leben schwer fr sie war. Und pltzlich wute sie es. "Broud! Broud!" Ayla ri die Hnde zum Himmel. Was konnte eine hrtere Prfung sein als die lange, lange Zeit der kalten dunklen Tage Seite an Seite mit Broud in der Hhle harren zu mssen? Aber wenn sie es ertragen, wenn sie seiner wrdig sei, dann wrde ihr Totem sie auf die Jagd gehen lassen. Eine neue Leichtigkeit lag in Aylas geschmeidigem Gang, als sie den Weg zur Hhle unter die Fe nahm. Iza wurde die Vernderung gewahr, aber sie konnte nichts daraus deuten. Aylas Haltung war so ergeben wie zuvor, doch ihre Bewegungen waren beschwingt, und auf ihr Gesicht trat ein neuer Ausdruck, als sie Broud nahen sah - nicht Ergebung, sondern ruhige Annahme dessen, was ihr beschieden war. Creb jedoch war es, dem auffiel, da das Beutelchen an ihrem Hals um etliches dicker geworden war. In den folgenden Tagen sahen die beiden Alten mit Erleichterung und Stolz, da Ayla trotz Brouds demtigender Forderungen wieder wie frher wurde. Oft zwar kehrte das Mdchen todmde in den Wohnkreis zurck, doch sein Lcheln leuchtete wieder, wenn es mit Uba spielte. Creb ahnte, da Ayla eine Entscheidung getroffen und von ihrem Totem ein Zeichen erhalten hatte, und das Herz wurde ihm leichter, als er sah, da es ihr nicht mehr so schwer wurde, ihre Art dem Clan-Brauch anzupassen. Der Mog-ur sprte ihren inneren Kampf, aber er wute, da sie sich nicht nur Brouds Willen beugen, sondern auch aufhren mute, sich gegen ihn aufzulehnen. Auch sie mute lernen, sich selbst zu bezwingen. In dem Winter, der ihr achtes Lebensjahr einleitete, wurde Ayla zur Frau. Nicht uerlich. Ihr Krper hatte noch immer die geraden, unentwickelten Formen des Mdchens und zeigte kein Anzeichen kommender Vernderung. Doch in diesen langen, finsteren Tagen der Kltnis und der drckenden Enge lie Ayla das Wesen ihrer Kindheit hinter sich. Manchmal war ihr das Leben eine so bedrckende Last, da sie es am liebsten fortgeworfen htte. Manchen Morgen, wenn sie die Augen aufschlug und ber sich nach und nach den vertrauten, porigen Fels der Hhle sah, sie knnte wieder in tiefen Schlaf versinken und wrde nie wieder erwachen. Aber immer, wenn sie glaubte, dieses Schuften, Rackern, Bcken, Rennen und Ergebensein nicht lnger ertragen zu knnen, umfate sie ihr Amulett. Dann fhlte sie den kleinen Muschelstein und hatte wieder Kraft, einen weiteren Tag durchzustehen. Und jeder Tag, Sien sie bewltigte, brachte sie dem Zeitpunkt nher, wo das tierverschneite Land wieder grnen und die eisigen Strme den milden Seewinden weichen wrden. Dann endlich konnte sie wieder frank und frei die Wlder und Wiesen durchstreifen. Genauso stur und unberechenbar bsartig wie das wollhaarige Nashorn, dessen Geist sein Totem war, konnte auch Broud sein. Mit der den Clan-Leuten eigenen engstirnigen Beharrlichkeit, auch nicht ein einziges Stck abzuweichen von dem Weg, den man einmal unter die Fe genommen hatte, war Brouds Sinnen und Trachten darauf gerichtet, Ayla fest im Griff zu halten. Alle konnten mit ansehen, wie sie tglich Pffe und Ste und Schlge einzustecken hatte, gerechterweise. Aber nur wenigen gefiel die Art, wie Broud mit ihr umsprang. Brun hatte immer noch den Eindruck, da Broud sich von dem Mdchen allzusehr reizen lie; da der junge Jger jedoch seine Hitzkpfigkeit bezhmte, griff er nicht ein. Doch hoffte er, Broud wrde mit der Zeit von selbst begreifen, da diesem Mdchen einfach gelassener begegnet werden msse. Denn nach und nach und auch hchst widerwillig war ihm eine Art der Achtung vor dem Fremdling zugewachsen, ein hnliches Gefhl, wie er einst Iza gegenber empfunden hatte, als diese klaglos die Schlge ihres Gefhrten ber sich hatte ergehen lassen. Wie damals Iza, so gab jetzt Ayla ein vorbildliches Verhalten fr die Frauen ab. Sie litt, ohne zu klagen. Und wenn sie hin und wieder innehielt, um die bebende Hand auf ihr Amulett zu legen, so sahen Brun und die anderen Leute darin ein Zeichen ihres Ehrerbietens den heiligen Mchten gegenber, das ihr eine frauliche Wrde verlieh. '* Und es war wirklich das Amulett, das ihr Halt gab. Ayla glaubte ja an die heiligen Mchte auf eine Weise, wie sie sie selbst begriff. Ihr Totem prfte sie. Zeigte sie sich wrdig, so durfte sie jagen wie ein Mann. Und je hrter ihr Broud zusetzte, desto fester wurde ihre Entschlossenheit, mit ihrer Schleuder auf die Jagd zu gehen, sobald die Schneeschmelze kam. Sie wollte so lange ben, bis sie besser war als Broud, besser sogar noch als Zoug. Sie wrde die beste im Schleudern werden, auch wenn niemand je davon erfuhr. Ohne sich dessen bewut zu sein, begann sie schon jetzt, sich auf ihr Leben als Jgerin vorzubereiten. Sie fhlte sich unwiderstehlich angezogen, wenn die Mnner beisammensaen und sich die langen unttigen Tage damit vertrieben, auf der Jagd Erlebtes wiederzugeben. Stets fand sie dann Vorwnde, sich in ihrer Nhe aufzuhalten; und es machte ihr nicht einmal etwas aus, wenn sie dadurch auch mit Broud in nhere Berhrung kam. Am meisten fesselte es sie, wenn Dorv oder Zoug das Jagen mit der Schleuder schilderten. Sie brachte Zoug wieder mehr Aufmerksamkeit entgegen, und allmhlich erwachte in ihr eine echte Zuneigung zu dem alten Jger. In mancher Hinsicht war er wie Creb, stolz und unnahbar, und doch empfnglich mr ein wenig Zuwendung und Wrme, auch wenn sie von diesem hlichen Mdchen kamen. Zoug gewahrte wohl ihr Interesse, wenn er mit bildstarken Gesten vergangene Ruhmestaten pries. Er sah ihre gespannte Aufmerksamkeit, auch wenn sie sich stets ergeben im Hintergrund hielt. Und immer hufiger holte er Vorn zu sich, um ihn ber dies und jenes bei der Jagd mit der Schleuder zu unterweisen, weil er wute, da Ayla sich dann in die Nhe setzen wrde, wenn es irgend ging. Dann tat er so, als bemerke er es nicht. Was konnte es schaden, wenn sie Anteil nahm? Wre ich jnger, ging es Zoug manchmal durch den Kopf, und knnte ich noch auf die Jagd gehen, so nhme ich sie vielleicht zur Gefhrtin, wenn sie eine Frau wird. So hlich wie sie ist, wird sie nicht schnell einen Gefhrten finden. Aber sie ist jung und krftig und gut erzogen. Zoug tippte sich an die Stirn. Ich habe doch Verwandte in anderen Clans. Wenn ich noch so weit bei Krften bin, zum nchsten Miething des Gro-Clans zu gehen, werde ich etwas fr das Mdchen tun. Kann sein, da Ayla hier nicht bleiben will, wenn Broud Clan-Fhrer wird. Hoffentlich werde ich schon im Totenreich sein, wenn dieser Tag kommt. Zoug hatte Brouds ungestmen Angriff immer noch nicht vergessen. Er fand, Broud sprnge uerst hart mit dem Mdchen um, das ihm langsam ans Herz gewachsen war. Gewi war sie, wie alle Frauen, von Zeit zu Zeit zu zchtigen. Doch Broud scho dabei ber jedes Ma hinaus. Ihm, Zoug, gegenber war sie niemals aufsssig oder widerwillig. Alter und Erfahrung waren eben ntig, um Frauen richtig behandeln zu knnen. Der alte Schleuderer nickte bedchtig mit dem Kopf. Ja, ich will mich fr sie verwenden. Wenn sie nur nicht so grundhlich wre. So peinigend die langen Wintertage fr Ayla oft waren, als es dem Ende der Kltnis zuging, war die Stimmung in der Hhle etwas besser. Es gab immer weniger zu tun in dieser Zeit, und so sehr sich Broud auch bemhte, Ayla stndig in Atem zu halten, Selbst er konnte Arbeit nicht aus dem Boden stampfen. Und allmhlich verlor er die Lust. Sie setzte sich ja nicht einmal mehr zur Wehr. Es hatte aber noch einen anderen Grund, weshalb Ayla der Winter ertrglicher wurde. Iza nmlich, die dem Mdchen ermglichen wollte, innerhalb des Crebschen Wohnkreises zu bleiben, begann ihr zu zeigen, wie die Krauter und Pflanzen aufbereitet und angewandt wurden, die sie ber das Jahr gesammelt hatte. Ayla war Feuer und Flamme. Und als Iza in des Mdchens wibegierige Augen sah, beschlo sie, es regelmig zu unterweisen. Als die Medizinfrau merkte, da Aylas Hirn ganz anders zu verstehen wute, viel schneller auch und weit voraus die Dinge und die Folgen denken konnte, kam ihr der Gedanke, da man schon viel frher ihre Unterweisung in die Hnde htte nehmen sollen. Wre Ayla ihres Krpers Kind gewesen, so htte Iza ihr nur jenes Wissen in Erinnerung rufen mssen, das bereits in ihrem Hirn beschlossen war, und sie daran gewhnen mssen, es freizulegen und zu gebrauchen. Ayla jedoch mute mhsam das Wissen, mit dem Uba geboren war, ihrem Hirn eingeben; und ihr Vermgen, sich zu erinnern, war nicht so gut ausgebildet wie das der Clan-Leute. Deshalb mute Iza mit ihr ben, viele Male Gleiches mit ihr durchgehen und immer wieder nachprfen, ob Ayla auch alles richtig im Kopf hatte. Die Erkenntnisse der Medizinfrau kamen aus deren Gedchtnis und von den eigenen Erfahrungen, und sie war selbst erstaunt darber, wie umfassend das Gewute war. Nie hatte sie nachdenken mssen, um es sich gegenwrtig zu machen; immer war es einfach dagewesen, wenn sie es gebraucht hatte. Manchmal berkamen Iza beklemmende Zweifel, ob es ihr auch gelnge, Ayla alles zu vermitteln, was sie wute. Doch Aylas Eifer, alles wissen zu wollen, erlahmte nie, und die Medizinfrau war fest entschlossen, dem Mdchen zu einem gesicherten Rang im Clan zu verhelfen. Tglich wurde unterwiesen, tglich wurde abgefragt, was hierfr und dafr geeignet sei, was wann und wo und wie zu machen wre, und Aylas Wissen ber heilige Krauter und wie sie anzuwenden waren, vergrerte sich stndig. Zur gleichen Zeit begann Ayla unter Izas wachen Augen und ttigen, kundigen Hnden den Verzehr vorzurichten und zu bereiten. Auch fr Creb. Sie gab sich groe Mhe, die Krner fr ihn besonders fein zu zerreiben, ehe sie gekocht wurden, damit er sie mit seinen abgenutzten Zhnen leichter kauen konnte. Auch Nsse wurden fein gehackt, ehe sie der Mog-ur vorgesetzt bekam. Iza zeigte ihr, wie man schmerzlinderndes Getrnk und Umschlge bereitete, die gegen seine Schmerzen in den Gliedern halfen. In diesem Winter ging Ayla zum erstenmal der Medizinfrau zur Hand; und der erste Kranke, den sie gemeinsam behandelten, war Creb. Mehrere Fu hoch lag drauen der Schnee und versperrte den Eingang der Hhle. Zwar wurde durch die weie Wand die Wrme der Feuer im Innern der Hhle gehalten, doch durch das groe Loch oberhalb pfiff immer noch kalt und rauh der Wind. Crebs Stimmung schwankte in jener Zeit. Bald war er stumm und zurckgezogen, bald mrrisch und gereizt, bald wieder ganz zerknirscht. Sein Verhalten verwirrte Ayla, doch Iza ahnte, wer es hervorbrachte. Zahnschmerzen waren es, ganz besonders grimmige Zahnschmerzen. "Creb, la mich den Zahn doch mal sehen", drngte sie ihn. Creb prete die Lippen fest aufeinander und schttelte den Kopf. "Es ist nichts. Nur ein kleiner Schmerz im Zahn. Glaubst du, ich kann dieses Schmerzlein nicht aushalten? Glaubst du, ich habe nicht schon frher und schlimmer gelitten?" gab Creb mit Unmut zurck. "Doch, Creb." Iza hielt den Kopf gesenkt. Er war sogleich voll Reue und legte bittend die Hand aufs Herz. "Iza, ich wei, du willst mir helfen." "Wenn du ihn mich sehen lt, den Zahn, kann ich dir vielleicht helfen. Aber wie kann ich wissen, was ich dir geben soll, wenn du mich den Zahn nicht sehen lt?" "Was gibt es da zu sehen?" fuhr der Mog-ur auf und deutete auf seinen welken Mund. "Ein schlechter Zahn sieht aus wie jeder andere. Mach mir einfach einen Trank aus Weidenrinde." Mrrisch lie Creb sich auf seinem Fell nieder und starrte die rissige Felswand an. Iza schttelte den Kopf und ging ans Feuer, um den Trank zu bereiten. "Frau!" brllte Creb kurz darauf. "Wo ist der Trank?" forderte seine Hand ungeduldig. "Was treibst du denn so lange? Wie soll ich mich versenken knnen? Die Schmerzen lassen mich nicht los." Mit einem beinernen Becher eilte Iza zu ihm und bedeutete Ayla* ihr zu folgen. "Hier, nimm. Ich wollte ihn dir gerade bringen. Aber glaube nicht, da die Weide dir viel helfen wird, Creb. La mich den Zahn doch endlich einmal sehen." "Wie du willst, Iza. Dann sieh!" Er ffnete den mig zahnbestandenen Mund und deutete weit hinein. Iza winkte das Mdchen heran und zeigte auf den morschen Zahn. "Siehst du, wie tief das schwarze Loch hinunterreicht, Ayla? Schon schwillt das Zahnfleisch an. Er ist verfault, der Zahn. Er mu heraus, Creb." "Heraus! Du wolltest ihn doch nur betrachten." "Ja, Creb. Hier ist der Trank." "Aber du hast mir doch gesagt, da der Trank nichts ntzt", wies Creb den Becher zurck. Iza stellte ihn beiseite und meinte: "Nichts hilft da. Du kannst eine Binsenwurzel kauen. Das lindert etwas. Aber lange nicht." Creb schaute sie hilflos wtend an und wurde fuchtig. "Und du willst eine Medizinfrau sein? Nicht einmal einen Zahn zu heilen ist dir mglich!" "Ich kann versuchen, dir den Schmerz herauszubrennen", gab Iza ihm ruhig zu verstehen. Creb zuckte zusammen und hielt mit der Hand seine Backe. "Ich nehme die Wurzel." Am folgenden Morgen war Crebs Gesicht angeschwollen, sein Auge war rot gerndert, ihm hatte der Schlaf gefehlt. "Iza", sthnte der Bruder. "Kannst du mir nicht helfen?" "Httest du mich dir den Zahn ziehen lassen, dann wre der Schmerz jetzt fort", beschied ihn Iza und rhrte ruhig in ihrer Schssel weiter. Creb fuhr auf. "Frau! Hast du kein Herz? Ich habe die ganze Nacht wach gelegen." "Ich wei. Du hast meinen Schlaf gestrt." "Dann tu etwas!" "Ja, Creb. Aber ich kann dir den Zahn erst ziehen, wenn die Backe nicht mehr so geschwollen ist." "Weit du nichts Besseres?" "Eines kann ich noch versuchen, Creb, aber denke nicht, da der Zahn zu retten ist", gab ihm Iza mitfhlend zu verstehen und wandte sich zu dem Mdchen: "Ayla, bring mir das Bndel Splitter von dem Baum, den der Blitz getroffen hat." Und dann zu Creb: "Wir mssen das Zahnfleisch aufstechen, damit das Geschwollene verschwindet. Wir werden versuchen, den Schmerz herauszubrennen." Creb schttelte sich, als er die Anweisung sah, die Iza dem Mdchen gab. Die Medizinfrau sah das Bndel verkohlte Holzspne durch und whlte zwei davon aus und hielt ihrer Gehilfin eines hin. "Ayla, mach die Spitze von diesem hier glhend. Das Ende mu wie Kohle sein, aber noch so krftig, da es nicht zerfllt. Aber erst sieh zu, wie ich das Zahnfleisch steche. Hier, fa an und halte Crebs Lippen offen." Ayla tat, wie ihr befohlen. Sie starrte in Crebs groen offenen Mund und auf die beiden Reihen scharfer, plumper und abgenutzter Zhne. "Schau, so steche ich mit diesem harten, spitzen Splitter unter dem Zahn in das Fleisch hinein, bis das Blut zu flieen beginnt", erklrte sie Ayla. Crebs Hand war zur Faust geballt, an deren Kncheln das Weie erschien, doch nicht einen Laut gab er von sich. Iza wies auf den kranken Zahn. "Jetzt luft das bse Blut heraus. Derweilen machst du mir den anderen Span hei." Eilig rannte Ayla zum Feuer und kehrte wenig spter mit dem glhenden Holz zurck. Iza nahm es ihr aus der Hand, besah es prfend und bedeutete dem Mdchen, Crebs Lippen wieder hochzuschieben. Dann stach die Medizinfrau mit der glhenden Spitze in das Loch des faulen Zahns. Ayla sprte, wie Creb hochruhr, hrte ein Zischen und sah, wie aus der groen dunklen Hhlung in Crebs Zahn ein dnnes Wlkchen emporkam. Iza schmi den Span ins Feuer. "Fertig. Jetzt ist zu warten, ob der Schmerz vorbeigeht. Wenn nicht, dann mu der Zahn heraus", bedeutete sie und betupfte die wunde Stelle mit einem Gemengsei aus zerstampften Geranien- und Nardenwurzeln. Schlielich wandte-sich die Medizinfrau wieder zu Ayla. "Es ist ein Jammer, da nichts mehr von dem Pilz da ist. Er ist besonders hilfreich. Manchmal ttet er den Lebensfaden des Zahns, oft treibt er ihn heraus. Wenn ich jetzt etwas davon htte, dann mte ich den Zahn vielleicht nicht ziehen. Am wohlttigsten ist er natrlich, wenn er frisch ist. Man mu ihn zur Reifezeit pflcken. Vielleicht finden wir bald ein paar davon, Ayla, danrf zeige ich ihn dir." Am nchsten Morgen kam Iza zu ihrem Bruder und erkundigte sich nach seinem Befinden. "Es ist schon besser, Iza", gab Creb zur Antwort und strich ber die noch immer geschwollene Backe. "Tut er noch weh? Wenn der Schmerz noch nicht ganz weg ist, schwillt das Zahnfleisch wieder an, Creb", warnte Iza mit eindringlicher Gebrde. Creb sah sie an. "Ja, er tut noch weh", gestand er mit widerwilliger Hand. "Aber nicht mehr so schlimm. Knntest du nicht noch warten? Ich habe ber den Zahn einen mchtigen Zauber verhngt. Ich habe den Groen Bren angerufen, den bsen Geist zu vernichten, der den Schmerz hervorbringt." "Hast du den Groen Bren nicht schon viele Male angerufen, dich von dem Schmerz zu befreien? Ich glaube, der Groe Br wnscht, da du deinen Zahn opferst, ehe er dir den Schmerz nimmt, Mog-ur", gab Iza zurck, und ein Glitzern erschien in ihren Augen. "Frau, wie kannst du es wagen, den Begehr des Groen Bren zu deuten?" gab Creb zornig zurck. "Ich habe mir erlaubt, was mir nicht zusteht. Verborgen sind mir die Wege der Geister", entschuldigte sich Iza mit gesenktem Kopf. Dann aber blickte sie ihrem Bruder ins Gesicht. "Doch ich bin die Medizinfrau und vertraut mit der Kunst zu heilen. Und ich sage dir: Dieser Schmerz wird nicht weichen, ehe der Zahn gezogen ist", erklrte sie entschieden. Creb kehrte ihr den Rcken zu und humpelte davon. Lange hockte er mit geschlossenem Auge auf seinem Fell. "Iza", rief er dann. "Ja, Creb?" "Du hast recht gedeutet. Der Groe Br wnscht, da ich ihm den Zahn zum Opfer gebe. Tu es. Zieh ihn heraus." Iza ging zu ihm hin. "Hier, Creb, trinke das. Es lt dich den Schmerz nicht so heftig spren. Ayla, bei den Spnen liegt auch ein kleiner Keil und ein Stck Sehne. Bring mir beides." "Wie kommt es, da du den Trank schon bereitet hast?" wollte Creb wissen. "Ich sehe dem Mog-ur ins Herz", erffnete ihm die Schwester. "Es ist hart, einen Zahn zu verlieren, aber wenn der Groe Br es wnscht, dann gibt der Mog-ur ihn. Es ist doch nicht das schwerste Opfer, das er in seinem Leben dargebracht hat." Creb senkte den Kopf und schlrfte den Trank. Er ist aus der gleichen Pflanze bereitet, ging es ihm durch den Sinn, deren Saft ich den Mnnern reiche, um in vergangene Zeiten zurckzukehren. Aber Iza hat die Pflanze gekocht. So ist sie kraftvoller, als wenn sie nur gewssert wird. Ja, sie ist vielfach zu verwenden. Eine groe Gabe des Groen Bren .. . Und schon begann das Betubende des Tranks zu wirken. Schnell wies Iza Ayla an, Crebs Mund mit beiden Hnden offenzuhalten, whrend sie sorgsam den kleinen Keil am Schart des schmerzenden Zahns anlegte. Creb zuckte zusammen, doch so schmerzhaft, wie er befrchtet hatte, war das Ganze nicht. Nun band Iza ein Ende der Sehne um den gelockerten Zahn und bedeutete Ayla, das andere Ende an einem der Pfosten festzumachen, die, tief in die Erde gesenkt, das Gestell hielten, an dem Krauter und Pflanzen zum Trocknen aufgehngt waren. Iza wies mit der Hand hinter sich. "Drcke jetzt seinen Kopf nach hinten, bis die Sehne straff gespannt ist, Ayla", bedeutete sie dem Mdchen und ri wenig spter mit einem schnellen Ruck daran. "Da ist er." Sie hielt die Sehne hoch, an welcher der Zahn baumelte. Nachdem sie zermahlene Geranienwurzel in das blutende Loch gestreut hatte, tauchte sie einen Fetzen Kaninchenhaut in aufgelste Balsamrinde und legte ihm die feuchte Haut um den Kiefer. "Hier, nimm deinen Zahn, Mog-ur." Iza drckte dem noch immer benommenen Zauberer den verrotteten Backenzahn in die Hand. "Es ist vorbei." Creb ballte die Hand zur Faust, streckte sich auf seinem Fell aus und drehte sich zur Wand. Der ganze Clan wartete gespannt, ob Creb sich nach dem Eingriff, bei dem Ayla der Medizinfrau zur Hand gegangen war, erholen wrde. Als die Wunde rasch und ohne Beschwerden verheilte, gab das allen neue Zuversicht, da dieses fremdartige Mdchen die Geister nicht erzrnte. Und mute Iza in der Folge einen von ihnen behandeln, so schlich sich jetzt nicht mehr Furcht in die Herzen der Clan-Leute, wenn sie sich von Ayla dabei helfen lie. Und mit der Zeit wandten sich die Clan-Leute, wenn ein Schmerz sie plagte, mit der gleichen Selbstverstndlichkeit an Ayla wie an Iza. Sie wuten, da Ayla die Krauter fr Iza ge-samrflelt hatte, und sie sahen, da die Medizinfrau sie tglich in der Heilkunst unterwies. Sie sahen aber auch, da Iza alt und gebrechlich geworden und Uba noch zu jung war, um sie abzulsen. Ganz allmhlich gewhnten sich die Erdlinge an das fremde Mdchen, das in ihrer Mitte lebte. Und sich vorstellen zu knnen, da ein Mdchen, das von den anderen stammte, eines Tages vielleicht sogar die Medizinfrau ihres Clans werden wrde, gelang ihnen immer besser. Whrend der kltesten Zeit, als die Tage aber schon wieder lnger zu werden begannen, setzte bei Ovra das Geburtsweh ein. "Es ist zu frh", erklrte Iza Ayla mit bekmmerter Gebrde. "Das Kind sollte erst nach der Schneeschmelze kommen, und Ovra hat auch jngst nicht mehr gesprt, da sich in ihrem Bauch etwas regte. Ich habe Angst, da das Gebren bse enden wird. Ich frchte, da ihr Kind als totes zu uns kommt." "O weh. Und Ovra hat es sich so arg gewnscht", klagte das Mdchen. "Ihr Herz war voller Glck, und ihren Bauch trug sie fast wie ein Jger seine Beute. Kannst du nichts tun?" fragte Ayla angstvoll. "Wir wollen alles tun, was unserer Macht gegeben ist, Ayla. Aber gegen den Plan der Geister ist nichts auszurichten." Alle im Clan waren in Sorge um Goovs Gefhrtin. Die Frauen bemhten sich, sie zu ermutigen. Die Mnner saen beunruhigt zusammen, um gemeinsam zu warten. Damals, bei dem Erdbeben, hatte der Clan mehrere Leute verloren. Und alle wnschten, da ihre Zahl sich wieder vergrern mge. Fortzubestehen in der Flle des Clans war Grundvoraussetzung fr das berleben jedes einzelnen. Diese Erdlinge waren aufeinander angewiesen, und sie waren bekmmert darber, da Ovra wahrscheinlich nichts Lebendes zur Welt bringen wrde. Goov war mehr in Sorge um seine Gefhrtin als um das Kind. Er wnschte aus tiefstem Herzen, er knnte etwas tun. Es machte ihm die Brust eng, Ovra leiden zu sehen, zumal auf einen glcklichen Ausgang kaum zu hoffen war. Und Ovra wnschte sich das Kind; denn bisher hatte sie keines bekommen und sich im Clan wie eine Auenseiterin gefhlt. Selbst Iza, die Medizinfrau, hatte noch ein Kind geboren, so alt wie sie war! Und Ovra hatte sich vor Freude kaum noch fassen knnen, als sie dann endlich merkte, wie sie die blutenden Tage verlieen und mhlich ihr Bauch zu schwellen begann. Droog schien sich besser als jeder andere in des jungen Mannes Herz hineinfhlen zu knnen. Er hatte hnlich empfunden, als Goovs Mutter sterben mute, wenn er auch froh war, da sie Goov geboren hatte, und sich in seiner neuen Familie allmhlich wohlzufhlen begann. Er hegte sogar die unbestimmte Hoffnung, da Vorn mit der Zeit Gefallen daran fnde, so gut wie er aus Steinen Werkzeuge zu schlagen. Ona, die jetzt der Brust entwhnt war, hatte sich lngst in sein Herz gelacht. Droog hatte nie ein Mdchen an seinem Feuer gehabt, und Ona war noch so klein gewesen, als Aga ihm zur Gefhrtin gegeben wurde, da ihm manchmal schien, als wre ihm das Kind geboren worden. Ebra und Uka hockten mit verspannten und bleichen Gesichtern bei Ovra, whrend Iza einen Krutertrank bereitete. Auch Uka hatte sich auf das Kind ihrer Tochter gefreut und hielt jetzt fest deren Hand, um ihr Ermutigung zu geben. Oga war aufgestanden und gegangen, um den abendlichen Verzehr fr Brun und Broud anzurichten. Auch Grod und Goov sollten an diesem Abend an Brouds Feuer essen. Ika bot sich an, Oga bei der Arbeit zu helfen; doch sie schlug das Angebot aus, als Goov ihr zu verstehen gab, da er nicht mitessen wollte. Der Jger hatte ein Gefhl, als wre ihm der Magen zugeschnrt. Oga war zerstreut und voller Unruhe. Sie wnschte jetzt, sie htte Ikas Angebot der Hilfe nicht gnzlich abgelehnt. Sie wute nicht, wie es geschah, doch als sie just den Mnnern heie Brhe bringen wollte, kam sie ins Stolpern, und die Flssigkeit ergo sich ber Bruns Schulter und Arm. Der brllte auf, scho hoch und sprang wie rasend um das Feuer. Die Zhne knirschten vor Schmerz. Alle sahen hin. "Oga!" schrie Broud auer sich. "Du dummes, tolpatschiges Tier!" schimpfte er wtend und schmte sich, da seine Gefhrtin dies verschuldet hatte. "Ayla, geh hin und hilf ihm", bedeutete Iza dem Mdchen. "Ich kann jetzt nicht weg." Mit geballten Fusten wollte Broud sich auf Oga strzen, um sie zu bestrafen. "Nein, Broud!" wehrte Brun ab, streckte seinen Arm aus und hielt den jungen Mann zurck. Das heie Fett der Brhe glnzte auf seiner Haut und zischte leise. Und es kostete ihn Mhe, den Schmerz nicht zu zeigen. "Sie kann nichts dafr", wehrte er ab. Zitternd vor Furcht kauerte Oga demtig zu Brouds Fen. Ayla war beklommen zumute. Den Clan-Fhrer hatte sie noch nie behandelt. Immer noch flte er ihr heftige Furcht ein. Hastig strzte sie zu Crebs Feuer, packte eine hlzerne Schssel, rannre zum Ausgang der Hhle und fllte etwas Schnee in das Gef. Dann eilte sie zu Brouds Wohnkreis und sank vor Brun zu Boden. "Iza schickt mich", bedeutete sie ihm. "Sie kann Ova jetzt nicht alleine lassen. Erlaubt mir der Clan-Fhrer, ihm zu helfen?" Mit karger Gebrde gab ihr Brun zu verstehen, da er einverstanden war. Zwar zweifelte er an Aylas Fhigkeit zur Medizinfrau, aber so, wie es stand, war sie die einzige, die ihm helfen konnte. Mit bebenden Fingern legte sie den khlenden Schnee auf die rote, aufgeplatzte, blasige Haut und sprte, wie Bruns Muskeln sich lockerten, als der Schmerz etwas nachlie. Sie rannte zu Crebs Wohnkreis zurck, suchte die getrocknete Minze heraus und go heies Wasser auf die Bltter. Sobald sie aufgeweicht waren, gab sie kalten Schnee dazu, um den Aufgu abzukhlen, und kehrte zu Brun zurck. Mit sicherer Hand trug sie das lindernde Mittel auf und fhlte, wie die Anspannung aus Bruns Krper wich; der atmete auf. Es schmerzte noch, aber es war ertrglich. Beifllig neigte der Clan-Fhrer den Kopf. Man knnte meinen, da sie Izas Zauber bald beherrschte, ging Brun durch den Kopf. Und sie versteht es jetzt, dem Clan-Brauch nach sich zu betragen. Man knnte ineinen, da sie eine gute Clan-Frau wrde. Wenn Iza etwas zustt, ehe Uba erwachsen ist, sind wir ohne Medizinfrau. Es war weitblickend von Iza, sie darin zy unterweisen. Nicht lange danach kam Ebra zu ihrem Gefhrten und teilte ihm mit, da Ovras Sohn tot geboren war. Brun war bekmmert. Und ein Junge dazu, dachte er. Das Herz mu ihr bluten. Hoffentlich wird es fr sie bald leichter, Kinder zu kriegen. Wer htte gedacht, da ein Bibertotem so wehrhaft ist. Obwohl der Clan-Fhrer den Schmerz der jungen Frau begriff, er zeigte es nicht. Keiner im Clan erwhnte das traurige Ereignis. Doch Ovra sprte den Grund, als Brun einige Tage spter an Goovs Feuer kam und ihr mit ernster sorgenvoller Hand bedeutete, da sie sich heilsame Zeit nehmen sollte. Nur selten besuchte der Clan-Fhrer die Wohnkreise seiner Jger; und wenn er es tat, so zog er kaum je die Frauen in ein Gesprch. Iza bestand darauf, da Ayla Brun weiterhin behandelte. Die Clan-Leute sahen, wie die Haut unter ihrer Pflege wieder heilte, und ffneten sich ihr noch ein wenig mehr. Und Ayla hatte weniger Angst vor Brun. Auch er war verletzlich. ~Kapitel 11 Als der lange Winter seinem Ende zuging und in der fruchtbergenden Erde die ersten Keime sich regten, sprten die Erdlinge in der Hhle, wie ihnen das Blut wieder schneller durch die Adern strmte. Die Kltnis hatte sie zwar nicht in einen echten Winterschlaf getrieben, der dem Maulwurf oder Br zukam, doch da sie in der Hhle kaum die Krper wie im Freien durchbewegen konnten, war alles, was in ihnen ihrem Leben diente, verhaltener geworden. Im Winter waren sie dann trge, schliefen lange und aen mehr, so da sie Fett ansetzten, was wiederum als Schutz vor Klte gnstig war. Sobald aber die Sonne den Schnee vor dem Ausgang wegleckte und die Tage wrmer wurden, drngte es die Clan-Leute, sich zu regen und zu bewegen. Sie muten hinaus und freier atmen. Diesem Hang zur Regsamkeit half Iza noch mit einem Zaubertrank nach, der aus zerstoenen Triticumwurzeln, getrockneten Waldmeisterblttern und feingeschnittenem Ampfer gemischt war und Jungen und Alten verabreicht wurde. Mit frischen Krften drngten die Clan-Leute dann aus der Hhle hinaus und begrten Luft und Licht. Der dritte Winter in der Hhle hatte sich ihnen nicht allzu grimmig gezeigt. Auer Ovras totgeborenem Kind hatte man niemandes Hinscheiden zu beklagen. Und das Kind zhlte nicht; es war ja nie benannt und in den Clan aufgenommen worden. Iza hatte den Winter gut berstanden. Creb hatte er nicht mehr zugesetzt als sonst. Aga und Ika hatten wieder dicke Leiber. Und da beide Frauen gute Gebrerinnen waren, sahen die Clan-Leute mit Freuden schon dem Tag entgegen, an dem sich ihre Zahl vergrern wrde. Die ersten Triebe und Knospen wurden gesammelt. Die Mnner trafen Vorbereitungen zur Jagd, um frisches Fleisch zu beschaffen. Bei einem Festverzehr wollte man die Geister ehren, die das neue Leben erweckten, und den Geistern der Toteins danken, da sie den Clan den Winter ber so behtet hatten. Ayla hatte besonderen Anla, ihrem Totem zu danken. Der vergangene Winter war fr sie sowohl bedrckend als auch sehr lehrreich und erregend gewesen. Die Flamme ihres Hasses gegen Broud brannte jetzt noch heier, aber zwischen festen Steinen; und in diesen langen, dunklen Tagen hatte sie erfahren, da Broud ihr nichts anhaben konnte, wenn sie es nicht zulie. Er war ihr schlimm gekommen, doch sie hatte es mit Gelassenheit hinzunehmen vermocht. Ihre Eigenart zog ihm eine Grenze, die Broud nicht berschreiten konnte. Und da Iza sie in die Lehre nahm, um sie in die Heilkunst einzuweisen, hatte ihr oft ber schwere Zeiten hinweggeholfen. Je mehr sie lernte, desto mehr wollte sie lernen. Ayla brannte darauf, endlich ihre Wanderungen wieder aufnehmen zu knnen; und das nicht nur, weil sie ihr ermglichten, dem Clan zu entfliehen. Ein tiefempfundenes Wissenwollen trieb sie zu den Pflanzen und Krautern, deren verschiedene Wirkungsweisen sie begeisterten. Solange die heulenden Winde und die bitterkalten Schneestrme bliesen, hatte sie sich in Geduld gefat. Doch jetzt war ihre Zeit gekommen. Die Zeit, die Kunst des Jagens zu erlernen. Sobald die Schmelzwasser abgelaufen waren und der noch feuchte Boden dampfte, zog Ayla wieder hinaus in die Wlder. Ihre Schleuder versteckte sie jetzt nicht mehr oben in der kleinen Hhle ber ihrer Bergwiese. Sie hatte sie immer bei sich, entweder in einer Falte ihres berwurfs verborgen oder unter einer Bltterdecke in ihrem Sammelkorb versteckt. Es war nicht leicht fr sie, sich ganz allein das Jagen beizubringen. Sie sah, da Tiere flinker waren und sich nicht ruhig verhielten wie ein Pfosten oder ein Blatt. Wenn die Frauen unterwegs waren und sammelten, gaben sie von Zeit zu Zeit lautes Knurren oder schrille Schreie von sich, um lauerndes Getier zu vertreiben. Ayla tat sich schwer, das nicht zu tun, was sie gewhnt war. Viele Male, wenn sie noch schnell einen Blick von einem flchtenden Tier erhaschte, war sie voller Zorn auf sich selbst hinterher, da sie es auch noch hatte warnen mssen. Und ohne sich von ihren Mierfolgen allzusehr entmutigen zu lassen, lernte sich doch durch unermdliche Versuche, die Tiere aufzuspren und sich an sie heranzuschleichen. Bald verstand sie es auch, die bruchstckhaften Kenntnisse zu einem Ganzen zu vereinen. Ihr durch das Erkennen von Pflanzen und Krautern gebtes Auge hatte keine Mhe, nach einer Weile auch die Jagdzeichen zu verstehen: eine Tierlosung, ein schwacher Abdruck in der Erde, ein abgeknickter Grashalm oder ein gebrochener Zweig. Sie lernte, zwischen den Spuren verschiedener Tiere zu unterscheiden, sprte ihnen nach und schaute, wie und wo sie lebten. Die pflanzenfressenden Tiere lie sie zwar nicht unbeachtet, aber vornehmlich setzte sie den reienden Fleischfressern nach. Ayla achtete auch stets darauf, welche Richtung die Mnner einschlugen, wenn sie zur Jagd aufbrachen. Doch nicht Brun und seine Mnner machten ihr Sorge. Sie zogen meist hinaus in die offene Steppe, wo Ayla gar nicht zu jagen wagte, weil sich dort auer wenigen Bumen keinerlei Deckung bot. In Sorge war sie vor allem wegen der beiden alten Mnner. Denn beim Kruter-sammeln war es frher ab und zu vorgekommen, da sie Zoug und Dorv gesichtet hatte. Bei diesen beiden war am ehesten zu erwarten, da sie im gleichen Gebiet jagen wrden wie sie selbst. Stndig mute sie auf der Hut sein, ihnen nicht in den Weg zu laufen. Selbst wenn sie die entgegengesetzte Richtung wie die beiden alten Jger nahm, konnte sie nicht sicher sein, da Zoug und Dorv nicht einen Bogen schlagen und sie mit der Schleuder in der Hand ertappen wrden. Doch als sie es endlich geschafft hatte, schlangengleich ber das Gras und durchs Gebsch zu gleiten, trockene ste zu vermeiden und Ohren, Augen und Nase zu Frhwarnanlagen auszubilden, da folgte sie auch Zoug und Dorv, um sie zu beobachten und ihnen ihre Fertigkeiten abzuluchsen. Sie war dann immer besonders vorsichtig. Es war gefhrlich, aber eine gute bung. Lautlos, unsichtbar, berall wollte sie sein. Es gab jetzt Augenblicke, wo Ayla sicher war, ein kleines Beutetier mit ihrer Schleuder erlegen zu knnen. Manchmal setzte sie zum Schwung an, es reizte Ayla, ihr Selbstgelerntes zu verwirklichen, doch sie gab der Versuchung nicht nach. Sie hatte gelobt, nur auf reiende Tiere Jagd zu machen, und nur dies hatte ihr das Totem gestattet. Knospen ffneten sich zu Blten und Blttern, Blten welkten, und Frchte trieben aus ihnen hervor, hingen grn und bitter in Bumen und Bschen, und noch immer hatte Ayla kein Tier erbeutet. "Fort mit dir! Husch! Fort!" Ayla lief aus der Hhle, um zu sehen, was dieser Stimmenlrm bedeuten sollte. Mehrere Frauen jagten mit wedelnden Armen einem niedrigen, plumpen, zottigen Tier nach. Der Vielfra rannte auf die Hhle zu, schlug jedoch knurrend einen Haken, als er Aylas ansichtig wurde. Er tauchte zwischen den Beinen der Frauen hindurch und floh mit einem Fetzen Fleisch im Maul. "Dieses hinterhltige, gefrige Biest. Ich habe das Fleisch gerade zum Drren hinausgelegt", schalt Oga zornig. "Kaum hatte ich mich umgedreht, da kam er auch schon angerannt. Die ganz^ Zeit streunt er hier herum und jeden Tag wird er unverschmter. Wenn Zoug hier wre, er wrde ihn tten. Gut, da du gekommen bist, Ayla. Fast wre er in die Hhle gerannt." "Das ist ein Weibchen, glaube ich, Oga. Sie hat sicher in der Nhe einen Bau und Junge drin." "Auch noch Junge! Ein ganzer Wurf!" Harsche, zornige Laute begleiteten ihre aufgebrachte Gebrde. "Zoug und Dorv haben Vorn heute bei Sonnenaufgang mitgenommen. Warum jagen die nicht den Vielfra, statt immer nur Hamster und Schneehhner? Vielfrae ntzen nicht, sie schaden." "Doch, Oga. Ihr Pelz wird im Winter nicht starr und steif von deinem Atem. Aus ihrem Fell kannst du gute Mtzen und Umhnge machen." Ayla kehrte zum Feuer zurck. Sie wute, da es dort nichts fr sie zu tun gab; und hatte nicht Iza erst krzlich geklagt, da ihr einige Krauter fehlten? Ein listiges Lcheln kam in des Mdchens Gesicht auf. Ayla beschlo, den Bau des Vielfraes auszumachen. Eilig holte sie ihren Korb und lief wieder aus der Hhle. Nicht weit von der Stelle, wo das Tier im Wald verschwunden war, tauchte auch sie in das Grn der Bsche. Die scharfen Augen tasteten ber den Boden und entdeckten den leichten Abdruck einer Klaue mit langen, spitzen Krallen, ein Stck weiter einen geknickten Stengel. Ayla verfolgte die Spur. Wenig spter hrte sie, erstaunlich nahe der Hhle, ein Scharren und Kratzen. Vorsichtig schlich sie weiter, streifte kaum ein Blatt und sah dann den Vielfra mit vier Jungen, die sich fauchend und knurrend um das Drrfleisch zankten. Sachte setzte sie den Korb ab, zog die Schleuder hervor und legte sich einen Stein zurecht. Dann verharrte sie, und ihr Krper spannte sich. Der rechte Augenblick war abzupassen, um einen genauen Treffer zu erzielen. Der Wind schwang pltzlich um und trug dem listigen Vielfra befremdliche Witterung zu. Schnffelnd hob das Tier den Kopf in die Luft. Auf eine solche Gelegenheit hatte Ayla gewartet. Blitzschnell schleuderte sie den Stein ab. Das Tier gewahrte die Bewegung, doch schon zu spt. Vom Stein getroffen, wurde es ein Stck weit weggeschleudert und blieb dann reglos liegen. Die vier Jungen jagten erschreckt davon. Ayla trat aus dem Gebsch und beugte sich hinunter, um sich das Tier nher anzusehen. Der marderhnliche Ruber war von der Schnauze bis zu der Spitze seines buschigen Schwanzes etwa drei Fu lang und trug ein zottiges, schwarzbraunes Fell. Vielfrae waren unerschrockene Fleischfresser, so scharf, da sie sogar reienden Tieren, die grer waren als sie selbst, die Beute streitig machten, so furchtlos, da sie den Erdlingen das Fleisch beinahe unter der Nase wegstahlen, so schlau, da sie sogar die Vorrte zu entwenden wuten. hnlich wie Stinktiere konnten sie belriechendes versprhen und machten dem Clan noch mehr zu schaffen als die Hyne. Der Stein aus Aylas Schleuder hatte das Tier genau ber dem Auge getroffen, an der Stelle, auf die sie gezielt hatte. Dieser Vielfra wird uns bestimmt nichts mehr wegholen, dachte Ayla befriedigt und frohlockte. Und das Fell schenke ich Oga. Sie griff nach ihrem scharfen Schaber, um den Vielfra zu huten. Doch augenblicklich hielt sie inne. Was mache ich da? Ich kann Oga das Fell nicht schenken. Ich kann es keinem schenken. Nicht einmal behalten kann ich es. Ich darf nicht jagen. Wenn sie wten, da ich den Vielfra gettet habe! Ayla hockte sich neben das tote Tier und fuhr niedergeschlagen mit ihren Fingern durch das zottige Fell. Das Feuer der Freude in ihrem Herzen war erloschen. Sie hatte ihr erstes Tier erlegt. Sicher, es war kein riesiger Bison, doch es war mehr als Vorns Stachelschwein. Doch ihr zu Ehren gab es keine Feier, ihre Aufnahme in die Reihe der Jger zu besttigen, auch kein Festessen, nicht einmal lobende Blicke und herzhafte Schulterschlge, wie sie Vorn zuteil wurden, wenn er seine lcherliche Beute zeigte. Und wenn sie mit dem Vielfra zur Hhle zurckkehrte, empfingen sie nur entsetzte Blicke, und harte Bestrafung wrde folgen. Da sie dem Clan doch nur helfen wollte oder da sie sich zur trefflichen Jgerin entwickelt hatte, das wrde nichts gelten. Sie war eine Frau. Frauen jagten nicht. Frauen tteten keine Tiere. Ayla lie die Arme hngen und stie einen tiefen Seufzer aus. Ich habe es gewut; die ganze Zeit habe ich es gewut. Schon bevor ich zu jagen anfing, bevor ich Zougs alte Schleuder vom Boden aufhob. Immer habe ich gewut, da ich nicht jagen darf. Der mutigste der jungen Vielfrae kam aus seinem Versteck und beschnffelte zaghaft das tote Muttertier. Diese Jungen werden uns genauso zu schaffen machen wie die Alte, ging es Ayla durch den Kopf. Sie sind fast ausgewachsen. Zwei werden bestimmt berleben. Ich mu das tote Tier beseitigen. Weit weg. Die Jungen folgen sicher dem Geruch. Ayla stand auf und zog den toten Vielfra am Schwanz tiefer in den Wald hinein. Dann eilte sie davon, um nach Krautern fr Iza Ausschau zu halten. Der Vielfra war nur der erste Ruber, der ihrer Schleuder zum Opfer fiel. Marder, Nerze, Frettchen, Otter, Wiesel, Dachse, Hermeline, Fchse und die kleinen grulichschwarz gestreiften Wildkatzen folgten nach. Ayla konnte nicht wissen, da ihr Entschlu, nur auf reiende Tiere Jagd zu machen, sich bedeutsam fr sie auswirkte. Sie lernte dadurch schneller, und ihre Geschicklichkeit wurde weit mehr gefordert, als wenn sie auf die Jagd nach sanften pflanzenfressenden Tieren gegangen wre. Bald bertraf sie Vorn im Umgang mit der Schleuder. Doch mit ihm verglich sich Ayla lngst nicht mehr. Sie ma sich an Zoug, und es dauerte nicht lange, bis sie fast so gut war wie der alterfahrene Jger, denn sie lernte es allzu rasch. Und zurck blieb die Erfahrung. Sie neigte dazu, sich selbst zu berschtzen. Begleitet von sengender Hitze und ungestmen Gewittern schritt der Sommer seinem Ende zu. Unertrglich hei war heute der Tag. Nicht ein Lftchen regte sich. Am Abend zuvor hatte ein Gewitter mit grellgelbem Wetterleuchten, das die Gipfel der Berge in ein Geisterlicht tauchte, und einem gewaltttigen Hagelschauer die Clan-Leute fluchtartig in die Hhle getrieben. Der Wald dampfte. Schwere weie Schwaden hingen an Bschen und Bumen. Buntschillernde Fliegen und Mcken sirrten ber den schlammigen, von Wasserlinsen bedeckten Tmpeln, die sich im ausgetrockneten Bachbett gebildet hatten. Ayla folgte der Spur eines Rotfuchses. Lautlos schlich sie am Rand einer kleinen Lichtung entlang durch den Wald. Ihr war hei; der Schwei rann ihr ber das Gesicht, und ihre Lust, dem Fuchs zu folgen, verdampfte. Es wre wohl besser, die Jagd aufzugeben und auf dem Rckweg zur Hhle im Teich zu baden. Als sie durch das bloe, felsige Bachbett sprang, hielt sie da an, wo zwei Felsbrocken das dnne Rinnsal in ein kncheltiefes Sammelbecken zwangen, und trank in gierigen Zgen. Als sie sich wieder von den Knien erhob und aufblickte, stockte ihr der Atem. Auf einem Felsvorsprung ber ihr kauerte ein Luchs. Seine aufgestellten Pinselohren zuckten. Seine Sehschlitze links und rechts der stumpfen Nase beugten sie mitrauisch. Sein kurzer Schwanz schlug unruhig hin und her. Obwohl der Luchs kleiner war als die meisten Grokatzen, besa er in seinem etwa acht Fu langen Krper und den kurzen behaarten Pfoten gewaltige Sprungkraft. Er nhrte sich von Ha- sen, Kaninchen, groen Eichhrnchen und anderen nagenden Tieren, konnte aber auch ein Reh reien, wenn es ihn lockte. Als Ayla immer noch unverwandt auf die reglos daliegende Katze blickte, wuchs in ihr eine heie Erregung, die sich vom Herzen bis zum Hirn emporschwang. Hatte Zoug nicht Vorn erklrt, mit der Schleuder wre auch ein Luchs zur Strecke zu bringen? Auf grere Tiere, hatte er gewarnt, sollte kein Jger mit der Schleuder gehen, aber mit einein Wolf, einer Hyne oder einem Luchs knnte man es noch aufnehmen. Ich wei genau, da er >Luchs< gesagt hat, bestrkte sich Ayla. Noch nie hatte sie auf diese reienden Tiere Jagd geinacht. Jetzt lag eines vor ihr. Wenn Zoug einen Luchs erlegen konnte, dann konnte sie das auch, und hier lag die Gelegenheit, es zu beweisen. Langsam und vorsichtig schob sie die Hand in eine Tasche ihres kurzen Sommerberwurfs, ohne dabei die Katze aus den Augen zu lassen. Sie tastete nach dem grten Stein, den sie finden konnte. Ihre Hnde waren hei und feucht. Fest umfate sie die beiden Enden der Schleuder, whrend sie den Stein einlegte. Zum Ziel nahm sie sich die Stelle zwischen den Augen des Tieres und schleuderte schnell, ehe sie den Mut verlieren konnte, ihren Stein ab. Der Luchs sah das Wirbeln ihres Armes. Er drehte den Kopf, so da der Stein ihn seitlich streifte, schmerzhaft, aber ohne ihn verletzt zu haben. Ehe Ayla auch nur daran denken konnte, nach einem zweiten Stein zu greifen, sah sie, wie die Muskeln im Krper des Tieres sich spannten. Blitzartig, ohne berlegung, warf sich das Mdchen zur Seite, als der Luchs lossprang. Lngelang strzte Ayla in den Schlamm, und ihre Hand klammerte sich an einen dicken Ast, der irgendwann von Wassern aus dem Gebirge herabgesplt worden war. Strudel und Wirbel hatten ihm unterwegs Bltter und Zweige abgerissen. Rasch packte Ayla den schweren, wasserdurchtrnkten Stock und schnellte genau in dem Augenblick herum, als das fauchende, zhnestarrende Tier nochmals auf sie lossprang. Mit aller Kraft, die ihr die Angst verlieh, holte Ayla aus und schlug zu. Der wuchtige Schlag traf den Luchs am Kopf; er sackte zusammen, blieb einen Augenblick benommen liegen, schttelte sich, sprang auf die Beine und machte sich mit weit ausgreifenden, weichen Stzen davon. Ayla zitterte am ganzen Krper. Sie setzte sich auf. Ihr Atem ging keuchend. Die Knie waren ihr weich, als sie aufstand, um | ihre Schleuder zu holen, und sie lie sich wieder in den | Schlamm fallen. ' Das Mdchen war tollkhn gewesen. Zoug htte es niemals fr mglich gehalten, da einer es wagen wrde, nur mit einer Schleuder bewaffnet ein reiendes Tier zu jagen. Immer wurde ein zweiter Jger mitgenommen, der einem in der Not zu Hilfe kommen konnte. Doch dieses Mdchen, das kaum noch fehlte, wenn es scho, hatte nicht bedacht, was geschehen knnte, wenn ihr Stein bei einem reienden Tier danebenging. Ayla war so verschreckt und im Kopf so durcheinander, da sie beinahe vergessen htte, ihren Korb aus dem Buschversteck zu holen, als sie zur Hhle zurckrannte. "Ayla? Was hast du? Du bist ja voller Schlamm!" Besorgt schlug Iza die Hnde ber dem Kopf zusammen. Des Mdchens Gesicht war aschfahl. Irgend etwas mute ihr einen heillosen Schreck eingejagt haben. Ayla schttelte nur den Kopf und lief in die Hhle. Iza wute, da etwas geschehen war, was das Mdchen sie nicht wissen lassen wollte. Sie htte gerne weiter in sie dringen wollen, aber dann lie sie es doch sein und hoffte, Ayla wrde sich von selbst ihr anvertrauen. Iza wurde immer das Herz schwer, wenn Ayla allein unterwegs war, doch jemand mute ja die Heilkruter fr sie sammeln. Sie selbst konnte sich diese weiten Gnge nicht mehr zumuten, Uba war noch zu jung, und keine der anderen Frauen war bewandert genug, um die richtigen Pflanzen zu finden. Sie mute Ayla gehen lassen und hoffte immer wieder, das Mdchen wrde zeitiger kommen. Am Abend war Ayla sehr still und legte sich frh nieder. Schlafen konnte sie nicht. Unablssig sprang der Luchs auf sie los, und wieder und wieder schlug sie auf ihn ein. Irgendwann umfing sie dann der Schlaf. Ayla erwachte an ihrem eigenen Schrei. "Ayla! Ayla!" rief Iza und wollte wissen, was ihr fehlte. Mit zitternden Hnden bedeutete Ayla, da sie getrumt habe. Sie sei in einer kleinen Hhle gewesen, und ein Hhlenlwe htte sie packen wollen. Zart strich die Medizinfrau ber Aylas Haar. "Du hast lange keine bsen Trume mehr gehabt, Ayla. Warum jetzt? Hat dir etwas Angst gemacht, als du im Wald warst?" Ayla nickte und senkte den Kopf. In der noch finsteren Hhle, die nur vom rot-trben Schein des glosenden Feuers erhellt wurde, war der Ausdruck schuldbewuter Beklommenheit auf ihrem Gesicht nicht zu sehen. Seit sie das Zeichen ihres Totems gefunden hatte, war in ihr nie mehr das Gefhl gewesen, etwas Verbotenes zu tun, wenn sie auf Jagd ging. Jetzt zweifelte sie, ob es wirklich ihr Zeichen gewesen war. Vielleicht hatte sie es nur so gedeutet. Vielleicht sollte sie doch nicht jagen. Schon gar nicht so gefhrliche Tiere. Wie hatte sie auch glauben knnen, ein Mdchen drfte auf einen Luchs Jagd machen? Iza nahm das Mdchen bei den Schultern. "Mir ist nie wohl zumute, wenn du alleine fortgehst, Ayla. Du kommst immer so spt zurck. Ich wei, du wanderst gern fr dich; doch raubt es mir die Ruhe, weil der Wald voll lauernder Gefahren ist." Iza sah mit Erleichterung, da Ayla sich ihren Rat zu Herzen zu nehmen schien. Sie hielt sich fast immer in der Nhe der Hhle auf, und wenn sie doch einmal auszog, um Krauter zu sammeln, kehrte sie rasch zurck. Wenn Ayla keine Frau fand, die bereit war, sie zu begleiten, hetzte sie stndige Furcht. Bei jedem Schritt erwartete sie, ein lauerndes reiendes Tier zu entdecken, das sich augenblicklich auf sie strzen wrde. Jetzt konnte sie verstehen, warum die Clan-Frauen nicht allein auszogen, um zu sammeln, und warum sie immer von neuem verwundert waren ber Aylas Verlangen, sich allein auf den Weg zu machen. Frher hatte sie nicht gewut, da berall so viele Gefahren lauerten; diese eine erlebt zu haben, lie sie jedoch ihre Umgebung mit anderen Augen sehen. Selbst Tiere, die nicht reiend waren, konnten die Erdlinge bedrohen. Keiler mit spitzen Hauern, Pferde mit schlagenden Hufen, Hirsche mit wuchtigem Geweih, Bergziegen und Schafe mit todbringenden Hrnern, sie alle waren fhig zu tten, wenn sie gereizt waren. Ayla schttelte bei diesem Gedanken den Kopf und wute nicht, woher sie ihre Beherztheit genommen hatte, jagen zu gehen. Da war niemand, dem Ayla sich htte anvertrauen knnen; da war niemand, der ihr erklren wrde, da Furcht die Sinne schrfte und Angst den Krper lahmte; da war niemand, der sie ermutigte, die Schleuder wieder zur Hand zu nehmen, ehe die Furcht zur Angst wurde und sie fr immer lahmte. Die Mnner waren mit der Furcht vertraut. Viele Male in ihrem Leben begegneten sie ihr, am eindrucksvollsten bei der ersten groen Jagd, die sie zu Mnnern machte. Kleine Tiere jagte man, um sich an die Waffen zu gewhnen; doch zum Mann wurde erst, wer die Furcht kennengelernt und berwunden hatte. Fr die Frauen waren die blutenden Tage eine nicht geringere Probe ihres Mutes. In gewisser Weise bedurfte es eines noch strkeren Herzens, diese Tage und Nchte allein durchzustehen, in dem Wissen, da keiner ihnen helfen wrde, was auch geschah. Vom Augenblick seiner Geburt an war ein Mdchen stndig von anderen Erdlingen umgeben, die es beschtzten. Doch wenn es zum ersten Mal seine Tage hatte, wo es vom Mdchen zur Frau sich voll entwickelte, war kein Mann in seiner Nhe, es zu beschtzen; nicht einmal eine Waffe war ihr beigegeben, sich gegen die reienden Tiere zur Wehr zu setzen. Mdchen wie Jungen wurden erst dann firauen und Mnner, wenn sie der Furcht ins Auge geblickt und sie bezwungen hatten, wenn sie der Angst entwachsen und somit dem Clan-Leben gewachsen waren. Ayla hielt das Erlebnis immer noch in Bann; whrend der ersten Tage versprte sie kein Verlangen, sich auch nur etwas weiter von der Hhle zu entfernen. Nach einer Weile jedoch regte sich wieder prickelnde Rastlosigkeit in ihren Gliedern. Im Winter hatte sie nichts dagegensetzen knnen; da nahm sie die Beschrnktheit in der Hhle hin wie alle anderen. Aber Krper und Geist waren gewhnt, frei herumzustreifen, wenn Schnee und Kltnis gewichen waren. Der Widerstreit ihrer Gefhle qulte sie nun. War sie allein im Wald, abgeschieden von der Schutz bietenden Hhle, so nagte bestndige Angst an ihr; war sie aber bei den anderen, so war ihr arg danach, fr sich zu sein und das befreiende Atmen im Wald genieen zu knnen. Einmal, als sie sich alleine aufgemacht hatte, um Krauter zu sammeln, geriet sie unversehens in die Nhe ihrer Zuflucht. Sie stutzte und kletterte das letzte Stck zur lichten Bergwiese schneller hinauf. Ihr Herz beruhigte sich. Es tut gut, hier zu sein. Dies waren ihre Hhle, ihre Wiese. Sogar die Rehe, die hier hufig sten, begriff sie als ihr Getier. Sie waren so zutraulich geworden, da sie das Mdchen ganz nahe herankommen lieen, ehe sie davonsprangen. Und hier berkam Ayla ein Gefhl von Zuversicht und Strke, das sich im Wald, wo berall wilde Tiere lauern konnten, nicht mehr einstellen wollte. Die ganze Zeit der hitzigen Tage war sie nicht mehr hier oben gewesen, und als sie jetzt im hohen Gras lag, die Arme im Nacken verschrnkt, und in den Himmel starrte, strzten die Erinnerungen auf sie ein. Hier hatte sie angefangen, mit der Schleuder zu ben; hier hatte sie auf ihr erstes Tier geschossen; und hier hatte sie das Zeichen ihres Totems gefunden. Ihre Schleuder hatte Ayla bei sich, denn sie wagte nicht, sie in der Hhle zu lassen, wo Iza sie bestimmt finden wrde. Nach einer Weile stand sie auf, suchte sich einige Steine zusammen und machte ein paar Wrfe. Wieder wanderten ihre Gedanken zurck zu dem abscheulichen Luchs. Htte ich doch nur noch einen Stein in der Schleuder gehabt, dachte sie, dann htte ich noch einmal schieen knnen und ihn vielleicht getroffen, ehe er auf mich springen konnte. Zwei gerade, tiefe Furchen waren wieder zwischen ihren Brauen oberhalb der Nasenwurzel eingekerbt, als sie die zwei Steine in ihrer Hand betrachtete. Konnte man nicht einen Stein gleich nach dem anderen schleudern? Hatte Zoug dem jungen Vorn je so etwas gezeigt? Sie krauste die Stirn. Wenn ja, dann war ich nicht dabei, dachte sie. Hin und her wlzte sie nun den Gedanken in ihrem Kopf und machte sich Bilder, wie es gehen knnte. Sie sah sich mit der Schleuder in der Hand, wie sie nach dem ersten Wurf - noch whrend ihr Arm sich in der Abwrtsbewegung befand - blitzschnell einen zweiten Stein in die Kuhle drckte, den Arm, ohne innezuhalten, wieder hochschwang und einen zweiten Stein abschleuderte. Ob das wohl zu machen war? Sie versuchte es; und langsam, sehr langsam und nach zahllosen Versuchen fand sie eine ihr genehme Abfolge der Bewegung heraus: ersten Stein abschleudern; Schleuder im Abwrtsschwung leicht abfangen, zweiten Stein schon bereit; Stein in die Kuhle drcken, whrend die Schleuder noch im Schwung war; zweiten Stein abschieen. Hufig fielen ihr die Steine heraus, und selbst als es ihr gelang, sie abzuschieen, litt doch die Treffsicherheit bei beiden Wrfen. Doch sie hatte den Bogen heraus. Sie stieg von nun an jeden Tag zu ihrer Bergwiese hinauf, um zu ben. Noch immer hielt eine unbestimmte Angst sie davon ab, wieder zu jagen; doch der unbezhmbare Drang, die neue Wurfart zu erproben, belebte Aylas Lust, mit der Waffe zu ben. Als die Zeit kam, wo die bewaldeten Hgel in rotgoldener Herbstlichkeit erglhten, war sie mit zwei Steinen ebenso treffsicher wie vorher mit einem. Ein heies Gefhl des Stolzes und der Befriedigung durchrann sie jedesmal, wenn ein doppeltes, rasch aufeinanderfolgendes Krachen ihr meldete, da beide Steine den Pfahl getroffen hatten. An einem klaren Sptherbsttag beschlo Ayla, schon in aller Frhe zu ihrer Wiese hinaufzusteigen, um die Haselnsse aufzusammeln, die von den Bschen gefallen waren. Als sie gerade den Bach bersprang, hrte sie das grelle Lachen und gierige Geschnffel einer Hyne; und als sie mit wenigen Stzen die Lichtung erreichte, sah sie das hliche Tier, halb vergraben in den fiingeweiden einer Rehkuh. Wut und Emprung flammten in Ayla auf. Wie konnte dieses Scheusal es wagen, ihre Wiese zu beschmutzen, ihr Reh zu berfallen? Schon wollte sie auf die Hyne losstrzen und dieses Biest verscheuchen, aber dann lie sie es doch lieber bleiben. Hynen waren reiende Tiere und ihre Zhne krftig genug, die groen Beinknochen von Huftieren zu zermalmen. Und wenn sie ein Tier geschlagen hatten, so waren sie nicht so leicht von ihrer Beute zu vertreiben. Ohne sich noch lange zu besinnen, warf Ayla ihren Korb ab und holte ihre Schleuder heraus. Whrend sie sich Fu vor Fu zu einem Felsvorsprung schlich, der sie decken sollte, bis sie bereit war, suchten ihre Augen den Boden nach Steinen ab. Und schon hob das gefleckte Tier den Kopf, witterte und wandte sich dem Felsen zu. Ayla sprang hervor, schleuderte den ersten Stein ab und lie sogleich den zweiten folgen. Gleich hatte sie einen dritten und vierten Stein zur Hand, um, wenn ntig, einen zweiten Durchgang abzuschieen. Aber schon der erste Stein hatte getroffen. Die Hyne brach zusammen, zuckte kurz und regte sich nicht mehr. Ayla blickte um sich; weit und breit war nichts zu sehen von anderen Hynen. Dann nherte sie sich vorsichtig dem Tier und hielt die Schleuder bereit. Auf halbem Weg sah sie einen groen Rehschenkelknochen, den sie aufnahm. Mit einem unbarmherzigen Schlag sorgte sie dafr, da die Hyne sich nicht mehr erheben wrde. Ayla blickte auf das tote Tier und lie die Keule fallen. Ihre Hand fuhr zum Mund, als wollte sie einen Schrei unterdrcken. Ich habe eine Hyne erlegt, schallte es in ihrem Kopf. Ich habe mit meiner Schleuder eine Hyne erlegt. Nicht ein kleines Tier. Nein, ein Tier, das mich tten knnte. Bin ich jetzt eine Jgerin? Eine richtige Jgerin? Doch kein freudiger berschwang wollte sich einstellen, keine Erregung oder auch nur Befriedigung darber, ein gefhrliches Tier erlegt zu haben. Das, was sie versprte, ging tiefer, nicht in den Kopf, sondern in ihr Herz und lste ein Gefhl von Demut in ihr aus. Es war die Erkenntnis, sich selbst bezwungen zu haben. Und mit tief empfundener Ehrfurcht bedeutete Ayla dem Geist ihres Totems: "Ich bin nur ein Mdchen, Groer Hhlenlwe, und die Wege der Geister sind mir fremd." Aber, und so fuhr sie mit feierlicher Gebrde fort, sie glaube, da sie jetzt mehr she. Der Luchs hatte fr sie eine Prfung sein sollen wie Broud. Und Creb habe ihr immer erklrt, da mchtige Totems Hohes forderten, aber er habe sie nie wissen lassen, da die grten Gaben, die sie einem bescherten, im Inneren zu finden seien. Er habe sie nie wissen lassen, wie ihr ums Herz sein wrde, wenn sie endlich begreife. Die Prfung wre nicht irgendeine schwere Aufgabe; das Wissen, sie bewltigen zu knnen, sei die Prfung! Ayla kniete nieder und hob die Hnde gegen den Himmel. "Ich danke dir, da du mich erwhlt hast. Groer Hhlenlwe. Ich will mich deiner immer wrdig zeigen." Als das Herbstfeuer in den Baumkronen allmhlich erlosch und welke Bltter wie gelber Schnee zu Boden schwebten, kehrte Ayla in den Wald zurck. Sie verfolgte die Spuren der Tiere, die zu jagen und zu erlegen sie sich entschlossen hatte, und machte sich mit ihren Lebensgewohnheiten vertraut. Doch Ayla achtete sie jetzt sowohl als Geschpfe der Natur als auch als nicht zu unterschtzende Gegner. Oftmals, wenn sie nahe genug war, um zur Schleuder zu greifen, lie sie es und schaute nur. In ihr wuchs ein Gefhl dafr, da es Verschwendung war, ein Tier zu tten, das den Clan nicht bedrohte und dessen Fell sie nicht verwenden konnte. Noch immer war sie entschlossen, im Schleudern die Beste des Clans zu werden; sie hatte keine Ahnung, da sie es lngst schon war. Ihr Knnen weiter verfeinern konnte sie nur, wenn sie jagte. Und sie tat es. Der Erfolg blieb nicht unbemerkt. Unter den Mnnern des Clans breitete sich Unbehagen aus. "Nicht weit von der Lichtung, wo wir immer schleudern, habe ich schon wieder einen toten Vielfra gefunden", berichtete Crug erregt. "Und auf der anderen Seite vom Grat, unten am Hang, lagen Fellfetzen. Sah ganz nach einem Wolf aus", fgte Goov hinzu. "Immer sind es reiende Tiere, Fleischfresser, keine weiblichen Totems", bedeutete Broud verwundert. "Grod mchte, da wir den Mog-ur befragen." "Hirsche und Pferde, Schafe und Bergziegen, sogar Wildschweine werden immer von den groen Katzen, den Lwen und Hynen gerissen. Aber wer macht Jagd auf die kleineren reienden Tiere? Noch nie habe ich gesehen, da so viele gettet wurden", fuhr Crugs Hand dazwischen. "Wer ttet sie? Wir sind es nicht. Wird Grod den Mog-ur endlich befragen? Kann es ein Geist sein?" Broud unterdrckte einen Schauder. "Und wenn es ein Geist ist, ist es dann ein guter, der uns hilft, oder ein bser Geist, der unseren Totems zrnt?" machte Goovs fragende Hand. "Nur in deinem Herzen kann eine solche Frage sich erheben, Goov. Du bist des Mog-urs Gehilfe. Was glaubst du?" gab Crug zurck. "Ich glaube, es wird ntig sein, uns tief in die Welt der Geister zu versenken, um auf die Frage eine Antwort zu bekommen." "Du zeigst schon das Gehabe eines Mog-urs, Goov. Niemals eine klare Antwort", stellte Broud mit scherzhafter Gebrde fest. "Wie sieht denn deine Antwort aus, Broud?" entgegnete Goov. "Ist sie klarer? Wer ttet die Tiere? Kannst du es deuten?" "Ich bin kein Mog-ur. Mich darfst du nicht befragen." Ayla, die nicht weit von den Mnnern an der Arbeit war, unterdrckte ein Lcheln. Jetzt bin ich also ein Geist, aber sie wissen nicht, ob ein guter oder ein bser, dachte sie. Creb nherte sich unbemerkt. Er hatte alles beobachtet. "Auch ich habe noch keine Antwort, Broud", bedeutete der Mog-ur. "Sie zu finden bedarf der Versenkung in die Tiefen der Geisterwelt. Aber eines will ich dich wissen lassen. Es ist nicht nach Art der Geister." Geister, dachte der Mog-ur bei sich, konnten glhende Hitze oder eisige Klte schicken; zuviel Regen oder zuviel Schnee, konnten die Tierherden vertreiben oder Krankheit senden, Donner und Blitz oder Erdbeben bringen, doch sie gaben sich nicht damit ab, einzelne Tiere zu tten. Er ahnte die Hand eines Sterblichen hinter diesem Geheimnis. Ayla stand auf und ging zur Hhle. Der Zauberer blickte ihr nach. Sie hat sich gewandelt, ging es Creb durch den Kopf. Er gewahrte, wie auch Brouds Blick ihr folgte. Ha blitzte in den Augen des jungen Jgers. Ihm ist es auch aufgefallen, erkannte der Alte und beschwichtigte sich: Vielleicht wird jetzt sichtbar, da sie nicht eine von uns ist. Sie bewegt sich ganz anders; sie wird erwachsen. Doch irgend etwas Nebelhaftes trieb in Crebs Stirn, und er wute, da dies nicht die Antwort war. Ayla hatte sich wirklich gewandelt. Das Jagderlebnis hatte sie sicherer gemacht und strker im Geist. Auch hatte sich eine geschmeidige Anmut der Bewegungen herausgebildet, welche die Clan-Frauen nicht zustande brachten. Ayla hatte den lautlos weichen Schritt der erfahrenen Jgerin, beherrschte jeden Muskel des jungen Krpers und besa Vertrauen zu sich selbst. Ein unerklrlicher, weitschauender Blick stand in ihren Augen, die sich kaum merklich verhllten, wenn Broud anfing, sie zu drangsalieren. Er hatte dann immer das Gefhl, als she sie ihn gar nicht. So eilfertig wie zuvor gehorchte sie seinen barschen Befehlen, doch Angst konnte er nicht mehr in ihr erwecken. Ihr gelassenes Betragen und ihr Vertrauen zu sich selbst waren weit weniger greifbar, aber Broud sprte beides, und es wurmte ihn wie ihre bewute Aufsssigkeit frherer Tage. Es war eben, als liee sie sich herab, seinen Befehlen zu willfahren, als bese sie ein Wissen, das ihm nicht zugnglich war. Er beobachtete sie, versuchte auszumachen, worin die Wandlung lag, hoffte, etwas zu entdecken, wofr er sie bestrafen konnte, doch nichts fiel ihm ein. Broud hatte keine Ahnung, wie sie es anstellte, denn jedesmal, wenn er ihr seine berlegenheit zeigen wollte, gab sie ihm das Gefhl, er stnde weit unter ihr. Es nagte und fra an ihm und trieb ihn fast zur Raserei. Doch je mehr er Ayla zusetzte, desto unterlegener fhlte er sich, und er hate sie dafr. Nach und nach lie Broud seine Peinigungen bleiben und ging ihr sogar aus dem Weg. Sein Ha aber loderte heier denn je. Es wrde der Tag kommen, wo er sie in die Knie zwingen wrde. Eines Tages mte auch sie bluten fr die Wunden, die sie seiner Selbstachtung schlug. ~Kapitel 12 Und wieder nherte sich der Winter, und zum ersten Mal erwartete Ayla Klte und Dunkelheit mit Ungeduld. Whrend der umtriebsamen Tage der warmen Jahreszeit hatte Iza das Mdchen nicht oft unterweisen knnen. Als die ersten Schneeflle einsetzten, nahm sie die Belehrung wieder auf. Und als Klte und Finsternis endlich gewichen waren, hatte Ayla wieder viel dazugelernt. Spt hielt der Frhling Einzug. Die schmelzenden Wasser, die das Gebirge herabrannen, und heftige Regengsse lieen den Bach zu einem brodelnden wilden Wasser anschwellen, das sich ber sein Bett hinwegsetzte und wirbelnd und strudelnd zum Meer hinunterstrzte. Bume und Bsche mit sich reiend. Weiter abwrts zwang ihn ein Gewirr aus sten und Bumen, die sich dort verfangen hatten, ber die Ufer zu treten, so da er den Fupfad berschwemmte, den die Clan-Leute getrampelt hatten. Auf eine viel zu frhe kurze Wrme, die berall die Knospen -verlockte, sich zaghaft zu ffnen, folgten niedertrchtige Hagelstrme, die die zarten Blten zerstrten und alle Hoffnungen auf eine reiche Ernte zunichte machten. Doch es war, als htte die Natur doch ein Einsehen mit den Erdlingen und wollte die miliche Ernte, die bei Baumfrchten kommen wrde, vergessen machen, denn im Frhsommer reiften Gemse, Wurzeln, Krbispflanzen und Hlsenfrchte in Hlle und Flle. Die Clan-Leute machten lange Gesichter, als sie diesmal nicht, wie gewohnt, gleich zu Beginn des Frhjahrs zum Meer hinunterziehen konnten, um Lachse zu fangen. Brun jedoch versprach, da man statt dessen gemeinsam Str und Dorsch erbeuten wollte. Hufig zwar wanderten die Clan-Leute zum landumschlossenen Wasser hinunter, um Weichtiere zu fangen und die Eier der Seevgel zu sammeln, die in den Klippen nisteten; die mchtigen Fische an Land zu bringen war aber eine der wenigen Unternehmungen des Clans, an der Frauen wie Mnner beteiligt waren. Aber Droog wollte nicht nur der Fische wegen zum Meer hinunter. Regen und Schneeschmelze hatten aus der abgelagerten Kreide der hochgelegenen Gebirge frische Flintsteinbrocken zu Tal gesplt und sie zum aufgeschwemmten Land an der Kste hinuntergetragen. Auf einem frhen Streifzug an die See hatte Droog mehrere Flintsteinbrocken liegen sehen, und er fand, es wre an der Zeit, Werkzeug und Gert des Clans durch neue Schaber, Bohrer, Klingen, Messer, Spitzen zu ergnzen. Es war einfacher, dort den Flintstein zu bearbeiten, wo man ihn fand, anstatt die schweren Brocken zur Hhle zurckzuschleppen. Es war schon eine ganze Weile her gewesen, als Droog das letzte Flintsteinmesser abgeschlagen hatte. Man wute sich mit grberen Gerten zu begngen, die aber, der Stein war sprde und leicht brchig, mitunter leicht zersprangen. Alle Mnner im Clan konnten sich das Werkzeug selber schaffen, doch Droog war der beste unter ihnen. Prickelnde Erwartung beflgelte die Erdlinge bei ihren Vorbereitungen fr den geplanten Fischfang. Es ergab sich nicht hufig, da der gesamte Clan die Hhle verlie, und die Aussicht, am Meer eine Lagersttte aufzuschlagen, war prickelnd und voller Reiz, besonders fr die Kinder. Brun hatte bestimmt, da jeden Tag ein Mann oder zwei zur Hhle zu laufen hatten, um dort nach dem Rechten zu sehen. Selbst Creb war guter Dinge und sprte keine Schmerzen in den Gliedern. Seine Wanderungen fhrten ihn selten aus der Nhe der Hhle. Die Frauen nahmen sich das groe Netz vor, ersetzten rissig und brchig gewordene Maschen und knpften ein zweites an. Die Schnre drehten sie aus faserigen Wurzeln, sehniger Baumrinde, zhen Grsern und langen Tierhaaren. Sehnen wurden nicht verwendet, obwohl diese krftig und zh waren; das Wasser machte sie hart und steif, und sie nahmen das Fett, das sie geschmeidig halten sollte, nicht gut auf. Die mchtigen Stre, hufig ber drei Manneslngen gro, wanderten im Frhsommer vom Meer, wo sie den grten Teil der Zeit lebten, in die Swasserflsse, um dort zu laichen. Die Bartfden an der Unterseite des zahnlosen Saugmauls gaben ihnen ein grimmiges Aussehen, doch sie ernhrten sich von wirbellosen Tieren und kleineren Artgenossen, die sie vom Grund des Meeres aufstberten. Die kleineren Dorsche, im allgemeinen schwerer als ein kleines Kind, machten sich jeden Sommer in die oberen Gewsser auf, die flacher waren. Meist hielten sie sich im schlammigen Grund, wo sie ihre Nahrung suchten, aber es kam auch vor, da sie auf ihren Wanderungen in Swassermndungen hineinschwrmten. Whrend der zweimal siebentgigen Laichzeit der Stre wimmelte es in den Mndungen von Flssen und Strmen davon. Zwar erreichten die kleinere Gewsser whlenden Fische an Gre bei weitem nicht die Ungeheuer, die das Wasser der mchtigen Strme aufwhlten, doch auch mit diesen wrden die Clan-Leute alle Mhe haben, sie mit dem Netz ans Land zu ziehen. Als nun die Zeit der Strwanderung nher rckte, schickte Brun jeden Tag einen Mann zur Kste hinunter; und sowie der erste dieser groen Knorpelschmelzschupper den Oberlauf des Flchens erreicht hatte, wurde das vereinbarte Zeichen gegeben. Am nchsten Morgen wollte man aufbrechen. Ayla erwachte mit klopfendem Herzen. Noch vor dem Morgenverzehr hatte sie ihr Schaffell zu einem Bndel gerollt, Essen und Gertschaften in ihrem Sammelkorb gepackt und die groe Tierhaut, die als Wetterschutz dienen sollte, obenauf geladen. Iza verlie die Hhle niemals ohne ihren Medizinbeutel. Sie war noch beim Einpacken, als Ayla aus der Hhle rannte, um zu sehen, ob alles bereit war zum Aurbruch. "Schnell, Iza", drngelte das Mdchen, als es wieder hereingelaufen kam. "Wir ziehen gleich los." "Nur mit der Ruhe, mein Kind", beschwichtigte die Medizinfrau. "Das groe Wasser luft uns nicht fort." Und zog die Schnur an ihrem Beutel zusammen. AyTa schwang sich den Sammelkorb auf den Rcken und setzte sich Uba auf die Hfte. Iza folgte ihr hinaus, kehrte aber noch einmal um, schnell nachzusehen, ob auch nichts vergessen war. Immer hatte sie das Gefhl, etwas zurckgelassen zu haben, wenn sie aus der Hhle ging. Die meisten Clan-Leute hatten sich schon drauen versammelt, und kurz nachdem Iza ihren Platz eingenommen hatte, gab Brun das Zeichen zum Aurbruch. Kaum waren sie ein Stck gegangen, als Uba zu quengeln anring und hinunter wollte. Das kleine Mdchen, jetzt drei und einen halben Sommer alt, war schon dabei, die anderen nachzuahmen. Sie wollte auch sein wie diese. Noch vier, fnf Sommer, und sie wrde eine Frau sein. In dieser kurzen Zeit des krperlichen Reifens hatte Uba vieles vom Clan-Brauch zu erlernen, und ein inneres Gespr trieb sie, dieses alsbald zu tun, um ihren Pflichten spter vollauf zu gengen. "Gut, Uba", nickte Ayla, lie das Kind hinunter und deutete auf ihre Fersen. "Aber bleibe dicht hinter mir." Sie folgten dem Bach, der noch immer mchtig angeschwollen war, den Berghang hinunter, schlugen dort, wo das Gewsser seinen Lauf verndert hatte und wo man nicht gehen konnte, einen Bogen und wanderten auf dem neuen Weg weiter. Es war nicht sonderlich beschwerlich, und noch vor Tagesmitte erreichten sie den breitflchigen Strand. Aus sten und Stmmen, die das Wasser angetrieben hatte, errichteten sie weit genug hinten, wo die Flut nicht hinlecken konnte, ihren Unterschlupf-jede Familie einen. Feuer wurde entzndet und das Netz noch einmal genau geprft. Morgen wollten sie den ersten Fischzug machen. Nachdem die Lagersttten aufgeschlagen waren, lief Ayla zum Meer, hatte aber noch der Medizinfrau angedeutet: "Ich gehe jetzt ins Wasser, Iza." Die Medizinfrau schttelte sorgenvoll den Kopf. "Warum gehst du immer ins Wasser, Ayla? Und immer so weit hinaus? Das ist gefhrlich!" "Gut, Iza, ich bin vorsichtig." Immer wenn Ayla schwamm, schwitzte Iza vor Angst. Das Mdchen war die einzige im Clan, die gern schwamm. Denn sie war die einzige, die schwimmen konnte. Die Clan-Leute hatten frchterliche Angst vor dem tiefen Wasser. Um Fische zu fangen, wateten sie zwar hinein, aber nur bis zur Krpermitte. Ay-las Vorliebe fr das tiefe Wasser war in ihren Augen eine der Eigenarten dieses Mdchens. Ayla war jetzt im neunten Sommer und grer als alle anderen Frauen, so gro wie mancher Mann; aber noch immer zeigten sich an ihrem Krper keine Male, die merken lieen, da sie fraulich wrde. Manchmal drngte sich Iza die Frage in den Kopf, ob das Mdchen wohl je aufhren wrde zu wachsen. Und bei manchen im Clan stieg der Verdacht hoch, ihr starkes mnnliches Totem verhindere, da Ayla jemals erblhte. Creb humpelte zu Iza hinber, die am Ufer stand und Ayla nachschaute, die ungelenk und schlaksig wirkte mit ihrem langen, schlanken Krper und den hohen, geraden Beinen. Doch ihre Bewegungen waren flieend und geschmeidig. So sehr sie sich auch bemhte, den tief ergebenen Schlurfeschritt der Clan-Frauen nachzumachen, es gelang ihr nicht. Ihre Beine wollten laufen, wie sie konnten. Aber nicht nur durch ihren Krper und wie sie ihn hielt, unterschied sich Ayla von den Clan-Leuten. Sie vertraute auf sich selbst, und das war ein Gefhl, das keine der Frauen je empfunden hatte. Sie war eine Jgerin. Kein Clan-Mann wute besser mit der Schleuder umzugehen als sie. Ergeben zu sein und nicht einmal zu wissen warum, Schwche zu zeigen, die sie nicht fhlte - beides war von ihr nicht vorzutuschen. Ihr hochaufgeschossener, schlanker Krper, dem keine Knospen, geschweige Brste kamen, und ihre arteigene Zuversicht machten sie in den Augen der Mnner unansehnlich und abstoend. "Creb", wandte sich Iza an den Zauberer, "Aba und Aga glauben, sie wird niemals eine Frau werden. Sie glauben, ihr Totem ist zu stark." "Gewi wird sie eine Frau werden, Iza. Glaubst du denn, die Fremdlinge bringen keine Kinder hervor? Sie ist im Clan aufgenommen worden, aber sie ist geblieben, was sie war. Es kann sein, da die Frauen der anderen spter schwellen und reifen. Es gibt Mdchen im Gro-Clan, die erst spt zu Frauen werden", erklrte der Mog-ur. Iza war beruhigt. Dennoch wnschte sie instndig, des Mdchens Brust wrde endlich zu knospen beginnen. Sie sah, wie Ayla ins Wasser hineinwatete, untertauchte, hochkam und mit den Hnden das Wasser zerteilte. Es war Ayla, als fiel alles Beengende von ihr ab, als sie sich wenig spter von der schwachen Dnung des salzigen Wassers schaukeln lie. Und als sie noch etwas weiter hinausgeschwommen war, fiel der Grund unter ihr jh ab. Das Wasser wurde dunkelgrn und pltzlich klter. Ayla drehte sich auf den Rcken und lie sich noch eine Weile auf den Wogen treiben. Ein salziger Wellenkamm fuhr ihr ber das Gesicht, und sie hustete, spuckte, rollte sich wieder auf den Bauch und schwamm zurck. Die Ebbe hatte eingesetzt. Jetzt zu schwimmen war beschwerlicher. Ein wenig auer Atem erreichte sie schlielich das Seichte. Als sie sich im sen Wasser des Baches absplte, sprte sie, wie die krftige Strmung gegen ihre Beine drckte und den sandigen Grund unter ihren Fen abtrieb. Am Feuer vor dem Unterschlupf hockte sie sich hin - mde, aber erfrischt. Nach dem Verzehr starrte Ayla in die Ferne, dahin, wo Wasser und Himmel sich trafen, als wolle sie erkunden, was jenseits davon lag. Schreiende, krchzende Seevgel kreisten am Himmel, schssen herab, als wollten sie sich zu Tode strzen, zogen, bevor sie das Wasser berhrten, den Krper nach oben und verschwanden, einen Fisch im Schnabel, fr eine Weile in den Klippen. Die bleichen, verwitterten Stmme einst lebhaft rauschender Bume stachen windverzerrt in den Abendhimmel. Das endlose blaugrne Wasser funkelte und sprhte, als die Sonne langsam in ihm versank. Als sich die Finsternis einer mondlosen Nacht herabgesenkt hatte, brachte Iza ba in den Unterschlupf und hockte sich neben Ayla und Creb an das kleine Feuer, von dem dnne Rauchfden zum sternbedeckten Himmel aufstiegen. "Was ist das, Creb?" Ayla deutete nach oben. "Das sind Feuer am Himmel. Jedes ist die Feuersttte vom Geist eines Erdlings der anderen Welt", erklrte der Mog-ur. "Gibt es so viele Erdlinge?" fragte Ayla und sperrte die Augen auf. "Es sind die Feuer aller Erdlinge, die in das Jenseits gegangen sind, und aller Erdlinge, die noch geboren werden. Es sind auch die Feuer der Geister der Totems, aber die meisten Totems haben mehr als eines. Siehst du die dort drben?" Creb hob die Hand. "Das da ist die Feuersttte des Groen Bren. Und siehst du die dort?" Creb drehte sich und wies nach hinten. "Das sind die Feuer deines Totems, Ayla, des Hhlenlwen." "Ich schlafe gern im Freien, wo man die kleinen Feuer hoch da oben sehen kann", sagte Ayla. "Aber wenn der Wind blst und der Schnee vom Himmel fllt, dann ist es nicht schn", gab Iza zurck. "Uba will auch sehen", bat das Kind, das pltzlich aus der Dunkelheit im unruhigen Geflacker des Feuers auftauchte. "Du schlfst noch nicht?" wunderte sich Creb. "Nein. Uba will die kleinen Feuer sehen", beharrte die Kleine und setzte sich ihm auf den Scho. Iza stand auf. "Es ist Zeit, da wir uns schlafen legen. Vor uns liegt noch viel Arbeit." Sie deutete auf das Netz, das an Pfhlen aufgehngt war und wie eine schwarze Mauer sich zum Wasser hinzog. Anderntags breiteten die Clan-Leute in aller Frhe ihr Netz ber dem Bach aus. Schwimmblasen, die man den Fischen entfernt, dann sorgsam ausgewaschen und zu harten luftigleichten Gebilden getrocknet hatte, dienten als Auftrieb fr die Oberkante des Netzes; Steine an der Unterkante dienten als Gewichte, so da es aufrecht im Wasser stehen wrde. Brun und Droog schleppten das eine Ende zum gegenberliegenden Ufer. Dann gab der Clanfhrer das ersehnte Zeichen. Erwachsene und Kinder wateten ins Wasser. Auch Uba wollte mit. "Nein", bedeutete ihr Iza, "du bleibst drauen, Uba. Du bist noch nicht gro genug", und wies zum Feuer. Die Kleine schttelte uneinsichtig den Kopf. "Aber Ona hilft auch." Iza wurde ungeduldig. "Ona ist grer als du, Uba. Nachher kannst du helfen, wenn wir die Fische an Land gezogen haben. Hier ist es zu gefhrlich fr dich. Sogar Creb bleibt am Ufer. Gehe jetzt zu ihm." Enttuscht wandte sich Uba ab und trottete zurck. Bedchtig wateten sie ins Wasser, damit es so wenig wie mglich aufgewhlt wurde, und bildeten einen weiten Halbkreis. Man wartete, bis der aufgewirbelte Sand und Schlick sich wieder gelegt hatten. Ayla stand mit gespreizten Beinen, um sich gegen die starke Strmung zu stemmen, und lie Brun nicht aus den Augen. Sie hatte ihren Platz in der Mitte der Mndung, von beiden Ufern gleich weit entfernt, dem offenen Meer am nchsten. Nicht weit von ihr entfernt glitt ein groer dunkler Schatten durch das Wasser. Die Stre kamen! Brun hob den Arm. Ein jeder hielt den Atem an. Und im selben Augenblick, als der Clan-Fhrer den Arm wieder nach unten schwang, fingen alle an zu schreien und auf das Wasser zu schlagen, bis es Schaum sprhte. Gleichzeitig rckten die Clan- Leute immer enger zusammen, verkleinerten ihren Kreis immer mehr, um die Fische ins Netz zu treiben. Vom anderen Ufer wateten Brun und Droog hinzu und schwangen das Netz herum, whrend die brigen Clan-Leute mit Gebrll und Gebrden die Fische daran hinderten, zurck ins offene Meer zu schwimmen. Immer enger zog sich das Netz zusammen, drckte das glitzernde Getmmel schwanzschlagender Fische auf immer kleiner werdendem Raum zusammen. Einige der groen Knorpel-schmelzschupper preten sich gegen die verknoteten Schnre und drohten auszubrechen. Und noch mehr Hnde griffen zum Netz, schoben es zum Ufer hin, whrend jene, die dort standen, nach Krften an ihm zogen, um seine zuckende Flle an Land zu bringen. Ayla blickte auf und sah Uba, die knietief zwischen wild schlagenden Fischleibern stand und versuchte, zu ihr zu gelangen. "Uba!" rief sie. "Zurck!" und wies gebietend zum Ufer. "Ayla! Ayla!" schrie das Kind, auf das offene Meer deutend, "Ona!" Ayla drehte sich um und sah gerade noch einen dunklen Kopf, der kurz aus dem Wasser emportauchte, ehe er wieder versank. Das Kind war ins Tiefe gekommen und wurde nun aufs Meer hinausgetrieben. Keiner von denen, die da begeistert die Beute zu bergen trachteten, hatte auf Ona geachtet. Wie ein Otter tauchte Ayla in das aufgewhlte Wasser und strebte mit krftigen Sten zum Meer hinaus. Sie schwamm schneller als je zuvor in ihrem Leben. Die rcklufige Strmung half ihr, aber sie trug auch mit gleicher Kraft das kleine Mdchen hinaus. Wieder sah Ayla den dunklen Kopf auftauchen und zog die Arme noch strker durch. Langsam kam sie Ona nher; Angst schlo sich um ihr Herz, es doch nicht mehr zu schaffen. Wenn Ona die Stelle erreichte, wo der Meeresgrund steil abfiel, dann wrde sie von dem gewaltigen Sog unwiderstehlich in die Tiefe gezogen werden. Das Mdchen war jetzt im Salzwasser. Die Lippen schmeckten das, und die Augen brannten. Zwei Manneslngen vor ihr tauchte der kleine dunkle Kopf noch einmal auf und versank dann. Ayla fhlte pltzlich die schneidende Klte des Wassers, als sie verzweifelt sich bog und nach unten schnellte. Haarstrhnen kamen ihr in die Finger, die sich fest schlssen und das, was sie hielten, nicht mehr loslieen. Ihr war, als wrde ihr die Brust zerbersten. Als sie unter- tauchte, war zu einem tiefen Atemzug nicht mehr gengend Zeit gewesen. Schwarze Kreise drehten sich in ihrem Kopf, als Ayla endlich den Wasserspiegel durchbrach und das Kind an den Haaren nach oben zerrte. Sie hob Onas Kopf aus dem Wasser, doch wie leblos schwankte der hin und her. Noch nie war Ayla mit einer Last im Arm geschwommen. Doch Ona mute man so rasch wie mglich an Land bringen und darauf achten, da ihr Kopf ber Wasser blieb. Mit einem Arm ruderte Ayla vorwrts, whrend sie im anderen das Kind hielt. Als das Mdchen endlich festen Boden unter den Fen sprte, sah es, wie der ganze Clan ihr entgegenstrzte. Sie hob Onas schlaffen kleinen Krper aus dem Wasser und bergab ihn Droog. Und jetzt erst sprte sie, wie die Knie ihr zitterten und die schwarzen Kreise ihr Hirn durchrasten. Creb stand schon an ihrer Seite, und als sie mhsam aufblickte, sah sie mit Erstaunen, da auf der anderen sich Brun befand. Droog rannte voraus, und als Ayla sich schlielich ermattet in den Sand fallen lie, hatte Iza das kleine Mdchen schon niedergelegt und drckte ihm das Wasser aus dem Leib. Iza wute, was zu tun war. Dies war nicht das erste Mal gewesen, da einer aus dem Clan beinahe ertrunken wre; schon einige waren den gierig-kalten Fluten zum Opfer gefallen. Heute aber war ihnen ihre Beute wieder entrissen worden. Ona fing pltzlich an zu husten und zu spucken, Wasser rann aus ihrem Mund, und ihre Augenlider flatterten. "Mein Kind! Mein Kind!" schrie Aga und warf sich zu Boden. Sie umklammerte das kleine Mdchen und hielt es fest. Droog nahm das Kind aus dem Scho der Mutter und trug es zur Lagersttte zurck. Entgegen dem Clan-Brauch rannte Aga neben ihm her, und immer wieder fuhr sie ber Wangen und Stirn ihres Kindes, das sie schon verloren geglaubt hatte. Unglubige, fragende Blicke folgten Ayla, als sie an den Clan-Leuten vorberging. Niemand war jemals gerettet worden; wen die Fluten erfat hatten, den gaben sie nicht wieder her. Es war hchst wundersam, da Ona lebend zurckgekehrt war. Nie wieder wrde man Ayla besptteln, wenn sie dieses befremdliche Schwimmen betriebe. Sie hat das Glck auf ihrer Seite, nickten sich die Leute zu. Hat sie nicht immer Glck gehabt? Hat nicht sie die Hhle entdeckt? Die Fische lagen noch immer in einem zuckenden Haufen am Strand. Einigen war es gelungen, sich ins Wasser zurckzuschnellen, doch die meisten hingen noch im Netz. Schlugen mit den Schwanzflossen wild um sich, denn sie wuten, da die Luft sie tten wrde. Jetzt machten sich die Clan-Leute daran, sie weiter heraufzuziehen. Mit ihren Keulen schlugen die Mnner auf die Kpfe der Fische ein, bis diese sich nicht mehr rhrten. Die Frauen begannen, sie auszunehmen und zu subern. "Ho!" schrie Ebra laut und deutete auf den Bauch eines riesigen weiblichen Strs, den sie gerade aufgeschlitzt hatte. Alle rannten zu ihr hin. Schon wollte Vorn sich eine Handvoll der winzigen, weichen, schwarzen Eier nehmen. Denn zum Brauch war es geworden, da beim ersten weiblichen Str, der im Frhling gefangen wurde, alle krftig zulangten und sich am Rogen gtlich taten, bis sie nicht mehr konnten. Was dann noch brig blieb und was aus spteren Fngen hinzukam, wurde eingesalzen und auf Vorrat genommen, aber so gut wie frisch aus dem Fisch schmeckte der Rogen nie mehr. Ebra hielt die Hand des Jungen fest und winkte Ayla. "Ayla, nimm du zuerst", forderte sie das Mdchen auf. Sie sah sich unsicher um. "Ja, Ayla, du zuerst", bedeuteten ihr nun auch alle anderen. Das Mdchen blickte auf Brun. Der nickte zustimmend. Scheu trat sie vor und nahm sich eine Handvoll von dem glnzenden schwarzen Rogen. Dann richtete sie sich auf und hob beide Hnde an den Mund. Ebra gab ein Zeichen, und nun strzten sich alle auf den Fisch, um sich ihren Anteil zu holen. Langsam ging Ayla zurck zum Unterschlupf. Sie wute, da man ihr eine Ehre erwiesen hatte. In kleinen, bedchtigen Happen verkostete sie die winzigen Eier des groen Knorpel-schmelzschuppers. Die Frauen hatten die Fische nun zu subern, einzusalzen und zu drren. Auer den scharfen Flintsteinmessern, mit denen sie die Fische aufschlitzten und zerteilten, besaen sie ein besonderes Gert zum Abschaben der Schuppen. Es war ein Messer, am hinteren Ende abgestumpft, so da man es gut in der Hand halten konnte, und an der scharfen Spitze mit einer Einkerbung versehen, in die der Zeigefinger zu legen war, um das Messer besser fhren zu knnen. Auf diese Weise konnten die Schuppen entfernt werden, ohne da die Haut des Fisches verletzt wurde. Auer Stren hatten sich auch Dorsche, Karpfen, einige groe Forellen und sogar Schalentiere im Netz gefangen. Angelockt vom Geruch der Fische segelten die Kstenvgel in Scharen herbei, strzten sich auf die unntzen Eingeweide und schnappten sich hier und dort ein frisches Stck. Als die Fische dann zum Drren ausgelegt waren, an der Luft oder ber flachen Rauchfeuern, breiteten die Clan-Leute das groe Netz zeltartig ber ihnen aus. So konnte es trocknen, die Stellen, die geflickt werden muten, wurden gut sichtbar, und die Vgel konnten dem Clan die hart erkmpfte Beute nicht mehr rauben. In ein paar Tagen wrde ihnen allen der Geruch und Geschmack von Fisch grndlich zuwider sein; an diesem ersten Abend jedoch lieen sie sich ihre Beute genlich schmecken. Den Fisch, grtenteils Dorsch, dessen zartes weies Fleisch bevorzugt wurde, wickelte man in frisches Gras und groe grne Bltter und schmorte ihn. So wie die Clan-Leute zu ihr waren, mute Ayla annehmen, da der Festverzehr ihr zu Ehren stattfand; denn immer wieder drngten die Frauen ihr besonders schmackhafte Bissen auf, und Aga brachte ihr sogar ein fein suberlich entgrtetes groes Schwanzstck, das sie nur fr Ayla zubereitet hatte. Als die Sonne unterging, zogen sich die meisten an ihre eigenen Feuer zurck. Iza und Aba hockten noch an dem groen gemeinsamen Feuer, das nur noch glhte und die Umsitzenden in dunkles Rot tauchte. Die beiden alten Frauen hatten sich viel zu bedeuten, whrend Ayla und Aga ruhig dasaen und Ona und Uba beobachteten, die miteinander spielten. Agas kleiner Sohn Groob schlief satt und zufrieden in den Armen seiner Mutter. "Ayla", begann Aga ein wenig zaghaft. "Ich habe dir nicht immer ein freundliches Gesicht gezeigt." "Du hast dich immer so gegeben, wie der Clan-Brauch es verlangt, Aga", gab das Mdchen zurck. "Aber nicht freundlich", entgegnete Aga entschieden und holte zu langer Gebrde aus. Droog und sie htten sich miteinander beraten. Er habe ihre Tochter in sein Herz aufgenommen, obwohl sie am Feuer ihres ersten Gefhrten geboren worden sei, und sie wissen lassen, da Ayla stets etwas von Onas Geist in sich tragen wrde. Ihr, Aga, wren die Wege der Geister fremd. Droog kennte sie besser. Denn wenn ein Jger das Leben eines anderen Jgers rettete, bewahrte er in seinem Inneren etwas von dem Geist des Mannes, den er gerettet habe. Sie wrden dann Geschwister. Es machte sie froh, da Ayla etwas von Onas Geist in sich trge. In ihrem Herzen bewege sich tiefe Freude, da Ona noch lebe. Wenn sie ein zweites Kind bekommen und es ein Mdchen sei, wrde es Ayla heien sollen. Das hatte Droog ihr versprochen. Ayla verschlug es jegliche Gebrde. Sie wute nicht, was sie darauf erwidern sollte. Nach einer Weile wehrte sie ab. "Aga, diese Ehre ist zu gro. Ayla ist kein Name des Clans." "Er ist es heute geworden", gab die Frau zurck, neigte leicht den Kopf, stand auf, winkte Ona und machte sich auf den Weg zu ihrem Unterschlupf. Dies war die Art der Clan-Leute, voneinander Abschied zu nehmen. Meist unterlie man die Gebrde und ging einfach davon. Ein Zeichen, um sich zu bedanken, gab es auch nicht. Die Erdlinge kannten Dankbarkeit, aber diese Dankbarkeit war meist das Sich-verpflichtet-Fhlen eines Rangniedrigeren dem Ranghheren gegenber. Sie halfen sich gegenseitig, weil sie aufeinander angewiesen waren, um berleben zu knnen. Dank wurde da nicht erwartet. An besondere Geschenke oder Geflligkeiten war die Verpflichtung zur gleichwertigen Gegenleistung geknpft, was sich von selbst verstand. Dank war nicht ntig. Und solange Ona lebte, wrde sie in Aylas Schuld stehen, es sei denn, es bte sich eine Gelegenheit, Aylas Tat mit gleichem zu vergelten und etwas von Aylas Geist in sich hineinzuholen. Kurz nachdem ihre Tochter gegangen war, erhob sich auch Aba. "Iza meinte immer, da dich der Glcksgeist besonders bedenkt", bedeutete die alte Frau dem Mdchen im Vorbergehen. "Jetzt glaube ich es." Aba schlurfte davon. Ayla rckte zu Iza auf und tat ihr dar, da Aga sie habe wissen lassen, da ihrer stets etwas von Onas Geist teilhaftig sein wrde. Aber sie habe Ona doch nur zurckgeholt, und Iza habe sie zum Atmen gebracht. Auch sie habe ihr das Leben gerettet. Ob sie nicht auch etwas von Onas Geist in sich trge? Die Medizinfrau setzte sich etwas auf, schaute kurz zum sternenbersten Himmel und begann mit beredter Bewegung: "Unsereins trgt den Geist aller Mnner und Frauen des Clans in sich, Ayla. Deshalb habe ich meinen eigenen Rang. Durch ihren eigenen Clan trgt die Medizinfrau sogar den Geist des Gro-Clans in sich. Sie hilft den spteren Mnnern und Frauen des Clans, das Leben zu erblicken, und ist fr sie da, bis sie ins Reich der Toten gehen. Wenn eine Frau zur Medizinfrau wird, dann wird ihr etwas vom Geist aller zuteil."Iza schaute das Mdchen ernst an und fuhr fort: "Und wenn ein Mann oder eine Frau gestorben ist, dann wird der Medizinfrau wieder etwas von diesem Geist genommen. Manche meinen, da eine Medizinfrau nur deshalb so hart kmpft, um das Lebensfeuer in den Krpern zu bewahren; aber die meisten sorgen sich einfach darum, weil so sich zu verhalten ihnen einfach im Blut liegt. Nicht jede Frau kann Medizinfrau werden; nicht jede Tochter einer Medizinfrau kann es werden. Sie mu tief da drinnen etwas haben", Iza zeigte mit der Rechten auf ihr Herz, "das sie treibt, anderen helfen zu wollen. Dir ist es gegeben, Ayla. Deshalb habe ich dich unterwiesen. Ich habe es gleich gemerkt, als du vor langer Zeit dieses Kaninchen in die Hhle brachtest. Und heute morgen hast du nicht daran gedacht, da dich das groe Wasser auch verschlingen knnte. Du wolltest nur Onas Leben retten. Wenn du eine Medizinfrau wirst, Ayla, dann bist du von meinem Stamm. Und die von meinem Blut haben den hchsten Rang im Clan." Das Mdchen glaubte, nicht richtig gesehen zu haben und deutete zurck. "Aber ich bin doch nicht deine eigene Tochter, Iza. Wie kann ich denn da von den Deinen abstammen? Zurckzuschauen in die fernste Ferne der Vergangenheit vermag ich nicht. Ich wei nicht einmal, was vorher war, bevor du mich gefunden hast." Mit ruhigem Ernst entgegnete Iza, da ihr Stamm deshalb den hchsten Rang habe, weil die Medizinfrauen ihres Blutes immer die besten gewesen seien, ihre Mutter und deren Mutter und die Mutter von jener und wieder die Mutter davor. Die eine hatte der anderen, die folgte, weitergegeben, was sie wute und gelernt hatte. Ayla gehre zum Clan; sie sei ihre Tochter, von Creb, dem Mog-ur, benamst und von ihr unterwiesen. Und deshalb solle sie alles Wissen bekommen, das sie ihr geben knne. Es wre mglich, da es nicht alles sei, was sie wisse, aber es wrde gengen, weil Ayla besonders begabt sei im Kopf. Sie, Iza, glaube, da das Mdchen selbst ein neuer Zweig an einem Stamm von Medizinfrauen wrde. Sie habe zwar nicht die Gabe zurckzublicken, sie knne aber sehen und fhlen, was andere schmerzte. Und da sie wisse, wo das Weh wre im Krper, knne sie helfen. Sie habe ihr auch nicht befehlen mssen, Schnee auf Bruns Arm zu legen, als Oga ihn verbrhte. Es knnte sein, da sie, Iza, dies auch getan htte. Aber Aylas Gabe, vorauszusehen und zu -deuten, sei wahrlich besser, als das innere Auge zurckzulenken. Im Leben der Leute am Strand stellte sich nach und nach das gewisse Gleichma ein, wie oben in der Hhle. Morgens zogen die an-Leute aus und fingen Fische; den Rest des Tages verbrachten die Frauen damit, das Erbeutete zu subern und zu drren. Ona durfte nicht mehr ins Wasser hinaus, und ein weiteres Unglck gab es nicht. Gegen Ende der Laichzeit fielen die Fangzge nicht mehr so reichlich aus, und die Frauen waren weniger belastet. Die Reihe der Gestelle, auf denen die Fische drrten, wurde von Tag zu Tag lnger. Droog hatte das Schwemmland grndlich nach Flintsteinknollen abgesucht und mehrere Brocken zum Lagerplatz zurckgeschleppt. Oft hockte er am Nachmittag da und arbeitete an neuen Werkzeugen. So sah Ayla zu, wie der Alte ein Bndel aus seinem Unterschlupf holte und es zu einem verwitterten Baumstamm hinbertrug, wo er sich, um sich von Zeit zu Zeit mit seinem Rk-ken anzulehnen, meist niedersetzte. Das Mdchen schaute ihm gerne zu und folgte ihm. Mit gesenktem Kopf setzte es sich vor ihm nieder. "Ich mchte zusehen, wenn der Werkzeugmacher nichts dagegen hat", bedeutete sie ihm. "Hm." Droog neigte zustimmend den Kopf. Ayla suchte sich einen Platz auf dem Baumstamm und beobachtete ihn still. Schon frher hatte das Mdchen ihm zugesehen. Droog wute, da es begierig war zu wissen, wie er die Werkzeuge machte, und da sie ihn nicht von seiner Arbeit ablenken wrde. Htte doch nur Vorn dieses Verlangen gezeigt, ging es ihm durch den Kopf. Keiner der Clan-Jungen wollte Werkzeuge fertigen, geschweige es erlernen, und dabei htte Droog doch sein Geschick und seine Kenntnis gern geteilt und jemandem weitergegeben. Seine einzige Hoffnung war der kleine Groob. Es machte ihn froh, da seine neue Gefhrtin so bald nach Ona durch seinen Geist einen Jungen geboren hatte. Er war es jetzt zufrieden, Aga und ihre beiden Kinder an seine Feuersttte genommen zu haben. Selbst ihre alte Mutter war so lstig nicht. Aba kmmerte sich um ihn, wenn Aga mit dem Sugling beschftigt war. Anfangs hatte es Droog einigen Kampf gekostet, sie an ihren Platz zu verweisen. Doch Aga war jung und gesund und hatte ihm einen Sohn hervorgebracht, den Droog zum Werkzeugmachen auszubilden hoffte. Den Stein zu bearbeiten, hatte er vom Gefhrten der Mutter seiner Mutter gelernt; und man konnte in Droog selbst die Freude nachfhlen, die damals der alte Mann im Herzen gehabt, als er fr diese Fertigkeiten sich begeisterte. Ayla war jedoch schon oft bei ihm gewesen, und er hatte die Werkzeuge gesehen, die ihre Hnde aus dem Stein geschlagen hatten. Sie waren vielseitig im Schlagen, Spnen und Raspeln. Den Frauen war es zwar gestattet, Werkzeug anzufertigen, solange es nicht als Waffe verwendet werden sollte. Doch es hatte nicht viel Wert, darin ein Mdchen zu unterrichten; doch Ayla besa einiges Geschick, machte brauchbares Werkzeug, und Ayla war ein Mdchen, das von ihm lernen wollte, lieber als niemand. Der Alte ffnete das Bndel und breitete die Tierhaut aus, in die er sein Arbeitsgert eingeschlagen hatte. Von unten warf er Ayla einen forschenden Blick zu und beschlo, ihr klarzumachen, woraus der Stein bestnde und wie er beschaffen sei. Er griff zu einem unbrauchbaren Stck, das er gerade gestern weggeworfen hatte. Ayla beobachtete Droog mit gespannten Blicken, als er ihr mit Hnden und Fingern und feinen oder auch ausgreifenden Gebrden Erklrungen gab. Zunchst einmal, zeigte er ihr, mu ein Gestein hart genug sein, um das Bentigte tierischer und pflanzlicher Art zu schneiden, schaben oder zerteilen zu knnen. Viele der kieselsauren Steine aus der Erdkruste besaen die ntige Hrte; doch der Flintstein zeigte sich besonders eigen. Er war zerbrechlich oder zersprang unter Druck oder bei Erschtterung. Ayla fuhr erschrocken zurck, als Droog den Stein fest mit einem anderen zusammenstie. Der Stein zerbrach; in seinem glnzend dunkelgrauen Inneren zeigte sich ein andersartiges Gestein. Droog wute nicht recht, wie er ihr die dritte Eigenheit von Flintstein nahebringen sollte. Er selbst wute nur um sie aus einem tiefen Gespr heraus, das sich durch das stndige Arbeiten mit dem Gestein entwickelt hatte. Die dritte Eigenheit zeigte sich in der Art, wie der Stein brach. Da die meisten Steine in ebenen Flchen, gleichlaufend zu ihrem kristallinen Aufbau brachen - also nur in einer bestimmten Richtung -, waren sie nach des Werkzeugmachers Willen nicht formbar. Manchmal, wenn er es finden konnte, verwendete Droog das schwarze glasige Gestein aus feuerspeienden Bergen, das viel weicher war und sich ohne Schwierigkeit rundum bearbeiten lie. Der kristallische Aurbau von Flintstein war so fein, da es auch*hier leicht mglich war, den Stein zu formen, wie man wollte, ohne dabei Unerwnschtes herauszubrechen, wenn der Bearbeiter es geschickt genug anstellte. Und doch war Flintstein so hart, da man damit dicke Tierhute oder zhe Pflanzen durchschneiden konnte, und andererseits so sprde, da es scharfkantig brach. Dies alles machte Droog dem Mdchen deutlich, als er eines der abgesprungenen Stcke des Steins aufhob und auf die Kante wies; Ayla brauchte sie nicht zu berhren, um zu wissen, wie scharf sie war. Hufig genug hatte sie mit Messern dieser Schrfe geschnitten. Droog lie das abgebrochene Steinstck fallen und breitete die Tierhaut auf seinem Scho aus. Durch die Jahre hindurch hatte er seine frhen Kenntnisse durch Erfahrung und Wissen erweitert und geschrft. Schon bei der Auswahl eines Steins zeigte sich, wie fhig man war. Man brauchte ein gebtes Auge, um die geringen Farbabweichungen in der weilichen ueren Umhllung wahrzunehmen, die auf feinkrnigen Flintstein von guter Beschaffenheit hinwiesen. Man brauchte Zeit, um das Gespr zu entwickeln, da die Brocken und Knollen da oder dort besser und frischer waren und weniger Fremdes einschlssen. Whrend Droog dies alles Ayla deutlich machte, wnschte er, da er eines Tages vielleicht doch einen richtigen Lehrling htte, der es wie er verstehen wrde, auf diese Feinheiten zu achten. Ayla glaubte, der Alte htte sie schon vergessen, als er seine Gerte ausbreitete, sorgsam die Steine musterte, schlielich die Hnde sinken lie, um ganz still dazusitzen und mit geschlossenen Augen sein Amulett zu halten. Es berraschte sie, als er die Arme wieder hob und sie in seine Arbeit einwies. "Die Werkzeuge, die ich mache, haben hohe Bedeutung. Der Clan-Fhrer hat beschlossen, im Herbst das Mammut zu jagen. Wenn die Bltter fallen, werden wir dorthin ziehen, wo es niemals richtig warm wird und das Mammut lebt. Wir brauchen Glck fr die Jagd und den Beistand der Geister. Die Messer, die ich mache, werden als Waffe dienen, und mit dem anderen Werkzeug und Gert, das ich auch machen mu, werden neue Waffen fr diese groe Jagd gefertigt. Der Mog-ur wird einen mchtigen Zauber ber sie verhngen, damit sie uns Glck bringen; und wenn mir die Arbeit leicht von der Hand geht, wird das ein gnstiges Vorzeichen sein." Ayla war sich nicht sicher, ob Droogs bedchtige Handzeichen an sie gerichtet waren oder ob er mit sich selber redete. Sie wute nur, da sie sich still zu verhalten hatte und nichts tun durfte, was Droog bei seiner Arbeit stren konnte. Fast erwartete sie, von nun an fortgeschickt zu werden. Sie wute nicht, da Droog, seit sie damals Brun die Hhle gezeigt hatte, des festen Glaubens war, sie trge das Glck mit sich, und da sie Ona das Leben gerettet, hatte ihn nur in dieser berzeugung bestrkt. Das fremde Mdchen war ihm wie ein ungewhnlicher Stein erschienen, den man von seinem Totem erhalten hatte und hinfort in seinem Amulett mit sich trug. Es dnkte ihn, es mte sich gnstig fr ihn erweisen, wenn er sich von Ayla bei seiner Arbeit zusehen lie. Aus dem Augenwinkel bemerkte Droog, wie sie nach ihrem Amulett griff, als er den ersten Steinbrocken vom Boden aufhob. Es war, als riefe sie ihr mchtiges Totem an, ihm eine glckliche Hand zu geben. Droog hockte auf dem Boden, die Tierhaut ber seinen Scho gebreitet, in der linken Hand den Flintsteinbrocken. Er griff nach einem oval geformten Stein und wog ihn in der Hand, bis er den Fingern gut zum Greifen lag. Lange hatte er nach einem Schlagstein gesucht, der genau in seine Hand pate und weich zurckprallte, wenn er aufschlug. Diesen besa er nun schon seit Jahren. Die vielen Schrunden zeugten vom langen Gebrauch. Mit dem Schlagstein klopfte Droog die graue Kreidehlle ab und legte den dunkelgrauen Flintstein blo. Als das getan war, hielt er inne, um das Gestein zu prfen. Beschaffenheit und Farbe waren gut, Einschlsse waren nicht vorhanden. Danach machte er sich daran, die Grundform einer Handaxt herauszuhauen. Die groben Splitter, die zu Boden fielen, hatten scharfe Kanten; viele wrden so, wie sie vom Stein gefallen waren, als Schneidezeug verwendet werden. Am Ende jedes Splitters, dort wo der Schlgel das Gestein traf, befand sich eine verdickte Stelle, die zum anderen Ende hin dnner wurde; und jeder Steinspan, der da absprang, hinterlie in dem Flintstein-knollen eine tiefe, geriffelte Schrunde. Droog legte den Steinschlgel aus der Hand und griff zu einem Knochen. Nachdem sein Auge Ma genommen hatte, schlug er gegen den Flintstein, sehr nahe dem scharfen, geriffelten Rand. Unter dem weicheren Beinschlgel sprangen lngere, dnnere Splitter ab, die gleichmige Rnder hatten. Mit dem Steinschlgel htte er die dnne Kante, die er herausgearbeitet hatte, grblich zerschlagen. Und dann hielt Droog das fertige Werkzeug hoch. Das Handbeil war handspannenlang, an einem Ende zugespitzt; die Kanten waren scharf und gerade, die beiden Seiten glatt. Nur flache Schrunden zeigten, wo der Stein herausgehauen worden war. Holz war damit zu schlagen wie mit einer Axt; auch konnte man damit, einem Querbeil hnlich, einen Holzklotz aushhlen, um eine Schssel herzustellen, oder den Stozahn eines Mannmuts abschlagen oder die Knochen eines Tieres zerschlagen. Es war fr alles zu verwenden, wozu ein scharfes Schlagzeug ntig war. Droog sah den Splitterhaufen durch und suchte mehrere Splitter heraus, die breite, scharfe Schneidekanten hatten. Bedchtig legte er sie auf die Seite. Sie gaben Hackmesser ab beim Schlachten und taugten zum Aufschlitzen zher Hute. Nun wandte Droog sich einem anderen Flintsteinknollen zu, den er wegen des besonders feinen Korns mitgenommen hatte. Ihm war jetzt warm geworden, die Arbeit hatte ihn gepackt. Als Unterlage zog er sich den hornig-harten Fu des Mammuts zwischen die Beine und legte den Flintsteinknollen darauf. Mit seinem Steinschlgel fing er an, ihn so aus seiner Kreideschicht zu lsen, da eine abgeflachte Form verblieb, die Eierhnlichkeit bekam. Dann drehte er den Stein auf eine Seite, nahm den Beinschlgel und schlug von oben und von auen nach innen lange, dnne Splitter ab, bis der Stein oben glatt und abgeplattet war. Dann hielt Droog inne. Er legte eine Hand um sein Amulett und schlo die Augen. Glck mute Geschicklichkeit begleiten, wenn die nchsten, alles entscheidenden Schlge gelingen sollten. Er streckte beide Arme aus, krmmte und streckte mehrmals seine Finger und griff wieder zum beinernen Schlgel. Ayla hielt den Atem an. Am einen Ende der eifrmigen Platte galt es, einen kleinen Splitter herauszuhauen, um eine Einkerbung zu schaffen, deren Flche in gerader Richtung zu dem Splitter verlief, den er abschlagen wollte. Diese Schlagflche mute sein, um sicherzustellen, da der Splitter sauber und mit scharfen Kanten abspringen wrde. Droog musterte prfend beide Enden der ovalen Oberflche, entschied sich fr eines, nahm genau Ma und schlug zu. Sein Atem, den er angehalten hatte, drang pfeifend und erlst heraus, als der kleine Splitter krachend absprang. Er hielt den Stein fest auf der Unterlage, schtzte Entfernung und Aufschlag und hieb mit dem beiner- nen Schlgel in die Kerbe hinein. Ein ntzlich geformter Splitter lste sich; lang und oval, mit scharfen Rndern, auen abgeflacht, nach innen zu ganz leicht gerundet. Droog betrachtete nochmals prfend den Formkern, drehte ihn und schlug am anderen Ende ebenfalls einen Splitter heraus, um eine zweite Kerbe zu erhalten. Dann hieb er wieder zu - ein neuer Splitter sprang zu Boden; nahm wieder Ma und hob den Arm. In krzester Zeit hatte Droog auf diese Weise sechs Splitter aus dem Stein herausgemeielt. Sie waren alle lnglich oval und verjngten sich an einem Ende fast zu einer Spitze. Er prfte die Splitter genau, bevor er sie in eine Reihe nebeneinander legte. Jetzt war ihnen noch der letzte Schliff zu geben, damit sie zu Gerten wurden, die einen bestimmten Nutzen haben sollten. Vorsichtig schlug Droog mit einem kleinen, etwas abgeplatteten runden Stein eine scharfe Kante des Splitters ab, damit die Spitze herausgearbeitet und die Oberseite abgestumpft war, so da man das Messer halten konnte, ohne sich an der Klinge zu schneiden. Aus schmalen Augenschlitzen musterte er das Messer, hieb hier und da noch ein Winziges ab, legte es dann befriedigt aus der Hand und griff zum nchsten Splitter. Dieser, den Droog whlte, war grer. Die eine Kante war beinahe gerade. Droog stemmte den Splitter gegen die Unterlage und drckte mit einem kleinen Knochen ein winziges Stck aus dem Klingenrand heraus. Mehrmals wiederholte er dieses, bis die Klinge grob gezhnt war. Die Oberkante wurde abgestumpft und die Steinsge war fertig. Droog nickte zufrieden und legte sie weg. Mit demselben kleinen Knochen bearbeitete er dann die scharfe Kante eines kleineren, strker gerundeten Splitters, bis eine steile Wlbung nach auen entstand, ein krftiger Schaber mit nicht allzu scharfer Klinge, der nicht so leicht abbrach, wenn man Tierhute oder Holz zu gltten hatte, und keine Schnitte in die Hute machte. Einen anderen Splitter versah er mit einer einzigen, tiefen Kerbung. Er wrde besonders zum Formen von Speerspitzen taugen. Beim letzten Splitter, der am dnneren Ende zu einer scharfen Spitze zusammenlief, jedoch ziemlich gewellte Rnder hatte, stumpfte er eine Seite ab, lie aber die Spitze. Das Werkzeug konnte als Ahle dienen, um Lcher in Tierhute zu stechen, oder zum Bohren verwendet werden, um Holz oder Knochen mit Lchern zu versehen. Noch einmal betrachtete Droog die Gertschaft, die er gefer tigt hatte. Dann winkte er Ayla. Er reichte ihr, die immer noch groe Augen machte, den Schaber und einen der breiten scharfkantigen Splitter, die beim Fertigen der Handaxt abgefallen waren. "Die kannst du haben", bedeutete er ihr. "Du kannst sie vielleicht gebrauchen, wenn du mit uns das Mammut jagen gehst." Aylas Augen leuchteten. Sie hielt die Werkzeuge so behutsam in den Hnden, als wren es die kostbarsten Geschenke. Werden die Mnner mich wirklich auserwhlen, sie auf die Mammutjagd zu begleiten, dachte das Mdchen. Denn gewhnlich folgten nur Frauen den Mnnern auf die Jagd. Doch sie war schon so gro wie eine Frau und in diesem Sommer eh schon einige Male mit den Jgern ausgezogen. Vielleicht nehmen sie mich mit, wnschte sich Ayla und bedankte sich bei Droog. "Dies hier will ich sorgsam aufbewahren, bis die Zeit der Mammutjagd gekommen ist. Und wenn ich ausersehen werde, die Jger zu begleiten, dann will ich sie zum erstenmal zum Huten und Zerlegen dieses Tiers benutzen." Droog brummte zustimmend. Dann schttelte er die Haut aus, die ber seinen Scho gebreitet war, legte seine Unterlage, den Steinschlgel, den Beinschlgel und das brige Werkzeug drauf, wickelte alles zusammen und band es sorgsam mit einer Schnur. Er sammelte die neuen Gerte auf und schlurfte hinber zu dem Unterschlupf, den er mit seiner Familie teilte. Heute wrde er nichts mehr tun, obwohl es noch nicht dunkelte. Es war ihm gut von der Hand gegangen; man sollte sein Glck nicht zu sehr versuchen. Als Ayla zu Crebs Wohnkreis zurckkehrte, jubelte sie: "Iza! Iza! Schau, was Droog mir geschenkt hat! Ich durfte zusehen, wie er sie machte." Vorsichtig legte das Mdchen die Gerte ab und schilderte weiter: "Er hat mir bedeutet, da die Jger bald, wenn die Bltter fallen, das Mammut jagen wollen. Er macht ihnen Werkzeuge, damit sie sich neue Waffen fertigen knnen. Er meinte, ich knnte diese hier vielleicht gebrauchen, wenn ich die Jger begleiten darf. Glaubst du, sie werden mir erlauben mitzugehen?" Iza hob die Arme und meinte: "Kann sein, Ayla. Aber was freust du dich so? Es wird dort harte Arbeit geben. Man mu das viele Fett auslassen und das Fleisch drren. Du ahnst nicht, wieviel Fleisch und Fett so ein Tier hat. Es ist ein weiter Weg, bis man auf Mammuts trifft. Und wenn eines erjagt ist und verarbeitet, mu alles zurckgetragen werden." "Das macht mir nichts aus, wenn es harte Arbeit ist. Ich habe noch nie ein Mammut gesehen. Nur einmal in der Ferne vom Grat aus. Ich mchte mit, Iza." "Diese Tiere kommen nicht oft so weit herunter nach Mittag. Sie mgen die Klte. Und wenn es hier grn ist, dann ist es ihnen zu hei. Und wenn hier Schnee liegt, dann ist es ihnen zu hoch", erklrte die Medizinfrau. "Glaubst du, die Jger nehmen mich mit, Iza?" bohrte das Mdchen weiter. "Brun sagt mir nicht, was er vorhat, Ayla. Ich wute nicht einmal, da die Mnner das Mammut jagen wollen. Du weit mehr als ich", gab Iza zurck. "Aber Droog htte dich wohl nichts davon wissen lassen, wenn keine Aussicht darauf bestnde. Du hast Ona aus dem groen Wasser gezogen. Droog will es dir danken. Deshalb hat er dir die Werkzeuge gegeben und hat dir die Jagd angedeutet. Droog ist ein guter Mann, Ayla. Freue dich, da er dich seiner Gaben wrdig findet." Ayla strahlte. "Ich hebe sie auf bis zur Mammutjagd. Dann erst will ich sie bentzen." ~Kapitel 13 Das Mammut zu jagen, so wie die Clan-Mnner es fr den Frhherbst sich vorgenommen hatten, war hchst gefhrlich und gewagt. Im Clan summte es allenthalben vor Erregung, und eine groe Geschftigkeit hob an. Alle gesunden und krftigen Mnner und Frauen sollten am Jagdzug zum oberen Ende der Halbinsel, dort, wo sie sich mit dem Festland vereinigte, teilnehmen. Whrend der langen Tage des Wanderns und der Suche nach den Mammuts blieb keine Zeit mehr fr die Jagd auf andere Tiere. Es war auch nicht sicher, da die Clan-Leute berhaupt Mammuts vorfinden wrden, wenn sie dort oben angekommen waren; und man konnte sich auch nicht darauf verlassen, da es den Jgern gelingen wrde, falls sie sie tatschlich aufstbern sollten, eines der riesigen Tiere zu erlegen. Erwgenswert war ein solches Unterfangen nur, weil, wenn es erfolgreich war, der Clan fr lange Zeit Fleisch und Fett erhalten wrde. Viel hufiger als sonst zogen die Jger in diesem Sommer hinaus, denn es galt, gengend Fleischvorrat fr die kommende Kltnis anzulegen, um nicht durch einen schlechten Ausgang ihrer Jagd dem Hunger preisgegeben zu sein. Und das nchste Miething des Gro-Clans war nur noch zwei Sommer entfernt, und whrend dieser Zeit wrde zur Jagd kaum Gelegenheit sein; die lange Wanderung zur Hhle des Nachbar-Clans, an dessen Feuern gefeiert werden sollte, und der mhsame Rckweg zur heimischen Hhle wrden die Tage auffressen. Brun kannte das aus Erfahrung und hatte deshalb beschlossen, jetzt noch verstrkt zu jagen, zu sammeln und zu lagern. Und wenn sie dann ausreichend Nahrung in der Hhle hatten und noch dazu ein Mammut erlegen konnten, dann hatten sie fast gnzlich ausgesorgt. Gedrrtes Fleisch, getrocknete Pflanzen, Frchte und Krner hielten sich gut zwei Sommer, wenn man wute, wie sie richtig zu lagern waren. Nicht nur die Flammen der Erregung schlugen hoch in den Herzen der Clan-Leute; es glhte auch ein tiefer Aberglaube mit. So sehr machte man den Jagderfolg vom Glck abhngig, da schon im geringsten Tun und Lassen Vorgezeichnetes gesehen wurde. Ein jeder bedachte grndlich jede einzelne seiner Verrichtungen und lie bei allem, was er tat, das auch nur im entferntesten die Geister auf sich beziehen konnten, besondere Vorsicht walten. Niemand wollte sich des Frevels zeihen lassen, er htte einen der Geister so erzrnt, da er dann Unglck ber diese Unternehmung bringen wrde. Die Mnner versammelten sich oftmals zu Feiern, um die Unsichtbaren gnstig zu stimmen, und der Mog-ur half mit glckbringendem Zauber und magischen Gebilden, die er aus den Gebeinen in der kleinen Hhle fertigte. Ging etwas glatt, so wurde das als gutes Zeichen angesehen; lief etwas schief, so war das Anla zu Besorgnis und Bengstigung. Und Brun fand von dem Tage an, als er auf Mammutjagd zu gehen entschieden hatte, fast kaum noch einen ruhigen Schlaf. Manchmal wnschte er, der Befehl wre nie gegeben worden. Er berief die Mnner in seinen Wohnkreis, um miteinander zu beraten, wer mitziehen und wer hierbleiben sollte, denn die heimische Hhle war zu schtzen, whrend sie bar jeglicher Jger war. "Mein Herz rt mir, einen der Jger zurckzulassen", begann der Clan-Fhrer mit klarer Gebrde. "Einen vollen Mond werden wir fort sein, vielleicht auch zwei. Das ist zu lang, um die Hhle ohne Schutz zu lassen." Die Jger schauten zu Boden. Keiner wollte von dieser Jagd sich ausgeschlossen fhlen. Sie hatten Angst, da der, den des Clan-Fhrers Auge traf, ausgewhlt werden wrde zurckzubleiben. "Brun, du brauchst alle deine Jger", bedeutete der alte Zoug. "Meine Beine sind zwar nicht mehr schnell genug, um das Mam-Mut zu hetzen, aber mein Arm ist noch krftig und stark, einen Speer zu stoen. Die Schleuder ist nicht die einzige Waffe, die ich gebrauchen kann. Dorvs Augen sind trbe geworden, aber die Kraft seiner Arme ist nicht geschwcht. Immer noch kann er eine Keule schwingen oder den Speer stoen. Und solange vor der Hhle das Feuer lodert, wagt kein Tier sich allzu nahe heran. Hab keine Sorge um die Hhle. Wir knnen sie beschtzen. Du mut alle deine Sinne auf die Mam-Mut-Jagd richten. Es ist nicht an mir zu entscheiden, aber ich rate dir, alle Jger mitzunehmen." "Ich denke wie er, Brun." Dorv deutete auf Zoug, beugte sich vor und kniff ein wenig die Augen zusammen: "Zoug und ich wollen die Hhle schtzen, whrend ihr fort seid." Bruns Blick wanderte von Zoug zu Dorv und wieder zurck. Eigentlich hatte auch er keinen seiner Jger zurcklassen wollen. Denn die Jagd wrde sehr schwer und gefhrlich werden. "Recht hast du, Zoug", bedeutete der Clan-Fhrer schlielich dem alten Mann. "Du und Dorv, ihr knnt nicht mehr mit auf Mam-Mut gehen, ihr seid aber Manns genug, die Hhle zu bewachen. Es ist ein Glck fr den Clan, da ihr beide noch so krftig seid, und es ist ein Glck fr mich, da du, Zoug, der du unter dem Clan-Fhrer vor mir der Stammeszweite warst, noch unter uns weilst und mir mit deinem Weitblick helfen kannst." Die bange Anspannung unter den Jgern lste sich. Jetzt wrde keiner von ihnen zurckbleiben mssen. Sie fhlten mit den beiden Alten, die an der groen Jagd sich nicht beteiligen konnten; doch waren sie auch wieder froh, da niemand von ihnen die Hhle zu bewachen hatte. Fest stand auch, da der Mog-ur nicht mit ihnen ziehen wrde, er war kein Jger. Doch Brun, der gelegentlich gesehen hatte, mit welcher Kraft der alte Krppel seinen Stock zu schwingen wute, reihte ihn im stillen unter die Beschtzer ihrer Hhle ein. Und diese drei alten Mnner wrden sich zusammen so gut schlagen knnen wie einer seiner Jger. "Und nun zu den Frauen. Welche nehmen wir mit?" fragte Brun. Er hielt inne mit der Hand und sagte: "Ebra." "Uka auch", bedeutete Grod. "Sie ist krftig und erfahren und hat keine kleinen Kinder." "Gut", nickte Brun und fragte: "Ovra?", wobei er Goov mit einem strengen Blick bedachte. Des Mog-urs Gehilfe gab seine Zustimmung. "Was ist mit Oga?" wollte Broud wissen. "Brac luft schon und braucht sie bald nicht mehr." Brun bedachte es einen Augenblick. "Gut. Die anderen Frauen knnen auch mithelfen, sich um den Jungen zu kmmern. Und Oga ist flink bei der Hand mit allem. Wir nehmen sie mit." Brouds Rcken straffte sich. Es tat ihm wohl, da seine Gefhrtin beim Clan-Fhrer gut angesehen war; das hie, da er sie gut gezogen und soeben ein Lob dafr bekommen hatte. "Doch einige mssen zurckbleiben und die Kinder versorgen", entschied Brun. "Was ist mit Aga und Ika? Groob und Igra sind doch noch zu klein, um diesen weiten Weg zu schaffen." "Aba und Iza knnen sie versorgen", bedeutete Crug. "Igra macht Ika nicht mehr viel Mhe." Die ineisten Mnner hatten auf einem groen Jagdzug gern ihre eigenen Gefhrtinnen dabei, um nicht auf andere Frauen angewiesen zu sein. "Soweit ich wei", mischte Droog sich ein, "mchte Aga diesmal lieber nicht mitziehen. Sie hat drei Kinder, und auch wenn sie Groob mitnimmt, wrde Ona sich ohne sie verlassen fhlen. Aber Vorn mchte mit uns kommen." "Aga und Ika sollen bleiben", entschied Brun. "Und auch Vorn. Er ist noch nicht alt genug zur Jagd und wird bestimmt nicht darauf brennen, stndig nur den Frauen zu helfen. Fr ihn kommt auch die Zeit." Der Mog-ur, der sich bis dahin nicht gemeldet hatte, hielt den Augenblick fr gnstig, das, was er dachte, kundzutun. "Iza ist zu schwach, um mit euch zu ziehen. Sie mu bleiben und fr Uba sorgen. Aber Ayla kann euch begleiten." "Sie ist ja noch nicht einmal eine Frau", fuhr Broud mit heftiger Hand dazwischen. "Und die Geister zrnen bestimmt, wenn diese Fremde uns begleitet." "Sie ist grer als eine Frau und ebenso krftig", hielt ihm Droog entgegen. "Sie kann hart arbeiten, hat geschickte Hnde, und die Geister haben ihr immer ihre Gunst gegeben. Denk an die Hhle. Und an Ona. Mein Herz sagt mir, da sie uns Glck bringen wird." Bruns Hand entschied: "Droog hat recht. Sie arbeitet flink und ist so krftig wie eine Frau. Und Iza hat sie im Heilzauber unterwiesen. Das kann fr uns von Nutzen sein. Wenn die Medizinfrau nicht so entkrftet wre, ich wrde lieber sie mitnehmen. So aber kommt eben Ayla mit." Ayla war so aufgeregt, als sie erfuhr, da man sie auf die Mammutjagd mitnehmen wollte, da sie unablssig Iza mit Fragen berschttete, was mitzunehmen sei und wann es losgehen sollte. Und stndig war sie nur am Packen, kippte dann den Korb wieder aus und fing von vorne an. "Nimm nicht zuviel mit, Ayla", mahnte die Medizinfrau. "Auf dem Rckweg wirst du viel schwerer zu tragen haben, wenn die Jagd gelingt. Hier ist etwas fr dich, was du auf alle Flle bei dir haben solltest. Ich habe es eben fertig gemacht." Trnen der Freude sprangen Ayla in die Augen, als sie den Beutel sah, den Iza ihr hinhielt: Er war aus einem Otter gefertigt; Fell, Kopf, Schwanz und die Beine waren unversehrt. Iza hatte Zoug gebeten, ihr einen zu beschaffen, und das Geschenk in Droogs Wohnkreis versteckt gehalten. "Iza!" rief das Mdchen. "Ein Medizinbeutel - fr mich?" Strmisch umarmte es die Frau. Schnell hockte Ayla sich nieder, zog all die kleinen Beutel aus der Tasche und legte sie in Reihen vor sich hin, wie Iza das so oft gemacht hatte; ffnete jeden einzelnen, beschnupperte, was darin war, und verschlo sie schlielich mit genau den gleichen Knoten, die auch die Medizinfrau geschlungen hatte. Es war recht schwierig, all die getrockneten Krauter und Wurzeln allein nach dem Geruch zu unterscheiden, wenn auch besonders gefhrlichen Mitteln hufig ein wirkungsloses, doch stark riechendes Kraut beigegeben wurde, um einen Irrtum zu vermeiden. Kenntlich gemacht wurden die einzelnen Krauter durch unterschiedliche Schnre und Riemen, mit denen die Beutel verschlossen wurden, und durch eine Vielzahl unterschiedlich geknpfter Knoten. Bestimmte Krutersorten befanden sich in Beuteln, die nur mit Schnren aus Pferdehaar zugebunden waren oder mit den Haaren anderer Tiere, die auffallend gefrbt oder beschaffen waren. Andere Beutel verschnrten Sehnen oder Flechtwerk aus Rindenfasern, manche auch Riemen aus Haut bestimmter Tiere. Und wenn man nun die verschiedenen Krauter auch richtig anzuwenden gedachte, so war nicht nur ihre Eigenschaft zu erkennen, sondern auch zu wissen, wie die Verschnrung des Beutels war, in dem sie aufbewahrt wurden. Ayla stopfte die Beutelchen wieder in ihre Medizintasche und knotete diese dann an dem Riemen fest, der um ihre Krpermitte lag. Sie stellte sich auf, sah an sich herab und fand, da sie zu bewundern sei. Dann nahm sie die Tasche wieder ab und legte sie zu ihrem Sammelkorb. Jetzt war sie bereit. Nur eines bereitete ihr noch Kopfzerbrechen. Was wrde mit ihrer Schleuder werden? Sie wrde sie nicht gebrauchen knnen; sie zurckzulassen verbot sich von selbst, weil Iza und Creb sie entdecken knnten. Sie im Wald zu verstecken wrde die Folge haben, da ein Tier sie ausgrub oder da sie in der feuchten Erde schnell verrottete. Schlielich beschlo Ayla, die Schleuder mitzunehmen, in einer Falte ihres berwurfs versteckt. Es war noch dunkel, als die Clan-Leute zur groen Jagd von ihren Lagern sich erhoben. Die vielfarbigen Bltter begannen gerade erst im frhen Morgenlicht zu leuchten, als der Zug sich in Bewegung setzte und in raschem Lauf den Grat seitlich der Hhle durchquerte. Dort erwartete sie die aufgehende Sonne in strahlender Laune. Die Clan-Leute wanderten frohen Mutes die bewaldeten Flanken der Hgel hinunter und erreichten die Steppe, als die Sonne noch immer tief auf dem Bergrcken sa. Brun legte eine zgige Gangart vor. Die Frauen, deren Brden zwar leicht, die jedoch so schnelles Gehen nicht gewhnt waren, muten sich mchtig anstrengen, mit den Mnnern mitzuhalten. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang war man auf den Beinen. Und die Tagesstrecke war um ein Betrchtliches grer gewesen als jene, die man bei der Hhlensuche zurckgelegt hatte. Gekocht wurde nicht. Und die Frauen hatten wenig zu tun. Man nhrte sich von vorher Zubereitetem, das die Mnner stets bei sich zu fhren pflegten, wenn sie auf Jagd gingen: flache Fladen aus Drrfleisch, das grob zerstampft war und mit ausgelassenem Fett und getrockneten Frchten gemischt wurde. Auf dem offenen, winddurchsausten Grasland war es kalt. Und je weiter die Jger und die Frauen in das obere Land vorstieen, desto schneidender wurde die Klte. Dennoch legten sie schon bald nach dem allmorgendlichen Aurbruch die dicken Umhnge und berwrfe wieder ab. Denn durch das schnelle Gehen wurden ihre Krper wieder warm, und nur wenn sie sich setzten, um zu rasten, kroch ihnen die Kltnis in die Glieder. Und bald krampften sich auch nicht mehr die Waden zusammen, woran vor allem die Frauen gelitten hatten. Im obersten Teil des Halbinsellandes erwartete rauheres Gelnde die Clan-Leute. Breite Tafelberge strzten jh in steile Schluchten ab oder stieen gegen himmelhochragende Felswnde, die eine ruhelose Erde in frheren Zeiten aufgeschichtet hatte. Felsrhren wurden von gezacktem Gestein umschlossen; manche endeten blind. Andere waren berst mit scharfkantigen Felsbrocken, die aus dem sie umschlieenden Steinwulst herausgebrochen waren. Dann gab es welche, die Wasser auf ihrem Grund fhrten, dnne Rinnsale oder brodelnde Flsse. Und nur hier in der Nhe von Wasserlufen harrten windverzerrte Fichten und Lrchen, verkrppelte Birken und Weiden aus. Nur dort, wo eine Schlucht sich zu einem bewsserten Tal geweitet hatte, erreichten die Nadel- und Laubbume ihre natrliche Gre und Gestalt. Der Windschatten half ihnen dabei. Whrend ihrer Wanderung wurden die Clan-Leute durch nichts aufgehalten. Zweimal soviel Tage wie Finger an einer Hand zogen sie nun schnellen, ausdauernden Schritts immer tiefer ins obere Land. Dann schickte Brun zum ersten Mal Spher aus. Heute, nach zehn Tagen, kamen sie immer langsamer vorwrts. Sie waren nicht mehr weit entfernt vom breitgeschwungenen Hals der Halbinsel. Wenn sich die Mammuts berhaupt hier aufhielten, dann mute man bald auf sie stoen. Jger und Frauen machten an einem kleinen Flu Rast. Brun hatte gegen Mittag Broud und Goov ausgeschickt. Er stand jetzt etwas abseits von den anderen, hielt beide Hnde ber die Augen und sphte angestrengt in die Richtung, aus der sie zurckkommen muten. Lange konnte der Entscheid nicht mehr hinausgeschoben werden, ob sie nun hier am Flu ihr Nachtlager aufschlagen oder noch etwas weiter ziehen muten. Der spte Nachmittag warf schon lange Schatten. Wenn die beiden Jger nicht bald zurckkehrten, wrde die Natur entscheiden; es wrde Nacht werden, und sie muten bleiben, wo sie waren. Brun kniff die Augen zusammen und hielt seinen Kopf dem scharfen Wind entgegen, der ihm den Umhang flatternd um die Beine schlug und den buschigen Bart ins Gesicht drckte. Pltzlich meinte er, in weiter Ferne zwei Wandernde zu sehen, und allmhlich konnte er die beiden Mnner erkennen, die ihm im Laufschritt entgegenkamen. Brennende Erregung umzngelte sein Herz. Broud und Goov erblickten die einsam ragende Gestalt und liefen schneller, schlugen wild mit ihren Armen. Und lange bevor i^re Stimmen zu hren waren, wute Brun, welche Kunde sie brachten. "Mam-Mut! Mam-Mut!" brllten die Mnner auer Atem, whrend sie auf die Gruppe zurannten. Alles umdrngte die jungen Mnner, die keuchten und vllig in Schwei gebadet waren. "Eine groe Herde gegen Sonnenaufgang", frohlockte Broud. "Wie weit?" fragte Brun. Goov wies gerade aufwrts und bewegte dann seinen Arm in kurzem Bogen abwrts. Die Hlfte des Weges, den die Sonne bis Mittag zurcklegte. "Zeigt uns den Weg", bedeutete Brun seinen Sphern und gab den anderen das Zeichen zum Aurbruch. Die Sonne hing schon tief am Himmel, als die Jger endlich weit hinten dunkle Hckerberge erblickten, die sich bedchtig auf und ab bewegten. Die Mammuts. Es ist eine groe Herde, dachte Brun, als er anhalten lie. Sie wrden mit dem Wasser auskommen mssen, das sie von der letzten Rast mitgenommen hatten; es war schon zu dunkel, um noch nach einem Bach oder Flu zu suchen. Am anderen Morgen wrde man einen besseren Lagerplatz finden. Wichtig war nur, da sie die Mammuts gefunden hatten. Als an einem stark gewundenen Bach, dessen Ufer struppiges Gebsch berwucherte, ein neues Lager aufgeschlagen war, machte sich Brun mit seinen Jgern auf, um auszukundschaften, wie eines der mchtigen Mammuts zu erlegen sei. So ein Tier konnte nicht wie ein Bison bis zur Erschpfung gehetzt oder mit Wurfschlingen zu Fall gebracht werden. Um diese wollhaarigen Dickhuter zu stellen, muten sich die Jger anderer Mittel und Wege bedienen. Der Clan-Fhrer und seine Jger erforschten mit groer Sorgfalt die Schluchten und Klammen um sie herum. Brun suchte eine Schlucht, die leichten Zugang hatte, am anderen Ende jedoch keinen Ausgang bot; eine enge Schlucht, die einen Mammut gefangen halten konnte und die sich in der Nhe der Herde befand. Am nchsten Tag trat schon in aller Frhe Oga mit zagharter Miene zu Brun und lie sich mit gesenktem Kopf vor ihm nieder, whrend Ovra und Ayla aufmerksam in der Nhe warteten. "Was willst du, Oga?" fragte Brun. "Ich habe eine Bitte", begann sie mit zgernder Gebrde. "Ja?" "Ich habe noch nie ein Mam-Mut gesehen. Ayla und Ovra ebenfalls. Erlaubt uns der Clan-Fhrer, nher zu gehen, damit wir sie genauer sehen knnen?" "Und Ebra und Uka? Wollen sie auch das Mam-Mut sehen?" "Nein, sie mchten nicht mitkommen", gab Oga zurck. "Das ist klug. Aber sie haben auch schon frher Mam-Muts gesehen. Merkt ihr's? Der Wind blst von der Herde zu uns herber. Die Mam-Muts werden euch also nicht wittern; geht, aber nicht zu nahe heran und versucht nicht, die Herde zu umrunden." "Wir werden uns hten", versprach Oga. "Das glaube ich auch. Denn wenn ihr sie seht, dann werdet ihr wnschen, sie nie gesehen zu haben." Den drei jungen Frauen klopfte das Herz vor Erregung. Ayla war es gewesen, die Oga schlielich dazu gebracht hatte, Brun um Erlaubnis zu fragen. Auf dem langen Weg hierher waren sie einander nhergekommen. Sie waren enger zusammen und lernten sich besser verstehen. Ovra, die eigentlich still und zurckhaltend war, hatte Ayla bisher immer als eines der Kinder betrachtet und mit ihr nichts zu tun haben wollen. Und Oga scheute ein nheres Kennenlernen, weil sie wute, wie Broud zu ihr stand. Frher hatten die beiden Frauen gedacht, mit dem Mdchen nicht viel gemeinsam zu haben. Sie hatten ihre Gefhrten, die ihr Leben bestimmten. Erst in diesem Sommer, als Aylas Fraulichkeit sich wieder um ein weiteres entwickelt hatte und man sie auch mit auf die Jagd genommen hatte, begannen die Frauen, das Mdchen mit anderen Augen zu sehen. Ayla berragte sie schon um Haupteslnge und wirkte dadurch wie eine Frau; so wurde sie aber auch von den Jgern behandelt. Besonders Crug und Droog lieen sich gern von ihr bedienen. Ihre Gefhrtinnen waren in der heimischen Hhle zurckgeblieben, und Ayla war allein. Deshalb brauchten sie nicht erst einen anderen um Erlaubnis zu fragen, wenn sie Ayla einen Auftrag geben wollten. Wohl dadurch, da sie das gleiche taten, und auch noch gemeinsam bei dieser Jagd, entwickelte sich nun zwischen den drei jungen Frauen eine freundliche Art, miteinander umzugehen. Eine solche Nhe hatte Ayla vorher nur bei Iza, Creb und Uba gefunden; jetzt geno sie die Wrme der Gemeinsamkeit mit Oga und Ovra. Kurz nachdem die Mnner aufgebrochen waren, gab Oga ihren kleinen Jungen in die Obhut von Ebra und Uka, und die drei Frauen machten sich auf den Weg. Und bald wuten sie sich vieles zu bedeuten, was ihnen einige Kurzweil brachte. Doch als sie pltzlich diese Fellgebirge vor sich sahen, schlugen sie die eben noch so beredten Hnde vor die Mnder, standen still und starrten wie gebannt auf die gewaltigen Tiere. Die wollhaarigen Mammuts hatten sich der rauhen Gegend, in der sie lebten, gut angepat. Unter dem zottigen, langbehaarten Fell schtzten feiner, weicher Pelz und eine dicke Fettschicht ihren Krper vor der Kltnis, die auch den Krper selbst sich hatte verndern lassen. Die Kltesteppenmammuts waren gedrungener als die anderen ihrer Art. Bis zum Widerrist maen sie etwa vier Manneslngen. Der mchtige Kopf, im Verhltnis zur Hhe des Krpers bergro und mehr als halb so lang wie der fleischige Rssel, ragte massig und gewlbt wie eine Spitzkuppel zwischen den Schultern empor. Sie hatten kleine Ohren und einen kurzen, quastenartigen Schwanz. Von der Seite gesehen hatten diese lebenden Fellgebirge zwischen der hohen Kopfwlbung und dem Fetthcker eine scharfe Vertiefung. Der Rcken fiel zum Becken und zu den etwas krzeren Hinterbeinen hin stark ab. Wie angewurzelt waren die drei Frauen stehengeblieben. "Schau dir den an!" Oga deutete auf den alten Bullen. Seine Stozhne, am Nasenansatz dicht nebeneinander, fhrten zunchst steil abwrts, bogen sich dann nach auen, krmmten sich nach oben und am Ende nach innen. Sie waren so lang und so stark gebogen, da sie sich ber seinem Rssel kreuzten, mit dem er Gras, Krauter und Schilfrohr aus dem Boden ri und das zhe, trockene Zeug in sein Maul stopfte, um es mit seinen breitflchigen, rillendurchzogenen Zhnen zu zermalmen. Ein jngeres Tier, dessen Stozhne nicht so lang und noch zu gebrauchen waren, entwurzelte eine Lrche und begann gierig. Zweige und Rinde abzureien. "Wie riesig sie sind", stellte Orva fest und duckte sich tiefer. "Wie wollen die Jger so ein Mam-Mut erlegen? Sie knnen ja nicht einmal mit dem Speer heran!" "Ich wei es nicht", gab Oga beklommen zurck. Zaghaft gab Ovra zu verstehen, da sie sich fast wnschte, nie hierher gekommen zu sein. Es wrde bestimmt eine gefhrliche Jagd. Und wie leicht knnte da einer verwundet werden. Schon jetzt frchte sie um Goov. Wie schrecklich, wenn ihm etwas zustiee! "Brun ist sicher mit allem vertraut", versetzte Ayla mit be-schwichtigender Gebrde. "Er wrde bestimmt nicht das Mam-Mut jagen lassen, wenn er nicht glaubte, da seine Mnner ihm gewachsen sind." Mit dem Daumen deutete sie auf sich: "Ich wnschte, ich knnte dabei sein." "Ich nicht", wehrte Oga ab. "Ich mchte lieber weit fort sein. Mir wird das Herz erst wieder leicht, wenn alles vorbei ist." Oga hatte nicht vergessen, da der Gefhrte ihrer Mutter auf einer solchen Jagd sein Leben verloren hatte; kurz vor dem Erdbeben, dem ihre Mutter zum Opfer gefallen war. "Ich glaube, wir kehren jetzt um", schlug Ovra vor. "Brun will nicht, da wir zu nahe an die Mam-Muts herangehen. Mir ist es jetzt schon zu nah." Sie wandten sich zum Gehen. Ayla drehte sich noch einige Male um, als sie davoneilten. Auf dem Rckweg wollte eine Unterhaltung nicht mehr so recht in Gang kommen. Jede der drei jungen Frauen hing ihren eigenen Gedanken nach. Als die Mnner zurckgekehrt waren, gab Brun den Frauen Befehl, das Lager am nchsten Morgen nach dem Aufbruch der Jger abzubrechen. Er hatte eine geeignete Falle gerunden. Schon bei Sonnenaufgang wollte man losziehen, und es war Sorge dafr zu tragen, da die Frauen weit genug vom Jagdgeschehen entfernt waren. Die Schlucht hatte er schon am Vortag entdeckt; sie war genau das, was er gesucht hatte - ein Felsenkessel, aus dem es kein Entkommen gab. Zwar war er zu weit entfernt von den Mammuts; aber als ein besonders gnstiges Vorzeichen schien ihm, da die Herde, die langsam auf das untere Land zu zog, sich der Schlucht am Ende des bernchsten Tages so weit nhern wrde, da Brun seinen Plan schon aufgehen sah. Heftige Windben trieben den Jgern, als sie sich aus ihren Fellen schlten und die Kpfe aus den Schlupflchern streckten, leichten feintrockenen Schnee in die brtigen Gesichter. Doch das bedrckende Grau des Himmels vermochte nicht die frohe Erwartung der Mnner zu dmpfen. Heute wrden sie das Mammut jagen. Flink legten die Frauen Hand an und hatten bald den warmen Krutertrank bereitet. Nichts sonst wrden die Jger an diesem Tag zu sich nehmen, die herumsprangen und ihre Speere in die Luft stieen, um ihre Muskeln zu erwrmen und zu lockern. Grod nahm ein Stck glhender Kohle aus dem Feuer und steckte sie in das Auerochsenhorn, das er an seinem Grtel trug, und Goov tat ebenso. Die Jger hllten sich in warme Felle, doch nicht die gewohnten schweren Umhnge, sondern leichtere berwrfe, die sie nicht hindern wrden. Und keiner von ihnen sprte die Klte; alle glhten sie vor Erregung und waren nicht mehr fhig stillzusitzen. Dann trat Brun unter die Mnner und legte mit rascher Gebrde ein letztes Mal seinen Plan dar. Die Mnner, die einen Kreis gebildet hatten, den Clan-Fhrer in ihrer Mitte, standen einen Augenblick alle mit geschlossenen Augen da, die Hnde an ihren Amuletten. Dann nahm jeder einen Kienspan zur Hand, der noch nicht entzndet war. Und sie brachen auf. Ayla sah ihnen wehmtig nach und gesellte sich zu den Frauen, die sich schon darangemacht hatten, drres Gras, Dung, Laub und Holz zu sammeln. Sobald sie genug beisammen hatten, um neue Feuer entznden zu knnen, wrden sie -wie ausgemacht - das Lager abbrechen. Zgig nherten die Mnner sich der Herde. Die Mammuts hatten sich bereits wieder in Bewegung gesetzt. Stumm und starr kauerten die Jger im hohen Gras und warteten, whrend Brun mit scharfem Auge die Tiere musterte, die an ihnen vorberzogen. Er sah den alten Bullen mit den gewaltigen gekreuzten Stozhnen. Das wre ein Fang! scho es ihm durch den Kopf. Doch sogleich kmpfte er diese Regung seines Herzens nieder. Der Weg zurck zur heimischen Hhle war weit, und die schweren Stozhne wren ihnen nur belastende Brde. Die Zhne eines jngeren Tieres waren leichter zu tragen, und sein Fleisch wrde zarter sein. Das war wichtiger, als nach einem mchtigen Jagdzeichen zu verlangen und damit Ehre und Bewunderung einzuheimsen. Doch jngere Bullen waren auch gefhrlicher. Ihre krzeren Stozhne konnten nicht nur Bume entwurzeln, sie waren auch bsartige Waffen. Brun wartete ab, ruhig und besonnen. Man hatte die mhsame Wanderung und die langfristige Vorsorge nicht auf sich genommen, um jetzt Hals ber Kopf zuzuschlagen und den Erfolg der Unternehmung zu gefhrden. In seinem Kopf stand ein klares Bild von dem, was einen Jagderfolg bedingte. Lieber am Morgen noch einmal versuchen, das richtige Tier zu finden, als jetzt unbesonnen einen Angriff wagen. Die anderen Jger warteten, nicht alle so geduldig. Die hochsteigende Sonne hatte den trben, verhangenen Himmel aufgehellt und die Wolkendecke zerrissen. Es schneite nicht mehr. "Wann gibt er endlich das Zeichen?" fragte Broud den neben ihm kauernden Goov ungeduldig und zeigte zum Himmel. "Schau, wie hoch die Sonne schon steht. Warum frh aurbrechen und dann unttig hier herumlungern? Worauf wartet er?" Grods Augen hatten Brouds deutlichen Unmut mitbekommen. Ruhig entgegnete der Jger: "Brun wartet auf den rechten Augenblick. Mchtest du lieber mit leeren Hnden zurckkehren? Halte deine Hast zurck, Broud. Eines Tages wirst du entscheiden mssen, wann der rechte Augenblick da ist. Brun ist ein guter Clan-Fhrer und ein tapferer Jger. Du kannst froh sein, da er es ist, dem du nacheifern kannst. Ein guter Clan-Fhrer braucht mehr als Mut." Broud senkte den Kopf und rgerte sich. Grod wird nicht mehr Stammeszweiter, wenn ich Clan-Fhrer bin, dachte der junge Mann. Ihn schauderte, als ein eisiger Windsto durch die Bsche fuhr, und er ging tiefer in die Hocke. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Brun endlich den Jgern befahl, sich bereitzumachen. Inzwischen hatte sich ein trchtiges Mammut an den ueren Rand der Herde hinausgedrckt und schien sich von ihr abzusondern. Das Tier war noch nicht alt, und mit seinem schweren Leib wrde es nicht so schnell und wendig sein wie ein junger Bulle. Auf schweren unerbittlichen Fen nherte sich das Mammut einer hochstehenden, dichten Grassode, dicht vor den Mnnern, und war allein, ein einzelnes Tier, abseits der schtzenden Herde. Das war der Augenblick, auf den Brun gewartet hatte. Er gab das Zeichen. Grod hatte die glhende Kohle schon aus dem Hrn gezogen. Und als Brun das Zeichen gegeben hatte, hielt er seinen Kienspan an die Glut und blies so lange, bis er Feuer fing; an ihm entzndete Droog zwei weitere und reichte einen Brun. Die drei jngeren Jger waren, sobald sie das Zeichen gesehen hatten, aufgesprungen und rannten aus Leibeskrften in Richtung Schlucht. Die Jger fackelten nicht lange. Wie Wiesel schssen Brun und Grod hinter die Mammutherde und setzten das ausgedrrte Gras in Brand. Gewhnlich hatten die ausgewachsenen Mammuts keine natrlichen Feinde; nur sehr junge oder auch sehr alte Tiere wurden manchmal Opfer des Sbelzahntigers oder des Hhlenlwen. Doch alle frchteten sie das Feuer. Denn es war keine Seltenheit, da riesige Brnde die Steppe durchtobten und alles verschlangen, was nicht rechtzeitig fliehen konnte. Und kaum witterte die Herde nun die Gefahr, so schlo sie sich auch schon enger zusammen. Brun und Grod hatten sich zwischen das Mammut und die Herde geschoben. Das Feuer mute jetzt rasch um sich greifen, wenn verhindert werden sollte, da das trchtige Tier zur Herde zurckkehrte. Von beiden Seiten konnten sie nun angegriffen oder niedergetrampelt werden, wenn die gewaltigen Tiere in panischer Angst fliehen sollten. Als ihre Rssel den Rauch gewittert hatten, verwandelte sich die bis dahin ruhig grasende Herde in ein wildes Gewoge massiger Fellgebirge. Ein angstvolles Trompeten aus hochgestreckten Rsseln durchzitterte die Luft. Das Mammut wollte zur Herde zurck, doch es war schon zu spt. Eine lichterlohe Flammenwand trennte es von den anderen Tieren. Schrill schrie das Tier um Hilfe, aber das Feuer, vom scharfen Wind beflgelt, hatte die anderen eingeholt. In rasender, blinder Flucht donnerten die Mammuts davon, um der Feuersbrunst zu entkommen, die sich gierig hinterherwlzte. Die Mnner kmmerte das nicht. Der Wind wurde die Flammen nicht zur Schlucht treiben. Brllend vor Angst brach die Mammutkuh nach der anderen Seite aus. Droog hatte gewartet, bis die Flammen emporgeschossen waren. Dann strmte er davon. Als er sah, da das Tier ausbrechen wollte, hetzte er auf den bebenden Fellberg zu, schwang wild seine Fackel und drngte ihn ab. Dann rasten Crug, Broud und Goov, die jngsten und schnellsten unter den Jgern, wie Wiesel vor der Mammutkuh her. Sie trieb die Angst, das schreckgepeinigte Tier wrde sie einholen. Brun, Grod und Droog jagten hinterher, krampfhaft bemht, dem Ungetm dicht auf den Fersen zu bleiben. Instndig hofften sie, da es nicht ausbrechen wrde; doch das Tier donnerte blindlings geradeaus. Schon erreichten die drei jungen Jger den Felsenkessel. Crug lief auch mit hinein, whrend Broud und Goov an der unteren Wand ihren Lauf verhielten. Mit zitternden Hnden und vllig auer Atem griff Goov zu seinem Auerochsenhom und flehte seinen Schutzgeist an, da die Kohle nicht erloschen sein mge. Sie glhte noch, aber niemand hatte Luft genug, um den Kienspan zu entfachen. So half der scharfe Wind. Nachdem die beiden Fackeln wieder brannten, traten Broud und Goov aus der Wand heraus, um dem Mammut den Weg zu verlegen. Es dauerte nicht lange, und schon raste das Tier mit ohrenbetubendem Trompeten auf sie zu. Behend sprangen die jungen Jger ihm entgegen und schwenkten wild schreiend ihre Fackeln und trieben es in den Kessel hinein. Als der vorwrtsstrmende Kolo vor sich schon wieder Rauch und Feuer sah, warf er entsetzt den Kopf herum, um einen neuen Fluchtweg auszusuchen. Der Boden erzitterte, als er zur Seite hin ausbrach und, von Broud und Goov gejagt, in die Schlucht raste, die am oberen Ende des Kessels in die Felswand eingekerbt war. Steine und Staub wurden aufgewirbelt, brchiger Fels zerbrselte unter den angstgehetzten Fen, Gebsche und Strucher wurden unbarmherzig zermalmt, als das Tier durch die Klamm tobte, die immer enger und enger wurde, und der Rauch und das Feuer immer schlimmer. Und pltzlich erhob sich vor ihm das Ende der Schlucht, grau und unausweichlich. Brllend bumte sich das Mammut auf, doch hier gab es kein Entrinnen. Vorwrts und seitwrts starkes, graues Gestein, und von hinten rannten Broud und Goov herbei. Der junge Jger hatte schon sein scharfes Flintsteinmesser gezogen, das Droog gefertigt und der Mog-ur mit dem glckbringenden Zauber versehen hatte. Schnell wie der Wind und geschmeidig wie eine Tigerkatze scho Broud auf ein Hinterbein des Mammuts zu, das im Augenblick nicht stampfte und dick wie ein Baumstamm war, stie tief hinein und durchtrennte mit einem raschen Ruck die Sehnen. Qualvoll hob das Tier den Rssel und stie schrill seinen Schmerz in die Luft. Zurck konnte es nun auch nicht mehr. Geschwind folgte Goov Brouds Beispiel und lahmte das andere Bein. Wie vom Blitz getroffen strzte das mchtige Tier auf die Hinterhand. Sofort sprang Crug hinter seiner Deckung hervor, holte weit aus und stie seinen langen spitzen Speer tief in das angstoffene Maul des Tieres, das ihn mit seinem Rssel zu umfassen suchte, dann aber Blut und Geifer spie. Schnell griff der Jger zum nchsten Speer. Schon sprangen Brun und Grod und Droog hinzu, etwas hher im Fels zu beiden Seiten des zitternden Fellgebirges, in dessen massige Flanken sie nun ihre Speere bohrten. Brun stach ihm eines der kleinen Augen aus. Ein heier Blutstrahl lie ihn fast erblinden. Der Fellberg schwankte; ein Beben durchlief die einst schwarzfelligen Seiten, aus denen nun rote Quellen sprangen; ein letzter markerschtternder Trompetensto, mit dumpfem Krachen schlugen vorn die Zhne auf den Fels; der Rssel rutschte noch ein Stckchen nach, und etwas Felsstaub wurde aufgewirbelt, als ihm das letzte bichen Luft entstrmte. Die Mnner hielten keuchend inne. Wie angewur zelt blieben sie stehen, stierten auf das tote Tier und konnten es nicht fassen. Totenstille. Die Mnner sahen sich an, sprten ihre Herzen rascher schlagen, und tief aus ihrem Innern scho ein Gefnl der berlegenheit empor, das sich mit einem wilden Siegesschrei gehrig Luft machte. Sie hatten es geschafft! Sie hatten das mchtige Mammut erlegt. Mit Geschick und Schlue und dank ihres Willens, zusammenzuhalten und das uerste zu wagen, hatten diese Erdlinge das Riesentier gettet. Keiner der reienden Vierbeiner, ganz gleich, wie schnell, wie kraftvoll oder listig er auch war, konnte ihnen das nachmachen. Broud kletterte zu Brun auf den Fels hinauf und sprang von dort auf das gefllte Tier hinunter. Und gleich darauf war Brun an seiner Seite, schlug seinem Sohn mit Freude auf die Schulter, zog dann seinen Speer aus der leeren Augenhhle des Mammuts und hielt ihn mit ausgestrecktem Arm hoch ber seinen Kopf. Die anderen vier Mnner kamen auch hinzu und gaben sich gemeinsam dem alten Tanz der Freude hin. Schlielich sprang Brun herunter und ging einmal um die Beute herum, die die enge Spalte beinahe ausfllte. Nicht einer seiner Mnner war verwundet worden. Nicht einer hatte auch nur eine Schramme abgekriegt. Ihre Jagd war von groem Glck begleitet worden. "Wir mssen den Geistern unseren Dank erweisen", bedeutete der Clan-Fhrer den Mnnern. "Nach unserer Rckkehr soll der Mog-ur eine ganz besondere Feier machen. Jetzt nehmen wir uns nur die Leber - ein jeder von euch soll davon seinen Teil erhalten, und etwas fr Zoug und Dorv und den Mog-ur. Was bleibt, geben wir dem Geist des Mam-Muts. So hat der Mog-ur mir geraten. Wir verbergen es hier, wo wir das Mam-Mut besiegten, und vergraben auch die Leber des Jungtiers, das da drinnen ist." Brun deutete mit der blutbespritzten Hand auf das aufgeschwollene Tiergebirge, um das sich mittlerweile ein dunkelroter See gebildet hatte. "Der Mog-ur hat mich geheien, das Gehirn nicht anzurhren. Es mu bleiben, wo es ist, damit der Geist des Mam-Muts es behalten kann. Wer hat den ersten Schlag gefhrt? Broud oder Goov?" begehrte Brun zu wissen. "Broud", antwortete Goov. "Dann kommt ihm das erste Stck der Leber zu. Aber allen gebhrt der Ruhm, das mchtige Mam-Mut erlegt zu haben." Broud und Goov wurden ausgeschickt, die Frauen zu holen. Die Arbeit der Mnner war getan. Nun hatten die Frauen die Hnde zu rhren, das Tier zu zerlegen und das Fleisch zu drren. Inzwischen entfernten die Jger noch das Innere des mchtigen Tierkrpers und hoben das fast voll entwickelte Ungeborene aus dem Leib. Nachdem die Frauen eilfertig eingetroffen waren, halfen ihnen die Mnner noch beim Huten des Mammuts, denn das Tier war so riesig; da alle mit anpacken muten. Fleischstcke, die von Clan-Leuten besonders gern gegessen wurden, schnitten die Frauen heraus und verwahrten sie zum spteren Gefrieren in Steinkammern, die sie selbst errichten wrden. Rings um das, was dann noch brig war von dem Kadaver, wurden Feuer angezndet, die verhindern sollten, da das Fleisch gefror und gierige Aasfresser sich daran vergriffen. Erschpft, mde, gesttigt und zufrieden wickelten die Clan-Leute sich in ihre Schlafpelze. Am anderen Morgen setzten sich die Mnner etwas abseits zusammen, lieen noch einmal in weitschweifigen Gebrden die Gefahren der Jagd aurleben und bezeugten einander Bewunderung fr eines jeden Tapferkeit, whrend die Frauen sich an die Arbeit machten. Zwar flo in der Nhe ein kleiner Bach, doch war es zu umstndlich, jedesmal durch die ganze Schlucht zu laufen, um Wasser zu holen. Und nachdem die Frauen alles in einzelne Teile zerlegt hatten, rckte man nher an das Gewsser. Die Knochen lie man den aasigen Tieren. Fast alles war zu verwenden. Aus der dicken, zhen Haut des Mammuts konnte vielerlei gefertigt werden: Fuzeug, das krftiger und haltbarer war als das aus den Huten anderer Tiere, Einschlupfdecken, die man vor die Hhle hngen konnte, um den Wind abzuhalten. Kochgefe, krftige Riemen, Unterschlupfplanen, die vor Wind und Wetter schtzten, wenn man -so wie zur Zeit - im Freien lagerte. Mit dem weichen, flaumigen Krperhaar konnte man Schlafscke und Matten ausstopfen. Das Zottelhaar und die Sehnen wurde man zu festen Schnren drehen. Blase, Magen und Gedrm waren als Wasser- und Vorratsbehltnisse verwendbar. Besonders wertvoll war das Fett, das aus dem Gewebe des Tieres gewonnen wurde. Fr die Clan-Leute war es eine wichtige Kraftnahrung, die sie im Winter widerstandsfhiger gegen die Kltnis machte und ihnen in den warmen Jahreszeiten nach krperlicher Anstrengung verbrauchte Energie zurckgab. Es fand aber auch vielseitige andere Verwendung: Mit Fett konnte man Tierhute bearbeiten, so da sie haltbar und geschmeidig blieben; Fett diente als Brennstoff fr Steinleuchten, die Licht und Wrme spendeten; man rieb Felle und Hute damit ein, um sie wasserdicht zu machen; man mischte es als Bindemittel in Salben und Pasten; es war ntzlich, wenn man mit feuchtem Holz ein Feuer machen wollte oder lang brennende Kienspne brauchte; wenn nichts anderes zur Hand war, konnte man Fett statt Holz zum Heizen verwenden. Whrend sie emsig bei der Arbeit saen, blickten die Frauen immer wieder zum Himmel hoch. Blieb das Wetter so klar wie heute, so wrde das Fleisch durch die unablssig blasenden Winde etwa in soviel Tagen wie Finger an einer Hand und zwei der anderen dazu gedrrt sein. Rauchfeuer brauchten nicht entzndet zu werden - fr Fliegen, die das Fleisch htten verderben knnen, war es sowieso zu kalt -, und das war gut so. Holz und anderes brennendes Zeug gab es hier im kalten, den Steppenland viel weniger als in den Wldern der Hgel, wo die heimische Hhle lag, oder auch in den weiter unten gelegenen Steppengebieten, in denen knorrigbucklige Bume gediehen. Wenn der Himmel verhangen wre oder wenn es regnete, wrde das Trocknen der dnngeschnittenen Fleischstreifen wesentlich lnger dauern. Der feintrockene Schnee, den die bigen Winde aufwirbelten, hatte nichts zu bedeuten. Nur wenn das Wetter umschlagen, warm und feucht werden sollte, wrde das die Arbeit verzgern. Die Frauen hofften auf trocknes, klares, kaltes Wetter. Diese riesigen Fleischmassen konnte man nur dann zur Hhle zurckschleppen, wenn sie grndlich gedrrt, also leichter waren. Mit groen Schabern rckten die Frauen der schweren, mit zottigem Fell bedeckten Haut des Mammuts zuleibe, lsten die wabbelige Fettschicht, entfernten die Blut- und Nervenstrnge und den Haarbalg. Das in der Klte sofort zu massigen Brocken erstarrte Fett taten sie in groe Tierhautbehlter, die sie ber den Feuern aufhngten, und gssen das ausgelassene Fett in die gesuberten Gedrme, die sie zunchst an einem und, wenn sie gefllt waren, am anderen Ende zubanden. Das Fell des Mammuts zertrennten sie in handliche Stcke und rollten sie fest zusammen. Spter, wenn Schnee und Kltnis die Clan-Leute wieder in die Hhle verbannten, wrde die Haut enthaart und bearbeitet werden. Selbstverstndlich wrden sie auch die Stozhne mitnehmen, die jetzt zum Zeichen ihrer berlegenheit am Lagerplatz aufgestellt waren. In jenen Tagen, an denen die Frauen stndig bei der Arbeit waren, machten die Mnner Jagd auf kleineres Wild oder hockten beisammen und berwachten, wenn auch nicht allzu scharf, das Tun und Treiben im Lager. Als vor zwei Tagen die Jger und Frauen der Bequemlichkeit halber sich nher zum Bach hin gelagert hatten, waren ihnen auch die aasigen Tiere gefolgt, so da man die Fleischstcke, die zum Trocknen ber ausgespannten Schnren und Riemen hingen, unablssig im Auge behalten mute. Besonders hartnckig und ausdauernd war eine groe, gefleckte Hyne, die man schon oftmals verscheucht hatte, die aber immer wieder auftauchte und sich bestndig am Rand des Lagerplatzes herumtrieb. Von den lssigen und halbherzigen Versuchen der Mnner, sie zu tten, lie sich das Tier nicht beeindrucken; mehrmals am Tag gelang es dem listigen Geschpf, ein paar Happen Fleisch zu ergattern. Mit geschwinden Hnden waren Ebra und Oga gerade dabei, die letzten blutigen Brocken zu zerschneiden, um sie zum Drren aufzuhngen. Uka und Ovra fllten flssiges Fett in einen Darm. Ayla hockte am Bach und wusch ein Darmstck aus. Eine Eiskruste hatte sich schon an seinem Rand gebildet, doch das Wasser flo noch munter dahin. Die Mnner standen bei den gewaltigen Stozhnen und berieten darber, ob sie mit ihren Schleudern auf die Jagd gehen sollten. Brac hatte bei seiner Mutter und Ebra gesessen und sich mit Kieselsteinen unterhalten. Doch bald war er der runden Dinger, die sich nicht bewegten, berdrssig geworden, war aufgestanden und neugierig ins Gebsch getapst. Die Frauen, die sich ganz der Arbeit zugewandt hatten, gewahrten nicht, wie der kleine Junge sich davonstahl. Nur ein Paar Augen beobachteten ihn scharf. Aller Kpfe flogen herum, als ein markerschtternder Schrei die Stille zerri. "Brac!" schrie Oga. "Die Hyne hat mein Kind!" Ogas jammervolle Hand stie in die Richtung, in die das widerliche Tier, mit gierigem Gebi das Kind am Arm packend, sich davonmachte. "Brac! Brac!" schrie Broud, als er, gefolgt von den anderen Mnnern, der Hyne hinterherlief. Schnell griff er nach seiner Schleuder, um den Speer zu gebrauchen, war er viel zu weit entfernt, und bckte sich hastig, um einen Stein aufzuheben, schleuderte ihn ab und fehlte. Verzweifelt suchte er nach einem neuen. Etwas seitlich von den Mnnern, aus dieser Richtung etwa, kam pltzlich das Sirren zweier Steine, die schnell hintereinander abgeschossen worden waren und genau den widerlichen Kopf'des Tieres trafen, das wie vom Blitz getroffen zusammenbrach, kurz zuckte und die langen Lufe von sich streckte. Wie versteinert blieb Broud stehen und ri den Mund auf vor Erstaunen und dann vor Unglauben die Augen, als er sah, wie Ayla, die Schleuder noch in der Hand, zu dem wimmernden Kind hinstrzte. Es war dem Mdchen gelegen gekommen, da es mondelang diese Tiere genau beobachtet hatte; es war damit vertraut, wie sie lebten, es wute, wo sie verletzbar waren, hatte sich unermdlich darin gebt, sie zu jagen und zu erlegen. Und wie sie Bracs gellendes Schreien hrte, hatte sie einfach zu ihrer Schleuder gegriffen, ohne daran zu denken, was das nach sich ziehen mute. Sie hatte die Hyne hindern wollen, das Clan-Kind mit sich fortzuschleppen. Erst nachdem sie das Kind erreicht und aus den Zhnen der toten Hyne befreit hatte, erst als sie sich umwandte und den fassungslosen Blicken der anderen begegnete, wurde ihr klar, was geschehen war. Ihr Geheimnis war bekannt. Sie hatte sich verraten. Jetzt wuten die Jger, da auch sie jagte. Eisige Furcht umschlo ihr Herz und Hirn, als sie an die Folgen dachte. Fest drckte sie den kleinen Jungen an sich und mied die grougigen Blicke der Clan-Leute, whrend sie zum Lagerplatz zurckrannte. Oga war die erste, die aus der Erstarrung erwachte. Sie lief Ayla entgegen, streckte die Arme aus und nahm dankbar ihr Kind von dem Mdchen entgegen, das ihm das Leben gerettet hatte. Sobald sie im Lager waren, untersuchte Ayla den Jungen, nicht nur, um zu sehen, wie verletzt er sei, sondern auch, um eine Weile den Blicken der anderen entgehen zu knnen. Bracs Arm und Schulter zeigten tiefe Biwunden, und der obere Armknochen war gebrochen. Noch nie hatte Ayla einen Arm geschient, aber Iza mehrmals dabei zugesehen. Und die Medizinfrau hatte ihr auch noch vor dem Aufbruch zur Jagd erklrt, was in so einem Notfall zu tun war. Izas Sorge allerdings hatte den Jgern gegolten; der Gedanke, da dem Kind etwas zustoen knnte, war ihr gar nicht erst in den Sinn gekommen. Ayla schrte das Feuer, machte Wasser hei und holte ihren Otterfellbeutel heraus. Die Mnner standen still und stumm, noch immer wie benommen; es wollte ihnen nicht in den Kopf, was ihre Augen eben gesehen hatten. Zum ersten Mal in seinem Leben versprte Broud dem Mdchen gegenber ein Gefhl warmer Dankbarkeit. In seiner tiefen Erleichterung sah er nur, da Ayla den Sohn seiner Gefhrtin vor einem grausamen Tod errettet hatte. Brun jedoch sah weiter. Der Clan-Fhrer hatte bald erkannt, was Aylas Tat bedeutete, und das Herz wurde ihm schwer, als er gewahr wurde, da ihn das Mdchen vor eine ungeheuer harte Entscheidung gestellt hatte. Gem dem Brauch des Gro-Clans gab es fr eine Frau, die eine Waffe gebrauchte, nur eine Bestrafung - den Tod. Nichts war dagegen vorzubringen. Mildernde Umstnde, das Besondere des Handelns zu bercksichtigen, einzuwenden, da dadurch ein Erdling gerettet worden sei - nichts gab es, was diese Strafe mildern konnte. Der Brauch war schon so alt und zu tief im Kopf der Leute verwurzelt; seit langer Zeit hatte diese Strafe nicht mehr angewandt werden mssen. Die Geschichten, die sie umrankten, waren eng verknpft mit jenen Geschichten, die von einer Zeit kndeten, als noch die Frauen die Macht besessen hatten, sich Zugang zur Geisterwelt zu verschaffen. Und als die Mnner die Zaubermacht der Frauen gebrochen hatten, setzten sie diesen Brauch fest, der den tiefgreifenden Unterschied der beiden Geschlechter im Gro-Clan herbeigefhrt hatte: Keine Frau, die das als unweiblich angesehene Verlangen, auf Jagd zu gehen, versprte, durfte am Leben bleiben. Man machte eine gewaltige Auslese, bei der nur jene Frauen brig blieben, die in Einstellung und Verhalten den Mnnern gegenber die echte Weiblichkeit an den Tag legten. Doch folgte daraus, da die Fhigkeit dieser Art der Erdlinge, sich an die feindliche Umwelt anzupassen - gerade das, was das berleben mglich machte -, durch einen Machtmibrauch zugrunde gerichtet war. Dieses durch den Gro-Clan Festgelegte galt noch immer, wenn es auch lngst keine sich auflehnenden Frauen mehr gab. Doch Ayla war kein Kind des Gro-Clans. Brun liebte den Sohn von Brouds Gefhrtin. Nur Brac gegenber ffnete sich der unnahbare Mann. Der kleine Junge durfte alles: ihn am Bart zupfen, neugierig an den Brauen befingern und auf seinen Knien herumhopsen, soviel er wollte. Nie war dem Clan-Fhrer das Herz so weich, wie wenn der Kleine sicher und geborgen in seinen Armen schlummerte. Fr ihn war klar, da Brac nicht mehr am Leben wre, wenn Ayla nicht das Tier gettet htte. Wie konnte er das Mdchen, das Brac das Leben gerettet hatte, zum Tode verdammen? Doch sie hatte das mit einer Waffe getan, fr deren Gebrauch sie nun sterben mute. Brun hielt die Hand vor die Stirn. Wie hat sie das nur fertiggebracht? fragte er sich. Das Tier war schon ziemlich entfernt gewesen und sie noch weiter weg von ihm als die Mnner. Brun blickte auf und ging hinber zur toten Hyne. Das Blut am Kopf begann schon zu verkrusten. Es gab zwei Wunden. Seine Augen hatten ihn also doch nicht getuscht! Es war ihm, als htte er zwei Steine fliegen gesehen. Wie war das mglich, da es Ayla zu einem solchen Knnen mit der Schleuder gebracht hatte? Nicht einmal Zoug, nein, keiner, von dem er je gehrt hatte, konnte in so rascher Folge, so genau und auch mit solcher Kraft zwei Steine hintereinander schleudern und mit einer Wucht, die eine Hyne noch aus solcher Entfernung zu tten vermochte. Soweit er sich zurckerinnern konnte, hatte noch nie jemand aus dem Gro-Clan mit einer Schleuder eine Hyne erlegt. Schon wie Broud nach dem Stein griff, war er von dem Mierfolg berzeugt gewesen. Zoug hatte immer behauptet, es wre mglich, mit der Schleuder eine Hyne zu erlegen, doch insgeheim hatte Brun seine Zweifel daran gehabt. Nur hatte er dem alten Mann nie widersprochen, weil er ihn nicht verstimmen wollte. Und Zoug war schlielich noch immer ein verdienter Mann des Clans. Nun aber war es offensichtlich, da der alte Zoug doch recht gehabt hatte. Konnte man mit der Schleuder auch einen Wolf oder einen Luchs tten, wie Zoug felsenfest behauptete? Pltzlich schlug sich Brun krftig an die Stirn, da es klatschte, und kniff die Augen zusammen, wie geblendet von der unerwarteten Erkenntnis. Hier einen Wolf oder Luchs? Dort einen Vielfra, eine Wildkatze? Da einen Dachs oder eine Hyne? In einem wilden Wirbel strzten die Bilder in sein Hirn. All die toten reienden Tiere, die man in letzter Zeit in weitem Umkreis um die Hhle gefunden hatte! Jetzt war es klar. Ayla hatte das getan. Das Mdchen jagte schon seit langem. Wie htte es denn sonst dieses Schleudernknnen lernen sollen? Sie ist doch aber eine Frau, ging es dem Clan-Fhrer durch den Kopf. Sie hat die Frauen-Fertigkeiten leicht begriffen. Wie konnte sie das Jagen lernen? Und wieso nur das reiende Getier? Und so gefhrliches dazu? Warum denn berhaupt? Brun fuhr sich ratlos durch das dichte Haar. Wre sie ein Mann, so wrde jeder Jger sie beneiden. Aber sie ist es nicht. Ayla ist eine Frau. Sie hat sich an einer Waffe vergriffen und mu dafr sterben, sonst werden uns die Geister schrecklich zrnen. Wirklich? Zrnen? Sie jagt doch schon seit langem. Und wie kommt es dann, da uns die Geister noch nicht zrnen? Es sieht so aus, als htten sie gar nichts dagegen. Wie wir das Mammut jagten, haben sie uns doch beigestanden und alles zu einem glcklichen Ende gebracht. Und auch nicht ein Mann ist verletzt. Sie haben keinen Zorn gegen uns, die Geister. Sie sind uns freundlich gesinnt. Verwirrt schttelte Brun den massigen Kopf. Die Wege der Geister waren ihm fremd. Er wnschte, der Mog-ur wre hier und Droog, dachte der Clan-Fhrer, der glaubte fest, da sie das Glck mit sich trge; knnte ja sein, da er recht habe. Nie wre es den Clan-Leuten so gut gegangen wie seit jenem Tag, an dem Ayla gerunden wurde. Aber wenn sie so hoch in der Gunst der Geister stnde, wrde es sie erbittern, wenn man sie ttete? Das wollte doch der Brauch. Qulende Unsicherheit bohrte sich in Bruns Hirn. Warum mute gerade sein Clan sie finden? Es knnte ja schon sein, da sie das Glck mit sich trge, aber ihm machte sie immer wieder das Leben schwer. Tief atmend schwang Brun seine Keule wieder auf die Schulter. Eine Entscheidung war jetzt nicht zu treffen, ohne vorher den Mog-ur zu Rate gezogen zu haben. Wenn man zurck war in der Hhle, dann wrde man weitersehen. Brun stampfte zum Lagerplatz. Ayla hatte dem Jungen einen Trank eingeflt, der die Schmerzen linderte und ihn schlfrig machte. Sie suberte seine Wunden, renkte den Arm ein und verband ihn mit feuchter Birkenrinde, die starr und hart wurde, wenn sie trocknete/ so da die Knochen sich nicht wieder verschieben konnten. Man mute nur darauf achten, da der Arm nicht zu stark anschwoll. Ayla sah Brun zurckkommen und begann zu zittern. Doch er schritt an ihr vorber, ohne sie zu beachten. ~Kapitel 14 Es war, als drehte sich das Jahr rckwrts, als die Jger und Frauen mit ihrer Beute auf das untere Land zu zogen. Oenn hier war es Herbst. Drohende graue Wolken und Geruch von Schnee trieben die Clan-Leute zur Eile; hier wollten sie nicht in das erste Schneetoben des frhen Winters im oberen Teil der Halbinsel geraten. Das mildere Wetter im unteren Land weckte trgerisches Ahnen von nahendem Frhling, doch statt grnender Knospen und aufbrechender Blten erwarteten sie das fahle Gelb ausgedrrten Grases und die fast nackten ste der Laubbume. Auch hier war der Winter nicht mehr fern. Fr den Rckmarsch zur Hhle brauchte man lnger. Denn die Lasten drckten und machten einem das Atmen schwer. Viel schwerer jedoch als die prall gefllten Krbe und sonstigen Behltnisse lasteten auf Ayla Angst und Niedergeschlagenheit. Keiner tat des Vorgefallenen auch nur die geringste Erwhnung. Doch es war nicht vergessen. Hufig, wenn das Mdchen zufllig aufsah, fing es die forschenden Blicke der anderen auf, bevor diese sich hastig abwandten. Kaum jemand wollte etwas mit ihr zu tun haben, wenn es nicht unbedingt ntig war. Sie fhlte sich einsam und ausgestoen, und ihre Angst wuchs, je nher sie der Hhle kamen. Schon seit Tagen hatten die in der Hhle Verbliebenen nach den Jgern Ausschau gehalten. Immer stand jemand, meist eines der Kinder, oben am Grat, wo man weit ber die Ebene blicken konnte, und sphte aufmerksam in die Richtung, aus der sie kommen muten. Heute hatte Vorn schon in aller Frhe sich auf den Weg zum Grat gemacht und zunchst gewissenhaft in die dunstige Ferne geblickt; nach einer Weile jedoch begann ihm die Zeit etwas lang zu werden. Er stellte sich vor, auf der Jagd zu sein, und rammte seinen Speer so oft mit aller Kraft in den Boden, bis schlielich die Spitze splitterte. Und als er unmutig den Kopf hob und den langen Hang hinunterblickte, sah er die Jger auftauchen. "Sto-Zhne! Sto-Zhne!" schrie Vorn und rannte zur Hhle zurck. "Sto-Zhne?" fragte Aga. "Wieso denn das?" "Sie sind zurck!" gab Vorn aufgeregt zu verstehen. Brun und Droog und die anderen. Er habe sie gesehen. Sie trgen Stozhne. Sofort rannten alle in wildem Lauf den Jgern entgegen. Doch als man sie erreichte, versprte man sogleich, da Dsternis ber den Mnnern hing und den Frauen, die sie begleiteten. Man sah, die Jagd war erfolgreich gewesen. Aber keiner frohlockte Der Schritt der Heimgekehrten war schwer, und ihre Sinne verrieten Kmmernis. Bruns Gesicht zerfurchte grimmi- ger Ernst. Ein Blick auf Ayla, und Iza erkannte, da etwas Schreckliches sich zugetragen haben mute, an dem das Mdchen nicht unschuldig war. Als die Jger und die Frauen einen Teil ihrer Lasten absetzten, um sie den anderen zu bergeben, trottete Ayla mit gesenktem Kopf den Hang hinauf, ohne auf die verstohlenen Blicke zu achten, die ihr folgten. Iza war tief bestrzt, und Furcht umkrallte ihr Herz, als sie das Kind sah, das ihres war, wie es mit eingefallenen Schultern, die ein trockenes Schluchzen schttelte, weiterlief. Oben in der Hhle brachten Oga und Ebra den kleinen Jungen zur Medizinfrau, die die Birkenrinde aufschnitt und den Arm des Jungen untersuchte. "Er wird ihn wieder wie frher gebrauchen knnen", bedeutete sie. "Es werden Narben bleiben, aber die Wunden verheilen, und der Arm ist gut gerichtet. Ich verbinde ihn jetzt mit frischer Rinde." Die Frauen atmeten auf. Sie wuten, da Ayla noch nicht so erfahren war, und hatten sich sehr gesorgt um den Jungen. Ein Jger brauchte zwei krftige Arme. Und wre Brac nun behindert gewesen, als Krppel htte er niemals Clan-Fhrer werden knnen, wozu ihn seine Geburt bestimmte. Und htte sich gezeigt, da er zum Jagen nicht zu gebrauchen war, so wre er niemals ein Jger geworden und den Rest seines Lebens ohne Rang und Geltung gewesen. Auch Brun und Broud waren erleichtert. Brun jedoch nahm die Nachricht mit gemischten Gefhlen auf. Sie machte es ihm noch schwerer, sich zu entscheiden. Ayla hatte nicht nur Bracs Leben gerettet, sie hatte auch dafr gesorgt, da er hinfort ein wrdiges Leben wurde fhren knnen. Das alles mute jetzt bedacht und entschieden werden. Er gab dem Mog-ur ein Zeichen, und gemeinsam schritten sie langsam ber den Vorplatz auf den Wald zu. Die schlimme Kunde, die Brun ihm gab, strzte Creb in tiefe Bekmmerung. Ihm oblag es, Ayla zu lehren und zu unterweisen. Es war offenkundig, da er versagt hatte. Doch nicht nur das machte ihm zu schaffen. Schon als er das erste Mal von den toten Tieren erfahren hatte, die die Mnner immer wieder im Umkreis der Hhle fanden, war ihm klar geworden, da dieses nicht von Geisterhand gemacht war. Der Gedanke war ihm gekommen, ob nicht Zoug oder einer der anderen Mnner dem Clan einen Streich habe spielen wollen, denn sein Gefhl sagte ihm, da die Tiere von seinesgleichen gettet worden waren. Und zu gleicher Zeit hatte er diese Vernderung an Ayla wahrgenommen; Vernderungen, bei denen er htte erkennen mssen, ^vas sie bedeuteten. Clan-Frauen bewegten sich einfach nicht mit dem lautlos schleichenden Schritt des Jgers; sie machten Lrm, und das mit gutem Grund, weil sie Angst hatten. Mehr als einmal war er durch Ayla erschreckt worden, die sich ihm so leise genhert hatte, da er sie nicht hrte, bis das Mdchen vor ihm stand. Und pltzlich erinnerte sich der Mog-ur noch an anderes, was ihn Bses htte ahnen lassen mssen. Doch weil er Ayla gegenber eine solch tiefe Zuneigung gefat hatte, hatte er sie immer nur so gesehen, wie er sie sehen wollte. Sich vorzustellen, da sie jagen gehen knnte, damit durfte gar nicht erst angefangen werden, weil er allzu gut wute, was fr Folgen das haben wrde. Zweifel kamen in dem alten Zauberer auf an seiner eigenen Unbestechlichkeit, an seiner Fhigkeit, den rechten Weg der Geister aufzuzeigen, dem Clan-Brauch Geltung zu verschaffen und die Gemeinschaft aller zu vereinen. ber seiner Liebe zu dem Mdchen hatte er das Wohl des Clans vergessen. Besa er noch das Vertrauen der Clan-Leute? War er noch des Groen Bren wrdig? Konnte er noch weiterhin der Mog-ur sein? Creb nahm alle Schuld auf sich. Er htte sich um sie mehr kmmern mssen, sie nicht so frei umherstreifen lassen drfen, sie mit mehr, mehr Strenge behandeln sollen. Doch all seine Herzensqualen ber das, was zu tun er versumt hatte, nderten nichts an dem, was er noch wrde verrichten mssen. Bei Brun lag die Entscheidung; er jedoch wrde sie ausfhren; er wrde das Kind, das er so fest in sein Herz geschlossen hatte, zu tten haben. "Noch wissen wir nicht, ob sie es war, die die Tiere gettet hat", deutete Brun an. "Sie ist darber zu befragen. Doch wir haben gesehen, wie sie die Hyne erlegte, und sie trug eine Schleuder in der Hand." Fr den Clan-Fhrer war es klar, da sie ben mute, um so hohes Geschick zu haben. Ayla wisse mit der Schleuder besser umzugehen als Zoug. Und dazu noch eine Frau! Wie sie es wohl gelernt htte? Ob es denn sein knnte, da sie etwas von einem Mann in sich trge? Wenn man sie anschaute, sie sei so hochgewachsen wie ein Mann und doch noch nicht mit den Formen einer Frau versehen. Ob es denn sein knnte, da Ayla niemals eine Frau wrde? Fragend schaute Brun seinen Bruder an. Der Mog-ur antwortete: "Ayla ist ein Mdchen, Brun, und eines Tages wird sie eine Frau wie alle Mdchen - sie wre es geworden", schrnkte er ein. "Sie ist ein Mdchen, das sich an einer Waffe vergriffen hat." Der Zauberer war hart zu sich selbst. Er wollte keinen falschen, tuschenden Trost. "Sie soll uns zeigen, wo und wie lange sie schon jagt. Aber das mu bis zum Morgen warten. Wir sind alle mde, Mog-ur, die Wanderung war lang. La Ayla wissen, da wir sie befragen werden", endete Brun. Creb humpelte zur Hhle zurck. In seinem Wohnkreis blieb er jedoch nur kurz, um Iza zu bedeuten, da die Mnner das Mdchen morgen befragen wollten. Dann zog er sich in seine kleine Hhle zurck. Die ganze Nacht verbrachte er dort. Stumm und ohne jede Bewegung blickten die Frauen den Mnnern nach, die, von Ayla gefolgt, dem Wald zustrebten. Geteilte Empfindungen stritten in ihnen. Ayla selbst war gleichermaen verwirrt. Sie hatte zwar immer gewut, da Frauen die Jagd verboten war, aber nicht, da die Strafe der Tod sein sollte, falls der Mibrauch offenkundig wurde. Und htte ich es gewut, so fragte sie sich, htte ich mich dann davon abhalten lassen zu jagen? Nein! Ich wollte jagen. Dennoch htte ich gejagt. Aber als Ayla sich vorstellte, da die bsen Geister sie bald ins Reich der Toten schleppen wrden, zuckte sie zusammen und lief langsamer. Ihre Furcht vor den unsichtbaren bsen Mchten war so stark wie ihr Glaube an die Kraft schutzspendender Totems. Doch sie befrchtete, da nicht einmal der Geist des Hhlenlwen sie wrde beschtzen knnen. Ich mu es falsch gedeutet haben, scho ihr durch den Kopf. Wie kann mein Totem mir ein Zeichen geben, das mir die Jagd erlaubt, wenn es wei, da ich dafr zu sterben habe? Es hat mich wohl schon damals verlassen, als ich das erste Mal nach einer Schleuder griff. Die Mnner gelangten zu einer Lichtung und lieen sich zu beiden Seiten von Brun auf Baumstmpfen und Felsbrocken nieder. Als Ayla herankam, sank sie zu Fen des Clan-Fhrers nieder. Brun tippte ihr leicht auf die Schulter zum Zeichen, da sie zu ihm aufsehen durfte, und begann ohne Umschweife das Verhr. "Hast du die Fleischfresser gettet, die wir immer wieder gefunden haben?" fragte er kurzerhand. "Ja", bedeutete das Mdchen. Wozu jetzt noch etwas verbergen? Ihr Geheimnis war an den Tag gekommen, und die Mnner wrden es spren, wenn sie versuchte, etwas fr sich zu behalten. "Wie hast du gelernt, eine Schleuder zu gebrauchen?" "Von Zoug", gab sie kurz und mit gesenktem Kopf zurck. "Zoug?" echote Brun. Alle Blicke richteten sich anklagend auf den alten Mann, der hastig bezeugte, da er das Mdchen nie unterwiesen habe. "Zoug wute nicht, da ich von ihm lernte", erluterte Ayla darauf. "Ich habe es von ihm abgeschaut, wenn er Vorn unterwies, und dann nachgemacht." "Wie lange jagst du schon?" wollte Brun wissen. "Zwei Sommer", gab Ayla zurck und streckte Daumen und Zeigefinger hoch. "Im Sommer davor habe ich nur gebt." "So lange bt auch Vorn", warf Zoug ein. "Ich wei", besttigte Ayla. "Ich habe zusammen mit ihm angefangen." "Wieso bist du dir dabei so sicher, Mdchen?" Brun war neugierig. "Ich war dabei. Ich habe zugesehen." "Du warst dabei? Wo?" "Auf der Lichtung, da hinten." Ayla wies ber die Kpfe der Mnner und wurde genauer. "Iza hie mich, ihr Kirschrinde zu bringen. Als ich zu den Bumen kam, wart ihr alle da, so da ich sie nicht holen konnte. Da ich nicht wute, wie lange ihr bleiben wrdet, wartete ich und sah zu, wie Zoug zum ersten Mal Vorn das Schleudern zeigte." "Was? Das erste Mal?" mischte sich Broud mit hastiger Gebrde ein. "Bist du sicher, da es das erste Mal war?" Brouds Augen hatten wieder den alten, harten Glanz bekommen. Jenen Tag hatte er nur allzu deutlich noch im Kopf. Selbst jetzt stieg ihm eine leichte Rte ins Gesicht. "Ja, Broud, ich bin sicher", gab Ayla zurck. "Was hast du noch gesehen?" Der junge Jger hatte die Augen zusammengekniffen; seine Hnde redeten hart und kurz. Auch Brun erinnerte sich pltzlich an das fr Broud beschmende Ereignis, da ein Mdchen dieses hatte sehen knnen, bedrckte ihn. Ayla zgerte. "Ich habe gesehen, wie auch die anderen Mnner bten", bedeutete sie in dem Bemhen, Brouds Frage auszuweichen. Doch dann fhlte sie Bruns harten Blick auf sich ge- richtet und bekannte: "Ich habe gesehen, wie Broud Zoug zu Boden stie, und wie du sehr zornig gewesen bist, Brun." Fast wre Broud von seinem Sitzstein aufgesprungen. "Das hast du gesehen? Alles!" Broud war flammend rot geworden. Warum hatte sie das mitansehen mssen? Wut scho in ihm hoch. Sie war zugegen gewesen, wie Brun ihn gedemtigt und gestraft hatte. Broud stand immer noch vor Augen, wie schlecht er damals mit der Schleuder geschossen hatte, und pltzlich sah er sich selbst beim Mammut-Lager auf die Hyne zielen und erlebte noch einmal, wie sein Schu danebenging. Er hatte jmmerlich gefehlt. Sie hatte die Hyne erlegt, das Biest zu Tode getroffen. Ein Mdchen, dieses Mdchen hatte ihn, der Tapfersten einer, auf der Mammutjagd ganz einfach blogestellt. Eiskalter Ha verdrngte alle Wrme, die er nach Bracs Rettung fr Ayla gesprt hatte. Ich werde erst froh sein, wenn sie tot ist, dachte er grimmig. Sie verdient nichts anderes. Dieses Mdchen, das den Augenblick seiner tiefsten Erniedrigung miterlebt hatte, durfte nicht am Leben bleiben. Mit gerunzelter Stirn hatte Brun den Sohn seiner Gefhrtin beobachtet. Brouds Gesicht verriet ihm deutlich, was hinter seiner Stirn vorging. Ein Jammer, dachte der Clan-Fhrer, gerade jetzt, wo das Feuer des Hasses zwischen ihnen erloschen war. Aber das galt nun auch nicht mehr. Er fuhr fort, das Mdchen zu verhren. "Du hast am selben Tag wie Vorn zu ben angefangen. Bedeute Nheres." Ayla straffte den Rcken, blickte auf ihre Hnde und begann zu schildern, wie es sich zugetragen hatte. Als die Mnner gegangen waren, sei sie hinzugetreten und habe die Schleuder entdeckt. Broud htte sie auf dem Boden liegen lassen. Und dann sei es ber sie gekommen. Sie htte sehen wollen, ob sie mit einer Schleuder umgehen knnte. Zougs Anweisungen noch vor Augen, habe sie es versucht. Es sei nicht leicht gewesen, sie habe aber bis Sonnenuntergang gebt. Und einmal den Pfosten getroffen und von da an gedacht, wenn sie weiter be, mte es ihr hufiger gelingen und die Schleuder einfach behalten. "Und du hast es wohl auch Zoug abgeschaut, wie eine Schleuder gefertigt wird?" erkundigte sich Brun. "Ja." "Und in jenem Sommer hast du gebt?" "Ja." Ayla nickte wieder. "Und dann hast du begonnen zu jagen. Aber warum nur auf Fleischfresser? Das ist doch schwieriger, und sie sind auch ge-fhrifcher. Wir haben tote Wlfe gerunden und sogar tote Luchse. Schon immer hat Zoug behauptet, Wlfe und Luchse knnten mit einer Schleuder gettet werden. Du hast gezeigt, da er recht hatte." Bruns Zeigefinger bohrte sich fast in Aylas Stirn, als er nochmals die Frage stellte: "Warum hast du nur Fleischfresser gejagt?" "Ich wute, da ich niemals meine Beute zum Clan wrde bringen knnen. Ich wute, da es mir verboten war, eine Waffe zu berhren. Ich wute aber auch, da in mir ein Verlangen war zu jagen. Mich trieb der Wunsch, es zu versuchen. Und die Fleischfresser schaden uns und sind auch zu nichts ntze. Ich wollte sie tten und auch damit helfen." Nun wute Brun zwar, weshalb das Mdchen nur reiende Tiere gejagt hatte; doch wieso sie verlangte, sich als Jgerin zu versuchen, begriff er nicht. Sie war eine Frau; keine Frau trieb es je zur Jagd. Er wandte sich wieder zu der vor ihm Sitzenden: "Du weit, es war gefhrlich, aus solcher Weite auf die Hyne zu schieen; nicht sie, sondern Brac httest du treffen knnen." Brun war selbst drauf und dran gewesen, zu seiner groen Wurfschleuder zu greifen, obwohl leicht einer der groen Steine das Kind htte treffen knnen. Doch ein rascher Tod durch einen zertrmmerten Schdel wre besser gewesen als das qualvolle Ende, das dem Jungen bevorgestanden htte, wenn man ihn einfach der Hyne berlie. Zudem htte man wenigstens den Krper des Kindes begraben und seinen Geist mit angemessenen Weihgaben auf den Weg in das Reich der Toten schicken knnen. "Ich wute, da ich sie treffen wrde", gab Ayla mit ruhiger Hand zurck. Brun verbarg mit Mhe sein Erstaunen ber diese Selbstsicherheit. "Wie konntest du so sicher sein? Die Hyne war auer der blichen Reichweite der Schleuder." Aylas Lippen zuckten leicht. "Nicht auerhalb meiner Reichweite. Schon frher habe ich Tiere aus dieser Entfernung getroffen. Ich fehle selten." Brun zog die Brauen zusammen und beherrschte sich. "Ich habe die Wunden von zwei Steinen gesehen", setzte er nach. "Ja. Zwei Steine habe ich abgeschleudert", besttigte Ayla und hob zwei Finger hoch. "Das habe ich mir beigebracht, nachdem der Luchs mich angegriffen hatte." Den Clan-Fhrer ri es fast vom Baumstumpf. Er fragte unglubig zurck: "Ein Luchs hat dich angegriffen?" "Ja." Ayla berichtete von dem schlimmen Geschehen und von dem glcklichen Ausgang. "Wie weit kannst du schleudern?" fragte Brun dann. "Zeige es mir. Hast du deine Schleuder mit?" Ayla nickte, griff in eine Falte ihres berwurfs und stand auf. Sie gingen alle hinber zum anderen Ende der Lichtung, wo ein kleiner Bach sich durch ein steiniges Bett ergo. Ayla suchte einige Kiesel von der richtigen Gre und Form zusammen. "Dort, der kleine weie Stein da, neben dem groen Felsbrok-ken am anderen Ende", bedeutete sie Brun und zeigte in die Richtung. Der Clan-Fhrer neigte zweifelnd den Kopf. Keiner von ihnen war imstande, einen Stein so weit zu schleudern. Das Mdchen zielte sorgfltig, legte einen Stein in die Schlinge, schwang die Schleuder, scho ihn ab und hatte schon im nchsten Augenblick einen zweiten Stein in die Kuhle gedrckt, noch einen krftigen Rundschwung gemacht und auch diesen Stein abgeschossen. Flugs rannte Zoug hinber, um nachzuschauen, ob sie ihr Ziel getroffen hatte. "Aus dem weien Stein sind zwei Splitter herausgeschlagen", verkndeten seine Hnde, als er zurckkam. "Sie hat den Stein zweimal getroffen." Bewunderndes Staunen und ein Anflug von Stolz lagen in seinen Gebrden. Nun gut, dachte Zoug. Sie war eine Frau; niemals htte sie eine Schleuder anrhren drfen. Aber sie war eine ausgezeichnete Schtzin. Sie machte ihm Ehre, auch wenn er selbst es gar nicht gemerkt hatte, da sie von ihm gelernt hatte. Bruns Auge erhaschte eine flinke Bewegung auf der Lichtung. "Ayla!" rief er und deutete auf die andere Seite. "Dort, das Kaninchen. Erlege es." Sie blickte schnell in die Richtung, in die sein Arm wies, sah das kleine Tier ber die Wiese hoppeln und scho. Keiner brauchte diesmal hinzulaufen, um nachzuprfen, ob sie getroffen hatte. Mit beiflligem Blick sah Brun das Mdchen an. Sie ist schnell wie der Wind, dachte er. Und flchtig ging ihm durch den Sinn, von welch groem Nutzen ihr unvergleichliches Knnen fr den ganzen Clan sein knnte. Aber gleich wehrte er wieder den Gedanken ab. Das ist dem Brauch zuwider, hielt er sich vor. Eine Frau jagt nicht. Creb hatte keine Bewunderung fr des Mdchens Knnen. In dem, was es tat, sah er nur besttigt, was er befrchtet hatte, da sie wirklich seit langer Zeit schon jagte. "Warum hast du dich berhaupt verleiten lassen, eine Schleuder zur Hand zu nehmen?" grollte der Mog-ur mit dsterer Miene. "Ich wei es nicht." Ayla senkte den Kopf. Mehr als alles andere schmerzte sie der Unmut des alten Zauberers. "Du hast mehr getan. Du hast sie nicht nur berhrt, du hast mit ihr gejagt und gettet, obwohl du wutest, da dies verboten ist", beschuldigte sie der Mog-ur. Ayla sah ihn flehend an und griff zu ihrem Amulett. "Mein Totem hat mir ein Zeichen gegeben, Creb." Sie lste den Knoten ihres kleinen Beutels. "Als ich mich entschlossen hatte, doch zu jagen, fand ich dieses hier", und reichte ihm die versteinerte Seeschnecke. Ein Zeichen? Ihr Totem hatte ihr ein Zeichen gesandt? Bestrzung und Verwirrung breitete sich unter den Mnnern aus. Das warf ein neues Licht auf Aylas Tun. Warum aber hatte sie berhaupt beschlossen zu jagen? Bedchtig drehte der Zauberer den Stein in der Hand. In der Tat. Es war ein ungewhnlicher Stein, geformt wie ein Tier aus dem groen, salzigen Wasser; aber so, wie es sich anfhlte, war und blieb es ein Stein. Vielleicht war es wirklich ein Zeichen von Aylas Totem, doch das erhellte nichts. Kein anderer konnte die Zeichen verstehen, die ein Totem seinem Schtzling sandte. Der Mog-ur reichte Ayla den Stein zurck. "Creb", sagte sie flehend. "Ich dachte, mein Totem wollte mich prfen. Ich glaubte, alles, was Broud mir antat, sei nur mir bestimmt. Ich glaubte, wenn ich es schaffen knnte, die Drangsal zu ertragen, dann wrde mein Totem mir erlauben, eine Waffe zu haben und zu jagen." Neugierige Blicke flogen zu dem jungen Jger. Glaubte das Mdchen wirklich, sein Totem htte sich Broud zum Werkzeug erkoren, um sie zu prfen? Brouds Miene zeigte Unbehagen. Aylas Hnde beteuerten hastig: "Als der Luchs mich angriff, glaubte ich zuerst, das wre auch eine Prfung, und beinahe htte ich aufgehrt zu jagen. Ich hatte Angst. Doch dann kam mir, es mit zwei Steinen zu versuchen, um nicht wehrlos zu sein, wenn mein erster Schu fehlte. Und von da an glaubte ich noch fester, da mein Totem wollte, da ich jagte." "Gut, du hast mir angedeutet, wie du es begreifst", schnitt ihr der Zauberer die redeflinken Handbewegungen ab und wandte sich an den Clan-Fhrer: "Ich brauche Zeit, Brun. Und will darber mit mir selbst zu Rate gehen." "Wir alle wollen dasselbe tun. Wenn die Nacht um ist, kommen wir hier wieder zusammen", verkndete der Clan-Fhrer mit entschiedenen Gesten. "Ohne das Mdchen." Und erhob sich. "Was gibt es da noch lnger zu beraten?" versuchte Broud die anderen mit heftigen Hnden zurckzuhalten. "Wir wissen alle, welche Strafe sie zu bekommen hat." Verrgert wandte Brun sich um und meinte: "Sie zu bestrafen, kann den ganzen Clan in groe Gefahr strzen, Broud. Ich mu mit mir selbst im reinen sein, da es so richtig ist, wie es ist, und sicher sein, da wir nichts bersehen haben, ehe ich sie verdamme. Wir kommen bei Sonnenaufgang hier wieder her." Erregt die Hnde schwingend, machten sich die Mnner auf den Rckweg zur Hhle. "Noch nie habe ich von einer Frau erfahren, die das Verlangen hatte zu jagen", schttelte Droog seinen Kopf und lie die Hnde reden. "Kann es sein, da ihr Totem sie dazu treibt? Es ist doch ein Mnner-Totem." "Kann es sein, da in ihr etwas von einem Manne ist?" fragte Crugs Hand bedchtig. "Dann wre mir klar, warum sie so aus der Art der Frauen schlgt", bedeutete Dorv. "Sie ist eine Frau", beharrte Broud und hieb mit der Faust durch die Luft. "Sie mu sterben, das wei doch jeder." "Recht hast du, Broud", stimmte Crug ihm zu. "Und selbst wenn etwas von einem Mann in ihr wre, so bleibt sie doch eine Frau. Und die darf nicht jagen." Dorvs Miene war finster. "Es kann nicht gut gewesen sein, da sie bei uns aufgenommen worden ist. Sie ist von anderer Art." "Ich sehe es wie du, Dorv", erklrte Broud und zeigte auf den Jger. "Was bewegt Brun, noch zu zgern? Wre ich Clan-Fhrer, so wrde sie sofort die Strafe zu erdulden haben." Grod schttelte den Kopf. "Ein solcher Entscheid lt sich nicht mit leichtem Herzen treffen, Broud", bedeutete ihm dieser. "Warum hast du es so ei-lie? Ein Tag mehr wiegt nicht schwer." Broud zog den Kopf ins Genick und beschleunigte seinen Schritt. Immerzu mu der Alte mir gute Ratschlge geben, dachte er wtend. Immer stellt er sich auf Bruns Seite. Wie kommt es, da Brun zgert, sich zu entscheiden? Ich bin fertig mit diesem Mdchen. Was ntzt schon all das Hin und Her? Brun wird schon alt, vielleicht zu alt, um weiterhin den Clan zu fhren. Stumm stolperte Ayla den Mnnern hinterher. Sie lief in die Hhle zu Crebs Feuersttte und hockte sich auf ihren Schlafpelz, den Blick starr geradeaus gerichtet. Iza wollte sie bewegen, etwas zu essen; doch das Mdchen wehrte ab. Die kleine Uba hatte keine Ahnung, was vorging, doch sie sprte, da ein Kummer Ayla bedrckte und kroch ihr auf den Scho und lie sich sachte wiegen. Ganz ruhig blieb sie in Aylas Arme gekuschelt und schlief nach einer Weile ein. Iza nahm ihr das Kind ab, legte es in die Schlafmulde und deckte es zu. Dann streckte sie sich neben ihm aus. Lange blieb sie wach. Ihr war, als mte ihr Herz bersten vor Kummer um das Mdchen, das sie ihre Tochter nannte und das stumm und starr am Feuer sa und unverwandt in die Glut der langsam ersterbenden Flammen blickte. Klar und kalt kam der Morgen. Am Rand des Baches glitzerte das erste Eis, und ber den kleinen Teich, nicht weit vom Eingang der Hhle, war eine durchsichtig-dnne Eishaut gezogen. Die Zeit war nicht mehr fern, wo Schneeflle und Kltnis den Clan wieder in die Hhle treiben wrden. Iza wute nicht, ob Ayla berhaupt geschlafen hatte, die noch immer auf ihrem Fell hockte, als die Frau erwachte. Das Mdchen schien sich in einer fremden Ferne zu befinden, die nicht einmal die eigenen Gedanken ermessen konnten. Sie lie sich wartend treiben. Der Mog-ur war in dieser Nacht nicht an sein Feuer zurckgekehrt. Erst jetzt tauchte er aus der dunklen Spalte seiner Zauberhhle auf. Nachdem die Mnner gegangen waren, brachte Iza dem Mdchen etwas Warmes zu trinken. Doch auf die behutsam fragende Gebrde gab Ayla keine Erwiderung. Als die Medizinfrau zurckkam, stand das Getrnk kalt und unberhrt dort, wo sie es hingestellt hatte. Es ist so, als wre sie schon tot, fuhr es Iza durch den Kopf. Sie konnte kaum atmen, als die eisige Hand der Furcht ihr Herz zusammenprete. Brun fhrte die Mnner zu einem windschattigen Platz eines mchtigen Felsgesteins. Dort lie er ein Feuer entznden. Die klamme Luft hier oben sollte seinen Mnnern nicht Ruhe und Bedachtsamkeit rauben. Als die wrmenden Flammen zngelten und die Gesichter der Clan-Mnner sich entspannten, erffnete Brun die Beratung. "Das Mdchen Ayla, ein Glied unseres Clans, gebrauchte eine Schleuder, um mit ihr eine Hyne zu tten, die Brac ergriffen hatte. Drei Sommer schon gebraucht sie diese Waffe. Ayla ist eine Frau. Der Brauch des Clans bestimmt, da eine Frau, die sich an einer Waffe vergreift, dem Tode verfallen ist." Und nach einem kurzen Innehalten: "Wer unter euch will etwas dazu verknden?" "Droog wnscht zu sprechen, Brun." "Droog mge sprechen." "Als die Medizinfrau das Mdchen fand, waren wir auf der Suche nach der neuen Hhle. Die Geister zrnten uns. Sie hatten die Erde erzittern lassen, um unsere Feuersttten zu zerstren. Es knnte sein, da ihr Zorn gar nicht so heftig war. Es knnte sein, da sie nur eine bessere Bleibe wnschten. Es knnte sein, da sie uns hierfr dieses Mdchen schickten. Sie ist von anderer Art als wir; sie ist so ungewhnlich wie ein Zeichen, das einer von seinem Totem bekommt. Denn seit wir sie gefunden haben, hat uns das Glck nicht mehr verlassen. Ich glaube, in ihr ist das Glck beschlossen. Ich glaube, es nimmt von ihrem Totem seinen Ausgang." Droog blickte kurz auf seinen Beutel am Hals und lie dann seine Hnde weiterreden. Es sei ein Zeichen ihrer Besonderheit, da sie der Groe Hhlenlwe erwhlt habe. Fr sie, die Clan-Leute, sei es befremdlich, da Ayla sich nicht frchtete, in das groe salzige Gewsser zu tauchen; aber htte sie nicht dieses befremdliche Gefallen am Wasser gefunden, so wre Ona jetzt im Reich der Toten. Ona sei zwar nur ein Mdchen und nicht an seinem Feuer geboren; aber sein Herz habe sich ihr weit aufgetan. Und es wre dunkel darin geworden, wenn sie davongetragen wre. Droog wies den Hang hinunter zur Hhle. "Ayla ist uns fremd. Aber wir wissen wenig ber die anderen. Jetzt gehrt sie zum Gro-Clan. Doch wurde sie nicht in ihn hineingeboren. Ich wei nicht, was sie zum Jagen trieb. Den Frauen des Clans ist es verboten, aber den Frauen der anderen vielleicht nicht. Doch das gilt nicht viel; sie hat dennoch eeeen den Brauch verstoen. Htte sie sich aber nicht im Schleudern gebt, so wre auch Brac jetzt nicht mehr unter uns." Der Werkzeugmacher deutete auf den Clan-Fhrer, als er mit einer heftigen Bewegung der Hand unterstrich, da Bracs Tod fr den Clan ein schlimmer Schlag gewesen wre, nicht nur fr Brun und Broud. Denn wre er von der Hyne zerfleischt worden, so se man bestimmt nicht hier, um zu beraten, wie dieses Mdchen zu bestrafen sei, das ihn gerettet habe. Man wrde den Tod des Jungen beklagen, der eines Tages Clan-Fhrer htte werden sollen. Er, Droog, empfehle, das Mdchen zu bestrafen. Doch nicht mit dem Tod, das sei zuviel. "Zoug wnscht zu sprechen, Brun." "Zoug mge sprechen." "Das, was Droog uns vor Augen gehalten hat, ist richtig: Wie kannst du das Mdchen zum Tode verdammen, wenn es Brac vor dem Tode bewahrt hat? Es ist von anderer Art. Es wurde nicht in den Gro-Clan hineingeboren. Es empfindet nicht so, wie eine Clan-Frau empfindet. Es hat sich aber immer wie eine Clan-Frau betragen." "Das ist sie nicht", fuhr Broud mit erregter Hand dazwischen. "Sie ist aufsssig und unverschmt." "Jetzt bin ich dran, Broud", gab Zoug zornig zurck. Brun warf dem jungen Jger einen mibilligenden Blick zu. Sich mhsam beherrschend, verschrnkte dieser die Arme auf der Brust. "Es ist richtig", fuhr Zoug mit ruhigen Bewegungen fort, "als das Mdchen jnger war, zeigte es sich dir gegenber aufsssig und unverschmt, Broud. Aber du selbst hast sie dazu gebracht. Und wenn du dich wie ein Kind betrgst, ist es dann verwunderlich, da dich das Mdchen nicht wie einen Mann behandelt? Mir und auch jedem anderen Mann zeigte sie stets nur Gehorsam und Achtung." Wtend funkelte Broud den alten Mann an, doch hielt er sich zurck. "Und selbst wenn all das nicht so wre", Zoug zeigte fr Ayla fast so etwas wie Stolz, "ich habe noch nie einen Jger gesehen, der mit der Schleuder so geschickt zu jagen wei wie sie. Sie sagt, sie habe es mir abgeschaut. Ich habe das nie wahrgenommen. Doch will ich offen kundtun, da ich wnschte, ich htte einen Schtzling von so hohen Gaben. Und noch etwas will ich bezeugen: Mit der Schleuder ist sie so geschickt, da sogar ich noch von ihr lernen knnte. Sie wnschte, fr den Clan zu jagen, als sie jedoch erkennen mute, da das nicht anging, suchte sie sich einen anderen Weg, um dem Clan zu helfen. Sie mag ein Kind der anderen sein. Aber in ihrem Herzen gehrt sie zu uns. Immer hat sie das Wohl des Clans vor ihr eigenes gestellt. Als sie Ona rettete, lie sie sich nicht von den Gefahren schrecken, die sie selbst bedrohten. Gewi, sie kann sich durch das Wasser schlngeln wie ein Fisch; aber ich habe gesehen, wie kraftlos sie war, als sie Ona zurckbrachte. Das groe Wasser htte auch sie verschlingen knnen. Ayla wute, da es ihr verboten war, zu jagen; drei Sommer lang bewahrte sie sich ihr Geheimnis. Als aber Brac in Gefahr geriet, da zgerte sie nicht, es preiszugeben." Zoug zupfte sich an der Nase. "Und noch etwas: Sie zeigt im Umgang mit der Schleuder mehr Geschick als jeder andere. Ein Jammer wre es, ihr Knnen zu verschwenden. Soll sie zum Wohl des Clans am Leben bleiben. Soll sie jagen!" "Nein! Nein! Nein!" Wutentbrannt sprang Broud auf die Beine und stampfte mit den Fen. "Sie ist eine Frau, und keiner Frau kann erlaubt werden, auf die Jagd zu gehen." "Broud", wies der alte Jger den Hitzkopf zurecht, "ich bin noch nicht am Ende. Du kannst Brun bitten, dich dran zu lassen, wenn ich fertig bin." "Ja, la Zoug zu Ende sprechen, Broud", mahnte der Clan-Fhrer. "Wenn du vergessen hast, dich wie ein Jger zu benehmen, dann kannst du sofort gehen!" Broud hockte sich wieder hin. An seinem Hals schlug heftig eine dicke Ader. Zoug hob die Hand und deutete auf sich. "Die Schleuder ist keine Waffe von hohem Rang. Ich selbst habe erst begonnen, mich in ihrem Gebrauch zu ben, als ich zu kraftlos war, um mit dem Speer zu jagen. Die anderen Waffen sind der Mnner wahre Waffen. Ich aber sage: Lat sie jagen, lat sie mit der Schleuder jagen, lat die Schleuder die Waffe der alten Mnner und Frauen sein. Lat diese Frau als erste mit der Schleuder jagen." "Zoug", entgegnete Brun, "du weit so gut wie ich, da beim Schleudern mehr Geschicklichkeit vonnten ist als beim Gebrauch des Speeres. Wie viele Male hast du den Clan mit Fleisch versorgt, wenn die Jger mit leeren Hnden aus den Steppen zurckgekehrt waren? Mach dich nicht klein um des Mdchens willen. Fr den Speer braucht es nur einen kraftvollen Arm." "Und standharte Beine und ein tapferes Herz und langen Atem und die Unbeugsamkeit eines Lwen", gab Zoug ruhig zurck und zeigte auf seine Schleuder, die an seinem Grtel hing. "Und hatte das Mdchen nicht ein tapferes Herz, als es ganz^allein, nur mit solch einer Schleuder bewaffnet, wiederum dem Luchs entgegentrat? Ich bin fr das, was Droog schon vorgeschlagen hat: Lat sie mit der Schleuder jagen! Die Geister haben keinen Zorn gezeigt. Sie bringt uns Glck. Bedenkt die Mam-Mut-Jagd!" "Aber ist es uns gestattet"" den Brauch des Gro-Clans umzustoen?" zweifelten Bruns Finger. "Ich sehe keinen Weg, der anderswohin fhrt als in den Tod. Wie knnen wir ihr da auch noch gestatten, weiter zu jagen? Du kennst den Clan-Brauch, Zoug. Noch nie zuvor ist einer Frau gestattet worden, auf die Jagd zu gehen. Glaubst du, die Geister wrden dadurch freundlicher gestimmt, Zoug?" "Es stimmt. Die Frauen des Gro-Clans jagen nicht. Doch dieses Mdchen ist viele Male auf die Jagd gegangen. Ich meine, lat Ayla weiter tun, was sie ohne uns schon getan hat." "Wie siehst du es an, Mog-ur?" wandte sich Brun an den Zauberer. "Was glaubst du wohl, wie er das ansehen wird, sie lebt doch an seinem Feuer!" mischte sich der junge Jger wieder ein. "Broud!" donnerte Brun und hob den Arm. "Willst du dem Mog-ur unterstellen, er ziehe das, was sein eigenes Herz bewegt, dem Wohl des Clans vor? Ist er nicht der Mog-ur? Der groe Mog-ur? Und du vermeinst, er wird uns nicht bedeuten, was der Brauch gebietet?" "La ihn, Brun. Was Broud uns da vor Augen hlt, ist so falsch nicht. Ihr alle wit, wie zugeneigt ich Ayla bin. Es ist nicht leicht fr mich, sie meinem Herzen zu entreien. Ich habe mich darum bemht; doch kann ich nicht gewi sein, ob es mir auch gelungen ist. Seit eurer Rckkehr habe ich gefastet und wieder und wieder in mich selbst geschaut. In der Nacht, die hinter uns liegt, ihr Mnner, habe ich den Weg in die Tiefen femer Zeiten finden knnen, die ich noch nie zuvor geschaut, vielleicht, weil ich sie nie gesucht habe." Der Mog-ur hob seinen Arm in die Hhe und wies in einem Bogen weit in die Ferne. "Vor langer, langer Zeit, lange bevor wir zum Gro-Clan wurden, gingen die Frauen den Mnnern bei der Jagd zur Hand." Ein unglubiges Knurren machte die Runde, als der Zauberer diese Ungeheuerlichkeit verkndete. "Ja, so war es. Wir wollen eine heilige Feier abhalten, und ich werde auch euch dorthin fhren, in jene fernen Tage, als wir Erdlinge lernten, Werkzeuge und Waffen zu fertigen, als wir mit einer Gabe des Geistes geboren wurden, die war wie unsere Fhigkeit, uns zu erinnern und zurckschauen, und doch anders. In jene Tage werde ich euch fhren, wo Mnner und Frauen die wilden Tiere gemeinsam erlegten, um Nhrendes zu beschaffen. Denn nicht immer sorgten in jener Zeit die Mnner fr die Frauen. Wie Brinnen jagten sie selbst fr sich und ihre Kinder. Und erst spter begannen die Mnner, fr eine Frau und ihre Kinder zu jagen. Und noch viel mehr Zeit mute vergehen, ehe die Frauen nur noch zu sammeln und die Kinder zu hten hatten. Als die Mnner anfingen, Frauen und Kinder zu beschtzen, als sie begannen. Nhrendes durch Jagen zu beschaffen, war das der Anfang des Gro-Clans, und nur so konnte er wachsen. Denn wenn eine Frau mit Kindern auf der Jagd ihr Leben verlor, dann muten auch die Kinder sterben. Erst als die Mnner und Frauen aufhrten, miteinander zu kmpfen, erst als sie lernten, zusammenzuhalten und miteinander zu jagen, fing der Gro-Clan an zu wachsen. Und selbst da gab es noch Frauen, die auf die Jagd gingen, jene nmlich, die mit den Geistern sprechen konnten." Der Mog-ur hielt inne und deutete auf den Clan-Fhrer. "Brun, du glaubst, nie zuvor htte eine Frau gejagt. So war es nicht. Es gab eine Zeit, da sind die Frauen des Gro-Clans auf die Jagd gegangen. Die Geister sahen es freundlichen Sinnes. Aber es waren andere Geister, Geister aus uralter Zeit, und nicht die Geister der Totems. Es waren die mchtigen Ahn-Geister, doch sie sind lange schon zur Ruhe gegangen. Die Clan-Leute haben sie nicht geehrt; sie haben sie gefrchtet. Sie waren nicht bse, diese Geister; sie waren einfach zu mchtig." Die Mnner saen da, wie vom Donner gerhrt. Der Mog-ur kndete von Zeiten, die so weit zurcklagen, da sie beinahe vergessen waren. Und doch wurde in ihnen eine uralte Furcht zum Klingen gebracht; die Furcht des Mannes, von der Frau beherrscht zu werden. Mehr als einen der Mnner durchrann ein kalter Schauder. "Ich glaube nicht, da Frauen, die zu unserer Zeit in den Clan hineingeboren werden, den Trieb zu jagen verspren", fuhr der Mog-ur fort. "Es kann sein, da sie gar nicht fhig wren, auf die Jagd zu gehen. Eine zu lange Zeit ist vergangen. Die Frauen sind andere geworden und die Mnner auch. Aber Ayla ist von fremder Art; die anderen sind nicht so wie wir. Wenn du Ayla erlaubtest zu jagen, Brun, so wrde das die anderen Frauen nicht verfhren, glaube ich. Des Mdchens Verlangen zu jagen verwundert sie so sehr wie uns." Der Mog-ur lie die Hand sinken und legte sie auf die Brust. "Mchte einer unter euch noch etwas dazu sagen?" fragte Brun und wies mit der Hand in die Runde. "Goov wnscht zu sprechen, Brun." "Goov mge sprechen." "Ich bin nur der Gehilfe. Mein Wissen ist geringer als das des Mog-urs, doch mich deucht, er hat etwas bersehen. Vielleicht, weil er sich so hart gemht hat, seine Sinne nicht von der Zuneigung zu Ayla leiten zu lassen. Er hat seinen gewaltigen Blick in vergangene, ferne Zeiten gerichtet, nicht auf das Mdchen selbst. Und er hat darber ihr Totem aus den Augen verloren." Goov hob die Hnde, zeigte auf die Mnner und legte klar, was er meinte. "Ich frage euch: Warum erwhlt ein mchtiges mnnliches Totem ein Mdchen? Gleich nach dem Hhlenbren ist der Hhlenlwe das mchtigste aller Totems. Der Hhlenlwe ist mchtiger als das Mam-Mut; er jagt es; zwar nur die Jungen und die Alten, aber er jagt es. Doch selbst tut er es nicht." "Das pat nicht zusammen, Goov", bedeutete ihm Brun. "Du meinst, der Hhlenlwe jagt das Mam-Mut, und dann meinst du, er tut es nicht selbst?" "Nicht der Hhlenlwe jagt das Mam-Mut", erklrte der Gehilfe, "die Hhlenlwin jagt es. Das bersehen wir, wenn wir der Totems gedenken, die uns beschtzen. Der Hhlenlwe ist der Beschtzer. Aber wer ist der Jger? Der grte unter den Fleischfressern, der strkste unter den jagenden Tieren ist die Hhlenlwin! Sie bringt die Beute ihrem Gefhrten. Er kann tten, aber seine Aufgabe ist es, zu schtzen, whrend sie jagt." In vielgebrdiger Weise schilderte des Mog-urs Gehilfe seine Gedanken und fragte, ob es nicht sonderbar sei, da ausgerechnet ein Hhlenlwe das Mdchen erwhlt haben sollte, und ob es nicht eher sein knnte, da sein Totem nicht der Hhlenlwe, sondern die Hhlenlwin sei. Die Jgerin? Dann wre klar, weshalb Ayla das Verlangen habe, auf die Jagd zu gehen. Dann wre klar, warum ihr ein Zeichen gegeben worden sei. Es knnte die Lwin sein, die ihr das Zeichen gesandt habe. Er wisse nicht, ob es sich so verhielte, aber die Mnner mten zugeben, da es so sein knnte. Ob nun ihr Totem der Hhlenlwe oder die Hhlenlwin sei - knnte man es ihr verwehren zu jagen, wenn es ihr Schutzgeist bestimmt habe? Wre man befugt, gegen ihr mchtiges Totem vorzugehen? Und drfte man es wa- gen, sie zu verdammen, nur weil sie das erfllte, was ihr Totem wnsche? Dann verschrnkte auch Goov die Arme wieder ber der Brust. Brun schwamm der Kopf. Allzu rasch strmten die Gedanken auf ihn ein. Er brauchte Zeit, alles in Augenschein zu nehmen, zu ordnen und zu prfen. Gewi, es ist die Lwin, die auf die Jagd geht; doch wer hatte je von einem weiblichen Totem gehrt? Wie er wute, waren die Geister der Totems alle mnnlich. Brun blickte auf Goov. Nur einer, der lange Tage damit zugebracht hatte, die Wege der Geister zu erforschen, konnte eine solche Offenbarung machen, konnte knden, da das Totem des Mdchens, das auf die Jagd gegangen war, die Jgerin der Tierart war, die ihr Totem verkrperte. Brun wnschte, Goov htte ihnen nie die Augen dafr geffnet, da mit der Entscheidung ber Leben oder Tod des Mdchens auch entschieden werden mute, ob einem so mchtigen Totem die Erfllung verwehrt werden drfte. Sich vorstellen zu mssen, da eine Frau auf die Jagd gehen knnte, war so neu und so ungeheuerlich, da fast ein jeder der Mnner sich darber den Kopf zerbrach und ber die althergebrachten, eng gezogenen Grenzen, die das Denken seines Hirns beschrnkten, sich hinwegzusetzen bemhte. Doch jedermann stellte es aus seiner eigenen Sicht dar, bezog sich nur auf das wahrgenommene Feld seines eigenen Erlebens und konnte nur innerhalb dieser Mglichkeit das Bewutsein erweitern. Brun jedoch mute all diese Sichtweisen bndeln, und das war fr ihn schon fast zu viel. Er sah es als seine Pflicht, jeden einzelnen Blickpunkt in Betracht zu ziehen, ehe er ein Urteil fllte, und wnschte, er htte die Zeit zu grndlichem Bedacht. Doch der Entscheid war nicht mehr viel lnger hinauszuschieben. "Mchte noch einer unter euch seine Ansicht kundtun?" "Broud wnscht zu sprechen, Brun." "Broud mge sprechen." Anklagend hoben sich die Hnde des jungen Jgers, der zugab, da all das, was die Mnner vorgebracht htten, nachdenklich stimmte, da aber der Brauch des Gro-Clans fest und klar bestehen bleibe. Es sei vllig unerheblich, ob das Mdchen die Fremdlinge geboren htten oder nicht. Jetzt gehre sie zum Clan. Und den Clan-Frauen wre das Jagen verboten. Sie drften noch nicht einmal eine Waffe berhren oder auch nur ein Werkzeug, mit dem eine solche gefertigt wrde. Brouds Gebrde wurde schmal und hart, als er fortfuhr: "Wir alle wissen, welche Strafe darauf steht. Sie mu sterben. Wenn vor langer, langer Zeit einmal die Frauen auf die Jagd gegangen sind, so hat das nichts zu bedeuten. Wenn auch die Brin und die Lwin jagen, so darf darin die Clan-Frau ihnen nicht gleichen. Sie ist weder Brin noch Lwin. Wir sind Erdlinge, die sich einen Brauch geschaffen haben, der die Verschiedenheit von Mann und Frau bewahrt. Ihr sagt, da sie ein mchtiges Totem hat; da sie dem Clan Glck bringt; da sie die Schleuder zu handhaben wei. Aber das alles hat nichts zu bedeuten. Sie hat dem Sohn meiner Gefhrtin das Leben gerettet; mein Dank gehrt ihr. Aber auch das hat nichts zu bedeuten. Der Brauch des Gro-Clans erlaubt keine Ausnahme. Eine Frau, die sich an der Waffe vergreift, mu sterben." Broud lehnte sich zurck und sah jedem der Jger ins Gesicht. Dann verschrnkte er wieder die Arme vor der Brust. "Broud hat recht", erklrte sich Dorv damit einverstanden. "Es kommt uns nicht zu, den Brauch des Clans umzustoen. Auf eine Ausnahme folgen andere. Und bald gbe es fr uns keine festen berlieferungen mehr. Das Mdchen mu sterben." Einige Mnner nickten zustimmend. Brun uerte sich nicht sogleich. Broud hatte recht, ging ihm durch den Sinn. Wie knnte ich auch eine andere Entscheidung treffen! Ayla hat Brac das Leben bewahrt, aber sie nahm eine Waffe zur Hand. Einem Entschlu war Brun jedoch nicht nhergekommen und genauso unentschlossen wie an dem Tag, an dem Ayla ihre Schleuder herausgezogen und die Hyne gettet hatte. "Ich will mir all eure Ansichten vor Augen fhren, ehe ich meine Entscheidung treffe. Jetzt aber wnsche ich, da jeder von euch mir klar anzeigt, wie er selbst entscheiden wrde", wandte sich Brun schlielich an die Mnner. Sie hockten im Halbkreis um das Feuer. Und pltzlich lieen alle die linke Hand von der Brust fallen, behielten aber die rechte oben und ballten sie zur Faust, die genau auf jedes einzelnen Herzen lag. Ein geringes Auf und Ab der Faust bedeutete, da derjenige zustimmte, eine geringe Bewegung zur Seite, da derjenige ablehnte. "Grod", wandte sich Brun an seinen Stammeszweiten. "Soll das Mdchen sterben?" Grod zgerte. Er fhlte mit dem Clan-Fhrer, der sich in einem so frchterlichen Zwiespalt befand. Seit vielen Jahren war er Bruns rechte Hand. Er sprte, was in ihm vorging, und er hatte groe Achtung vor dem Mann. Dennoch sah er keinen Ausweg. Er zog die Faust hoch und wieder abwrts. "Es bleibt mir nichts brig", hie Grods entschuldigendes Schulterzucken. "Grod ist dafr. Droog?" Brun deutete auf den Werkzeugmacher. Droog zgerte nicht. Mit rascher Bewegung fuhr er sich seitwrts ber die Brust. "Droog ist dagegen. Crug?" Crug sah Brun an, dann den Mog-ur, schlielich Broud. Er schob die Faust aufwrts. "Crug ist dafr, da das Mdchen stirbt", stellte Brun fest. "Goov?" Des Mog-urs Gehilfe fuhr sich sogleich quer ber die Brust. "Goov ist dagegen. Broud?" Brouds Faust zuckte aufwrts, noch ehe Brun seinen Namen ausgesprochen hatte. "Broud ist dafr. Zoug?" Stolz richtete der alte Jger sich auf und fhrte langsam und bedchtig die Faust quer ber die Brust. "Zoug will das Mdchen nicht sterben sehen. Was meinst du, Dorv?" Die Faust des anderen alten Mannes hob sich, und noch ehe er sie wieder gesenkt hatte, richteten sich aller Augen auf den Mog-ur. "Dorv ist dafr. Und was sagst du, Mog-ur?" Brun war aufs uerste gespannt. Wie die anderen entscheiden wrden, hatte er sich denken knnen. Doch bei dem alten Zauberer war er sich nicht sicher. Creb qulte sich noch immer ab mit seinen Gedanken. Er kannte den Brauch des Gro-Clans. Er selbst war schuld an Ay-las schwerem Vergehen. Er hatte ihr zuviel Freiheit gelassen. Er befrchtete, seine Zuneigung zu ihr wrde ihn blenden und ihn verleiten, den Clan-Brauch hintanzustellen. Es war ganz klar: Sie mute sterben. Schon wollte er die Faust heben, doch ehe er dazu auch nur ansetzen konnte, ri es ihm die Faust zur Seite, als wrde sie von einer fremden, unsichtbaren Macht gefhrt. Er konnte es nicht ber das Herz bringen, Ayla zu verdammen, wenn er auch, sobald die Entscheidung gefallen war, tun wrde, was er tun mute. Und die Entscheidung lag allein bei Brun. "Die Meinungen eehen zu gleichen Teilen auseinander", ver kndete der Clan-Fhrer. "Aber der Entscheid war immer der meine. Es galt, erst zu sehen, wie ein jeder unter euch sich zu der Sach^ stellt. Ich brauche Zeit, um eure Grnde genauer zu betrachten. Der Mog-ur hat uns kundgetan, da er heute abend die Geister beschwren wird. Das ist gut so. Ich brauche den Beistand der Geister, und wir alle brauchen ihren Schutz. Wenn die Nacht um ist, werde ich euch meinen Entscheid wissen lassen. Auch das Mdchen soll ihn dann erfahren. Geht jetzt und bereitet euch auf die Feier vor." Brun blieb allein am Feuer zurck, nachdem die Mnner gegangen waren. Von scharfen Winden getrieben, jagten Wolken ber den Himmel und gssen eisigen Regen ber das Land, doch Brun sa da und sprte nichts. Die Dunkelheit nahte schon, als er sich schlielich erhob und langsam zur Hhle zurckging. Er sah Ayla, die immer noch dort sa, wo sie am Morgen gesessen hatte, als die Mnner gegangen waren. ~Kapitel 15 Frh versammelten sich die Clan-Leute drauen vor der Hhle. Ein kalter Wind blies von Sonnenaufgang her, doch der Himmel war klar, und die Morgensonne, die eben hinter dem Grat auftauchte, glnzte freundlich, als wollte sie der dsteren Stimmung spotten. Aller Blicke mieden einander; die Arme hingen schlaff herunter, zu traurig, um sich noch etwas zu sagen. Ihre Fe schleppten sie zu ihren Pltzen, wo sie erfahren sollten, was ber dieses fremde Mdchen, das ihnen lngst ans Herz gewachsen, beschlossen worden war. Uba sprte, wie ihre Mutter am ganzen Krper zitterte. Sie hielt ihre Hand so fest, da es schmerzte. Das Kind ahnte und wurde ganz still dabei, da es nicht der Wind war, der Iza so schaudern lie. Creb stand am Eingang der Hhle. Noch nie hatte der groe Zauberer so furchterregend ausgesehen wie heute. Aus Granit das Gesicht, hart und stumpf wie Stein das Auge. Auf ein Zeichen von Brun humpelte er ins Innere der Hhle hinein, langsam und mde, wie von einer unsglichen Brde niedergedrckt. Er hinkte zu seinem Wohnkreis und blickte auf das Mdchen, das auf dem Fell hockte. Seine Hand zitterte, als er Ayla bedeutete, ihm zu folgen. Doch das Mdchen nahm ihn nicht wahr. "Ayla, Ayla", sprach er sie behutsam an. Sie sah auf. "Es ist Zeit. Du mut jetzt kommen", machte Creb ihr klar. Ihre Augen blickten matt und leer. "Du mut jetzt kommen, Ayla. Brun ist bereit", wiederholte der Mog-ur geduldig. Das Mdchen senkte den Kopf und stand mhsam auf. Die Glieder waren steif geworden vom langen Sitzen. Ayla gewahrte es kaum. Wie benommen folgte sie dem alten Mann, den Blick starr zur staubigen Erde gerichtet, die noch die Spuren jener trug, die zuvor diesen Weg gegangen waren - einen Fersenabdruck, die Eindrcke von Zehen, die verwischten Linien eines Fues, den runden Abdruck von Crebs Stock, die Schleifspuren seines lahmen Beines. Sie hielt an, als der Blick auf Bruns Fe fiel, die in staubigen Hllen steckten, und sank zu Boden. Leicht berhrte des Clan-Fhrers Hand ihre Schulter, und sie zwang sich, den Kopf zu heben und ihm ins Gesicht zu sehen. Die Begegnung ihrer Blicke ri sie pltzlich aus ihrer Benommenheit und weckte Furcht in ihr. Sein Gesicht war ihr vertraut - die niedrige, fliehende Stirn, die wulstigen Brauen, die groe breite Nase, der buschige Bart -, doch jegliche Strenge und Unnahbarkeit waren aus Bruns Augen gewichen. Matt schimmerten Ayla Mitgefhl und Kummer entgegen. "Ayla", sagte der Clan-Fhrer laut und hob dann die Hnde, um die Entscheidung zu verknden: "Mdchen des Clans, unsere Bruche sind alt. Von Anfang an haben sie das Leben des Clans bestimmt. Du wurdest nicht in unserer Mitte geboren, aber du bist eine vom Clan, und nach dessen Brauchtum mut du leben und sterben. Als wir hoch oben in den kalten Gefilden, wo die Sonne sich selten zeigt, das Mam-Mut jagten, hast du eine Schleuder zur Hand genommen, und du hast auch schon in frheren Tagen mit der Schleuder gejagt. Den Frauen des Clans ist verboten, eine Waffe zu fhren. Und auch die Strafe, die darauf steht, ist durch den Brauch bestimmt. Sie steht fest. Sie kann nicht umgestoen werden." Brun beugte sich vor, blickte in die verngstigten Augen des Mdchens, und seine Hnde fuhren fort. "Ich wei, warum du die Schleuder gebraucht hast, Ayla, wenn mir auch verborgen bleibt, warum du je angefangen hast, dich in ihrem Gebrauch zu ben. Brac wre nicht mehr unter uns, wrst du nicht gewesen." Der Clan-Fhrer richtete sich zu seiner vollen Gre auf, hob beide Hnde in den Himmel und verkndete mit groer Gebrde: "Der Fhrer dieses Clans sagt dem Mdchen Dank, da es dem Sohn der Gefhrtin des Mannes, welcher der Sohn meiner Gefhrtin ist, das Leben bewahrt hat." Unter den Clan-Leuten flogen unglubige Blicke hin und her. Selten kam es vor, da ein Mann ffentlich Dankbarkeit zeigte, noch seltener, da ein Clan-Fhrer sich dazu herablie, dies auch noch gegenber einer Frau zu tun. "Aber der Brauch erlaubt keine Ausnahmen", machte Brun und gab dem Mog-ur ein Zeichen. Der Zauberer betrat die Hhle. "Ich kann nicht anders, Ayla. Der Mog-ur trifft jetzt die Vorbereitung und beschwrt all jene Geister, deren Namen unaussprechlich sind und welche nur der Mog-ur kennt. Wenn er zu Ende ist, wirst du sterben. Ayla, Mdchen im Clan des Bren, du bist verflucht, du bist zum Tode verflucht." Ayla sprte, wie das Blut ihr aus dem Gesicht wich. Iza schrie auf, und der Schrei wurde zu einem langgezogenen Wimmern, einer jammervollen Klage um ein verlorenes Kind. Als Brun die Hand hob, brach ihr Wimmern ab, als wenn Iza eine Axt getroffen htte. "Ich bin noch nicht am Ende", bedeutete der Clan-Fhrer. In der pltzlichen Stille tauschten die Leute verwunderte Blicke. Was mochte Brun denn noch zu sagen haben? "Nach dem Clan-Brauch ist dieses Mdchen zum Tode verflucht. Doch nirgends ist uns berliefert, wie lange es zu dauern hat." Brun wandte sich zu dem Mdchen. "Ayla, du bist fr einen vollen Mond zum Tode verflucht. Gestatten dir die Geister aus dem Jenseitigen zurckzukehren, wenn der Mond einmal all seine Wandlungen vollzogen hat und uns wieder sein Antlitz zeigt, mit dem er uns heute nacht bescheint, dann sollst du wieder unter uns leben." Heftige Erregung schttelte die Clan-Leute. Das war vllig unerwartet. "Richtig", pflichtete Zoug mit verhaltener Gebrde bei. "Es gibt kein Gebot, das verlangt, da der Fluch fr immer gelten soll." "Aber wie kann denn einer so lange tot sein und dann wieder zu den Lebenden zurckkehren?" wollte Droog wissen. Wren es nur wenige Tage, knnte es noch angehen, meinte der Mann. "Wre der Fluch nur ber wenige Tage verhngt, so erfllte er nicht das Gebot der Bestrafung", bedeutete ihm Goov. "Es gibt Mog-urs, die glauben, der Geist wandert nie hinber in die nchste Welt, wenn der Fluch nur fr kurze Dauer ausgesprochen wird. Er schwebt dann unter den Lebenden und wartet darauf, da die Tage verstreichen, damit er zurckkehren kann. Wenn der Geist in der Nhe der Lebenden bleibt, dann bleibt auch das Bse. Brun hat einen Todesfluch verhngt, dessen Dauer bemessen ist; doch er erstreckt sich ber so viele Tage, da er ebensogut fr immer ausgesprochen sein knnte. Das Gebot ist erfllt." Broud schubste Goov etwas zur Seite, damit besser zu sehen wre, was er dazu meinte. "Warum hat er sie dann nicht einfach verflucht?" fuhr seine Hand zornig durch die Luft. "Der Brauch berichtet nichts ber einen bemessenen Fluch fr jene, die ein Vergehen wie diese da begangen haben", und zeigte abschtzig auf Ayla. "Das Gebot will, da sie dafr sterben soll. Der Todesfluch soll ihr den Tod bringen. Fr immer." "Glaubst du denn, er wird ihn ihr nicht bringen, Broud? Glaubst du denn, sie wird zurckkehren?" fragte Goov, der sich dem jungen Jger leicht entgegenstellte. "Ich glaube gar nichts. Ich mchte nur zu gerne wissen, warum Brun sie nicht einfach verflucht hat. Kann er denn keinen klaren Entscheid mehr treffen?" Goovs gezielte Frage hatte Broud durcheinandergebracht. Sie deutete das an, worber sich alle insgeheim Gedanken machten: Htte Brun einen bemessenen Todesfluch verhngt, wenn er nicht glaubte, da das Mdchen wieder zum Leben kme? Die ganze Nacht hatte der Clan-Fhrer um einen Entscheid gerungen. Ayla hatte das Leben des Kindes gerettet; es war nicht recht, da sie dafr sterben sollte. Brun liebte den kleinen Jungen, und er empfand dem Mdchen gegenber ein tiefes Dankgefhl. Doch der Brauch verlangte ihren Tod. Aber ein anderes Gebot wartete noch auf Erfllung: das der Verpflichtung. Ein Leben fr ein Leben. Denn seit dem Vorfall trug sie nun ein Stck von Bracs Geist in sich und hatte Anspruch auf eine Gegengabe, die ihr gliche - sie hatte Anspruch auf ihr Leben. Erst als der schwache Schimmer des Morgens heraufgezogen war, hatte er endlich einen Ausweg gefunden. Es war schon vorgekommen, da Mnner oder Frauen, ber die ein bemessener Todesfluch verhngt worden war, zu den Lebenden zurckgefunden hatten. Es war ein Hoffnungsfunke. Als Gegengabe fr das Leben des Kindes schenkte er Ayla ein Fnkchen Hoffnung. Das war alles, was in seiner Macht stand. Es war nicht genug, doch mehr konnte er ihr nicht geben, und es war besser als gar nichts. Totenstille hatte sich inzwischen ausgebreitet. Der Mog-ur stand an der Hhlenffnung. Er sah aus wie der Tod selbst. Uralt, grau und ausgemergelt. Er brauchte kein Zeichen zu geben. Es war getan. Der Mog-ur hatte seine Pflicht erfllt. Ayla war tot. Izas Klageschrei zerschnitt die Luft. Dann hob Oga an zu jammern, dann Ebra, und schlielich stimmten alle Frauen in Izas Klage ein. Ayla sah die Frau, die sie liebte, vom Schmerz berwltigt, und lief zu ihr, um sie zu trsten. Doch als sie die Arme um sie schlingen wollte, wandte Iza ihr den Rcken zu und entzog sich ihnen. Es war, als she sie das Mdchen nicht. Ayla war verwirrt. Fragend blickte sie auf Ebra; die sah durch sie hindurch. Sie lief zu Aga, dann zu Ovra. Doch keine nahm sie wahr. Sobald sie sich auch nur einer nherte, drehten die Frauen ihr den Rcken zu oder entfernten sich. Nicht mit Bedacht, um sie vorberzulassen, sondern so, als htten sie schon, bevor das Mdchen kam, vorgehabt, wegzugehen. Ayla rannte zu Oga. "Ich bin es, Ayla! Ich stehe vor dir. Siehst du mich nicht?" fuchtelte sie erregt und verzweifelt vor deren Augen. Ogas Blick wurde trbe. Sie drehte sich um und ging weg, ohne auch nur ein Zeichen gegeben zu haben. So, als htte Ayla gar nicht vor ihr gestanden. Ayla sah Creb, der sich Iza nherte. Sie strzte zu ihm hin. "Creb! Ich bin es, Ayla! Ich bin hier", bedrngte sie den Zauberer und versuchte, sich an ihn zu klammern. Doch der humpelte weiter, machte nur einen kleinen Schritt zur Seite, um dem Mdchen auszuweichen, das sich ihm jetzt zu Fen geworfen hatte. "Creb!" klagte sie wimmernd. "Warum willst du mich nicht sehen?" Vom staubigen Boden sprang sie auf und rannte weiter zu Iza. "Mutter! Mutter! Sieh mich an!" flehte sie und rang die Hnde. Die Medizinfrau blickte zum Himmel und erhob wieder ihr schrilles Klagegeschrei. Sie stie die Arme in die Luft, als wollte sie den Himmel zerkratzen, und schlug sich dann wie wild gegen die matten Brste. "Mein Kind! Meine Ayla. Meine Tochter ist tot. Sie ist fr immer fortgegangen!" Ayla, der sich schon fast alles im Kreise drehte, erblickte Uba, die sich voller Angst und Verwirrung an die Beine ihrer Mutter klammerte. Vor dem kleinen Mdchen kniete sie nieder und hielt es am Kinn. "Siehst du mich, nicht wahr, Uba? Hier bin ich." Schon wollte das Kind in Aylas sonnenhelles Haar fassen, wie es dies immer tat, doch da beugte sich schon Ebra herunter und trug das kleine Mdchen weg. "Ich will zu Ayla", wehrte sich Uba und strampelte heftig. "Ayla ist tot, Uba. Sie ist fort. Das ist nicht mehr Ayla. Das ist nur ihr Geist. Du mut ihn in Ruhe lassen, damit er den Weg in das Jenseits findet. Wenn du mit ihm sprichst, dann wird er versuchen, dich mitzunehmen. Und es bringt Unglck ber dich, wenn du ihn siehst. Sieh ihn nicht an, diesen Geist. Mchtest du unglcklich werden?" Ayla sank zu Boden. Sie hatte sich nicht vorstellen knnen, was es bedeutete, zum Tode verflucht zu sein. Alle mglichen Schrecknisse waren ihr vor Augen gestanden, aber die Wirklichkeit war weit schlimmer. Fr die Clan-Leute hatte Ayla aufgehrt zu sein. Sie lebte nicht mehr. Die Ayla, die alle kannten, war tot. Was man von ihr sah, war eine Hlle, in die ein anderer Geist geschlpft war. Der Tod war fr die Clan-Leute eine nderung ihres Zustandes, eine Wanderung zu einem anderen Sein, das jenseits von ihrem Sein lag. Die Lebenskraft galt als ein unsichtbarer Geist. Ein Mensch, der eben noch lebendig war, konnte im nchsten Augenblick tot sein, ohne da eine sichtbare Vernderung eintrat; nur das, was Bewegung und Atem und Leben spendete, das war fort. Und jene Kraft, die die wirkliche Ayla war, gehrte nicht mehr zur Welt des Clans. Sie war gezwungen worden, in eine andere Welt hinberzugehen. Und ob der Krper, der zurckblieb, kalt und starr oder warm war und sich bewegte, war gleichgltig. Da war es leicht zu glauben, der Lebenshauch knnte fortgescheucht werden. Wenn der Kopf ihres greifbaren Krpers es auch noch nicht wute, so wrde er es doch bald genug wissen. Keiner glaubte ernstlich, da Ayla je wiederkehren wrde; nicht einmal Brun. Ihr Krper, eine leere Hlle, konnte niemals so lange lebensfhig bleiben, bis es ihrem Geist gestattet war, zurckzukehren. Ohne den Lebenshauch aber, diesen Willen zum Leben, zum ber-Leben, konnte der Krper nicht essen und nicht trinken, wrde bald verfallen. Fr einen Erdling, der fest an diese Vorstellung glaubte, und der erleben mute, da die anderen von seinem Sein keine Kenntnis mehr nahmen, gab es keine Hoffnung mehr, keinen Grund mehr zu essen und zu trinken; er hauchte sein Leben aus. Doch solange der Geist in der Nhe der Hhle blieb und den Krper, dem er nun nicht mehr angehrte, belebte, so lange blieben auch die Mchte, die ihn forttrieben, in der Nhe. Und sie konnten jenen, die noch lebten, Schaden tun, konnten versuchen, noch ein Leben mit sich zu nehmen. Es war schon vorgekommen, da einem Verfluchten die Gefhrtin oder andere ihm Nahestehende bald in den Tod gefolgt waren. Es kmmerte die Clan-Leute nicht, ob der Geist den Krper mit sich nahm oder die unbelebte Hlle zurcklie. Jetzt aber wnschten sie, Aylas Geist mge fortgehen, rasch und weit fort. Mit verstndnislosen Augen betrachtete Ayla die vertrauten Leute um sich herum, die sich alle von ihr entfernt und die gewohnte Arbeit wiederaufgenommen hatten. Doch es war, als drckte sie alle eine schwere Last. Creb und Iza gingen langsam in die Hhle. Ayla stand auf und folgte ihnen. Keiner versuchte, sie daran zu hindern, nur Uba wurde ihr ferngehalten. Zwar glaubten die Clan-Leute, Kinder genssen besonderen Schutz, doch keiner wollte die Geister versuchen. Iza sammelte Aylas Habe zusammen, auch ihre Schlafpelze und das drre Gras, mit dem die Erdmulde gepolstert war. Alles trug sie hinaus vor die Hhle. Creb begleitete die Medizinfrau und zndete am Hhlenfeuer einen Kienspan an. Neben einer Feuersttte, die Ayla vorher nicht gesehen hatte, warf die Frau die Sachen nieder und eilte dann zur Hhle zurck. Creb zndete das Feuer. Mit schwerer Hand besprach er Aylas Habe und das lodernde Feuer. Ayla blieb fast das Herz stehen, als sie sah, wie Creb ihre Sachen Stck fr Stck in die Flammen warf. Eine Totenfeier wrde es nicht geben fr sie. Das war Teil der Strafe und Teil der Verfluchung. Und alles, was auf ihr Leben wies, mute ausgelscht werden. Nichts durfte bleiben, was ihren Geist zurckhalten konnte. Ihre Augen weiteten sich vor Schmerz, als sie sah, wie ihr Grabstock Feuer fing, dann ihr Sammelkorb, das drre Gras ihres Lagers, ihre Umhnge und berwrfe. Sie bemerkte das Zittern seiner Hand, als Creb nach ihrem Pelzumhang griff, ihn flchtig an seine Brust drckte und dann ins Feuer warf. Hilflos strzten Ayla die Trnen aus den Augen. "Creb, ich habe dich lieb", flehte sie. Er schien es nicht zu sehen. Voller Entsetzen gewahrte das Mdchen, wie der Mog-ur zu ihrem Medizinbeutel griff. "Nein, Creb! Nein! Nicht auch nocti den!" bettelten ihre Hnde. Doch es war zu spt. Der Beutel brannte schon. Lnger konnte es Ayla nicht ertragen. Blind und leer und ohne Gefhl strzte sie den Hang hinunter in den Wald, schluchzte und schluckte vor Schmerz und hoffnungslosem Elend. Die Fe wuten nicht, wohin sie laufen sollten, es war ihnen auch gleichgltig. Gestrpp und kahle ste wollten ihnen den Weg versperren, doch sie rannten mittendurch, verschafften Ayla blutende Risse an Armen und Beinen, sie wateten durch kaltes Wasser und merkten nici-it, da die Sohlen vor Klte erblaten, schlielich stolperten sie ber einen Baumstumpf - und Ayla strzte zu Boden. Reglos blieb sie auf der frostfeuchten Erde liegen und wnschte, der Tod wrde rasch kommen und sie aus ihrem Elend erlsen. Sie hatte nichts. Keine Familie, keinen Clan, keinen Grund zu. leben. Sie war tot. Sie hatten ja gesagt, da sie tot war. Und so fern war das Mdchen der Erfllung seines verzweifelten Wunsches nicht. Seit der Rckkehr von der Mammutjagd - es waren mehr als zwei Tage vergangen - hatte Ayla, eingekapselt in Not und Furcht, nichts mehr gegessen und getrunken. Auch trug sie keine warme Kleidung. Ihre Fe schmerzten vor Klte. Sie war schwach und kraftlos, vlliger Erschpfung nahe. Doch in ihr bewegte sich etwas, das strker war als ihr Sehnen nach dem Tode. Es war dasselbe, was sie schon einmal gerettet hatte, damals. Ein unbezwingbarer Wille zum berleben lie sie nicht aufgeben, solange auch nur ein Funke Leben in ihr glhte. Allmhlich kam Ayla wieder zur Ruhe und Besinnung. Frstelnd setzte sie sich auf und schlug sich. mit gekreuzten Armen auf die Schultern. Bei ihrem Sturz war sie mit dem Gesicht in einen Haufen feuchten Laubs gefallen. Sie leckte sich die Lippen, und ihre Zunge sog gierig die Feuchtigkeit auf. Sie war durstig. Sie konnte sich nicht erinnern, je in ihrem Leben so durstig gewesen zu sein. In der Nhe pltscherte Wasser. Sie sprang auf und tat einen tiefen Zug. Dann lief sie weiter, zhneklappernd, und humpelte immer strker, und die durchfrorenen Fe schmerzten bei jedem Schritt. Nebel in ihrem Kopf lie sie oft an Steine und Bume stoen. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war, und auch kein Ziel vor Augen. Doch ihre Fe folgten einem Weg, den sie viele Male zuvor gegangen war. Wie blind tappte Ayla am Fu der steilen Felswand entlang, vorbei an dem gischtsprhenden Wasserfall, bis pltzlich freundliche Vertrautheit sich in ihr regte. Und als sie aus dem lichten Wald trat, in dem Nadelbume eintrchtig neben Krppelbirken und Weiden standen, sah sie vor sich ihre Bergwiese liegen. Wie lange war es her, da sie das letzte Mal hier oben gewesen war? Als sie richtig zu jagen begonnen hatte, war sie nur noch selten hier heraufgestiegen; nur damals, als sie den Doppelschu gebt hatte, war sie hufiger heraufgekommen. Stets hatte sie hier nur gebt und nie gejagt. War sie im letzten Sommer berhaupt hier gewesen? Sie konnte sich nicht mehr erinnern. Ayla drckte das Gewirr nackter ste und Zweige auseinander und schlpfte in ihre Hhle. Sie schien ihr kleiner geworden. Da ist der alte Schlafpelz, dachte sie, und der Tag, an dem sie ihn heraufgeschleppt hatte, stand ihr pltzlich klar vor Augen. Hrnchen hatten sich ein Nest darin gemacht. Sie trug ihn ins Freie und schttelte ihn aus. Er war noch recht gut - ein wenig steif, doch gut erhalten, weil es trocken war im Inneren der Hhle. Froh, etwas Warmes zu haben, hngte sie ihn um sich und lief wieder in die Hhle. Da war ja die alte Haut! Sie hatte ihr, mit Gras unterlegt, als Liegematte gedient. Ob wohl das Messer noch da ist? scho es ihr durch den Kopf. Das Holzbrett war heruntergefallen, doch das Messer mute noch irgendwo liegen. Da war es! Ayla hob die Flintsteinklinge auf und wischte sie ab, um mit ihr die alte Tierhaut zu zerschneiden. Sie streifte sich das nasse Fuzeug von den Fen und fdelte die Riemen durch die Lcher in den runden Stcken, die sie neu herausgeschnitten hatte. Dann stopfte sie die trockenen neuen Hllen mit drrem Gras aus und schnrte sie sich um die Fe. Die nassen breitete sie zum Trocknen aus. Jetzt schnell ein Feuer machen! Ayla schaute sich um. Das drre Gras gibt guten Zunder, dachte sie und fegte es mit den Hnden zu einem Haufen an der Felswand zusammen. Das Holzbrett ist trocken; ich kann Spne davon abschlagen und ein Stck davon zum Feuermachen nehmen. Als sie sich nach einem Stock umschaute, den sie daran zwirbeln konnte, erblickte sie den alten Trinkbecher aus Birkenrinde. Den knnte ich auch fr das Feuer nehmen, dachte sie erfreut. Doch nein, den hob sie lieber auf, um Wasser zu holen. Ayla bemerkte den Sammelkorb in der Ecke, ging hin und blickte hinein und traute ihren Augen nicht: Drinnen lag eine alte Schleuder. Das Md- chen hielt das Lederband hoch. Sie ist zu klein, stellte es enttuscht fest, und die Muse haben an ihr genagt. Ich bin verflucht worden. Wegen dieser Schleuder bin ich verflucht worden. Ich bin tot. Wie kann ich an Feuer und Schleudern denken? Ich bin tot. Aber ich fhle mich nicht tot. Ich fhle nur Klte und Hunger. Sprt einer, der tot ist, Klte und Hunger? Ist mein Geist schon im Jenseits? Ich wei noch nicht einmal, was mein Geist ist. Ich habe nie einen Geist gesehen. Creb hat mir bedeutet, da niemand die Geister zu sehen vermag. Aber er kann mit ihnen sprechen. Warum konnte dann Creb mich nicht sehen? Warum konnten die anderen mich nicht sehen? Ich mu tot sein. Aber warum denke ich dann an Feuer und Schleudern? Weil ich hungrig bin. Ayla hatte sich auf den leicht gewellten trockenen Boden der Hhle gesetzt, die Beine an die Brust gezogen und das Kinn auf die Knie gesttzt. Soll ich mit der Schleuder losziehen und mir etwas schieen? Warum denn nicht? Ich bin ja schon verflucht; was knnen sie mir noch antun? Aber die Schlappschleuder hier taugt nichts mehr. Ich brauche eine neue. Aus dieser alten Haut da? Nein, die ist zu steif, verwarf sie den Gedanken, die hat zu lange hier drauen gelegen. Ich brauche weiche, geschmeidige Haut. Ayla sah sich in der Hhle um. Wenn ich keine Schleuder habe, kann ich nicht einmal ein Tier tten, um mir aus seiner Haut eine neue zu machen. Mit flinken Augen suchte sie die Hhle ab. Nichts. Mutlos starrte sie zu Boden. Und pltzlich sah sie, worauf ihre Hnde lagen. Mein berwurf! Ihr berwurf war weich und geschmeidig. Da wird schon ein Stck aus ihm herauszuschneiden sein. Ermutigt blickte sich Ayla noch einmal in der Hhle um. Da sind ja mein alter Grabstock und Egefe! Ach ja, ein paar Muschelschalen mu es hier geben, erinnerte sich das Mdchen. Es war hungrig. Und dann fielen ihm die Nsse ein. Ayla hatte wieder zu leben begonnen. Schnell lief sie hinaus und sammelte die Nsse ein, trug sie in die Hhle und a so viele davon, wie ihr geschrumpfter Magen aufnehmen konnte. Dann streifte sie den alten Pelz und ihren berwurf darunter ab und schnitt ein Stck aus ihm heraus, um sich damit eine neue Schleuder zu machen. Dem Hautstreifen fehlte zwar die Kuhle fr den Stein, aber sie glaubte, es wrde auch so gehen. Nie zuvor hatte sie gejagt, um sich Nhrendes zu beschaffen, und das Kaninchen, das sie danach aufscheuchte, war flink, doch nicht flink genug. Sie glaubte, sich zu erinnern, da sie an einem Biberdamm vorbergekommen war. Und beinahe wre ihr das Tier entwischt. Auf dem Rckweg zur Hhle entdeckte sie einen kleinen, grauen, kreidigen Steinbrocken, der nicht weit vom Bach lag. Flintstein! Sie hob den Brocken auf und schleppte ihn ebenfalls mit zurck. Nachdem Kaninchen und Biber in der Hhle verstaut waren, ging Ayla los, um Holz zu sammeln und sich einen Steinschlegel zu suchen. Als sie zurckkam und Feuer machen wollte, fiel ihr ein, da sie kein Zwirbelholz hatte. Es mu richtig trocken sein, mahnte sie sich. Das Holz hier ist ein wenig feucht. Ihr alter Grabstock fiel Ayla ins Auge. Der mte gehen. Es war schon schwer fr das Mdchen, ohne Hilfe ein Feuer zu entfachen. Es war gewhnt, sich beim Zwirbeln mit einer anderen Frau abzuwechseln. Endlich, ihr war schon richtig warm geworden, fiel von der Unterlage ein glimmendes Stck auf den trockenen Zunder darunter. Vorsichtig begann sie zu blasen und atmete erleichtert auf, als kleine, spitze Flammen aufsprangen. Nach und nach gab sie die drren Spne zum Feuer, dann grere Scheite des alten Holzbretts. Als das Feuer krftig brannte, legte sie die greren Holzstcke auf, die sie gesammelt hatte, und bald erfllte Wrme die kleine Hhle. Ich mu mir ein Kochgef machen, dachte sie, whrend sie das gehutete Kaninchen aufspiete und den Biberschwanz darauflegte, damit sein Fett das magere Fleisch durchtrnken konnte. Ich brauche auch einen neuen Grabstock und einen Sammelkorb. Creb hat meinen Korb ja verbrannt. Alles hat er mir verbrannt, sogar meinen Medizinbeutel. Warum nur? Trnen stiegen Ayla in die Augen und strmten ber ihre Wangen. Sie war allein jetzt und wrde sehr viel mit sich selbst reden mssen. Iza hatte gesagt, ich wre tot. Ich habe sie angefleht, mich anzusehen, aber sie sagte nur, ich wre tot. Warum hat sie mich nicht angeblickt? Ich stand doch genau vor ihr, vor ihren Augen. Das Mdchen weinte eine Weile, dann setzte es sich auf, wischte sich das leicht Salzige vom Gesicht und gab sich einen Ruck. Wenn ich mir einen neuen Grabstock machen will, dann brauche ich auch eine Handaxt, sagte sich Ayla und schlug, whrend das Kaninchen briet, sich aus dem Flintstein eine grobe Handaxt heraus und hieb damit mhsam einen grnen Ast vom Baum. Danach zog sie nochmals aus, um Holz zu sammeln, das sie ganz hinten in der Hhle aufhufte. Es war dunkel, als sie fertig gegessen hatte, und Ayla war froh um das Feuer. Sie legte noch einmal Holz nach und streckte sich dann aus, in ihren alten Pelz gehllt. Doch der Schlaf wollte einfach nicht kommen. Sie starrte in die Flammen und durchlebte noch einmal die schrecklichen Ereignisse der vergangenen Tage. Sie hatte Angst. Aber schlimmer noch als dies war das Gefhl der Verlassenheit. Seit Iza es gerunden hatte, hatte das Mdchen keine Nacht mehr allein verbringen mssen. Die Erschpfung drckte ihm schlielich die Augen zu. Schlimme Trume trieben durch seinen Schlaf. Laut schrie es nach Iza, und in Tnen, die fast vergessen waren, rief das Mdchen nach einer anderen Frau. Aber niemand war da, es zu trsten und ihm die heie Stirn zu khlen. Aylas Tage in der kleinen Hhle waren angefllt mit emsigem Tun. Sie war nicht mehr das unerfahrene, ahnungslose Kind, das sie damals gewesen war, als das Erdbeben sie heimatlos gemacht hatte. Whrend der Zeit im Clan hatte sie hart arbeiten mssen, aber dabei auch viel gelernt. Sie flocht nun wasserdichte Krbe, in denen sie Wasser holen konnte, und fertigte sich einen neuen Sammelkorb. Sie bearbeitete die Hute der Tiere, die sie jagte, ftterte das Innere ihres Fuzeugs mit Kaninchenfell, machte sich Wadenwrmer aus Pelz, die sie sich mit Riemen um die Beine wickelte, und wrmende Hllen fr die Hnde. Aus Flintstein schlug sie sich grobes Werkzeug heraus und sammelte Gras, um ihre Lagerstatt weicher zu machen. Die Wiesengrser boten Nhrendes; ihre hren waren voll von Samen und Krnern. Ringsum im Wald gab es Nsse, Preiselbeeren, kleine harte saure pfel, mehlige Wurzeln und ebare Farne. Die kleinen, runden Frchte, die sie in den grnen Schoten der Vogelwicken fand, mischte sie mit den zerstampften Krnern und kochte sie zu einem Brei. Es gab viel Nhrendes, doch nun mute sie sich alles selber holen. Und bald wurde Ayla auch klar, da sie einen neuen Pelzum-hang brauchte. Zwar hatte der grimmige Winter sich noch nicht gezeigt, doch es wurde merklich klter, und Ayla wute, da der Schnee nicht mehr lange auf sich warten lassen wrde. Zunchst war ihr der Luchs in den Sinn gekommen. Der Luchs hatte eine besondere Bedeutung fr sie. Doch sein Fleisch wrde nicht geniebar sein, und Nhrendes war fr sie so wichtig wie ein wrmender Pelz. Auch mute ein Vorrat angelegt werden fr die Zeit, wenn der Schnee sie in der Hhle halten wrde. Und sie jagte nur noch und versorgte sich mit Fleisch. Sich vorzustellen, eines der sanftbltigen, scheuen Geschpfe tten zu mssen, die frher so lange die Stille und Einsamkeit ihrer Zuflucht geteilt hatten, war fr Ayla qualvoll. Auch war sie sich nicht sicher, ob man ein Reh mit einer Schleuder erlegen komtte. Als sie das kleine Rudel sah, war sie berrascht, da die Tiere doch noch so hoch herauf kamen, und sie wute, da sie die Gelegenheit nutzen mute, so weh es ihr auch tat. Aus kurzer Entfernung schleuderte sie ab, und eines der Rehe brach in die Knie. Ein Schlag mit der Keule. Ayla atmete auf. Das Winterfell des Tieres war dicht und weich, und das Fleisch war zart. Einen Vielfra, den der Geruch zu gierig gemacht hatte, ttete sie mit einem flinken Stein. Wie sie ihn so liegen sah, fiel Ayla ein, da es ein solches Tier gewesen war, das sie mit der Schleuder als erstes gettet hatte. Ein Vielfra, der den Clan-Leuten Fleisch entwendet hatte. Vielfrae, hatte sie damals Oga erklrt, haben auch ihr Gutes. Ihr Pelz wurde nicht hart und steif, wenn in kalter Luft warmer Atem ihn traf. Besonders gut eignete er sich fr Kopfbedeckungen. Diesmal mache ich mir aus seinem Pelz eine Mtze, beschlo sie, whrend sie das tote Tier zur Hhle schleifte. Rund um das in Streifen geschnittene Fleisch, das sie zum Drren ausgelegt hatte, zndete sie Feuer an, um reiende und aasige Tiere abzuschrecken, und um es schneller haltbar zu machen. Ayla mochte den Geschmack, den das Fleisch durch den Rauch annahm. Hinten in der Hhle grub sie eine flache Mulde und legte sie mit Steinen aus. Spter wurde sie dort das gedrrte Fleisch aufschichten und alles mit schweren Steinen umbauen. Ihr neuer Pelz, den sie schon bearbeitet hatte, roch nach Rauch; er war warm, und zusammen mit dem alten Fell machte er die Schlafmulde angenehm weich. Sie hatte den Magen des Rehs gesubert und ausgewaschen und zu einem Wasserbehltnis umgearbeitet; Sehnen und Flechsen lieferten Schnre. Das Fett lie sie aus und verwahrte es. Solange das Fleisch zum Drren noch im Freien lag, schaute Ayla fters ngstlich zum Himmel und hoffte, da der Schnee noch ausbleiben mge. Und nachts schlief sie drauen an den Feuern, um immer wieder Holz nachlegen zu knnen. Erst als das Fleisch gelagert war, wurde ihr leichter ums Herz. Bangnis berfiel sie, als dichte Wolken den Mond verhllten. Es stand ihr noch vor Augen, was Brun verkndet hatte: > Gestatten dir die Geister, aus dem Jenseitigen zurckzukehren, wenn der Mond all seine Wandlungen vollzogen hat und uns wieder sein Antlitz zeigt, mit dem er uns heute nacht bescheint, dann sollst du wieder unter uns leben. < Ayla hatte keine Ahnung, ob sie sich schon im Jenseitigen befand. Sie wute nur, da sie da nicht hin wollte. Sie wollte zurck. Zwar war sie nicht sicher, ob sie wirklich zurck konnte und ob die anderen sie sehen wrden, wenn sie zurckkehrte. Doch Brun hatte versprochen, da sie wieder unter den Clan-Leuten leben drfte, wenn es ihr gelnge. Und daran klammerte sie sich. Er hatte es versprochen. Wie aber sollte sie wissen, wann sie zurckkehren konnte, wenn die Wolken das Antlitz des Mondes verdeckten? Ein ferner Tag wurde lebendig und stieg vor Aylas Augen auf, der Tag, an dem Creb ihr gezeigt hatte, wie man die Zeit festhalten konnte. Man schlug einfach Kerben in einen Stock. Sie ahnte, da die vielen genarbten Stcke, die der Mog-ur in einer Ecke seiner Feuersttte aufbewahrte, wo sonst niemand sich hinwagen durfte, die Reihen von Tagen zeigten, die zwischen bedeutsamen Ereignissen vergangen waren. Einmal hatte sie aus reiner Neugier beschlossen, ebenso wie er die Zeit festzuhalten. Da sie wute, da der Mond immer die gleichen Wandlungen durchmachte und nach einer Weile wieder das gleiche Gesicht zeigte, wollte sie sehen und begreifen lernen, wie viele Kerben man wrde schlagen mssen, ehe das Mondgesicht wieder das gleiche war. Als Creb ihr auf die Schliche gekommen war, hatte er sie streng zurechtgewiesen und sie gemahnt, das nie wieder zu tun. Nun sa das Mdchen also vor seiner Hhle, und pltzlich war ihm klar, wie es den Tag erkennen konnte, an dem die Wiederkehr zur Hhle gestattet war. Ayla beschlo, jeden Tag bei Sonnenuntergang eine Kerbe in einen Stock zu schlagen. Und jedesmal, wenn sie zu ihrem Messer griff, sprangen ihr die Trnen in die Augen, so sehr sie sich auch bemhte, sie zurckzuhalten. In jenen Tagen mute Ayla hufig weinen. Kleine Begebenheiten weckten Erinnerungen an Wrme und Geborgenheit. Als ein Kaninchen ber den Weg hoppelte, mute sie sofort an die langen, ausfhrlichen Wanderungen mit Creb denken und an sein zernarbtes, zerrissenes Gesicht. Wenn sie Pflanzen sah, die sie frher fr Iza gesammelt hatte, brach sie in heilloses Schluchzen aus, und ein Weinkrampf schttelte sie, wenn sie wieder vor Augen hatte, wie Creb ihren Medizinbeutel verbrannte. Am schlimmsten aber waren die Nchte. Jahr um Jahr war das Mdchen bei Tag allein durch Wlder und Wiesen gestreift, des Nachts aber niemals allein gewesen. Und wenn es jetzt so einsam und verlassen in der kleinen Hhle hockte und ins Feuer starrte, dessen flackernder Schein unruhig an den Felswnden zitterte, weinte es sich die Augen aus nach jenen Menschen, die ihm (Geborgenheit und Wrme gegeben hatten. Eines Nachts kam heimlich und leise der erste Schnee. Ayla jauchzte vor Freude, als sie am Morgen aus der Hhle trat. Leuchtendes Wei lag weich und schmeichelnd ber dem vertrauten Land und verwandelte es in ein Traumland unvorstellbarer Formen und sagenhafter Pflanzen. Ayla blickte auf die Abdrcke ihrer Fuhllen, die wie kleine dunkle Schatten im ungebrochenen Wei lagen, dann rannte sie leichtfig durch den gleienden Schnee und spurte ein wildes Muster von Kreisen und sich kreuzenden Linien in die weie Decke. Pltzlich hob sie den Kopf und kletterte hinauf zum schmalen Sims des Felsvorsprungs, den ein eifriger Wind vom Schnee leergefegt hatte. Die ganze Kette himmelhoher Berggipfel hinter ihr war in blulich schimmerndes Wei getaucht und stand funkelnd in der blitzenden Morgensonne. Auf dem groen blau-grnen Wasser zwischen den beiden Bergen tanzten weie Schaumkronen. Die Steppen nach Sonnenaufgang zu dehnten sich noch in einem matten Graugelb. Direkt unter sich konnte Ayla winzige Gestalten ausmachen, die hin und her huschten. Auch dort, wo die Hhle des Clans liegen mute, hatte es geschneit. Eine der Gestalten knickte beim Laufen immer ein. Und pltzlich war fr sie alles Zauberhafte verschwunden. Hastig kletterte Ayla wieder zur Wiese hinunter. Der zweite Schneefall hatte schon nichts Besonderes mehr. ber Nacht war es eiskalt geworden, und wenn sie die Hhle verlie, warf der Wind Ayla stechende Eiskristalle ins Gesicht, so da sie lieber in der Hhle blieb. Vier Tage dauerte der Schneesturm und hufte soviel Schnee an der Felswand auf, da der Einschlupf zu Aylas Hhle fast gnzlich verdeckt war. Mit beiden Hnden und dem flachen Hftknochen des Rehs grub sich das Mdchen einen schmalen Durchla nach drauen und sammelte den ganzen Tag Holz. Die Rauchfeuer zum Drren hatten zu viel gebraucht. Nhrendes war genug vorhanden, fr eine ganze Weile noch, doch Holz war ntig. Das bichen, das da hinten in der Ecke lag, wrde bestimmt nicht ausreichen. Wenn es noch weiter schneite, wrde sie die Hhle berhaupt nicht mehr verlassen knnen. Zum erstenmal, seit sie ihre Zuflucht wiederentdeckt hatte, frchtete sie um ihr Leben. Die Bergwiese war zu hoch gelegen. Und wenn die Hhle zuschneite, wrde sie den Winter nicht berleben. Es war ihr keine Zeit gegeben, sich auf die lange, tdlich weie Kltnis einzurichten. Die Arme voller knorriger ste kehrte Ayla erst am spten Nachmittag in die Hhle zurck und nahm sich vor, am nchsten Morgen noch mehr Holz zu sammeln. Doch als sie erwachte, heulte drauen ein neuer Schneesturm, und der Einschlupf war vllig zugeschneit. Ayla rang nach Luft. Sie war eingesperrt. Gefangen. Und wieder packte sie die Angst. Lebendig begraben! Wie hoch der Schnee wohl war? Sie nahm einen langen Ast und bohrte damit zwischen den Zweigen der Haselnubsche nach oben. Schnee kam in die Hhle, doch es dauerte nicht lange, und Ayla versprte einen Luftzug. Als sie durch das Loch sphte, sah sie Schneeflocken im scharfen Wind waagerecht dahintreiben. Den Ast lie sie in dem Loch stecken und setzte sich wieder an ihr Feuer. Ein Glcksfall war es gewesen, da sie auf den Gedanken gekommen war, die Hhe der Verwehung zu messen. Denn durch das Loch, das vom Ast offengehalten wurde, konnte Luft in die Hhle gelangen. Wie schnell htte es geschehen knnen, da sie des Morgens nicht mehr erwacht wre. Das Mdchen merkte bald, da ein so groes Feuer gar nicht ntig war, um die Hhle warmzuhalten. Der Schnee wies die Klte ab. Ob drauen Tag oder Nacht war, war nur an dem schwachen Lichtfleck auszumachen, der, wenn es drauen hell war, oben am Eingang matt glnzte. Und sobald dieser Fleck verschwand, schlug Ayla eine Kerbe in ihren Stock. Vom Schnee in die Hhle verbannt, waren auch Finger, Hnde und Fe gehindert, sich nutzbringend regen zu knnen. Es gab nichts zu tun fr sie. Oft sa Ayla dann lange unbewegt am Feuer und starrte in die Flammen, sah zu, wie sie ein Holz nach dem anderen verzehrten und nur ein Hufchen Asche zurcklieen. Hatte auch das Feuer einen Geist? Wohin wanderte er, wenn das Feuer starb? Creb hatte gesagt, wenn ein Mann oder eine Frau starb, dann wanderte der Geist in das Jenseitige. Ayla fate sich an die Stirn. Bin ich schon dort? fragte sie sich. Nichts ist anders; nur einsamer ist es. Vielleicht ist mein Geist an einem anderen Ort. Wie soll ich das denn wissen? Auch fhle ich es nicht. Mein Geist ist bei Creb und Iza und Uba, denke ich. Aber ich bin verflucht. Ich mu tot sein. Aber warum hat mein Totem mir das Zeichen gegeben, wenn es wute, da ich verflucht werden wrde? Kann es sein, da mein Herz mich betrogen hat? Kann es sein, da der sonderbare Stein kein Zeichen meines Totems war? Ich glaubte, mein Totem wollte mich prfen. Vielleicht ist auch dies eine Prfung. Oder hat es mich verlassen? Aber warum hat es mich gewhlt, wenn es mich dann verlt? Ayla blickte zur Decke. Vielleicht hat mein Schutzgeist mich gar nicht verlassen. Vielleicht ist er fr mich in die Welt der Geister hinbergegangen. Vielleicht kmpft er fr mich gegen die bsen Geister. Vielleicht sandte mein Totem mich hierher, damit ich warten soll, bis es gesiegt hat. Knnte es sein, da mein Totem mich noch immer beschtzt? Aber wenn ich nicht tot bin, was bin ich dann? Ayla senkte den Kopf und sah in die Flammen. Allein bin ich, dachte sie bekmmert, so schrecklich allein. Aylas Augen kehrten sich wieder in die Wirklichkeit. Das Feuer war ziemlich heruntergebrannt. Ich will noch etwas nachschieben, dachte sie. Auch bin ich hungrig. Ayla holte ein Stck Holz und warf es in die Glut. Dann ging sie zu ihrem Luftloch und sphte hinaus. Es dunkelt, stellte sie fest. Ich mu wieder eine Kerbe schlagen. Wird dieser Schneesturm denn niemals aufhren? Sie nahm den Stock zur Hand und fgte ihm eine neue Narbe zu und legte dann ihre Finger in die Kerben; erst die eine Hand, dann die andere, dann wieder die erste. Und so fuhr sie fort, bis sie alle Kerben einmal zugedeckt hatte. Der heutige Tag, den ich hier auf meinem Kerbholz habe, war mein letzter. Ich kann jetzt zurckkehren, frohlockte es in dem Mdchen. Aber wie soll ich bei diesem Schneesturm aus der Hhle kommen? Ein zweites Mal ging Ayla zum Luftloch. Nur mit Mhe konnte sie in der rasch dichter werdenden Finsternis den dichten, vom Sturm gepeitschten Flockenschleier ausmachen. Verzagt schttelte sie den Kopf und setzte sich wieder ans Feuer. Als sie am nchsten Tag erwachte, war ihr erster Gang zum Luftloch. Der Sturm tobte noch immer mit unverminderter Gewalt. Wird er denn nie aufhren, flehte sie. Oh, wie gern wollte sie zurck. Was wrde aus ihr werden, wenn Brun den Fluch fr immer verhngt htte? Was wrde aus ihr werden, wenn sie niemals zur Hhle zurckkehren knnte? Und wenn sie nicht jetzt schon tot sei, so wurde sie dann mit Sicherheit sterben. Es war ihr ja auch kaum Zeit geblieben, ausreichend Vorrat anzusammeln, um einen Mond durchzuhalten. Niemals htte sie bis zur Schneeschmelze aushalten knnen. Was mochte Brun nur dazu bewegt haben, sie nicht auf immer zu verfluchen? Htte sie wirklich zurckkehren knnen, wenn sie selbst in die Welt der Geister hinbergegangen wre und nicht ihr Totem statt ihrer? Woher nahm sie denn die Gewiheit, da ihr Geist nicht fortgegangen war? Knnte es nicht sein, da ihr Totem ihren Krper beschtzte, whrend ihr Geist fortging? Nichts war gewi. Und sie wute nichts, nur das eine, da sie unrettbar verloren wre, wenn Brun sie fr immer verflucht htte. Ayla hatte wieder das Kinn zwischen die Knie genommen. Hatte Brun vielleicht ihre Rettung gewollt? Wie ein Blitz durchzuckte sie dieses Erkennen. Bruns Wille war reinen Herzens gewesen, als er ihr vor allen dankte, da sie Brac das Leben bewahrt hatte. Er mute sie verfluchen. Das Gebot des Clans verlangte es. Doch er hatte ihr eine Aussicht auf Rettung geben wollen. Ich wei nicht, ob ich tot bin, dachte Ayla wieder. Kann einer essen und schlafen und atmen, wenn er tot ist? Ihr Herz gefror, als sie den Sinn des Clan-Gebots erkannte. Ich glaube, wenn einer verflucht ist, dann will er gar nicht mehr essen und schlafen und atmen. Und ich wei auch, warum. Mit dem Zeigefinger rieb sie an der Nase und lie ihn dort, genau zwischen den Brauen. Was aber hat mich dann getrieben, weiterzuleben? Es wre so leicht gewesen, zu sterben, als sie aus der Hhle strzte. Sie htte nur liegenbleiben mssen. Wenn Brun nicht versprochen htte, da ich zurckkehren kann, so fragte sie sich weiter, wre ich dann wieder aufgestanden? Wenn die Geister es gestatten, hatte Brun gesagt. Welche Geister? Meine? Die meines Totems? Ayla schttelte ratlos den Kopf. Ganz gleich, irgend etwas mute sie bewogen haben, berleben zu wollen. Ayla brauchte eine Weile, bis sie begriff, da sie wach war, und selbst dann mute sie die Finger an ihre Augen fhren, um sich selbst zu berzeugen, da sie geffnet waren. Das dichte. Stikkige Dunkel der Hhle hatte sie umschlossen. Mhsam unterdrckte sie einen Schrei. Ich bin tot! Brun hat mich verflucht. Nun bin ich tot. Ich werde niemals wieder Licht sehen, niemals hier herauskommen, niemals zur Hhle zurckkehren. Es ist zu spt. Die bsen Geister haben mich getuscht und geblendet. Sie haben mich glauben lassen, ich wre noch am Leben. Doch ich bin tot. Sie waren voll Zorn, da ich unten am Bach nicht mit ihnen gehen wollte, und haben mich bestraft dafr. Sie haben mich glauben lassen, ich wre am Leben, und die ganze Zeit war ich schon tot. Angstvoll umklammerte Ayla ihr Amulett. Es war ein schlimmer Schlaf gewesen. Immer wieder war sie aufgewacht, gepeinigt von den grlichen Bildern bser Geister, von Luchsen, die sie ansprangen und pltzlich zu Hhlen-lwert wurden. Sie hatte von Schnee getrumt, der auf den Bumen lag und schmolz und dann rot wurde wie Blut. In der Hhle hing ein dumpfiger Geruch; doch da sie ihn wahrnahm, verriet ihr, da ihre Sinne noch wach und lebendig waren, auch wenn sie nichts sehen konnte. Ayla fuhr hoch und schlug mit dem Kopf gegen den Felsen. Ihr Stock? Wo war ihr Stock? Es war doch schon dunkel, und eine Kerbe mute wieder hineingehauen werden. Ayla kroch in der Dunkelheit herum und tastete verzweifelt nach dem Kerbholz, als wre es das Wichtigste in ihrem Leben. Es war an der Zeit, es mit einer neuen Kerbe zu zeichnen. Aber wie das tun, wenn es nicht zu finden war? Oder hatte sie die Kerbe schon gemacht? Wie war denn festzustellen, ob sie heimkehren konnte, wenn sie das Holz nicht fand? Brauchte sie den Zeitstock berhaupt noch? War die Zeit nicht schon um? Ayla schttelte den Kopf und versuchte, die Nebelschleier zu vertreiben, die sie am Denken hinderten. Ich kann heimkehren! Jetzt wute sie es. Die Zeit ist um. Aber sie war doch tot. Und es wrde nie aufhren zu schneien. Es wrde immer weiter schneien, immer weiter, und der Schnee wrde immer hher liegen. Der Stock, der andere, oben am Einschlupf! Ich mu nach dem Schnee sehen! Wie ein Maulwurf kroch Ayla in der Hhle herum, stie hier an und dort, hustete, der Hals wurde ihr trocken, die Augen trnten, schlielich erreichte sie aber den Einschlupf. Und als sie dort angelangte, sah sie ber sich, weit oben, einen schwachen Lichtfleck. Ihr Stock, er mute dort oben sein. Mhsam zog sie sich an dem Busch hoch, der seine ste in die Hhle hereinstreckte, bekam das Ende des langen Stocks zu fassen und stie ihn aufwrts. Bald rieselte es auf sie herab, als das Holz die Schneedecke durchstie. Das Loch fr Luft war wieder offen. Ein khler Windhauch fuhr herein, und anstelle des matten Lichtflecks war das ausgefranste Blau des Himmels zu sehen. Die frische kalte Luft machte Ayla einen klaren Kopf. Es ist vorbei. Es hat aufgehrt zu schneien. Endlich. Ich kann heim. Aber wie hier herauskommen? Sie stocherte und bohrte mit dem Stock und versuchte, das Loch zu vergrern. Schnee fiel herab und bedeckte kalt und feucht Aylas Kopf und Krper, die sich schttelte und ermahnte, da sie sich begraben wrde, wenn sie nicht achtsamer wre. Vorsichtig kletterte sie wieder herunter, und ihr wurde froh ums Herz, als sie sah, da die Helligkeit, die durch das Schneeloch hereinstrmte, alles wieder sichtbar in der Hhle machte. Des Mdchens Finger zitterten aufgeregt. Ayla konnte es kaum erwarten aufzubrechen, doch sie zwang sich zu Ruhe und Bedacht. Wenn doch nur das Feuer nicht ausgegangen wre. Wie gerne htte sie jetzt etwas Warmes getrunken. Aber etwas Wasser mute noch im Beutel sein. Dem war so; und als sie trank, fhlte Ayla sich wieder lebendig, so lebendig, da sie auch nach Drrfleisch suchte, und, whrend sie davon abbi, wieder und wieder zum Einschlupf ging, um sich zu vergewissern, da der Himmel noch immer blau war. Also, was nehme ich mit? berlegte das Mdchen und fuhr sich mit dem Handrcken ber die fettigen Lippen. Fr Nhrendes brauche ich nicht zu sorgen. In der Hhle unten ist genug gelagert seit der Mammutjagd. Mitten in der Bewegung hielt sie inne. Mit einem Schlag brach alles wieder auf. Die Mammutjagd, der Schu auf die Hyne, der Todesfluch. Ayla strich sich das Haar aus der Stirn. Werden sie mich wirklich wieder aufnehmen? Werden sie mich auch wieder sehen knnen? Und wenn nicht? Sie wute nicht, wo sie dann htte hin sollen. Aber Brun hatte versprochen, da sie zurckkehren knne. Und versprochen war versprochen. Abschtzend blickte sie sich um. Sie schttelte den Kopf, als sie die Schleuder sah. Nein, die wrde sie gewi nicht mitnehmen. Und den Sammelkorb? Den alten hatte Creb ja verbrannt. Nein, den brauchte sie erst nach der Schneeschmelze. Wieder ein Kopfschtteln. Bis dahin war vielleicht ein neuer zu fertigen. Und ihre Anziehsachen? Alles, Ayla nickte heftig, alles, was anzuziehen war, wrde sie berstreifen und umhngen. Auch einiges Werkzeug mute mit. Ayla richtete alles her und zog sich an; um die Fe das Kaninchenfell, dann das erste Paar Fuhllen und darber das zweite; um die Beine die wrmenden Wadenwickel. Das Werkzeug verstaute sie in den tiefen Falten ihres berwurfs. Den Pelzumhang zog sie fest um sich. Auf den Kopf kam die Vielfrafellmtze. Zuletzt streifte sie sich die geftterten Handhllen ber und ging zum Einschlupf. Dort drehte sie sich noch einmal um und umfing mit den Augen noch einmal die Hhle, die ihr whrend eines Mondes Zuflucht und Heim gewesen war. Bedchtig streifte sie die Handhllen ab und lief zurck. Ayla wute selbst nicht, warum es fr sie wichtig war, die kleine Hhle aufgerumt zurckzulassen. Es gab ihr ein Gefhl des Abschlusses, als legte sie etwas endgltig aus der Hand, das sie nun nicht mehr brauchte. Dann zog sie die Handhllen wieder ber und ging vor zum Einschlupf. Sie wrde herauskommen. Wie, das wrde sich schon zeigen. Es wre zu schaffen. Bald htte der Clan sie wieder. Ayla schaute hoch. Besser, wenn ich da oben durch das Loch ins Freie krieche, entschied sie. Hier unten kann ich mich niemals durchgraben, da ist die Schneeverwehung viel zu dick. An dem Haselnubusch kletterte sie hoch und stocherte mit dem Stock an der ffnung herum, schob den Schnee beiseite, und ihr wurde warm dabei. Als Ayla schlielich auf den obersten sten stand, die im tiefen Schnee nur wenig unter ihrem Gewicht nachgaben, reckte sie sich noch ein bichen und streckte den Kopf in das Blaue hinein. Der Atem stockte ihr. Die Wiese war nicht wiederzuerkennen. Von ihrem Ausguck aus war nichts zu sehen als Schnee. Nicht einen einzigen vertrauten Hinweis konnte sie entdecken. Alles war wei. Wie sollte denn da ein Durchkommen sein? Einen Augenblick lang verlie Ayla der Mut. Doch als sie sich aufmerksamer umschaute, fand sie nach und nach doch einiges Vertrautes wieder. Die Birken da drben neben der hohen Fichte standen nicht viel hher als das Mdchen. Dort konnte der Schnee so tief nicht sein. Aber wie hinberkommen? Ayla sttzte die Arme auf den Rand des Lochs, trampelte den Schnee unter sich fest, da er nicht nachgeben konnte, stemmte sich hoch, bis ihr Bauch die oberste Schneekruste berhrte, senkte sich nach vorne ab, whlte die Arme in den Schnee und zog die Beine nach ber den Rand, so da sie kaum einsinken konnte. Ganz langsam brachte sie dann die Knie an den Bauch, hob den Oberkrper, sttzte sich mit den Armen auf, ging in die Hocke und kam schlielich auf die Fe. So stand sie nur etwa eine Handspannenbreite tief im Schnee. Prfend machte Ayla einige kurze Schritte. Ihre Fuhllen waren weit geschnitten und sackartig um die Fe gebunden und verteilten ihr Gewicht besser, so da sie in dem feintrockenen Schnee nicht allzu tief einsanken. Dennoch war das Vorwrtskommen beschwerlich und anstrengend. Mit kurzen Schritten, manchmal bis zur Hfte versinkend, arbeitete sie sich zum Bach hinber. Auf dem gefrorenen Wasserlauf war der Schnee nicht so tief. An der Felswand, an deren Rckseite die kleine Hhle lag, hatte der Sturm hohe Wchten zusammengeblasen, an anderen Stellen jedoch den Boden freigelegt, da man das graue Gestein und gelbbraune Flechten sehen konnte. Am Bach blieb Ayla stehen und berlegte. Sollte sie ihm bis zum anderen Bach hinunter folgen und dann den weiten Weg zur Hhle nehmen, oder sollte sie lieber gleich den steilen Hang hinunterklettern? Sehr vorsichtig und bedachtsam machte sie sich auf den Weg - den krzeren. Nur langsam und mit Mhe ging es hangab-wrts. Bis zur Tagesmitte, als die Sonne schon hoch am Himmel stand, hatte Ayla erst die Hlfte der Strecke geschafft, die sie sonst immer zwischen Abenddmmerung und Einbruch der Dunkelheit hinuntergelaufen war. Es war kalt, aber die scharf-strahlige Sonne erwrmte etwas. Ayla wurde mde. Als sie gerade den freigewehten Grat berquerte, der zu dem mchtigen Steilhang fhrte, glitt Ayla aus und trat einige Steine los, die sofort nach unten sausten, direkt auf ein gewaltiges Schneebrett zu, das im selben Augenblick, als Ayla wieder keuchend hochkam, weit oben abbrach und sich in einer stubenden Wolke aus dem Hang lste. In eisiger Umarmung packten die Schneemassen das Mdchen und rissen es donnernd mit sich fort. Creb lag noch wach, als Iza leise zu ihm trat. "Ich habe gesehen, da du die Augen offen hast", begrte ihn die Schwester und hielt ihm einen der beiden Becher hin, die sie in den Hnden hatte. "Hier nimm, Creb. Es ist warm und tut gut, bevor du aufstehst. Der Schneesturm hat sich in der Nacht gelegt." "Ja, ich wei", nickte Creb. "Ich sehe den klaren Himmel jenseits der Wand." Still saen sie beieinander und schlrften den warinen Frh-trunk. Oft hockten sie in letzter Zeit stumm beieinander im Wohnkreis, der ihnen leer vorkam und ohne Leben. Sie rckten einander nher und gaben sich gegenseitig Wrme. Aber es war nur ein schwacher Trost. Uba weinte viel in der Nacht und quengelte oft den ganzen Tag. Keiner konnte ihr klarmachen, da Ayla tot war. Immer wieder wollte sie wissen, wo das Mdchen sei. Sie hatte keine Lust zu essen, verschttete das meiste von dem, was Iza ihr vorsetzte, fing dann an zu schreien und wollte mehr, bis die Medizinfrau schlielich die Geduld verlor und ihr ein paar hinter die Ohren gab und sie ausschimpfte, was sie sogleich bereute. Der Husten hatte Iza wieder gepackt und lie sie manchmal nchtelang wach. Seit Aylas Geist gegangen war, hatte Crebs Gesicht Falte auf Falte gelegt und jegliche Spannkraft verloren. In der Zauberhhle war er nicht mehr gewesen seit dem Tag, an dem Ayla verflucht worden war. An jenem Tag hatte er dort in zwei gleichlaufenden Reihen die Gebeine des Hhlenbren angeordnet und den letzten Knochen der bsen Reihe so gelegt, da er durch den Schdel des Bren hindurchging und aus der leeren Augenhhle herausragte. Dann hatte er die bsen Geister beschworen und ihnen hinfort Anerkennung und Macht gegeben. Und seit jenem Tag brachte er es nicht bers Herz, an diesen Ort zurckzukehren, ja, er versprte nicht einmal mehr das Verlangen, sich mit den guten Geistern zu vereinen, wie er es immer getan hatte. Tglich strker war das Bedrfnis in ihm geworden, sich zurckzuziehen und die Pflichten des Mog-urs Goov zu bergeben. Brun hatte ihn gebeten zu warten, als der alte Zauberer ihm seine Absicht erffnete. "Was willst du tun, Mog-ur?" "Was tut ein Mann, wenn er sich von seinen Pflichten entbunden wei? Ich habe zu viel Tage auf dem Buckel, um noch lange in der kleinen Hhle zu sitzen. Mein Krper verlangt nach Ruhe." "Tu nichts bereiltes", bat Brun mit sanfter Gebrde. "Sieh noch einmal in dein Herz hinein, ob du es wirklich willst." Creb hatte genickt und das Vorhaben noch eine Weile mit sich herumgetragen. Nun aber hatte er sich entschlossen, ab heute nicht mehr lnger Mog-ur sein zu wollen und seinen Rcktritt im Laufe des Tages zu verknden. "Goov soll Mog-ur werden, Iza", bedeutete er der Frau, die neben ihm sa. "Das kannst nur du allein entscheiden, Creb", gab sie mit wissender Hand zurck. Sie versuchte nicht, ihm seinen Entschlu auszureden. Sie sprte, da der Bruder nicht mehr mit dem Herzen Mog-ur war, seit er Ayla mit dem Todesfluch hatte beladen mssen. Iza schaute zum Himmel, da wo der Mond stand, der mhlich verblate. "Ist die Zeit um, Creb?" fragte Iza. "Ja", nickte Creb und schaute nur flchtig hoch. "Die Zeit ist um, Iza." "Wie kann sie wissen, wann die Zeit um ist? Seit diesem Sturm war der Mond nicht zu sehen." Creb blickte hinaus, und seine Gedanken wanderten zurck zu dem Tag, an dem er einem kleinen Mdchen gezeigt hatte, wie es die Sommer und Winter zhlen konnte, bis aus ihm eine Frau wrde. "Wenn sie lebte, sie wrde es wissen, Iza", gab der Mog-ur ruhig zurck. "Aber der Sturm war so heftig. Da konnte keiner hinaus", wandte die Schwester ein. "La es ruhen, Iza. Ayla ist tot." "Ich wei es, Creb", erwiderte Iza und schlug die Hnde vors Gesicht, und ihre Schultern zuckten. Creb sah auf seine Schwester. Er sprte ihren Schmerz und wollte ihr etwas geben, ein Zeichen, da er mit ihr fhlte. "Ich sollte dir dies nicht kundtun, Iza. Aber die Zeit ist um. Ihr Geist ist von uns gegangen, aber auch das Bse. Wir haben nichts mehr zu frchten. Ihr Geist hat sich mir mitgeteilt, ehe er floh, Iza. Er bedeutete mir, sie htte mich lieb. Er schien so lebendig, da ich beinahe glaubte, Ayla stnde vor mir. Aber die Geister der Verfluchten sind listig und schlau. Immer wollen sie dich glauben machen, da sie die Lebenden sind, damit sie dich mit sich nehmen knnen. Beinahe wnschte ich, ich wre mitgegangen." "Ahnliches ist auch mir widerfahren, Creb. Als ihr Geist mich Mutter rief, da .. . " Aufschluchzend vergrub Iza ihr Gesicht in den Hnden. "Ihr Geist flehte mich an, doch den Medizinbeutel nicht zu verbrennen, Iza. Das Wasser kam ihm in die Augen, genau wie bei Ayla, als sie lebte. Ich konnte es kaum ertragen. Htte ich den Beutel nicht schon in die Flammen geworfen, ich glaube, ich htte ihn ihm geschenkt. Doch das war seine letzte List. Dann ging er endlich hinweg." Creb war aufgestanden, hllte sich in den mchtigen Pelz und griff zu seinem Stock. Iza blickte ihm nach. Nur noch selten verlie er die Feuersttte. Er humpelte zum Eingang der Hhle und blieb lange Zeit dort stehen, die Augen unverwandt auf das funkelnde Schneeland gerichtet. Erst als Iza Uba zu ihm schickte, kam er zurck. Danach stand er schon wieder dort. "Es ist kalt hier, Creb, und zugig." Iza war zu ihm getreten, voll Sorge, er knnte sich erklten. "Es ist nicht gut fr dich, wenn du hier im Wind stehst", bedeutete sie ihm. Creb hatte sich an den Fels gelehnt und wies mit dem Stock nach drauen. "Zum erstenmal seit Tagen ist der Himmel klar. Es tut den Augen gut, einmal etwas anderes zu sehen als dauernd tobendes Schneegestber." "Ja, aber komm hin und wieder ans Feuer und wrme dich." Creb tat, wie Iza ihm geraten hatte, und immer wieder humpelte er zum Eingang und starrte lange in das Winterland hinaus. Als jedoch der Tag fortschritt, trieb es ihn immer seltener dorthin. Beim Abendverzehr, als das Zwielicht mhlich der Dunkelheit wich, tat er Iza seinen Entschlu kund: "Wenn wir fertig sind, gehe ich zu Bruns Feuer hinber. Ich will ihm sagen, da fortan Goov der Mog-ur sein soll." "Ja, Creb", gab sie mit gesenktem Kopf zurck. Es gab keine Hoffnung mehr. Jetzt war sie sicher, da es keine Hoffnung gab, Ayla wiederzusehen. Creb erhob sich. Pltzlich erscholl von Bruns Feuer her ein erschreckter Aufschrei. Iza ri den Kopf hoch. Eine schnee- und eisverkrustete, pelzige Erscheinung stand im Eingang zur Hhle, stampfte mit den Fen und hob die Arme. "Creb!" rief Iza furchtsam. "Was ist das?" Angestrengt sphte der Mog-ur hinber, mitrauisch und auf der Hut vor bsen Geistern. Doch dann wurde das eine Auge riesengro. Die Furcht darinnen und das Mitrauen waren verschwunden, jubelndes Erkennen strahlte in ihm. "Ayla!" rief er und hastete ihr hinkend entgegen; verga seinen Stock, verga seine Wrde, verga, da es sich nicht ziemte, auerhalb des Wohnkreises Gefhl zu zeigen, ri das eisstarre Mdchen in seine Arme und drckte es an sich. ~Kapitel 16 "Ayla? Ist es auch die Ayla, die lebt? Ist es nicht ihr Geist?" wehrten Izas Hnde erschrocken ab, als der Mog-ur die Gestalt, die aus der Klte kam, an sein Feuer fhrte. Die Medizinfrau wollte es nicht glauben; noch immer frchtete sie, ihre Sinne htten sie getuscht. "Es ist Ayla. Und sie lebt", besttigte Creb mit klar entschiedener Geste. "Die Zeit ist um. Sie hat die bsen Geister bezwun-gen und somit berlebt. Sie ist wiedergekehrt." "Ayla!" Mit ausgebreiteten Armen lief Iza dem Mdchen entgegen und drckte es strmisch an ihr Herz. Nicht nur vom Schnee wurde sie na. Ayla vergo Freudentrnen fr beide. Uba zupfte und ri am Umhang des Mdchens, das Izas Arme noch immer umschlossen hielten. "Ayla. Ayla ist wieder da. Ayla ist nicht tot!" Die Heimgekehrte hob sie hoch vom Boden und prete Uba so fest an sich, da die Kleine zu strampeln begann, um zu Atem zu kommen. "Du bist na", stellte Uba fest, als sie die Arme wieder frei hatte. "Zieh die nassen Sachen aus, Ayla!" bedeutete ihr Iza und suchte nach einem trockenen berwurf fr das Mdchen. Ayla nahm ihre Mtze und ihren Umhang ab, dann setzte sie sich hin und versuchte, die von der Feuchtigkeit aufgequollenen Riemen ihrer Fuhllen zu lsen. "Ich habe groen Hunger", machte Ayla und fhrte die Hand zum Mund. "Ich habe den ganzen Tag nichts gegessen", berichtete sie, nachdem sie einen von Izas berwrfen angezogen hatte. Er war ein wenig klein und etwas zu kurz, aber trocken. "Ich wollte zeitig kommen, aber beim Abstieg vom Berg bin ich in einem donnernden Schneeschwall versunken, der sich den Berg hinunterwlzte und mich fortri. Er htte mich fast verschlungen. Ich habe lange gebraucht, um mich auszugraben." Weit ri Iza die bestrzten Augen auf. Doch selbst wenn Ayla ihr kundtun wrde, sie wre durchs Feuer gegangen, sie htte es geglaubt. Da sie wiedergekehrt war, bezeugte an sich schon ihre Unbezwingbarkeit. Die Frau griff nach Aylas Umhang, den sie zum Trocknen aurhngen wollte. Als htte sie sich daran verbrannt, zog sie jedoch die Hand zurck und beugte mitrauisch das fremde Rehfell. "Woher hast du das, Ayla?" "Ich habe ihn gemacht." "Ist er - ist er von hier, wo wir leben?" fragte die Frau furchtsam. Ayla lchelte. "Gewi, er ist von hier, wo wir leben - und jagen", fgte sie augenzwinkernd hinzu. "Untersteh dich!" gab Iza mit erschreckter Gebrde zurck und wandte den Clan-Leuten den Rcken zu, da sie wute, da alle herberschauten. Aber sie sollten ihre nchste Frage nicht beobachten knnen. "Du hast... hast du die Schleuder mitgebracht?" .M^;" ri;o hahp irh zurckgelassen. Aber alle wissen, da ich jagen kann, Iza. Ich brauchte etwas Warmes. Creb hatte ja alles verbrannt. Einen Pelz kann sich nur einer beschaffen, der jagen kann." Creb hatte den beiden still zugesehen. Er wagte noch immer nicht recht zu glauben, da Ayla wirklich zurck war. Ja, es gab Geschichten, die davon berichteten, da zum Tode Verfluchte unter die Lebenden zurckgekehrt waren. Aber sie ist anders geworden, stellte er fest. Sie hat sich gewandelt. Sie zeigt sich ihrer sicher. Sie ist erwachsen. Und sie erinnert sich. Sie wei noch, da ich ihre Sachen verbrannt habe. Wie mag es wohl aussehen in ihrem Kopf? Und wie in der Welt der Geister? "Geister!" Er schlug sich an den Schdel, als erwachte er pltzlich. Der Fluch besteht noch. Ich mu gehen und ihn brechen. Creb eilte in die kleine Hhle, um das fluchbringende Gelege zu zerstren. Er packte den Kienspan, der drauen vor der schmalen Spalte gelbgrn brannte, und hinkte hastig hinein. Sein Atem stockte, als er in die Zauberhhle schlpfte. Der Schdel des Hhlenbren lag nicht mehr an seinem Platz, auf den er ihn, dem Fluchgebot folgend, gestellt hatte, und auch der Knochen drohte nicht mehr durch die Augenhhle. Der Fluch hatte sich selbst aufgehoben. Creb machte ein mchtiges Schutzzeichen und trug die Knochen zurck zu dem Haufen an der hinteren Wand. Nur die listigen Augen einer Ratte waren Zeuge. Als er sich aus der Spalte qulte, sah er Brun, der ihn erwartet hatte. "Brun", bedeutete der Mog-ur dem Bruder, "ich kann es nicht glauben. Du weit, ich war nicht mehr in der Hhle seit dem Tag, an dem ich den Fluch verhngt habe. Und niemand war in der Hhle seither. Eben bin ich hineingegangen, um den Bann zu brechen. Doch er war schon gebrochen." Verwunderung und Ehrfurcht standen in Bruns Gesicht, als er fragte: "Was ist geschehen?" "Ihr Totem mu es bewirkt haben. Die Zeit ist um, Brun. Ihr Schutzgeist hat den Fluch entkrftet, damit sie zu uns zurckkehren konnte", erklrte der Zauberer. "Ja, so mu es sein." Bruns Hand deutete einen weiteren Gedanken an, zgerte aber. "Willst du dich mir mitteilen, Brun?" "Nur dir allein." Der Clan-Fhrer zauderte wieder. "Vergib, da ich zudringlich war vorher. Ich habe in deinen Wohnkreis gesehen. Des Mdchens Rckkehr kam unerwartet." Nicht nur Brun, alle Clan-Leute hatten diesen Brauch verletzt. Noch nie hatten sie erlebt, da ein Toter auferstanden war. "Heute ist eben ein besonderer Tag. Da braucht es dich nicht zu beunruhigen", beschwichtigte der Mog-ur mit kurzer Gebrde den Bruder und wandte sich zum Gehen. "Das ist es nicht allein, was ich mit dir behandeln wollte", warf Brun ein und legte dem Zauberer eine Hand auf den Arm. "Ich will deinen Rat", der Mog-ur wartete, sah zu, wie Brun nach den erhellenden Zeichen suchte, "zu einer Feier, jetzt, wo sie zurck ist." "Eine Feier ist nicht notwendig. Die Gefahr hat sich verzogen. Das Bse ist fort." "Nicht eine solche Feier." "Was fr eine Feier?" Wieder gerieten Bruns Hnde ins Stocken, schlugen dann etwas anderes vor. "Ich habe zugesehen, wie sie sich dir und Iza mitteilte. Hast du bemerkt, da sie sich gewandelt hat, Mog-ur?" "Wieso gewandelt?" fragte der Mog-ur mitrauisch zurck, denn er wute nicht, was Brun im Sinn hatte, der nochmals anhob zu erklren: "Sie hat ein mchtiges Totem. Droog hat stets behauptet, da sie das Glck mit sich trgt. Er glaubt, da ihr Totem auch uns das Glck bringt. Es mag sein. Doch wre sie niemals wiedergekehrt, htte sie nicht Glck und mchtigen Schutz auf ihrer Seite. Ich spre, da ihr Herz das jetzt wei. Sie ist sich beider Krfte sicher. Das ist die Wandlung, die sie im Jenseitigen durchgemacht hat." "Ja, dieses habe auch ich wahrgenommen. Doch wieso kommst du auf eine Feier? Und was hat das damit zu tun?" "Hast du noch vor Augen, als wir uns berieten? Seit dem Tag, an dem sie tot war, geht mir unsere Beratung unablssig durch den Kopf. Ich glaubte nicht, da Ayla den Fluch berleben und zu den Lebenden zurckkehren wrde. Aber jetzt ist sie da. Nun ist gewi, da sie einen mchtigen Schutzgeist hat, mchtiger noch, als wir glaubten. Seit dem Tag, an dem sie starb, hat mich Tag und Nacht die Frage geqult, was wir tun sollten, wenn sie wiederkme." Creb sah den Bruder verstndnislos an. "Was wir tun sollten? Wir brauchen nichts zu tun. Der bse Geist ist fort, Brun. Sie ist zurckgekommen. Sie lebt wieder. Und sie ist so, wie sie immer war. Sie ist ein Mdchen geblieben." Brun blickte dem Mog-ur voll ins Gesicht. "Was mu geschehen, wenn ich etwas ndern mchte im Clan? Gibt es dafr eine Feier?" Der Mog-ur hob verwirrt den Arm. "Eine Feier? Wofr? Du brauchst keine Feier, wenn du dich ihr gegenber ndern willst. Was soll im Clan gendert werden? Ich kann dir keine der heiligen Feiern deuten, wenn du mir nicht zeigst, was sie bewirken soll." "Ihr Totem ist auch ein Clan-Totem. Wir mssen uns bemhen, die Totems freundlich zu stimmen. Ich wnsche, da du eine Feier abhltst, Mog-ur, aber du mut mir sagen, ob es eine solche Feier gibt." Der ltere Bruder wurde ungeduldig. "Brun, ich wei nicht, was du willst. Du solltest es mir noch klarerlegen." Der Clan-Fhrer lie hilflos die Hnde fallen. Die vielen neuen Gedanken, die die Mnner auf der Beratung vorgebracht hatten, waren ihm whrend Aylas Tod fortwhrend durch den Kopf gegangen. Und er hatte alles grndlich bedacht. Was dabei herausgekommen war, bereitete ihm jedoch nagendes Unbehagen. "Ich sehe selbst nicht klar, Mog-ur, wie kann ich dich da klarsehen lassen? Wer htte erwartet, da sie wiederkehren wrde? Die Wege der Geister sind mir fremd. Ich kann nicht erfassen, was sie wnschen oder wozu sie da sind. Aber du bist mir nicht viel Hilfe. Ich mu noch einmal mit mir selbst zu Rate gehen." Brun machte auf der Ferse kehrt. Verwirrt blieb der Mog-ur zurck. Doch nach wenigen Schritten drehte der Clan-Fhrer sich um. "Teile dem Mdchen mit, da ich es zu sehen wnsche", bedeutete er und ging dann weiter zu seinem Feuer. Kopfschttelnd kehrte Creb in den eigenen Wohnkreis zurck. "Brun wnscht Ayla zu sehen", machte er deutlich, als er dort ankam. "Augenblicklich?" fragte Iza und schob Ayla noch etwas zu essen hin. "Er wird ihr nicht zrnen, wenn sie zuvor noch etwas verzehrt." Ayla sprang auf. Sie hatte pltzlich keinen Hunger mehr. Wie weggeblasen war er, als sie sah, da sie zum Clan-Fhrer sollte. "Ich kann nichts mehr essen, Iza. Ich gehe zu ihm", bedeutete sie der Medizinfrau und lief hinber und lie sich mit gesenk- tem Kopf zu Fen des Clan-Fhrers nieder. Sie sah, da Brun dieselben Fuhllen trug wie an jenem schrecklichen Tag, als er sie verflucht hatte. Damals hatte sie zitternd vor Angst auf diese Fe geblickt, jetzt aber sah sie nur, da das Leder ziemlich abgewetzt war und er eigentlich neue brauchte. Denn ihre Angst war einer Achtung gewichen, in die sich auch Sorge und Verstndnis mischten. Ayla wartete. Schlielich fhlte sie seine Hand auf ihrer Schulter und hob den Kopf. "Ich sehe, du bist wiedergekommen, Ayla", begann er mit zaudernder Geste. Er wute nicht recht, wie er es anpacken sollte. "Ja, Brun", nickte das Mdchen. "Meine Augen sind erstaunt. Da du zurckgekehrt bist von den Toten, kommt unerwartet und ist schwer zu begreifen." "Auch in meinem Herzen war wenig Hoffnung", stimmte Ayla zu. Bruns Hnde zuckten hilflos. Er wollte sich ihr mitteilen, aber er wute nicht, auf welche Weise, und er wute auch nicht, wie er die Unterhaltung beenden sollte, nach der ihn verlangt hatte. Ayla wartete und hob dann bittend die Hand. "Ayla wnscht zu sprechen, Brun." "Du magst sprechen." Sie verhielt den Redeflu ihrer Hnde und begann mit bedchtiger Gebrde: "In meinem Herzen ist Freude, da ich zurck bin, Brun. Viele Male frchtete ich mich; viele Male glaubte ich, ich wrde niemals wiederkehren." Brun brummte zustimmend. "Schwer waren die Tage, aber mein Totem hat mich beschtzt. Zu Anfang gab es viel zu tun. Da verblieb mir keine Zeit, in mich hineinzuschauen. Aber als ich gefangen war, da zog mir vieles durch den Sinn." Viel zu tun? Gefangen? Was war das fr eine Welt, die Welt der Geister? Fast htte Brun sie danach gefragt, doch er schluckte die Frage hinunter. Eigentlich wollte er die Antwort gar nicht wissen. "Ich glaube, da ffneten sich mir fr manches die Augen." Ayla lie die Hnde sinken. Sie wollte ein Gefhl bezeugen, das der Dankbarkeit verwandt war, aber nicht jener Art, wie sie unter den Clan-Leuten im allgemeinen empfunden wurde -nicht einer Dankbarkeit, die verpflichtet machte - und nicht die Dankbarkeit, die eine Frau dem Mann entgegenzubringen hai+p Sip wollte Brun wissen lassen, da sie ihn verstand, und ihm dafr danken, da durch ihn ihr berleben mglich war. Aber sie wute nicht, wie sie es ihm deutlich machen sollte. Langsam hob sie ihre Hnde, als sie ihre Gedanken formte. "Brun, ich danke dir, so wie du mir gedankt hast fr Bracs Leben. Ich sage dir Dank fr mein eigenes." Der Clan-Fhrer lehnte sich zurck und betrachtete das Mdchen; hoch gewachsen, mit flachem Gesicht, sonnenhellen Haaren und Augen wie ein Sommerhimmel. Niemals htte er von Ayla Dank erwartet. Er hatte sie ja verflucht. Aber dafr hatte sie ja nicht gedankt, sondern fr ihr berleben. Begriff Ayla, da er fr sie getan hatte, was in seiner Macht stand? Blickte dieses fremdartige Mdchen so viel tiefer als seine Jger, tiefer sogar als der Mog-ur, in die Herzen und Hirne? Ja, dachte er, sie blickt durch; sie hat begriffen. Einen Augenblick lang regte sich in Bruns Herz ein Gefhl, wie er es nie zuvor fr eine Frau empfunden hatte. Und in diesem Augenblick wnschte er, sie wre ein Mann. Jetzt aber wute er klar, worum er den Mog-ur bitten wollte. "Ich tappe noch ganz im dunkeln", beschwerte sich Ebra. "Nicht einmal die anderen Jger wissen, was sie vorhaben. Aber eines wei ich. Nie habe ich Brun so kribbelig und rastlos gesehen." Die Frauen hockten im Kreis beieinander und bereiteten alles fr den Festverzehr vor und wuten nicht, wieso und warum. Brun hatte lediglich befohlen, fr heute sich zu rhren und zu sputen. "Der Mog-ur hat den ganzen Tag und einen groen Teil der Nacht in seiner Zauberhhle zugebracht. Es mu heute eine Feier geben, denn solange Ayla tot war, suchte er sie niemals auf. Und jetzt ist er immerfort dort", bedeutete Iza den anderen Frauen, und ihre Hand hngte noch eine kurze Bemerkung an: "Und wenn er herauskommt, ist er immer noch so versunken, da er doch tatschlich zu essen vergit." "Aber wie kommt es, da Brun von Sonnenaufgang bis zu ihrem hchsten Stand hinten in der Hhle herumgeschafft hat, um einen freien Platz zu machen?" warf Ebra mit behender Rede ein und zeigte weit ins Innere der Hhle. "Ich bot mich an, es fr ihn zu tun, doch jagte er mich fort. Warum schuftet er wie eine Frau? Sie haben doch eine Sttte fr ihre Feiern." "Nur eine Feier kann es sein", entgegneten Izas kundige Hnde. "Immer sehe ich den Mog-ur und Brun sich beraten; und werden sie meiner gewahr, so hren sie augenblicklich auf. Sie bereiten eine Feier vor, bestimmt. Und darum der Festverzehr heute abend. Des fteren ist der Mog-ur aus seiner Zauberhhle getreten und nach hinten gegangen, wo Brun Platz geschaffen hat. Und wenn mich meine Augen nicht betrogen, so trug er etwas im Arm. Da es so finster ist dort hinten, war jedoch leider nichts genau zu sehen." Und Ayla? Das Mdchen geno es ganz einfach, wieder mit den Erdlingen zusammen zu sein. Obwohl seit ihrer Wiederkehr nun fnf Tage vergangen waren, konnte sie es noch immer nicht recht fassen, da sie wirklich zurck war und im Kreis der Frauen sa, als wre sie niemals fort gewesen. Dennoch war es nicht ganz so wie frher, denn die Frauen fhlten sich befangen in des Mdchens Gegenwart. Ayla war tot gewesen. Ihre Wiederkehr ins Leben war ein Wunder. Sie wuten nicht, wie sie sich zu ihr stellen sollten, die ins Reich der Toten getreten war und nun wieder unter den Lebenden weilte. Von diesem befangenen Verhalten lie Ayla sich nicht im geringsten stren. Sie war's zufrieden, wieder beim Clan zu sein. Gerade beobachtete sie Brac, wie er zu seiner Mutter hinberkrabbelte und an ihr hochkroch, um bei ihr zu trinken. "Was macht sein Arm, Oga?" fragte sie die junge Frau, die neben ihr hockte, und deutete auf Brac. "Schau dir's doch selbst an, Ayla." Sie zog des Jungen Fellkittel auseinander und zeigte Ayla Arm und Schulter. "Iza hat die Birkenrinde am Tag vor deiner Wiederkehr endgltig abgenommen. Sein Arm ist gut geheilt; er ist nur noch ein wenig dnner als der andere. Aber wenn er ihn bewegt, dann wird es sich schon geben." Ayla sah sich die verheilten Wunden an und betastete behutsam den Arm. Der Junge staunte sie aus groen Augen an. Sorgsam hatten die Frauen bisher darauf geachtet, nicht Dinge oder Ereignisse zu behandeln, die auch nur im entferntesten Aylas Verfluchung betrafen. Hufig war es vorgekommen, da eine von ihnen eine Unterhaltung begann, dann pltzlich die Arme sinken lie und vllig erstarrt war, da sie erkannte, womit es enden wrde. "Die Narben sind noch rot, aber nach und nach werden sie verbleichen", befand Ayla. Dann schaute sie dem Kind in die Augen und fragte: "Bist du stark, Brac?" Als der Kleine nickte, forderte sie ihn auf. "Zeig es mir! Hier, kannst du meinen Arm herunterziehen?" und streckte ihn aus. Ayla schttelte den Kopf. "Nein, nicht mit dieser, mit der anderen Hand", bedeutete sie ihm, als Brac den gesunden Arm hob. Der Junge packte ihren Arm also mit der anderen Hand und zog daran. Und Ayla leistete gerade soviel Widerstand, da zu sehen war, wieviel Kraft in seiner Bewegung steckte. Dann gab sie nach. "Du bist ein starker Junge, Brac. Eines Tages wirst du ein tapferer Jger werden, genau wie Broud", machte sie und sah zu Oga hin. Dann ffnete sie einladend die Arme. Zunchst wandte der Kleine sich ab, drehte dann den Kopf, beugte Ayla aufmerksam, zgerte noch etwas, krabbelte dann auf sie zu und lie sich hochheben. Mit ausgestreckten Armen hielt sie ihn hoch und setzte sich den Jungen dann auf den Scho. Ein Weilchen lie er sich von ihr kosen, doch als er merkte, da bei Ayla nichts zu holen war, strampelte er sich frei und kroch zu Oga hinber, die ihn an die Brust nahm. Ayla wandte sich an die junge Mutter und deutete auf den Sugling. "Das Glck ist dir gut gesinnt, Oga." Bevor sie eine Antwort gab, blickte Oga sich schnell um, zuckte dann mit den Schultern und bekannte: "Wrst du nicht gewesen, so wre er jetzt nicht mehr bei mir, Ayla." Endlich hatte Oga doch das Tabu gebrochen. "Ich habe dich nie wissen lassen, da ich dir aus tiefstem Herzen dankbar bin. Zu Anfang hatte ich Angst um das Kind und wute nicht, wie ich dir danken sollte. Und dann warst du tot. Nie whnte ich, dich wiederzusehen. Es ist schwer zu fassen fr mich, da du wieder lebendig bist. Es war nicht recht von dir, eine Waffe zur Hand zu nehmen, und dein Verlangen zu jagen ist mir fremd. Aber ich bin froh, da du es getan hast. Schmerzlich war mir zumute, als du dem Tod bergeben wurdest. Aber du hast ihn berlebt, du bist wieder da. Und es ist eine Freude in mir." "Und auch in mir", bedeutete Ebra, und die Hnde der anderen Frauen stimmten ihr zu. Aylas Herz ffnete sich weit. Sie kmpfte gegen die aufsteigenden Trnen, sie wollte den Frauen kein Unbehagen bereiten, wenn sie sahen, da ihr die Augen na wurden. "Es ist gut, wieder bei euch zu sein", beteuerten ihre Hnde, die sich dann doch um Aylas Augen kmmern muten, aus denen Freudentrnen rannen. Inzwischen hatte Iza gelernt, da Aylas Augen na wurden, wenn das Mdchen stark bewegt war. Auch die Frauen hatten sich an diese Eigenheit gewhnt und sprten irgendwie, da in Ayla sich etwas lste. Mitfhlend wiegten sie die Kpfe. "Wie war es, Ayla? ".wollte Oga wissen. "Einsam", gab Ayla zurck. "Sehr einsam. Stndig hat mein Herz nach euch gerufen. Sogar Broud hat es herbeigewnscht." "Sehr einsam mu es da gewesen sein", warf Aga dazwischen und blickte beschmt auf Oga. "Ich wei, es ist manchmal schwer mit ihm", bekannte Brouds Gefhrtin mit hastiger Gebrde. "Aber er ist nicht ungut zu mir." "Alle wissen, da Broud dir gut ist, Oga", bedeutete ihr Ayla freundlich. "Du sollst den Kopf hoch tragen dafr, da er dein Gefhrte ist. Eines Tages wird er der Clan-Fhrer sein, denn er ist ein khner Jger. Er war es ja, der als erster das Mam-Mut traf. Du kannst es nicht ndern, da er mich ablehnt. Zum Teil habe ich das selbst verschuldet. Nicht immer habe ich mich so betragen, wie ich es htte tun sollen. Ich wei nicht mehr, wie es begonnen hat, und wei auch nicht, wie es noch enden wird. Du solltest dich darum nicht grmen." "Immer schon zeigte er seinen Hitzkopf", fuhr Ebra dazwischen. "Er ist nicht wie Brun. Als der Mog-ur verkndete, da Brouds Totem das wollhaarige Nashorn ist, sprte ich in meinem Herzen, da er wahr gedeutet hatte. Du, Ayla, hast geholfen, ihm die Hitze aus dem Kopf zu treiben. So wird er bestimmt ein besserer Clan-Fhrer werden." "Ich wei nicht." Ayla hob abwehrend die Hnde. "Wre ich nicht hier, so wrde er gewi nicht so oft auer sich geraten. Ich bin ihm wie ein Dorn, der ihn immer irgendwo sticht." Ein etwas gespanntes Schweigen setzte ein, denn gewhnlich sprachen die Frauen nicht so offen ber die Gefhle ihrer Mnner. Doch das Gesprch hatte die Luft gereinigt. Iza fand, es wre Zeit, zu anderem berzugehen. "Wei eine von euch, wo die Yamswurzeln sind?" fragte sie. "Sie waren dort, wo Brun Platz geschaffen hat", gab Ebra zurck. "Wir werden sie wohl nicht mehr finden." Broud, der Ayla beobachtete, hatte mit finsterer Miene wahrgenommen, wie sie Bracs Arm untersuchte und den Jungen dann auf ihren Scho nahm. Die kleine Begebenheit lie ihn wieder daran denken, da sie es gewesen war, die Brac das Leben gerettet hatte, und das wiederum erinnerte ihn daran, da sie Zeugin seiner tiefsten Erniedrigung geworden war. Der Jger war vom Wunderlichen ihrer Wiederkehr so berwltigt ge wesen wie die anderen und ihr am ersten Tag mit Ehrfurcht und einer gewissen Scheu begegnet. Doch da sie sich verndert hatte^- von Creb als Zeichen ihres Reifens gedeutet, von Brun als glckliches Erleben verstanden - fate Broud als freche Anmaung auf. Whrend der langen einsamen Hhlentage hatte Ayla nicht nur die Zuversicht gewonnen, da sie berleben konnte; sie hatte auch gelernt, den Widrigkeiten ihres Lebens mit Gelassenheit zu begegnen. Nach den bitteren und harten Kmpfen, die sie oben in den Bergen mit sich und mit der Welt um sich herum fhren mute, und wo sie eine unbeugsame Strke, sich trotz allem zu behaupten, gewonnen hatte, konnte etwas so Nichtiges wie eine Zurechtweisung ihre Eigenart nicht mehr erschttern. Broud hatte Ayla tatschlich gefehlt. In der vlligen Einsamkeit und Abgeschiedenheit von den Erdlingen, die sie kannte, wren sogar seine Demtigungen und Qulereien ihr willkommen gewesen. Und in den ersten Tagen nach ihrer Wiederkehr tat ihr sein stndiges Nrgeln, Befehlen und Triezen direkt gut. Und es dauerte nicht lange, da waren die alten Muster im Verhalten beider zueinander wieder sichtbar; doch mit einem Unterschied. Ayla bedurfte keiner berwindung mehr, sich Brouds Willen zu beugen. Ihre Fgsamkeit war nicht mehr, wie zuvor, mit feiner Herablassung unterlegt; sie war ganz einfach ungerhrt. Er konnte ihr Blut nicht mehr in Wallung bringen. Er konnte knuffen und puffen und schimpfen und sich in wildeste Wut hineinsteigern, es wirkte nicht. So, wie man sie als Geist behandelt hatte, den man nicht sehen konnte, so behandelte Ayla jetzt Broud, wenn auch ganz ohne Absicht. Denn Broud lechzte nach Aufmerksamkeit, er brauchte sie wie die Luft zum Atmen. Nichts war fr ihn schwerer zu ertragen, als bersehen zu werden. Selbst wenn sie sofort seinen Anweisungen folgte, sie tat es dann so, als sei er Luft fr sie, denn Ayla kannte des Jgers Grenzen seiner ueren Macht ber sie, hatte seine innere Strke geprft und herausgefunden, da beides nicht reichte, ihr Achtung abzuverlangen. Und das Schlimmste fr ihn war nicht nur, von ihr bersehen zu werden, sondern zu erleben, wie sie Aufsehen erregte. Allein schon durch ihre eigenartige Erscheinung zog Ayla das Augenmerk aller auf sich. Was aber am schwersten wog, waren die Erfahrungen, die man mit ihr gemacht hatte: Sie hatte ein mchtiges Totem. Ihr gehrte die Zuneigung des gefrchteten Zauberers, dessen Feuer sie teilte. Sie ging bei der Medizinfrau des Clans in die Lehre, um selbst einmal Medizinfrau zu werden. Sie hatte Ona das Leben gerettet. Sie war im Gebrauch der Schleuder besser als alle Mnner. Sie hatte die Hyne gettet und damit Bracs Leben bewahrt. Und jetzt war sie sogar von den Toten auferstanden. Jedesmal, wenn Broud hohen Mut gezeigt hatte und eigentlich die Bewunderung des Clans verdient gehabt htte, war es ihr gelungen, ihn in den Schatten zu stellen. Mit mignstiger Miene betrachtete Broud das Mdchen. Warum hatte Ayla wiederkehren mssen? fragte er sich und sttzte das Kinn auf die rechte Faust. Alle sehen nur sie! Immer sehen alle nur sie. Als ich den Bison erlegte und in den Mannesstand erhoben wurde, drehte sich alles nur um ihr Totem. Hat sie je einem Mammut die Stirn geboten? Lie sie sich beinahe zu Tode trampeln, um diesem Tier die Sehne zu durchschneiden? Nein. Sie hat nicht mehr zu bieten, als mit dieser lcherlichen Schleuder zwei Steine abzuschieen. Und auch noch Brun mit seinen Beratungen! Und dann hat er es doch nicht richtig gemacht. Sie ist wiedergekommen. Und alles dreht sich nur um sie. "Creb, warum bist du nur so zappelig? Nie habe ich dich so unstet gesehen. Du bist wie ein junger Mann, bevor er seine erste Gefhrtin nimmt. Willst du, da ich dir einen warmen Trank mache, damit du wieder zur Ruhe findest?" uerte sich Iza besorgt, als der Zauberer zum dritten Mal vom Feuer aufsprang, drei, vier Schritte weghumpelte, dann aber anderen Sinnes wurde und sich wieder niederhockte. "Du findest mich unstet? Ich bin nur dabei, mir alles ins Gedchtnis zu rufen und mich in mich selbst zu versenken", gab er mit abwehrender Gebrde zurck. "Was mut du dir so eilig ins Gedchtnis rufen? Lange schon bist du der Mog-ur, Creb. Es gibt keine einzige Feier, die dir nicht klar vor Augen steht. Und nie habe ich gesehen, da du herumhoppelst wie ein Hase, wenn du in dich hineinschaust. Ich mache dir einen warmen Trank." Schon wollte Iza sich erheben, als Creb abwehrte: "Nein, nein. Ich brauche keinen warmen Trank. Wo ist Ayla?" "Da drben, hinter der letzten Feuersttte. Sie sucht die Yamswurzeln", zeigte ihm die Schwester. Creb lie sich wieder nieder. Nicht lange danach erschien Brun und gab dem Mog-ur ein Zeichen. Der Zauberer erhob sich wieder, und die beiden Mn ner zogen sich in den hinteren Teil der Hhle zurck. Kopfschttelnd blickte Iza ihnen nach. Sie hatte keine Ahnung, was vorging. "Ist es nicht bald Zeit?" fragte der Clan-Fhrer, als sie den Raum erreichten, den er frei gemacht hatte. "Ist alles bereit?" "Es ist alles bereit. Aber die Sonne mu noch tiefer stehen, glaube ich." "Das glaubst du nur und weit es nicht? Du hast mir doch bedeutet, da du weit, was zu tun ist. Du hast mich wissen lassen, da du dich in ferne Zeiten versenkt und eine Feier gefunden hast. Alles mu so sein, wie es sein soll. Du mut wissen, nicht glauben", beschwerte sich Brun mit ungeduldiger Hand. "Ich habe mich versenkt", gab der Mog-ur zurck. "Und ich war in lang, lang zurckliegenden Zeiten, an einem fremden Ort. Dort gab es keinen Schnee. Ich glaube, nicht einmal in der kalten, dunklen Zeit gab es dort Schnee. Es ist nicht leicht, den rechten Stand des Tages zu erkennen. Ich wei nur, da die Sonne tief war." "Das hast du mir bis jetzt verborgen gehalten. Wie sollen wir wissen, da alles so ist, wie es sein soll? Vielleicht ist es besser, die Feier nicht abzuhalten." "Ich habe mit den Geistern Zwiesprache gehalten. Die Steine sind ausgelegt. Die Geister erwarten uns", beschied der Mog-ur. Brun zerrte an seinem Hals. "Mir ist nicht wohl dabei, da wir die Steine hinausgetragen haben. Vielleicht htten wir die Feier in der Zauberhhle abhalten sollen. Werden die Geister nicht verstimmt sein darber, da wir sie herausgetragen haben, Mog-ur?" "Darber haben wir schon beraten, Brun", gab Creb geduldig zurck. "Wir waren uns einig, da es besser ist, die Steine hinauszutragen, als die Ahn-Geister zur Sttte unserer Totems zu lassen. Es kann sein, da die Ahn-Geister bleiben wollen, wenn sie die Sttte unserer Geister sehen." "Wie wissen wir, da sie wieder davongehen werden, wenn wir sie einmal geweckt haben? Es ist zu gefhrlich, Mog-ur. Mir wre lieber, wir lieen es sein." "Mglich, da die Ahn-Geister eine Weile bleiben werden", gab der Mog-ur mit bestimmter Gebrde zurck. "Aber wenn alles wieder an seinem Platz ist, und wenn sie sehen, da es hier keine Bleibe fr sie gibt, dann gehen sie fort. Die Totems werden ihnen befehlen zu gehen. Aber du mut entscheiden. Wenn du anderen Sinns geworden bist, will ich versuchen, dies den Ahn-Geistern mitzuteilen und sie zu beschwichtigen." "Nein. Halten wir die Feier ab. Die Ahn-Geister warten darauf. Aber es kann sein, da die Mnner mein Tun nicht freudigen Herzens aufnehmen werden." "Wer ist der Clan-Fhrer, Brun? Die Mnner werden es annehmen, wenn sie sehen, da es so sein soll." "Soll es denn aber so sein, Mog-ur? Jene Tage sind so fern. Nicht die Mnner liegen mir jetzt am Herzen. Werden unsere Totems es annehmen? So viel Glck hat uns auf allen unseren Wegen begleitet. Zu viel Glck beinahe. Mir will die Furcht nicht aus dem Sinn, da etwas Schreckliches geschehen wird. Ich will unsere Geister nicht erzrnen. Ich will tun, was sie wnschen." "Aber das tun wir ja, Brun", entgegnete der Mog-ur. "Wir mhen uns zu tun, was sie wnschen. Alle." "Bist du sicher in deinem Herzen, da auch die anderen es annehmen werden? Werden sie nicht unmutig werden, wenn sie sehen, da wir nur einem unter ihnen gefllig sein wollen?" "Nein, Brun, gewi nicht." Der Zauberer sprte die Bangnis und die Sorge des Clan-Fhrers. Er wute, wie schwer dieser Entscheid fr ihn war. Bedchtig schttelte Creb sein Haupt. "Keiner kann ganz sicher sein. Wir sind nicht die Unsichtbaren. Wir sind von Fleisch und Blut. Auch der Mog-ur ist von Fleisch und Blut. Wir knnen uns nur bemhen, uns mit ihnen zu verbinden, im Geiste eins zu werden mit ihnen. Du hast es eben selbst bezeugt - das Glck hat uns begleitet. Das kann nur ein Zeichen dafr sein, da die Geister aller Totems uns freundlich gesinnt sind und in Eintracht miteinander. Glaubst du, uns wre soviel Glck beschert, wenn sie miteinander uneins wren? Nicht viele Male ist es vorgekommen, da ein Clan das Mam-Mut gejagt hat und niemand auch nur verletzt wurde. Auch htte es geschehen knnen, da man nach der langen Wanderung auf keine Herde gestoen wre. Viele gute Tage der Jagd wren umsonst gewesen. Du hast etwas gewagt, Brun, und du hast gewonnen. Selbst Brac ist noch am Leben." Der Clan-Fhrer sah in das von heiligem Ernst gezeichnete Gesicht des Zauberers, suchte dessen Auge und versenkte seinen Blick darin. Dann straffte er die Schultern; die Unsicherheit in seinen Augen wich felsiger Entschlossenheit. "Ich hole die Mnner", bedeutete er. Den Frauen war befohlen worden, dem hinteren Teil der Hhle fernzubleiben. Nicht einmal mit Blicken durften sie dort eindringen. Iza sah, wie Brun die Mnner versammelte, doch so bedeutsam erschien ihr das nicht. Erst als zwei Mnner, deren Gesichter mit rotem Ocker bemalt waren, zu Ayla hineilten, begann sie zu zittern vor Furcht. Was mochten sie nur von dem Mdchen wollen? Ayla hatte nicht einmal bemerkt, da die Mnner sich mit Brun zurckgezogen hatten. Emsig whlte sie in den Krben und Behltnissen hinter der letzten Feuersttte nach den Yamswurzeln. Doch als sie unversehens das rotgefleckte Gesicht das Clan-Fhrers vor sich auftauchen sah, unterdrckte sie mit Mhe einen Schrei. "Wehr dich nicht! Mach keinen Laut!" bedeutete ihr Brun. Und als sie das Mdchen fast vom Boden hoben, um es fortzuzerren, erstarrte sein Krper. Die Mnner waren verwirrt, als sie Brun und Goov mit dem Mdchen kommen sahen. So wenig wie den Frauen war ihnen der Grund der Feier bekannt, die Brun und der Mog-ur vorbereitet hatten. Immerhin wuten sie aber, da ihre Neugier bald befriedigt werden wrde. Nachdem sich alle im Kreis hinter den Steinen, die aus der Zaubersttte herbeigeschleppt worden waren, niedergelassen hatten, warnte sie der Mog-ur, sich nicht zu bewegen und keinen Laut von sich zu geben. Grollend befahl ihnen der Mog-ur, indem er jedem der Mnner zwei lange Knochen von den Gebeinen des Hhlenbren reichte, sie zu kreuzen und vor den Krper zu halten. Groe Gefahr mute im Verzug sein, wenn so mchtiger Schutz vonnten war. Eine Ahnung, welcher Art die Gefahr war, dmmerte ihnen, als sie Ayla erblickten. Brun hie das Mdchen sich an dem freien Platz im Kreis unmittelbar gegenber dem Mog-ur niederzulassen, und hockte sich dann hinter sie. Auf ein Zeichen des Zauberers nahm Brun dem Mdchen die Binde von den Augen. Ayla zwinkerte mit den Lidern, um klaren Blick zu bekommen. Im Schein der Fakkeln konnte sie den Mog-ur sehen, der hinter dem Schdel eines Hhlenbren kauerte, und die Mnner, die mit starren Hnden Knochenkreuze vor ihren Krpern hielten. Voller Furcht zog sie den Kopf tiefer zwischen den Schultern und duckte sich noch weiter zusammen. Was habe ich getan? Ich habe keine Schleuder angerhrt, dachte sie und zerbrach sich den Kopf, welch schweres Vergehen sie an diesen Ort gebracht haben knnte. Doch nichts fiel ihr ein. "Rhr dich nicht. Mach keinen Laut", warnte der Mog-ur auch sie mit strenger Gebrde. Ayla war wie versteinert. Aus weit aufgerissenen Augen sah sie zu, wie der Zauberer sich hochzog, seinen Stock weglegte, seinen Arm hob, den Groen Bren und die Geister der Toteins anrief, ihnen ihren Schutz zu gewhren. Viele der verschlungenen und gewundenen Zeichen waren ihr unbekannt, doch Ayla verfolgte die heiligen Gebrden mit gefesselter Aufmerksamkeit. Doch sah sie weniger die Bedeutung der Zeichen als den Zauberer selbst. Sie kannte Creb; sie kannte ihn gut. Fr sie war er ein krppliger alter Mann, der sich nur hinkend fortbewegen konnte und sich bei jedem Schritt schwer auf den Stock zu sttzen hatte. Er war das Zerrbild eines Mannes. Die eine Krperseite bresthaft, verwachsen, faltig; die andere, die lebte, kraftvoll und behende. Schon frher war ihr die geschmeidige Anmut seiner Bewegungen aufgefallen, wenn eine Hand die heiligen Gebrden formte. Nun aber zeigte sich ihr dieser Zauberer, hoch aufgerichtet hinter dem Schdel des Bren stehend, von einer Seite, die sie nie gekannt hatte. Fort waren da jegliche Behinderung und Schwere krperlichen Mangels. Wie traumhaft wiegender Tanz muteten des Mog-urs beredte Gebrden an, die in den Krper hinberflossen. Doch der Mog-ur war kein Tnzer. Der Mog-ur war ein Knder, der wute, wie man eindringlich zu schildern hatte. Nie war dieser Mog-ur, der Magier, kraftvoller und gewaltiger in seiner Fhigkeit sich auszudrcken, als wenn er mit den Unsichtbaren Zwiesprache hielt, die ihm manchmal nher waren als die Erdlinge, die vor ihm saen. Und noch mchtiger zeigten sich die Zeichen des Zauberers, als er sich an die Ahn-Geister wandte, die er zu dieser Feier, die ihresgleichen im Clan nie gehabt hatte, herbeizurufen wnschte. "Ahn-Geister, unsichtbare Mchte, die seit dem nebelhaften Ursprung unseres Seins nicht mehr gerufen wurden, schaut auf uns herab und kommt zu dieser Sttte. Wir flehen euch an. Wir ehren euch und bitten, uns beizustehen und zu schtzen. Ahn-Geister! Ihr seid so alt, da eure Namen nur wie ein Flstern durch die Zeiten schweben. Erwacht aus eurem tiefen Schlaf, ^lamit wir puch ehren knnen. Wir haben fr euch eine Opfer gabe, eure Herzen froh zu stimmen. Seid milde und gndig und schaut auf uns herab." Der Mog-ur senkte die Hand, legte sie, zur Faust geballt, auf sein Herz, senkte den Kopf auf die Brust und blieb wie versteinert stehen. Dann stie er pltzlich die Rechte in die Luft und rief die Unsichtbaren herbei: "Geist des Windes, Uuha!" Ayla rann ein eisiger Schauder ber den Rcken, als der Mog-ur den Namen hervorstie. "Geist des Regens, Siina! Geist der Nebel, lischa! Kommt zu uns. Blickt mit Wohlwollen auf uns Erdlinge nieder! Eine der euren haben wir hier unter uns, eine, die mit euren Schatten gegangen und gekommen, ist wiedergekehrt, wie der Groe Hhlenlwe es wnschte." Er redet von mir, ging es Ayla pltzlich auf. Dies hier ist eine Feier. Doch was hat das mit mir zu tun? Wer sind diese Ahn-Geister? Nie zuvor habe ich ihre Namen gehrt. Sie sind weiblich. Und ich glaubte, alle Schutzgeister wren den Mnnern entsprechend. Ayla bebte vor Furcht, und doch war sie voller Neugier. Auch die Mnner, die starr vor ihren Steinen hockten, hatten von den Ahn-Geistern nie zuvor gehrt; und doch waren sie ihnen nicht unvertraut. Als sie die uralten Namen hrten, regte sich in ihnen die Erinnerung. Der Mog-ur hob wieder die Hand. "Mchtige Ahn-Geister, die Wege der Unsichtbaren sind uns fremd und verborgen. So wissen wir nicht, waruni diese Frau von einem Geist erwhlt wurde, der so mchtig ist wie ihr. Wir wissen nicht, warum er sie auf euren Weg gerhrt hat. Wir aber drfen ihm nicht trotzen. Im Schattenland hat er fr sie gekmpft. Er hat das Bse bezwungen und sie uns wieder zugerhrt. Wir mssen ihm zu Willen sein und drfen uns nicht seinem Wunsch verschlieen. Mchtige Ahn-Geister aus den Tiefen der Zeit! Eure Wege sind nicht die Wege des Clans. Einstmals jedoch, da waren sie es und mssen es wieder sein fr diese eine, die unter uns sitzt. Ahn-Geister! Wir flehen euch instndig an, lat sie auf euren Wegen wandeln. Nehmt sie an. Schtzt sie und gebt euren Schutz ihrem Clan." Der Mog-ur wandte sich Ayla zu. "Bringt die Frau zu mir", befahl er. Bruns krftige Arme zogen Ayla vom Boden hoch und schoben sie vorwrts, bis sie vor dem alten Zauberer stand. Ein unterdrckter Schrei entrang sich ihrer Kehle, als Brun ihr in das lange sonnenhelle Haar griff und ihren Kopf nach hinten ri. Unter gesenkten, flatternden Lidern hervor sah sie, wie der Mog-ur ein scharfes Messer aus seinem Beutel zog und hoch ber seinem Kopf schwang. Voller Entsetzen starrte Ayla in das Gesicht des Einugigen, das immer nher kam, und der Atem stockte ihr, als die scharfe Klinge auf ihren entblten Hals herabstie. Ein brennender Schmerz durchruhr ihre Kehle, doch die Angst hinderte sie zu schreien. Der Mog-ur hatte das Messer in die Halsgrube gesenkt, nicht tief, aber so, da das Blut eifrig und rot hervorquoll. Dann hielt der Zauberer einen Fellbausch an die Wunde und wartete, bis er sich vollgesogen hatte, und rieb den Schnitt mit einer scharfen Flssigkeit ein, die ihm Goov in einer Schale reichte. Brun lie das Mdchen los. Verschreckt sah Ayla zu, wie der Mog-ur den roten Bausch in eine flach ausgestemmte Steinschale legte, die mit ligem gefllt war, und Goov dem Zauberer eine kleine Fackel reichte, der das lige in der Schale entzndete. Stumm und reglos wartete er, whrend der Fellbausch sich kruselte, brannte, sich zusammenzog und schwarz und steifig wurde. Als die Flammen erloschen waren, streifte Brun Aylas berwurf zur Seite und entblte ihren linken Oberschenkel. Der Mog-ur tauchte einen Finger in das schwarze Schmierige, das in der Schale zurckgeblieben war, und zog die vier Narben auf des Mdchens Oberschenkel nach. Entgeistert starrte es auf die Zeichnung. Sie sah aus wie ein Toteinzeichen, das den Clan-Jungen bei ihrer Feier zur Mannbarkeit hineingeschnitten und geschwrzt wurde. Ayla sprte, wie Brun sie nach hinten zog und sah, da der Mog-ur sich dann wieder an die Geister wandte. "Oh, nehmt dieses Blutopfer an, ihr wrdigen Ahn-Geister, und wisset, da ihr Totem es war, der Geist des Hhlenlwen, der sie erwhlte, auf euren uralten Wegen zu wandeln. Hierfr haben wir euch geehrt und gehuldigt. Nehmt dieses an und kehrt nun um, da ihr gesehen habt, da eure Bruche nicht verloren und vergessen sind." Es ist vorbei, seufzte Ayla erleichtert, als der Mog-ur sich wieder niederhockte. Sie hatte noch immer keine Ahnung, warum man sie gezwungen hatte, an dieser auergewhnlichen Feier teilzunehmen. Doch nun trat Brun vor sie hin und bedeutete ihr aufzustehen. Rasch sprang Ayla auf. Der Clan-Fhrer griff in eine Falte seines TIbprwurfs, zoe ein bohnengroes Stck aus rotgefrbtem El fenbein heraus, ein Stck von einem Stozahn des Mammuts, das die Jger erlegt hatten. "Ayla", begann Brun, "dieses eine Mal nur, whrend wir unter dem Schutz der Ahn-Geister stehen, sollst du den Mnnern gleich sein." Sie war nicht sicher, die Gebrde des Clan-Fhrers richtig erfat zu haben. "Wenn du aber diesen Ort verlassen hast, dann ist es dir fr immer untersagt, dich den Mnnern gleich zu sehen. Du bist jetzt eine Frau und wirst es immer bleiben." Ayla hob die Hand zur Besttigung. Aber gewi war sie eine Frau. Das war doch klar. "Dies ist Elfenbein aus dem Stozahn des Mam-Muts, das wir erlegt haben", bedeutete ihr Brun weiter. "Groes Glck begleitete uns auf dieser Jagd. Keiner der Jger wurde verwundet, und doch gelang es uns, das mchtige Mam-Mut in die Knie zu zwingen. Dieses Stck hier wurde dem Geist des Groen Bren geweiht und vom Mog-ur in das heilige Rot getaucht. Es trgt einen mchtigen Zauber in sich, der den Jagenden Glck und Schutz bringt. Denn jeder Jger des Clans trgt einen solchen Zauber in seinem Amulett, und jeder Jger mu ihn haben." Bruns Augen blickten das Mdchen unverwandt an, als er ihr seine Absicht dartat. "Ayla, ein Junge wird erst dann zum Mann, wenn er auf der Jagd gettet hat; wenn dieses geschehen ist, dann kann er kein Kind mehr sein. In lichtfernen Tagen, die weit hinter uns liegen, als noch die Ahn-Geister herrschten, die uns jetzt umgeben, gingen auch die Frauen des Gro-Clans auf Jagd. Niemand hat uns gezeigt, warum dein Totem dich auf den Weg der Ahn-Geister gefhrt hat. Wir aber knnen dem Geist des Hhlenlwen nicht trotzen. Wir mssen uns fgen. Ayla, du hast auf der Jagd gettet. Du bist erwachsen geworden; aber eine Frau und kein Mann, und immer wirst du eine solche sein. Du darfst aber mit der Schleuder jagen, mit der Schleuder allein, Ayla. Hinfort bist du die Frau im Clan, die jagt." Ayla sprte, wie ihr das Blut ins Gesicht scho. Hatte sie Bruns Gebrde auch richtig aufgefat? Dafr, da sie die Schleuder gebraucht hatte, war sie ausgestoen worden und fr bemessene Tage tot gewesen. Und jetzt erlaubte man ihr, mit der Schleuder zu jagen, wieso denn? "Dies ist fr dich. Verberge es in deinem Amulett." Ayla nahm ihren Beutel vom Hals und ffnete ihn mit fliegenden Fingern. Sie steckte das rotgefrbte Elfenbein, das Brun ihr reichte, zu dem Ocker und der steinernen Seeschnecke, zog den Beutel wieder zu und hngte ihn sich um. "Bedeute dieses niemandem, ich will es vor dem Festverzehr verknden. Dir zu Ehren wird er sein, Ayla", erklrte ihr Brun. "Dreh dich jetzt um." Sie tat, wie ihr geheien. Wieder wurden ihr die Augen verbunden, und dann fhrten die beiden Mnner sie zurck, nahmen ihr die Binde vom Gesicht. Sie blickte Brun und Goov nach, die zum Kreis der Mnner zurckkehrten. Habe ich getrumt? Mit den Fingern betastete sie ihren Hals. Der Schnitt, den der Mog-ur dort getan hatte, brannte noch ein wenig. Dann lie sie ihre Hand ein Stck herabgleiten und befhlte die drei Dinge in ihrem Amulettbeutel. Ayla schlug ihren berwurf auseinander und blickte auf die leicht verschmierten schwarzen Linien auf ihrem Schenkel. Ich bin eine Jgerin! Ich darf fr den Clan jagen! Mein Totem wollte es so, und der Clan konnte ihm nicht trotzen. Flchtig hatte sie ihr Amulett berhrt, schlo dann die Augen und teilte sich ihrem Schutzgeist mit: "Groer Hhlenlwe, wie konnte ich nur in meinem Herzen an dir zweifeln? Der Todesfluch war fr mich eine schwere Prfung, die schwerste, die ich durchstehen mute, aber ich habe etwas Auerordentliches dafr bekommen. Zutiefst bin ich dankbar, da du mich wiederum deiner fr wrdig befunden hast. Jetzt wei ich, da Creb recht hatte - mein Leben wird niemals leicht sein, aber es wird ein reiches Leben sein, da du mich erwhlt hast." Die gewaltige Feier hatte die Mnner berzeugt, da man Ayla die Jagd erlauben mute, um die Ahn-Geister nicht herauszufordern. Nur einer hockte da und hatte eine schlimme Wut im Bauch: Broud. Und wre ihm bei des Mog-urs strengem Warnzeichen nicht die Furcht in die Glieder gefahren, so htte er die Feier schnurstracks verlassen. Mit finsterer Miene hatte er den Zauberer angefunkelt. Seine grte Erbitterung jedoch galt Brun. Der hat das getan, dachte der Jger. Immer hat er sie in Schutz genommen, ihr immer besondere Gunst geschenkt. Und mir hat er mit dem Todesfluch gedroht, nur, weil ich dieses Mdchen fr seine Aufsssigkeit strafte. Mir, dem Sohn seiner Gefhrtin! Und dabei hatte sie es ja nicht anders verdient; bis ans Ende aller Tage und noch weiter htte er diese Ayla verfluchen sollen. Und jetzt gestattet er ihr, zu jagen wie ein Mann. Wieso? Broud schaute zum Clan-Fhrer. Aber Brun wird alt, dachte er. Eines Tacrp"; wird er nicht mehr der Clan-Fhrer sein, sondern ich werde es sein. Und dann werden wir sehen. Dann kann sie sich nicht mehr unter seine Fittiche flchten. Dann werden wir sehen, ob sie nicht das bekommt, was sie schon lngst bekommen sollte* ~Kapitel 17 In dem Winter, der ihr zehntes Lebensjahr einleitete, wurde Ay-las Krper fraulicher. Iza versprte Freude und Erleichterung, als sie die ersten Zeichen uerlichen Wandels an dem Mdchen wahrnahm. Ihre Hften wurden breiter und ihrer Brust wuchsen zarte Hgel. Also war sie doch nicht dazu verdammt, bis an ihr Ende ein Kind zu bleiben. Ayla hatte begriffen, da sie wohl niemals ein Kind wrde haben knnen. Ihr Totem war zu mchtig. Trotz alledem wollte sie ein Kind. Seit dem Tag, an dem Iza Uba geboren hatte, wollte sie, da ihrem Krper sich ein Kind entringe, dem sie Wrme, Nhrendes und Schutz geben konnte. Doch sie fand sich darein und fand Freude daran, sich um die Suglinge und Kinder im Clan zu kmmern, wenn die Mtter zu sammeln und zu werkeln hatten. Aber stets stie es ihr bitter auf, wenn sie sah, wie die Leiber anderer Frauen schwollen. Mit Ovra, deren Schicksal dem ihren nahekam, fhlte Ayla sich tief verbunden. Auch Ovras Totem lie sich nicht bezwingen. Es schien der jungen Frau beschieden, die jetzt schon viermal fehlgeboren hatte, kinderlos zu bleiben. Zwischen beiden hatte sich seit der Mammutjagd eine warme Freundschaft entwickelt. Ovra, die Stille, war niemals sehr mitteilsam, doch zwischen Ayla und ihr wuchs ein beiderseitiges Verstehen, das zu warmer Vertrautheit reifte, in die nach und nach auch Goov mit eingeschlossen wurde. Allen war die Zuneigung, die Goov und seine Gefhrtin verband, offensichtlich. Um so grer war das Mitleid. Alle wuten sie, da Ovras Verlangen nach einem Kind besonders brennend war, um ihrem Gefhrten, der ihr miliches Geschick mit sanfter Nachsicht hinnahm, dankbar sein zu knnen. Oga hingegen ging schon wieder mit einem Kind; zu Brouds Stolz, der sich verhielt, als htte er es selbst gemacht. Ihr Scho war so fruchtbar wie der von Aga und Ika. Unterdessen wuchs in Droog das sichere Gefhl, da aus Groob, Agas kleinem Sohn, doch noch der Werkzeugmacher werden wrde, den er sich stets gewnscht hatte. Und Igra verhie so gesellig und umgnglich zu werden wie Ika, ihre Mutter. Brun brauchte keine Sorge zu haben, da der Clan verkmmerte. Er wuchs und gedieh. Als dann der Schnee geschmolzen war und erstes Grn aufscho, mute Ayla gem dem Brauch den Clan fr die Tage verlassen. Diese Zeit der Verbannung durch den Frauenfluch verbrachte sie hoch oben in ihrer kleinen Hhle. Obwohl es ihr keine groe Mhe machte, sich mit Nhrendem zu versorgen -sie zog oft mit ihrer Schleuder aus -, sehnte sie dennoch die tglichen Treffen mit Iza herbei, unweit der Clan-Hhle, die ihr nicht nur zu essen und zu trinken brachte, sondern trstend ihre Einsamkeit teilte. Noch immer hatte Ayla Angst vor den Nchten, die sie hier wieder allein verbringen mute. Hufig blieben sie bis nach Einbruch der Dunkelheit beisammen, und Ayla mute dann einen Kienspan anznden, um zu ihrer Bergwiese zurckzufinden. Da Iza niemals die ablehnende Scheu vor Aylas Fellumhang berwand, den sich die junge Frau gemacht hatte, whrend sie tot gewesen war, lie diese ihn hinfort in der kleinen Hhle zurck. So, wie andere junge Frauen von ihren Mttern, erfuhr Ayla von Iza alles, was eine Frau zu wissen hatte. Iza gab ihr die Streifen aus weichflauschiger Tierhaut, die zwischen die Beine zu binden waren, und zeigte ihr, welches Zeichen sie machen mute, wenn sie die besudelten Binden in der Erde vergrub. Auch erklrte sie Ayla, was zu tun war, wenn ein Mann auf sie Lust htte. Denn Ayla hatte endlich ihre Tage und war zu einer Frau geworden und mute auf alles vorbereitet werden, was von einer jeden Clan-Frau verlangt wurde. Auf etwas allerdings ging Iza berhaupt nicht ein: Ob Ayla einen Mann in Aussicht hatte. Denn die meisten jungen Frauen waren, wenn sie erwachsen wurden, schon auf einen ganz bestimmten jungen Mann versessen. Zwar hatten weder Tochter noch Mutter etwas zu melden, wenn ein Gefhrte auszusuchen war; doch wenn Eintracht zwischen ihnen bestand, konnte die Mutter ihren Gefhrten die Wnsche ihrer Tochter wissen lassen, der sie dem Clan-Fhrer weitergab, welcher allein zu entscheiden hatte, wen man mit wem zusammentat. Zwischen Iza und Ayla wurde jedoch darber nie eine Gebrde verloren. Im Clan gab es keine jungen Mnner, die noch ohne Gefhrtin waren. Und wren noch welche dagewesen, so htte wohl keiner von ihnen, dessen war sich Iza sicher, Ayla zur Gefhrtin haben wollen. Doch die junge Frau selbst hatte nie an solches gedacht. Art einem klaren Morgen, nicht lange nach ihrer Wiederkehr, lief Ayla zu dem kleinen Teich unweit der Hhle hinunter. Sie war allein. Die junge Frau kniete nieder und beugte sich ber das Wasser, um das Behltnis einzutauchen. Doch mitten im Schpfen hielt sie inne. Im Widerlicht der schrg einfallenden Sonnenstrahlen versilberte das stille Wasser und glnzte wie ein Spiegel. Erschrocken starrte Ayla auf das fremde Gesicht, das ihr aus dem Teich entgegenblickte; sie sah sich das erste Mal selbst. Stehende Gewsser gab es kaum in der Nhe der Hhle, und wenn Ayla sonst zum Teich hinunterging, war sie meist in Eile gewesen und hatte keinen Blick auf den Wasserspiegel verschwendet. Aus groen Augen betrachtete jetzt die junge Frau ihr eigenes Gesicht: etwas kantig, mit einem ausgeprgten Unterkiefer, hohen Backenknochen. Der Kopf sa auf einem langen, glatten Hals. Das Kinn hatte eine winzige Kuhle in der Mitte. Atemlos schaute Ayla sich weiter an. Volle Lippen, die Nase fein und stupsig. Um die himmelblauen Augen sa ein langer Wimpernkranz, ein wenig dunkler als das sonnenhelle Haar, das ihr in weichen Wellen auf die Schultern fiel. Die Stirn war glatt und gerade. Verzweifelt schlug Ayla mit dem Behltnis auf ihr Spiegelbild ein, das sich sofort zu einem wirren Gewoge von Formen und Linien verzerrte. Schritt fr Schritt wich Ayla dann zurck, machte pltzlich kehrt und rannte zur Hhle zurck. "Ayla, was ist?" fragte Iza, als die junge Frau keuchend in den Wohnkreis kam. "Iza! Ich habe mich eben im Teich gesehen. Es gibt nichts Hlicheres. Ach, Iza, warum bin ich so hlich?" klagte sie und sttzte sich weinend in die Arme der Medizinfrau. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte Ayla immer nur die Clan-Leute gesehen. Jemand anderen als diese Erdlinge kannte sie nicht. Die Clan-Leute hatten sich an ihr Aussehen gewhnt; sie selbst jedoch sah nur, da sie mit den Erdlingen, die sie umgaben, von auen her nichts gemein hatte. "Ayla, Ayla", brummte Iza beruhigend und strich der jungen Frau ber das Haar. "Ich habe nicht gewut, da ich so grundhlich bin, Iza. Ich habe es nicht gewut. Nie wird es einen Mann geben, der mich haben will. Nie werde ich einen Gefhrten haben. Und nie werde ich ein Kind kriegen knnen. Keiner wird je zu mir gehren." "Hlich?" fragte Iza. "Wieso solltest du hlich sein, Ayla. Du bist nur anders." "Ich bin hlich!" Ayla schwang abwehrend die Hnde. Sie wollte sich nicht beschwichtigen lassen. "Sieh mich an, Iza! Ich bin zu hoch gewachsen. Ich reiche hher als Broud und Goov. Beinahe so gro wie Brun bin ich. Ich bin gro, grundhlich und mein Leben lang ohne einen Gefhrten." "Ayla, hr auf!" schalt Iza und schttelte sie an den Schultern. "Du siehst aus, so wie es dir gegeben wurde. Du bist nicht in den Clan hineingeboren, Ayla! Du bist ein Kind der anderen gewesen. Du mut dich annehmen, wie du bist, jetzt auch dein ueres. Gewi, es kann sein, da du nie einen Gefhrten haben wirst. Auch das mut du annehmen. Aber sicher ist nichts, es gibt die Hoffnung. Bald wirst du Medizinfrau werden - von meinem Stamm." Iza setzte sich wieder hin und zog auch Ayla mit runter an die Feuersttte. "Im Sommer, der kommt, ist das Miething des Gro-Clans. Viele Erdlinge und ihre Clans werden dort sein. Wir hier bilden nicht den einzigen Clan; mglich ist, da in einem von den anderen sich ein Gefhrte fr dich findet. Vielleicht ein junger und auch nicht von hohem Rang, aber einer sicherlich. Zoug ist dir sehr wohl gesonnen. Er hat Creb gebeten, auf dem Miething den Nachbar-Clan zu gren und sich bei diesem fr dich zu verwenden. Er wnscht, da diese Leute dir Beachtung schenken und lie auch wissen, da er dich selbst nehmen wrde, wre er noch jnger." Ayla blickte auf. "Das alles hat Zoug geoffenbart? Und das, obwohl ich so hlich bin?" Die junge Frau mute lcheln. "Ja, Ayla. Wenn seine Gunst dich begleitet und du den Rang einer Medizinfrau meines Stammes geltend machen kannst, so wird sich ein Mann finden, der dich nimmt, auch wenn du anders bist." Aylas Lcheln erlosch. "Aber dann werde ich doch fort mssen von hier und irgendwo anders leben und dich und Creb und Uba zu verlassen haben." "Ayla", gab die Medizinfrau zurck, "ich bin hochbetagt und auch Creb drckt die Last vieler Sommer. Bald wird Uba eine Frau sein und einem Gefhrten gegeben werden. Was willst du dann tun? Eines Tages wird Broud der Clan-Fhrer sein. Dann aber solltest du nicht mehr dem Clan angehren. Du solltest fortzfehen, und beim Miething des Gro-Clans wird dir ein Weg gezeigt." Ayla blickte die Medizinfrau dankbar an. "So wird es wohl sein, Iza. Unbehagen beschleicht mich, bedenke ich den Tag, an dem Broud Clan-Fhrer wird. Aber Trauer zieht in mein Herz", und Ayla senkte bedrckt die Hand auf die Brust, "da ich dich verlassen soll." Dann aber hellte ihre Miene sich auf. "Der Sommer, der kommt, ist noch fern. Bis dahin will ich frhlich sein." Ach, Ayla, seufzte Iza fr sich. Vielleicht mut du so alt werden wie ich, um zu wissen, wie schnell der nchste Sommer da ist. Du willst mich nicht verlassen? Du kannst nicht ermessen, wie tief mein Herz um dich klagen wird. Sie schaute zur Hhlendecke hinauf. Oh, gbe es in diesem Clan doch nur einen Mann, der sie nehmen wrde! Und Broud? Wenn er doch nie Clan-Fhrer wrde! Izas Gesicht zeigte nichts von dem, was sie dachte. Ayla wischte sich die Trnen ab und lief mit ihrem Behltnis zurck zum Teich. Diesmal vermied sie einen Blick in den stillen, klaren Wasserspiegel. Spter, am Nachmittag, stand Ayla am buschbestandenen Waldrand und sphte durch das Unterholz zur Hhle hinber. Einige der Clan-Leute waren drauen bei der Arbeit. Sie sah auf die zwei Kaninchen, die ihr ber der Schulter hingen, und dann auf die Schleuder in ihrem Grtel. Sie nahm die Waffe und stopfte sie in die tiefste Falte ihres berwurfs. Doch gleich zog sie das Lederband wieder heraus und hngte es an ihren Grtel. Sie bckte sich und lugte wieder zur Hhle hinber; ihre Fe traten unruhig auf der Stelle. Brun hat es mir erlaubt. Die Ahn-Geister waren dabei. Ich bin eine Jgerin. Ich bin die Frau im Clan, die jagt. Ayla schob das Kinn nach vorne und trat aus dem dichten Grn hervor. Als wren sie pltzlich versteinert, hielten die Leute vor der Hhle mit einemmal in ihrer Arbeit inne und starrten auf die junge Frau, die ihnen mit zwei Kaninchen ber der Schulter entgegenkam. Sobald sie jedoch den ersten Augenblick unglubiger Bestrztheit berwunden hatten und sich bewut wurden, soeben dem Brauch entgegen sich verhalten zu haben, wandten sie wieder die Blicke ab. Aylas Gesicht flammte, doch sie schritt auf hartnckigen Fen vorwrts und bersah die verstohlenen Blicke, die ihr folgten. Ein Stein fiel ihr vom Herzen, als sie endlich die Hhle erreichte und ins Dunkle tauchen konnte. Hier war es leichter, die Neugier der anderen zu bersehen. Auch Iza ri die Augen weit auf, als Ayla in Crebs Wohnkreis trat, doch sie fate sich rasch und wandte sich ab, ohne irgendeine Andeutung ber die Kaninchen zu machen. Denn sie war hilflos und wute nicht, wie sie zu dem Vorfall stehen sollte. Creb hockte auf seinem Brenfell, den Kopf gesenkt, die Augen fast geschlossen. Es schien, als she er Ayla nicht. Doch hatte er sie wohl erblickt, als sie in die Hhle getreten war. Keiner regte sich, als Ayla die Tiere von der Schulter schwang und an der Feuersttte niederlegte. Da strmte Uba in die Hhle und sperrte Mund und Nase ganz weit auf, als sie die Tiere sah. "Die hast du selbst gejagt, Ayla?" fragte sie und deutete auf die Kaninchen. "Ja", gab diese zurck. "Schn rund und dick sind sie. Machst du sie fr uns, Mutter?" "Hm", brummte Iza, noch immer unsicher. "Ich hute sie", bot Ayla sich rasch an und holte ihr Flintsteinmesser heraus. Einen Augenblick sah ihr Iza zu, dann ging sie zu Ayla hin und nahm ihr das Messer aus der Hand. "Nein, Ayla. Du hast sie erlegt. Ich hute sie." Ayla trat zurck, whrend Iza die Kaninchen hutete, auf ste steckte und auf die Astgabeln bers Feuer legte. "Das war ein guter Verzehr", bedeutete Creb und fuhr sich mit dem Handrcken ber den Mund, ohne zu erwhnen, da Ayla dafr gesorgt hatte, ba jedoch empfand keinerlei Scheu. "Die Kaninchen waren gut, Ayla", lobte sie. "Das nchstemal htte ich aber lieber mein Schneehuhn." Sie teilte Crebs Vorliebe fr die schwerflligen Vgel mit den gefiederten Fen. Und als Ayla das nchstemal ihre Beute zur Hhle brachte, waren die Clan-Leute schon nicht mehr so entgeistert. Und bald sah man gar nichts Besonderes mehr darin, da sie stndig auf die Jagd ging. Da Creb nun eine Jagende an seinem Feuer hatte, verlangte er nicht mehr seinen vollen Anteil an der Beute der anderen Jger, es sei denn, sie zogen ohne Ayla auf Growild aus. In diesem Frhling hatte Ayla hurtig alle Hnde voll zu tun. Wenn sie auch jagte, so mute sie dennoch ihren Teil der Frauenarbeit leisten, und wie immer nach den langen Tagen von Dunkelheit und Kltnis galt es, frische Triebe und Wurzeln zu sammeln, aus denen Iza ihre heilenden Mittel bereiten konnte. Doch die junge Frau kannte keine Mdigkeit. Nie zuvor war sie so glcklich gewesen und so frei und so froh, jagen zu knnen, ohne Strafe befrchten zu mssen. Ebra und Uka nahmen Ayla an, wie sie war, wenn auch die beiden lteren Frauen niemals ganz vergessen konnten, da sie von den anderen stammte. Ika war offenherzig und ihr sehr behilflich, und Aga und Aba waren uerst ehrerbietig. Zu Ovra hatte sie das meiste Vertrauen, und selbst Oga nherte sich ihr. Die heie Bewunderung, die Oga fr Broud gehegt hatte, war allmhlich abgekhlt; mit ihm zusammenzuleben hatte sich zu einer gleichgltigen Gewohnheit gewandelt. Broud hate Ayla um so mehr, als sie nun auch noch zur Jgerin bestimmt war. Ohne Unterla suchte er nach Gelegenheiten, sie zu erniedrigen, um zu sehen, was sie darauf empfand. Doch die junge Frau hatte gelernt, mit dieser Drangsal zu leben; ihr Herz blockte sie ab, und ihr Hirn erhob sich darber. Nie wieder, glaubte sie, wrde sie durch Broud aus der Fassung geraten. Die Knospen an Bschen und Bumen waren schon aufgesprungen, als Ayla eines Tages beschlo, auf Schneehhner Jagd zu machen und nachzuschauen, was sich auf Wald und Wiese an frischen Krautern fr Izas Medizinbeutel finden lie. Den ganzen Morgen streifte sie durch das Hgelland rund um die Hhle und wanderte schlielich zu einem Grasgebiet hinunter, das unweit der Steppe grnte. Dort scheuchte sie zwei Schneehhner auf und holte die schwerflligen Fiederlinge mit flink geschleuderten Steinen aus der Luft. Im hohen Saftgras suchte sie dann nach dem Nest. Denn Creb mochte es am liebsten, wenn die gebratenen Vgel mit ihren eigenen Eiern gefllt waren. Da war es ja! Fast wre sie daran vorbeigelaufen; freudig beugte sich Ayla hinunter, nahm die Eier aus dem Nest, hllte sie sorgsam in weiches Moos und schob sie in eine Falte ihres berwurfs. Auf einer sanft geschwungenen Anhhe hielt sie an und hockte sich nieder. Schaute erst mal nach, ob die Eier noch heil geblieben waren, und holte sich ein Stck gedrrten Fleisches heraus und bi daran. Von einem Borkenbaum herab, in dessen Schatten sie sa, trllerte laut ein leuchtender Wiesenpieper, und zwei Sperlinge mit dunkelbraunen Kpfen hpften geschftig in den Brombeer-bschen nicht weit von ihr am Saum des Grasgebiets umher. Ein paar schwarzhubige, grau gefiederte Vgel machten sich mit pfiffigem >Zizida Zizida< in einer Fichte zu schaffen, die in der Nhe eines kleinen, gewundenen Baches zu Fen der Anhhe stand. Lauthals schimpften die Zaunknige, whrend sie stchen und trockenes Moos zu einer Nesthhle in dem alten, knorrigen Stechapfelbaum schleppten, der ber und ber in Blte stand. Ayla liebte diese Augenblicke stiller Einsamkeit. Sie lie sich von der Sonne umfassen und sog ihre Wrme auf und dachte an nichts. Erst als ein Schatten vor ihr den Boden verdunkelte, blickte sie auf und sah ber sich Brouds finsteres Gesicht. Der Jger hatte beschlossen, heute allein auf die Jagd zu gehen, da Brun seinen Mnnern diesmal Ruhe gnnen wollte. Auf Beute sehr erpicht war er allerdings nicht. Zu jagen war ihm mehr ein Vorwand gewesen, um einfach so in der warmen Frhlingssonne herumzuwandern. Schon von weitem hatte er Ayla erspht, wie sie so unttig auf dem Hgel hockte, und wollte es sich nicht verkneifen, die kstliche Gelegenheit, diese Ayla fr ihre Faulheit zu schelten, am Schpf zu packen. Die junge Frau sprang auf, als sie den Jger ber sich sah, was diesem nicht pate, denn sie war grer als er, und es ging nicht an, zu einer Frau aufblicken zu mssen. Mit krftig behaarter Hand, auf der sich dicke Adern schlngelten, bedeutete ihr Broud, sich wieder zu setzen. Dann wollte er sie lehren, am hellen Tag hier faul herumzuhocken. Doch als er dieses unerschtterliche Blau in ihren Augen sah, als sie sich niederlie, flammte jh der alte Ha in seinem Herzen auf, und eine Begierde stieg aus seinen Lenden hoch, sie zu verletzen und diese Augen na zu machen und ihre Ungerhrtheit zu durchstoen. Er sah sich um und blickte auf Ayla, die gleichmtig vor ihm hockte. Seit sie eine Frau geworden ist, gibt sie sich herablassender denn je, rgerte sich Broud. Die Frau im Clan, die jagt! Wie hatte Brun das tun knnen? Er sah auf die Schneehhner und dann auf seine eigenen leeren Hnde. Selbst in ihren hlichen Wasseraugen ist Frechheit und Spott, weil sie diese Vgel hat und ich nichts habe. Aber ich werde ihr zeigen, wo ihr Platz ist. Auch wenn wir beide jagen, sie ist die Frau, und ich bin der Mann. Broud bedeutete Ayla sich hinzulegen; unglubig ri sie die Augen auf, hatte Iza ihr doch erklrt, die Mnner wollten das eigentlich nur von den Frauen, die sie mochten. Und Broud 1^'lt-o C10 Dem Jger war Aylas bestrztes Gesicht gerade recht. Nochmals wies seine Haarhand Ayla an, sich bereit zu machen. Sie fhlte sich pltzlich unwohl in ihrer Haut. Zwar war ihr klar, 3a sie Brouds Befehl gehorchen mute, doch war sie wegen seiner Forderung verwirrt und sah, wie Brouds Gesicht in Vorfreude sich verzog. Endlich hatte er es geschafft. Endlich hatte er die harte Schale ihres Gleichmuts aufgebrochen! Und gleich wrde er ihren Krper selbst durchstoen. Er beugte sich dicht ber sie, als sie aufstand und sich auf die Knie herunterlie. So nahe hatte Ayla noch nie einen Jger gesprt. Brouds keuchender Atem erschreckte sie. Sie zgerte. Broud verlor die Geduld. Er stie sie zu Boden und ffnete seinen berwurf. Worauf wartet sie denn noch? Sie ist so hlich, da es ihr eigentlich zur Ehre gereichte, mich auf sich gehabt zu haben. Niemand hat sie bisher haben wollen, dachte er zornig und packte ihren berwurf, um ihn wegzureien. Doch als Broud sich auf Ayla niedersenkte, zerri etwas in ihrem Innersten. Sie konnte es nicht. Sie konnte einfach nicht dem Clan-Brauch folgen und sich der Manneslust verfgbar halten und sich von diesem Widerling ffnen lassen. Blindlings rappelte sie sich hoch und rannte davon. Doch Broud war schneller. Er packte Ayla, schleuderte sie zu Boden und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht. Es tat ihm wohl. Zuschlagen. Niederringen. Ihren Gleichmut bezwingen. Ayla war vllig auer sich. Wieder wollte sie aufspringen, und wieder schlug er zu. Er war der Mann. Er hatte die Kraft, ihren Krper, der sich weigerte, ihm zu Willen zu sein, zu bezwingen. Der Kopf schwamm ihr. Blut kam aus Nase und Mund. Ayla versuchte, sich aufzurichten, doch der Jger drckte sie unbarmherzig nieder, auf dessen Brust sie wie rasend einschlug, ihn damit jedoch nur wilder erregend. Fast schwanden der jungen Frau die Sinne, als er sie herumri, so da sie auf dem Bauch zu liegen kam. Mit fliegenden Fingern ri er Aylas berwurf weg, drckte ihre Beine auseinander und rammte sein Geschlecht dazwischen. Die Frau unter ihm krmmte sich, bumte sich auf und schrie, als er sich wieder und wieder in ihren Krper bohrte und sich am Ende in sie ergo. Erschpft brach Broud ber Ayla zusammen und blieb einen Augenblick reglos liegen. Dann entzog er sich ihr, die besinnungslos schluchzte. Im blutenden Gesicht brannten bittere Trnen. Das eine Auge war stark angeschwollen und fast ganz geschlossen. Ihre Oberschenkel waren wund, und Schmerzen durchwhlten immer noch ihren Leib. Broud zog sein Geschlecht zurck, stand auf und blickte befreit atmend auf sie herunter. Der Jger fhlte sich gut. Er nahm seine Waffen und machte sich wieder auf den Rckweg zur Hhle. Ayla weinte sich alles Wasser aus den Augen und blieb noch lange auf der Erde liegen, Gesicht und Hnde ins Gras gewhlt. Schlielich drehte sie sich auf den Rcken und setzte sich auf. Ihre Hand fhlte die Schwellungen an Mund und Auge. Schmerz berschwemmte ihren Krper, innen wie auen. Sie sah das Blut zwischen ihren Schenkeln. Broud hatte sie verletzt. Er hatte ihrem Inneren weh getan. Aber den anderen Frauen tat es doch nicht weh! Warum nur bei ihr? War sie da auch anders? Schwerfllig stand sie auf und schleppte sich zum Bach. Jeder Schritt bereitete ihr Schmerzen. Sie wusch sich, doch das linderte nicht die Pein und dmpfte nicht den Aufruhr in ihrem Herzen. Warum hat Broud mir das abgezwungen? Sie hatte geglaubt, das wollten Mnner nur von Frauen, die ihnen gefielen. Aber sie war doch hlich. Sie sah doch keiner gern. Pltzlich packte Ayla blankes Entsetzen. Und wenn Broud es wieder von mir verlangt? Ich gehe nicht zurck. Ich kann nicht zurck. Wo aber sonst hin? Ayla blickte um sich. Zu ihrer Hhle? Nein, das war zu nahe und fr den Winter keine Bleibe. Sie mute zur Clan-Hhle zurck. Sie konnte nicht alleine leben. Wohin denn sonst gehen? Und Iza und Creb und Uba? Die muten doch versorgt werden. Was soll ich nur tun, schrie es in ihr. Ayla prete die Fuste an die Schlfen. Wenn Broud mich wieder dazu zwingt? Ich darf es nicht verweigern. Mein Krper gehrt ihm, weil ich eine Frau bin. Oh, wre ich doch noch ein Mdchen, und bliebe es, bis ich strbe! Ein Kind werde ich nie bekommen. Wozu dann Frau sein? Die Sonne stand schon tief, als sie wieder zum Hgel hinaufging, um nach ihren Schneehhnern zu sehen. Die Eier, die sie so sorgfltig eingepackt hatte, waren zerdrckt. Mit leeren Augen blickte sie zum Bach hinunter und dachte daran, wie frei und gelst sie gewesen war, whrend sie die Vgel beobachtet hatte. Das schien lange her zu sein. Und ihr war, als wre es in einer anderen Zeit und an einein anderen Ort gewesen. Niedergeschlagen schleppte sie sich zur Hhle zurck, jeder Schritt eine Qual. Ale T?a rlip Sonne hinter den Bumen versinken sah, hatte sich die Unruhe in ihr geregt. Sie war die Pfade abgegangen, die in die umliegenden Wlder fhrten, und eilte schlielich zum Grat hinauf und suchte sorgenvoll die Hnge und Hgel ab. Auch Creb war unruhig, doch er mhte sich, es nicht zu zeigen. Und als es dunkel wurde, hatte Brun zwei Falten mehr auf seiner kurzen Stirn. Iza sah Ayla zuerst, als sie vom Grat her sich der Hhle nherte. Zuerst wollte sie schelten, doch mitten in der Schimpfgebrde hielt sie inne. "Ayla! Hast du dich verletzt? Ist was geschehen?" "Broud hat mich geschlagen", bedeutete ihr die junge Frau mit reglosem Gesicht. "Warum denn?" "Ich habe mich geweigert, ihm zu gehorchen", gab sie kurz zurck und ging weiter zur Feuersttte. Was war wohl geschehen? fragte sich Iza. Schon seit langem stellte sich Ayla nicht mehr gegen Broud. Und warum ausgerechnet heute? Merkwrdig war, da der Jger ihr nichts davon berichtet hatte, mit Ayla zusammengetroffen zu sein. Er mute doch gesehen haben, da sie voller Sorge gewesen war. Seit Mittag ist er zurck, ging es Iza durch den Kopf. Sie warf einen raschen Blick hinber zu Brouds Wohnkreis und sah, da er ganz unverhohlen ber die Wohnkreissteine hinweg auf Ayla blickte. Etwas wie hhnische Befriedigung stand auf seinem Gesicht. Creb hatte alles wahrgenommen: Aylas verschwollenes und verfrbtes Gesicht, die trostlose Verzweiflung in ihren Augen, Brouds hmische Miene. Er sprte genau, da des Jgers Ha von Tag zu Tag gewachsen war. Nun aber sah es aus, als htte sich etwas zugetragen, das Broud das Gefhl gab, Ayla zu beherrschen. Aber was hatte sich zugetragen? Am nchsten Morgen hatte Ayla Angst davor, aus Crebs Wohnkreis herauszugehen. So lange es ging, zgerte sie den Frhverzehr hinaus. Broud wartete schon auf sie. Als er Ayla das Lustzeichen gab, wre sie fast Hals ber Kopf davonge-strzt. Doch sie zwang sich, seinem Geschlecht entgegenzukommen, so da er sie nehmen konnte. Ihre Schreie wollte sie unterdrcken, doch der Schmerz prete sie ihr ber die Lippen. Jene, die in der Hhle waren, warfen verwunderte Blicke auf beide. Es war ihnen unbegreiflich, da Broud es mit ihr machte, und wie Ayla dabei so schrecklich schreien konnte. Broud fhlte sich noch besser als damals, als er das Mammut zu Fall gebracht hatte. Er hatte Ayla, diese fremde Frau, bezwun- gen und endlich einen Weg gefunden, sie zu erschttern. Mochte sie ihn hassen, er wollte sie geduckt, mit zitternden Flanken und voller Furcht sehen. Er weidete sich an ihrem Weh. Jeden Morgen, wenn er nicht mit den anderen Jgern auf der Jagd war, erwartete er, da Ayla sich ihm darbot. Die junge Frau verlor alles Frische und Frohe; sie war gedrckt und teilnahmslos. Nur ein einziges Gefhl brannte in ihr - Ha gegen Broud. Wie ein riesiger Gletscher, der dem Umland alle Feuchtigkeit entzieht, so verdrngten Abscheu und Bitterkeit alle anderen Gefhle in ihrem Herzen. Sie hatte stets auf sich geachtet; hatte ihren Krper und ihr Haar an bestimmten Tagen im Bach gewaschen, im Winter dafr sogar groe Schsseln mit Schnee in die Hhle getragen, um ihn am Feuer schmelzen zu lassen. Jetzt aber hing das sonnenhelle Haar in verklebten Strhnen ihr auf den Rcken, und sie trug tagein tagaus denselben berwurf, der weder gesubert noch gelftet wurde. Lustlos und fahrig tat sie ihre Arbeit, bis auch die Mnner unwillig wurden, die nie zuvor etwas an ihr auszusetzen hatten. Ayla hatte jegliche Lust, ihr Wissen mehren zu wollen, verloren, auch teilte sie sich nicht mehr mit, ging nur selten auf die Jagd und kehrte hufig mit leeren Hnden zurck. An nichts nahm sie Anteil. Ihr Verhalten hing wie eine dunkle Wolke ber Crebs Feuersttte. Iza war fast krank vor Sorge. Da Ayla sich so gewandelt hatte, ging ihr nicht in den Kopf. Sie dachte sich wohl, da es mit Brouds unerklrlicher Vorliebe, seinen Krper immer nur an Ayla abzuregen, zusammenhngen msse. Wie ein ngstliches Huhn flatterte sie um die junge Frau herum, lie sie nicht aus den Augen. Und als sie bemerkte, da Ayla sich morgens erbrach, packte sie die Furcht, da der bse Geist, der von ihr Besitz ergriffen hatte, seine Klauen nun noch fester in Aylas Herz geschlagen hatte. Als Medizinfrau fiel ihr jedoch auf, da Ayla sich nicht absonderte, wie das von den Frauen verlangt wurde, wenn sie ihre Tage hatten, an denen die Totems miteinander kmpften. Von da ab beobachtete sie die junge Frau noch aufmerksamer. Doch als ein weiterer Mond vergangen war und an den Bumen schon die Frchte reiften, war Iza sicher. Eines Abends, als Creb nicht am Feuer hockte, winkte sie Ayla zu sich. "Ich habe dir etwas mitzuteilen", bedeutete sie. "Ja, Iza." Ayla stand von ihrem Fell auf und lie sich auf dem Rndpn neben Iza nieder. "Wie weit liegen die Tage zurck, an denen dein Totem gekmpft hat?" "Ich wei es nicht." "Ayla, blick zurck! Als die Blten von den Apfelbumen fielen, haben da die Geister in dir gekmpft?" Die junge Frau runzelte die Stirn. "Ich bin nicht sicher. Einmal vielleicht", gab sie zurck. "Das dachte ich mir", bedeutete Iza. "Du fhlst dich morgens unwohl, ja?" "Ja", machte Ayla, die glaubte, die belkeit kme daher, da Broud noch immer jeden Morgen auf sie wartete, wenn nicht gerade etwas zu jagen war. Iza deutete auf Aylas feste Brste. "Tun sie weh?" "Ein wenig", nickte diese. "Und sind sie grer geworden?" "Ja, ich glaube. Warum fragst du das alles?" Die Frau sah sie ernst an und deutete auf Aylas Scho. "Ayla, ich wei nicht, wie es hatte kommen knnen, aber ich bin sicher, da ich mich nicht irre." "Womit denn?" "Dein Totem ist bezwungen worden. Du wirst ein Kind haben." "Ein Kind? Ich? Ich kann doch kein Kind haben", wehrte Ayla mit heftiger Hand ab. "Mein Totem ist zu stark." "Das glaubte ich auch, Ayla. Aber du wirst ein Kind haben." Unglubiges Staunen trat pltzlich in die stumpfen Augen der jungen Frau. "Du irrst dich auch wirklich nicht? Ich werde ein Kind haben? Ach, Iza, welch eine glckliche Wendung!" "Ayla, du hast keinen Gefhrten. Ich glaube nicht, da es im Clan einen Mann gibt, der dich nimmt, und sei es auch nur als zweite Frau. Ohne einen Gefhrten kannst du kein Kind gebren. Ihm und dir knnte es Unheil bringen", erklrte ihr Iza mit ernstharter Gebrde. "Du mut ein Mittel nehmen, damit du es verlierst. Die Mistel ist am besten, der rundliche Busch mit den kleinen weien Beeren, der hoch oben in der Eiche wchst. Aus den Blttern mache ich dir einen Trank und gebe nur wenige Beeren hinein; das wird deinem Totem helfen, das neue Leben abzutreiben. Du wirst krank werden, ein wenig, aber... " "Nein! Nein!" Hitzig wehrte Ayla ab. "Nein, Iza. Ich will den Trank nicht. Ich will das Kind nicht aus meinem Krper treiben. Ich will es kriegen. Ich habe nie geglaubt, da ich gebren knnte." "Aber Ayla, das Kind wird vielleicht von Unheil begleitet sein. Es wird vielleicht mit einer Migestalt geboren werden", warnte die Medizinfrau. "Kein Unheil wird mein Kind bedrohen. Und ich will gut auf mich achten, damit es gesund meinen Krper verlassen kann. Hast du nicht selbst mir gesagt, da ein starkes Totem gut ist fr das Heil eines Kindes, wenn dieses Totem erst einmal bezwun-gen wurde? Iza, ich mu das Kind haben. Es kann sein, da mein Totem nie wieder bezwungen wird." Die Medizinfrau blickte lange in die flehenden Augen der jungen Frau. Zum ersten Mal seit jenem Tag, an dem Broud sie geschlagen hatte, hatten sie wieder Glanz bekommen. "Gut, Ayla", willigte sie schlielich ein. "Da dich so heftig danach verlangt. Aber la es noch keinen wissen; sie werden es bald genug sehen." "Iza!" rief sie und umarmte die Frau, erfllt von dem Wundersamen des keimenden Lebens in ihrem Scho. Ein Lcheln leuchtete aus ihrem Gesicht. Behend sprang sie auf. Sie hatte neuen Lebensmut gefat und einen neuen Wert an sich entdeckt. "Iza, komm, ich werde dir helfen, den Abendverzehr zu richten." "Du kannst das Fleisch schneiden", gab die Medizinfrau zurck, erstaunt und glcklich ber diese pltzliche nderung in Aylas Verhalten. Welch eine Zuversicht Ayla um sich verbreiten konnte, dachte Iza, whrend die beiden Frauen nebeneinander arbeiteten. Ihre Hnde flogen in angeregter Unterhaltung, und mit einemmal waren Aylas Wissensdurst und Anteilnahme an der sie umgebenden Welt zurckgekehrt. "Das mit der Mistel wute ich gar nicht", bedeutete Ayla. "Ich wei von Mutterkorn, aber ich htte nicht gedacht, da auch die Mistel dazu taugt, ein Kind, das nicht gewnscht wird, abzutreiben." "Immer wird es etwas geben, in das ich dich nicht eingewiesen habe, Ayla, aber du bist imstande, dein Wissen zu halten und auszuweiten. Und du weit, wie du die Pflanzen prfen mut; du wirst immer weiter Neues erlernen knnen. Auch Rainfarn kannst du einer Frau geben, die das Kind, das sie trgt, nicht behalten soll; aber er kann gefhrlicher sein als Mistel. Du nimmst die ganze Pflanze - Blten, Bltter, Wurzeln - und T^nphsr sip auf. Dann eibst du Wasser dazu bis hierher", Iza deu tete auf ein Strichzeichen am Rand eines ihrer Gefe, "und kochst es noch mal so lange, bis nur noch so viel Wasser brig ist, urn ein solches Gef damit zu fllen." Sie hielt einen Beinbecher hoch. "Davon ist einmal zu trinken." Die Medizinfrau stellte den Becher wieder hin. "Und noch etwas mut du wissen, Ayla." Iza blickte sichernd ringsum. Noch war Creb nicht zu sehen. "Kein Mann darf je von diesem Wissen erfahren. Es ist ein Geheimnis, das nur Medizinfrauen besitzen. Auch anderen Frauen sollst du nichts mitteilen. Denn wenn ihre Gefhrten sie fragen, dann mssen sie Antwort geben. Keiner aber fragt eine Medizinfrau. Wenn je ein Mann hinter das Geheimnis kommen sollte, wird er verbieten, da diese Mittel angewendet werden. Das mut du dir stets vor Augen halten." "Ja, Iza." Ayla war verwundert ber Izas Geheimnisgetue und nickte neugierig. "Ich ahnte nicht, da du jemals dieses Wissen bei dir selbst anwenden wrdest, aber als Medizinfrau mu es dir vertraut sein. Weit du, manchmal, wenn eine Frau schwer geboren hat, ist es fr sie besser, da sie nie wieder ein Kind kriegt. Eine Medizinfrau kann ihr dann das Mittel geben, ohne sie wissen zu lassen, was es ist. Es kommt auch vor, da eine Frau gar kein Kind haben will. Es gibt Pflanzen mit einer besonderen Zauberkraft, Ayla. Sie machen das Totem einer Frau sehr stark, so stark, da es das Keimen neuen Lebens verhindert." "Einen solchen Zauber kennst du?" Die junge Frau schaute Iza ehrfrchtig an. "Kann das Totem einer schwachen Frau denn so stark werden? Kann es so stark werden, da es selbst das Totem eines Mannes niederkmpfen kann, dem der Mog-ur einen besonderen Zauber mitgegeben hat?" "Ja, Ayla", nickte die Medizinfrau bedchtig, "und darum darf niemand auch nur das geringste davon wissen. Ich selbst habe diesen Zauber angewendet, nachdem ich einem Mann gegeben worden war, dem ich weder Wrme noch Zuneigung entgegenbringen konnte. Ich glaubte, wenn ich keine Kinder kriegte, wrde er mich nicht behalten wollen", gestand Iza. "Aber du hast ein Kind. Du hast Uba bekommen", warf Ayla ein. "Es kann sein, da der Zauber nach langer Zeit an Kraft verliert. Es kann sein, da mein Totem nicht mehr kmpfen wollte. Es kann sein, da es wnschte, ich sollte endlich ein Kind kriegen. Ich wei es nicht. Es gibt kein Mittel, das immer wirkt. Es gibt Krfte, die strker sind als aller Zauber. Keiner kann die Geister ganz durchschauen, nicht einmal der Mog-ur. Wer htte geglaubt, da dein Totem bezwungen werden kann?" Die Medizinfrau sah sich hastig um. "Ayla, du kennst doch die kleine, gelbe kletternde Pflanze mit den winzigen Blttern und Blten?" Ayla nickte. "Sie ttet alles ab, woran sie sich emporrankt. La dieses Gewchs trocknen, zerstoe etwas in deiner Hand, koche es in ein wenig Wasser, bis der Sud die Farbe von reifem Gras hat. Trinke jeden Tag, an dem der Geist deines Toteins nicht kmpft, zwei Schlucke." "Die Pflanze ist doch gut fr Umschlge gegen die Stiche und Bisse von Mcken und Fliegen?" erinnerte sich Ayla. "Ja", stimmte Iza zu, "aber da befeuchtest du die Haut von auen mit dem Sud. Damit er deinem Totem Kraft gibt, mut du ihn aber trinken. Und noch etwas mut du zu dir nehmen, wenn dein Totem kmpft: Salbeiwurzel, getrocknet oder frisch. Koche sie und trinke den Aufgu. Jeden Tag einen Becher." "Ist das die Pflanze mit den gezhnten Blttern, die auch gegen die Schmerzen in Crebs Gliedern hilft?" "Ja. Es gibt noch eine, jedoch habe ich sie nie gebraucht. Das Geheimnis stammt von einer anderen Medizinfrau. Es gibt eine Yamswurzel - anders als die, die hier im Umland wachsen. Spter will ich dir zeigen, wie du sie erkennen kannst, jetzt aber will ich dir erklren, wie du sie zu einem Mittel machst. Du schneidest sie in Stcke, kochst sie auf und zerstampfst das Ganze zu einem dicken Brei. Den lt du trocknen und zerstt ihn fein. Jeden Tag, an dem die Geister nicht kmpfen, nimmst du etwas davon, eine kleine Schale Feinzerstoenes mit Wasser angerhrt." Creb trat in die Hhle und sah die beiden Frauen am Feuer sitzen, sich mit lebhaften Hnden unterhaltend. Sofort hatte sein Auge erkannt, da Ayla sich verndert hatte. Sie hat es berwunden, dachte er, whrend er zu seinem Wohnkreis humpelte. "Iza!" knurrte er. "Soll ich verhungern?" fragte seine Hand, die erst auf den Mund und dann auf den Bauch deutete. Iza sprang auf, doch Creb achtete nicht darauf. Er war so froh und erleichtert, Ayla wieder munter und regsam zu sehen. Als er sich auf seiner Matte niederlie, kam Uba in die Hhle gelau-fpn "Ich habe Hunger", bedeutete das kleine Mdchen. "Du bist immer hungrig, Uba." Aylas Gesicht strahlte, als sie die Kleine hochhob und durch die Luft schwang, was sie schon lange nicht mehr getan hatte. Als sie gegessen hatten, kroch Uba zu Creb auf den Scho. Ayla summte leise vor sich hin, whrend sie Iza beim Aufrumen half. Creb seufzte zufrieden. Jungen braucht der Clan, dachte er, aber mein Herz ist mehr den Mdchen zugewandt. Sie brauchen nicht stndig tapfer und stark zu sein. Fast wnschte ich, Ayla wre noch nicht Frau. Besonnt von einer wunderbar wrmenden Vorfreude erwachte Ayla am nchsten Morgen. Ich werde ein Kind haben, jubelte es in ihr; sie umschlang ihre Brste ganz fest mit beiden Armen und whlte sich noch ein wenig tiefer in ihr Fell und schlo die Augen. Ich laufe schnell zum Bach hinunter, ging es ihr pltzlich durch den Kopf, und wasche mir das Haar. Mit einem Sprung war sie auf den Beinen, doch schon drehte sich ihr alles, und belkeit splte wellengleich ber sie hin. Ich mu etwas essen, dachte sie, wenn ich ein heiles Kind haben mchte. Ayla konnte den Frhverzehr nicht bei sich halten; nachdem sie aber eine Weile auf gewesen war, a sie nochmals etwas und fhlte sich wohler. Frohen Mutes lief sie aus der Hhle und schritt zum Bach hinunter. "Ayla!" Hhnisch und mit aufragendem Geschlecht vertrat ihr Broud den Weg. Die junge Frau starrte ihn entgeistert an. Ihn hatte sie ganz vergessen gehabt. Aber von nun an konnte er ihr damit nichts mehr beweisen. Die schtzende Schale um ihr Herz hatte sich wieder geschlossen, und es wrde ihm nicht mehr mglich sein, sie noch einmal aufzubrechen, selbst wenn er noch so heftig in sie dringe. Still kniete Ayla hin und bot ihm dar, was er begehrte. Broud fhlte sich betrogen und um seine Lust gebracht. Nicht eine einzige Regung zeigte dieser Hling. Alles, was ihn frher erregt hatte, ihr glhender Ha, ihre ohnmchtige Wut und die wilde Abwehr ihrer Lenden, war verflogen. Sie tat, als wre Broud nicht da, als sprte sie ihn nicht. Und in der Tat empfand sie wirklich nichts; Broud konnte sie nicht mehr erschttern, mochte er sie schlagen, stoen, kneifen oder ihr Gewalt antun, gelassen nahm sie alles hin. Schnell war Brouds Lendenlust erloschen, die gelodert hatte, als er sich nehmen mute, was ihm darzubieten war, und nun zusammensank, als es ihm wie ein Lstiges geboten wurde. Oga war erleichtert, da ihr Gefhrte seine unerfindliche Begierde nach Ayla aufgegeben hatte. Sie war nicht eiferschtig gewesen, wozu auch kein Anla war. Broud war ihr Gefhrte, und er hatte ihr durch nichts gezeigt, da er sie verstoen wollte. Die Mnner konnten sich die Frauen nehmen, wie sie wollten. Unbegreiflich war ihr nur, warum er es mit Ayla hatte machen mssen, die doch, das war genau zu sehen gewesen, sich nicht darber freuen wollte. ~Kapitel 18 Da Ayla gebren sollte, nahm der ganze Clan mit hchstem Erstaunen auf. Einfach unglaublich, da im Leib dieser Frau, die ein so mchtiges Totem hatte, der Keim neuen Lebens entstehen konnte. Welchen Mannes Totem mochte die Kraft besessen haben, den Hhlenlwen zu bezwingen? Jedermann im Clan htte nur zu gern diese Ehre fr sich in Anspruch genommen. Einige meinten, hier mten die Geister mehrerer Totems zusammengewirkt haben - vielleicht sogar die aller Mnner im Clan. Sich hufig geschlechtlich zusammenzutun war, so glaubten die Clan-Leute, eine entscheidende Voraussetzung dafr, da die lebenbringende Kraft eines mnnlichen Totems in eine Frau eindringen konnte, weshalb die meisten Mnner auch berzeugt waren, da die Kinder ihrer Gefhrtinnen der Geist des eigenen Totems gezeugt hatte. Und die beiden Mnner, die Ayla, seit sie fraulich geworden war, am nchsten standen, waren der Mog-ur und Broud gewesen. "Der Mog-ur war es", behauptete Zoug mit entschiedener Gebrde. "Nur er hat ein Totem, das strker ist als der Hhlenlwe. Und Ayla teilt sein Feuer." "Der Groe Br gestattet niemals einer Frau, sich seine Kraft einzuverleiben", entgegnete Crug. "Der Groe Br erwhlt jene, die er unter seinen Schutz nehmen will, so, wie er den Mog-ur erwhlt hat. Glaubst du, das Reh bezwang einen Hhlenlwen?" "Mit dem Beistand des Hhlenbren. Der Mog-ur hat doch zwei Totems. Ich will nicht behaupten, da der Hhlenbr seinen Geist in ihr zurckgelassen hat. Ich sage nur, da er geholfen hat", widersprach Zoug hitzig. "Warum schwoll ihr dann nicht schon im Winter der Leib? Sie sa doch schon die ganze Zeit an des Mog-urs Feuer. Nein!" fuhr Crugs Hand wuchtig durch die Luft und deutete auf den junger Jger. "Es geschah erst, als Broud anfing, ihr nachzustellen. Und erst, als er viel mit ihr beisammen war, regte sich das neue Leben in ihr. Auch das wollhaarige Nashorn ist mchtig und kraftvoll." "Ich glaube, die Totems aller Mnner haben sich zusammengetan", mischte Dorv sich ein. "Wer aber will die Frau nun zur Gefhrtin nehmen? Brun will wissen, ob einer unter den Mnnern bereit ist, sie aufzunehmen. Wenn sie keinen Gefhrten hat, wird das dem Kind Unheil bringen. Ich habe zu viel der Monde gesehen. Ich kann sie nicht nehmen." "Ich wrde sie nehmen, htte ich noch meine eigene Feuersttte", gab Zoug zurck. "Sie ist nicht schn, aber sie ist flinkhndig und fgsam. Sie wei, wie fr einen Mann zu sorgen ist." "Ich nicht." Crug hob abwehrend die Hnde. "Ich will die Frau, die jagt, nicht in meinem Wohnkreis haben. Mir wre es arg, mit leeren Hnden von der Jagd zurckzukommen und dann zu essen, was meine Gefhrtin erbeutet hat. Auch sind der Muler genug, die ich zu versorgen habe - Ika und Borg und die kleine Igra. Ika ist noch jung. Sie wird vielleicht noch mehr Kinder haben." "Ich habe darber nachgedacht", meldete sich Droog, "aber auch bei mir sitzen zu viele am Feuer. Aba und Aga, Vorn und Ona und Groob. Wie knnte ich denn da noch eine Frau mit einem Kind aufnehmen? Was ist mit dir, Grod?" "Nein. Es sei denn, Brun befiehlt es", gab dieser mit unwirscher Hand zurck. Dem Zweiten im Clan war immer noch unbehaglich zumute, wenn man auf die Frau zu sprechen kam, die von den anderen stammte. "Und Brun?" wollte Crug wissen. "Er war es doch, der sie in den Clan aufgenommen hat." "Manchmal ist es ratsam, da ein Mann die erste Frau betrachtet, ehe er sich eine zweite nimmt", warnte Goov. "Du weit, Crug, es ist fr Ebra schwer gewesen zu ertragen, da die Medizinfrau von hherem Rang ist als sie. Und Iza hat Ayla in die Heilkunst eingewiesen. Wenn sie dann von Izas Stamm sein wird, will Ebra sicher nicht mit ihr an einem Feuer sitzen wollen, die jnger ist und von hherem Rang. Ich wrde Ayla nehmen. Wenn ich einst der Mog-ur bin, werde ich nicht mehr soviel jagen knnen. Es wre mir recht, wenn sie nhrendes Kleinwild an mein Feuer brchte. Und ich glaube, Ovra htte nichts gegen eine zweite Frau von hherem Rang. Ovra und Ayla sind sich gut. Doch Ovra mchte selbst ein Kind. Es wre schwer fr sie, das Feuer mit einer Frau und einem Neugeborenen zu teilen. Ich glaube, da der Geist von Brouds Totem das neue Leben geweckt hat. Es ist ein Jammer, da Broud gegen Ayla ist. Denn er mte sie an sein Feuer nehmen." "So sicher bin ich nicht, da es der Geist von Brouds Totem war", bedeutete ihm Droog. "Was ist mit dir, Mog-ur? Du knntest sie zur Gefhrtin nehmen." Der alte Zauberer hatte stumm und reglos zugesehen, wie er das hufig tat, wenn die Mnner sich zankten. "Ich habe es bedacht", holte der Mog-ur aus. "Ich glaube nicht, da der Hhlenbr oder das Reh das Leben in Ayla gepflanzt haben. Und ich bin nicht sicher, ob es Brouds Totem war. Aylas Totem ist umhllt von den geheimnisvollsten Nebeln. Wer wei, was geschehen ist. Aber sie braucht einen Gefhrten. Nicht nur, weil ihr Kind sonst Unheil zu erwarten hat; sie braucht einen Mann, der ihnen Schutz und Nahrung geben kann. Ich bin zu alt. Wenn das Kind ein Junge sein sollte, kann ich ihn nicht in der Jagd unterweisen - und auch nicht Ayla. Sie jagt nur mit der Schleuder. Ich kann sie auch gar nicht zur Gefhrtin nehmen, nimmt sie doch den Platz ein in meinem Herzen, den bei einem anderen Mann die Tochter seiner Gefhrtin innehat. Sie ist ein Kind von meinem Feuer, aber nicht eine Frau, die ich zur Gefhrtin nehmen kann." "Nur seine Schwester darf ein Mann nicht zur Gefhrtin nehmen", hielt Dorv ihm entgegen. "Gewi, es gibt kein Clan-Gebot, das mir verbietet, sie zur Gefhrtin zu nehmen. Doch die Geister nehmen es nicht gnstig auf. Auch habe ich noch nie eine Gefhrtin gehabt. Ich bin zu betagt, um jetzt einen Anfang zu machen. Iza sorgt fr mich, und sie besorgt es gut." Einen Augenblick hielt des Mog-urs Hand inne, dann schlo sie sich zur Faust, ffnete sich wieder und kam dann zum Schlu: "Aber es kann sein, da Ayla keinen Gefhrten braucht. Von Iza wei ich, da es schwer werden wird fr sie. Schon jetzt gibt es Zeichen, die Schlimmes befrchten lassen. Ich wei, da Ayla ihr Kind behalten mchte, aber es wre besser fr alle, wenn sie es verlre." Langsam lie der Mog-ur die Hand sinken, drehte sich um und humpelte davon. Stumm blickten sich die Mnner an und gingen auseinander. In der Tat wurde es eine schwere Zeit fr Ayla. Iza befrchtete, da das Kind nicht heil zu gebren sei. Stndig mute sich die junge Frau erbrechen, und selbst, als die Bltter schon von den Bumen fielen, kam es noch hufig vor, da Ayla nichts im Magen behalten konnte. Als Iza bemerkte, da Ayla immer noch blutig wurde, bat sie Brun, zu erlauben, Ayla von der Frauenarbeit zu befreien, und sorgte dafr, da sie viel ruhte. Izas ngste wuchsen in dem Mae, wie das Leben in Ayla deren Bauch anschwellen lie. Das Kind zehrte sie aus. Whrend ihr Leib sich immer mehr wlbte, wurden ihre Arme und Beine von Tag zu Tag dnner. Ayla versprte keinen Hunger und zwang sich, das zu essen, was Iza nur fr sie bereitete. Dunkle Ringe legten sich um die Augen der Trchtigen, und ihr dichtes, glnzendes Haar wurde strhnig und stumpf. Stndig war ihr kalt. Meist hockte sie in Pelze gehllt zusammengekauert am Feuer. Doch als Iza ihr nahelegte, den Trank doch zu nehmen, der sie von dem Kindsweh befreien wrde, wies das Ayla entsetzt zurck. "Ich will es haben, Iza. Bitte, hilf mir!" flehte sie die Medizinfrau an und hob klagend die Arme. "Nur du kannst mir helfen. Und ich will alles tun, was du mir rtst, wenn du mir nur zur Seite stehst, da ich ein Kind gebren kann." Iza brachte es nicht bers Herz, sich ihr zu verweigern. Seit langem schon war sie nicht mehr nach Heilkrutern ausgezogen. Das lange Herumwandern lste wieder den krampfartigen Husten aus tief drinnen in ihrer Brust. Und tglich nahm sie Getrnk und Feinzerstoenes ein, um ihr Leiden, das von Mal zu Mal schlimmer wurde, vor den anderen zu verbergen. Doch fr Ayla wrde sie sich aufmachen und jene' wundersame Wurzel suchen, die einem Fehlgebren entgegenwirkte. Frh am anderen Morgen brach sie auf, um in den Bergwldern und auf feuchten Wiesen danach Ausschau zu halten. Die Sonne stand leuchtend am blauen Himmel, ein herrlicher Tag spter Wrme im Jahr. Sie nahm einen Waldpfad unweit der Hhle unter die Fe, wanderte dann an einem Bach entlang weiter und stieg die steilen Hnge hoch. Oft mute sie anhalten, das Keuchen in der Brust beruhigen und warten, bis der heftige Husten sich wieder legte. Noch vor dem Mittag schlug das Wetter um. Ein khler Wind trieb dunkle Wolken ber das Land, die sich an den Hgeln abregneten. Im Nu war Iza bis auf die Haut durchnt. Der Regen hatte etwas nachgelassen, als sie in einem Fichten- wald endlich die Pflanzen entdeckte. Kltezitternde Finger gruben die Wurzeln aus der durchweichten Erde. Auf dem Rckweg schttelte ein frchterlicher Husten ihren abgemagerten Krper ohne Unterla und trieb ihr blutigen Schaum auf die Lippen. Das Hhenland war ihr nicht so vertraut, und sie verlief sich mehrere Male. Es fing schon an zu dunkeln, als sie sich schlotternd und auf wunden Fen in die Hhle schleppte. "Iza, wo warst du?" fragte Ayla mit erschreckter Gebrde. "Du bist ja vllig durchnt und zitterst am ganzen Krper. Komm arts Feuer. Ich hole dir etwas Trockenes." "Ich habe die Wurzel fr dich gefunden, Ayla. Wasch sie ab und..." Mitten in der Anweisung mute die Medizinfrau innehalten, als ein Husten sie packte. Ihre Augen hatten einen heien Glanz und ihr Gesicht brannte. "... kaue sie roh, sie hat starke Zauberkraft und wird bewirken, da du das Kind nicht verlierst." Ayla schttelte den Kopf und rang die Hnde. "Nur um mir die Wurzel zu beschaffen, bist du bei diesem Wetter fortgegangen, Iza? Lieber das Kind verlieren als ohne dich leben!" Ayla wute, da Iza schon seit langem nicht mehr recht gesund war; doch bis zu diesem Tag hatte die Medizinfrau noch verbergen knnen, wie schlimm es wirklich um sie stand. Ayla schob weg, was sie selbst bedrckte, achtete nicht darauf, wenn sie hin und wieder Blut verlor, und dachte kaum noch daran zu essen. Nur Tag und Nacht an Izas Seite bleiben wollte sie. Und Uba auch. Merkugig verfolgte die Kleine alles, was Ayla tat, ging ihr zur Hand, wenn sie bentigt wurde, und lernte so, ihr Ererbtes und ihre Bestimmung zu verstehen. Doch Uba war nicht die einzige, die Aylas Tun beobachtete. Der ganze Clan bangte um die Medizinfrau, und keiner traute dem Knnen der jungen Frau so recht. Doch Ayla beachtete nicht das Mitrauen um sie herum; Herz und Sinne waren auf die Frau gerichtet, die ihr zur Mutter geworden war. Alles, was Iza sie je gelehrt hatte, zog Ayla aus ihrem Gedchtnis hervor; doch um dieses Wissen anzuwenden, bedurfte es bei ihr der berlegung. Begabt mit einer besonderen Fhigkeit, die schon Iza aufgefallen war, wute sie die Ursache einer Krankheit zu erkennen und das Leiden entsprechend zu behandeln. Aus einzelnen Anzeichen vermochte sie ein ganzes grobes Bild zusammenzusetzen, dessen Leerrume sie mit berlegung und Einfhlung ausfllte. Diese Fhigkeit, auch Zeichen zu bedenken, insgesamt zu betrachten und danach zu handeln, unterschied sie von denen, die die Hhle mit ihr teilten. Denn vorausschauendes Denken kam nur ihr zu. Ayla wandte die Mittel an, die sie von der Medizinfrau bernommen hatte, und versuchte, sie auf neue Weise einzusetzen. Gleich, was es war, die kundige Hand Aylas oder Izas Wille zum Leben, der Zustand besserte sich nach und nach. Als der Schnee vor der Hhle schon so hoch war, da man den grauen Himmel kaum noch sehen konnte, hatte sich die Medizinfrau schon soweit erholt, da Ayla sich selbst in Pflege geben konnte. Und keinen Tag zu frh. Den ganzen Winter ber hatte Ayla Blut verloren und mit stndigen Schmerzen im Rcken gelebt. Oft wachte sie mitten in der Nacht auf, weil ihr ein Krampf in die Beine gefahren war, und noch immer bergab sie sich hufig. Iza war sicher, da sie das Kind verlieren wrde. Es war nicht zu glauben, da das Kind sich in Aylas Leib entwickeln konnte, wo die Mutter doch so geschwcht war. Aber es wuchs und stie und strampelte so heftig in Aylas aufgetriebenem Leib, da diese des Nachts kaum ein Auge zumachen konnte. Ayla klagte niemals. Sie frchtete, Iza wrde darin ein Zeichen dafr sehen, da sie bereit war, das Kind herzugeben. Doch dieses wrde sie nie wollen. Ihr Leiden lie sie berzeugend spren, da sie, sollte dieses Kind nicht geboren werden, niemals ein zweites haben wrde. Von ihrem Lager aus sah Ayla zu, wie die ersten Regengsse den Schnee fortsplten. Es drngte sie hinaus, doch Iza lie sie nicht einen Schritt aus der Hhle. Die Weidenktzchen hatten ihren Flaum verloren, und die ersten Knospen sprangen auf, als Aylas schwere Zeit begann. Die ersten Wehen waren leicht. Ayla schlrfte den Weidenrindentrank und glhte vor freudiger Erwartung. Und wenn morgen die Sonne aufgeht, dachte sie, halte ich mein Kind in den Armen. Iza hatte Zweifel, mhte sich aber, sie nicht zu zeigen. "Iza, was war das fr eine Wurzel, die du mir gebracht hast, kurz bevor es dir so schlecht ging?" bedeuteten Aylas matte Hnde fragend. "Sie besitzt eine ganz besondere Kraft und mu gekaut werden, solange sie frisch ist. Du kannst sie nur ausgraben, wenn die Zeit kommt, wo die Bltter fallen. Und trocknen darfst du sie nicht. Sonst verliert sie ihre Kraft." "Wie sieht die Pflanze aus?" wollte Uba wissen. Ihre Wibegierde war geweckt, weil ihre Mutter so darnieder lag. Und Iza und Ayla unterwiesen sie ab jetzt gemeinsam, was wodurch zu heilen war. Doch Ubas Begreifen war ganz anders als Aylas. Die Kleine brauchte ihrem Hirn nichts Neues einzugeben; sie mute nur an das erinnert werden, was sie schon im Gedchtnis hatte, und sehen, wie es angewendet wurde. "Es sind zwei Pflanzen, eine mnnliche und eine weibliche. Das Gewchs hat einen langen Stengel, der aus einem Bschel von Blttern nahe am Boden herauswchst, und oben sitzen kleine Blten. Die mnnlichen Blten sind wei. Die Wurzel kommt von der weiblichen Pflanze; ihre Blten sind kleiner und grn." "Und die Pflanze wchst im Fichtenwald?" fragte Ayla. "Nur dort, wo es feucht ist. Im Moor, auf feuchten Wiesen und in Bergwldern." "Du httest an dem Tag nicht hinausgehen sollen, Iza. Ich hatte groe Angst um ... " Mitten in der Bewegung brach Ayla ab und verzog das Gesicht, als eine Wehe ihren Leib zusammendrckte. Iza beobachtete Ayla unaufhrlich. Sie merkte sich, wie lange der Schmerz jeweils andauerte. "Es regnete ja nicht, als ich aufbrach", beschwichtigte Iza. "Ich glaubte, es wrde warm und sonnig bleiben. Ich habe mich getuscht. Ayla, ich mchte etwas von dir wissen. Whrend ich darniederlag, hatte ich oftmals wilde Trume und war nicht bei euch, doch fhlte ich, wie du mir eine Kruterbinde anlegtest, wie ich es tue, wenn Creb Gliederschmerzen hat." Die junge Frau nickte. "Das habe ich dir nmlich nicht gezeigt." "Ich wei. Du hast so arg gehustet und so viel Blut gespuckt. Ich wollte deine Brust entkrampfen und auch, da sich der Schleim dort lst. Das Krutergemisch dringt tief durch die Haut. Es bringt Wrme hervor und erhitzt das Blut. Ich dachte mir, es wrde dich schleimfrei machen und du wrdest nicht mehr so heftig husten mssen. Ich glaube, es hat geholfen." "Ja, das glaube ich auch." Iza fragte sich, ob sie jemals auf den Gedanken gekommen wre, eine solche Anwendung zu versuchen. Ich habe es gewut, sie ist eine gute Medizinfrau, und sie wird besser werden. Sie ist meines Stammes wrdig. Ich mu mich mit Creb zusammensetzen. Es wird vielleicht nicht mehr lange dauern, bis ich ins Reich der Toten gehe. Ayla ist jetzt eine Frau. Sie soll Medizinfrau werden - wenn sie dieses Gebren berlebt. Nach dem Morgenverzehr kam Oga mit Grev, ihrem zweiten Sohn,*herbei und hockte sich neben Ayla nieder. Bald danach setzte sich auch Ovra zu ihnen, und die drei Frauen unterhielten sich mit kurzen Worten und regen Gebrden miteinander. Den ganzen Morgen ber war in Crebs Wohnkreis ein lebhaftes Kommen und Gehen. Einige Frauen blieben nur kurz, andere hockten beinahe den ganzen Vormittag bei Ayla. Creb jedoch hielt sich fern. Rastlos humpelte er bald in der Hhle, bald drauen herum, blieb hin und wieder stehen, um einiges Neue den Mnnern mitzuteilen, die um Bruns Feuer saen. Die Jagd, die sie fr heute vorgehabt hatten, wurde verschoben. Brun gab vor, es wre noch zu na; aber alle wuten um den wahren Grund. Am spten Nachmittag wurde Aylas Weh heftiger. Iza flte ihr etwas Schmerzlinderndes ein. Whrend der Tag sich dem Abend zuneigte, folgten die Wehen immer rascher, und die Krperwellen schlugen immer hher. Schweiberstrmt lag Ayla auf ihrem Lager und umklammerte Izas Hand. Sie bi sich auf die Lippen. Doch als die Sonne unterging, wand sich die Gebrende vor Pein und schrie auf bei jeder Schmerzwelle, die ihren Leib packte. Die umsitzenden Frauen hielten sich die Ohren und kehrten nach und nach an ihre eigenen Feuer zurck. Dort suchten sie sich irgendeine Arbeit und blickten doch jedesmal auf, wenn Aylas Schreie durch die Hhle gellten. Die Mnner an Bruns Feuer saen wie leblos, die Blicke zu Boden gesenkt. Nur Ebra und Iza waren bei Ayla. Und wieder kam das Weh und noch mal, als wollte es sie zerreien. Ich darf mein Kind nicht sterben lassen, trieb sich Ayla an. Es mu heraus. Es mu leben. Als der Schmerz wieder anschwoll, holte sie tief Atem und krampfte Izas Hand. Dann prete sie den unteren Leib, da flirrender Nebel vor ihren Augen tanzte. Es war ihr, als mten ihr die Knochen bersten und ihr Inneres wrde nach auen gekehrt. "Gut, Ayla, gut", ermutigte sie Iza und strich der Keuchenden ber die schweinasse Stirn. Mit gierigem Mund verschlang Ayla die Luft und prete verzweifelt weiter. Und pltzlich sprte sie, wie es ihr feucht wurde zwischen den Beinen und sich etwas in ihr lste, dem sie den Weg nach drauen bahnen mute. Noch einmal nahm sie alle ihre Kraft zusammen und gebar das Kind. Dann schwamm Ayla der Kopf, um den es dunkel wurde, und sie brach bewutlos zusammen. Iza schnrte ein rot gefrbtes Stck Sehne um die Nabelschnur des Neugeborenen und bi das andere Ende ab. Sie klopfte dem Winzling auf die Fe, bis aus zaghaftem Wimmern zorniges Schreien wurde. Das Kind lebte. Die Medizinfrau war tief erleichtert. Vorsichtig griff sie nach dem Kind und wusch es. Und wie sie das tat, war ihr pltzlich, als drckte eine eisige Hand ihr das Herz ab. Warum? Warum auch das noch nach all dem, was sie erlitten und erduldet hat? Mit tiefgehaltener Stirn schaute Iza das Kleine an und wickelte es in das weiche Kaninchenfell, das Ayla gefertigt hatte. Dann drckte sie Ayla ein Heilgebinde zart zwischen die Beine. Ayla sthnte und schlug die Augen auf. "Mein Kind, Iza. Ist es ein Junge oder ein Mdchen?" fragte sie mit flacher Gebrde. "Ein Junge, Ayla", gab die Frau zurck. "Aber es ist migestaltet", setzte sie eilig hinzu, um Ayla gar nicht erst Hoffnung zu machen. Das Leuchten, das sich auf Aylas Gesicht hatte ausbreiten wollen, gerann zu unglubigem Entsetzen. "Nein! Das kann nicht sein! Zeig ihn mir", flehte Ayla und streckte die bebenden Arme aus. Iza brachte das Kind. "Ich habe so etwas befrchtet, Ayla. Es geschieht hufig, wenn eine Frau schwer an dem Kind zu tragen hatte. Es tut mir sehr leid." Die junge Gebrerin schlug das weiche Fell auseinander und betrachtete mit groen Augen ihren winzigen Sohn. Seine Arme und Beine waren dnner als die von Uba und auch lnger. Aber er hatte alle Finger und Zehen an den richtigen Krperstellen, keine mehr oder weniger. Sein Kopf jedoch war zweifelsohne ungewhnlich. Er war bermig gro und vom Gebren noch ein wenig verformt. An sich jedoch wre dies kein Anla gewesen, sich zu beunruhigen. Iza wute, da sich das rasch zu geben pflegte. Doch der Schdel als solcher, der sich nie mehr ndern wrde, war miraten, und migestaltet war auch der dnne lange Hals, der den schweren Kopf des Kindes niemals wrde tragen knnen. Aylas Sohn hatte hervorspringende Brauenwulste wie die Clan-Leute, doch seine Stirn zog sich nicht nach rckwrts, son dern stand hoch und grade ber den Wlsten, ehe sie sich nach rckwrts wlbte. Auch der Hinterkopf des Kindes war nicht ganz so lang, wie er clan-mig htte sein sollen. Es sah aus, als wre 'der Schdel zusammengedrckt, das Gehirn in die hohe, gewlbte Stirn geschoben worden, so da das Hinterhaupt krzer und rundlicher geraten war. Ein Hinterhauptswulst war kaum zu sehen, und die Gesichtszge des Kleinen waren seltsam verzerrt. Er hatte groe runde Augen, doch die Nase war um etliches kleiner als bei den Kindern des Clans. Ein groer Mund; der Unterkiefer war nicht ganz so stark ausgebildet wie bei den Clan-Leuten, und unterhalb des Mundes sa ein frchterlich hervorspringender Knochenwulst, wie ihn nicht einer im Clan hatte, und der sein Gesicht aufs uerste entstellte. Der Kopf des Kleinen kippte nach rckwrts, als Iza das Kind hochhob, so da sie schnell ihre Hand darunter schob, um ihn zu sttzen. Einfach unglaublich war es, da dieser Junge jemals befhigt sein wrde, den Kopf gerade auf den Schultern zu halten. Der Kleine stie seinen Grokopf in den warmen weichen Krper der Mutter. Ayla gab ihm von sich zu trinken. "Nein, Ayla", schttelte Iza milde den Kopf, "das solltest du nicht tun, sein Leben zu krftigen, wenn es ihm doch bald genommen wird. Du machst es dir selbst nur schwerer, ihn loszuwerden." "Loswerden?" Entsetzt starrte Ayla die Medizinfrau an. "Wie kann ich ihn loswerden wollen! Er ist mein Kind." "Du kannst nicht, wie du willst, Ayla. Es wird so gehalten im Clan. Stets mu die Mutter ein migebildetes Kind, das sie geboren hat, loswerden. Und es ist besser, es bald zu tun, ehe Brun es befiehlt." "Aber Creb hatte doch auch eine miliche Geburt. Er durfte leben", setzte Ayla mit erregten Hnden dawider. "Seine Mutter war die Gefhrtin des Clan-Fhrers. Er hat es erlaubt. Und du hast keinen Gefhrten, Ayla, keinen Mann, der fr deinen Sohn eintreten kann. Habe ich dich nicht gewarnt, da Unheil dein Kind begleiten knnte, wenn es geboren wird, ehe du einen Gefhrten hast? Zeigt seine miliche Gestalt nicht, da es wahr ist? Warum willst du ein Kind leben lassen, das bis ans Ende seiner Tage vom Unglck verfolgt sein wird? Es ist besser, jetzt mit ihm und dem Unglck ein Ende zu machen." Widerstrebend entzog Ayla ihrem Sohn die Brust, und Trnen strmten aus ihren Augen. "Ach, Iza", rief sie schluchzend, "ich wollte ein Kind wie die anderen Frauen. Ich dachte, da ich nie eines kriegen wrde. Und warum mute ich so leiden, um ihn zu gebren, wenn es nun doch noch sterben soll? Ich will mein Kind behalten, Iza. Zwing mich nicht, es aufzugeben." "Ich fhle mit dir, Ayla", gab die Medizinfrau mit zitternder Hand zurck, "aber es mu sein." Der kleine Suger suchte die Brust der Mutter. Zuerst wimmerte er und fing dann an zu brllen, als er nichts fand. Ayla konnte es nicht ertragen und legte ihn wieder an. "Ich kann es nicht tun", erklrte sie Iza mit heftiger Bewegung. "Ich tue es nicht. Mein Sohn lebt. Er atmet. Es kann ja sein, da er migestaltet ist, aber er ist krftig. Hast du ihn schreien hren? Hast du gesehen, wie geschwind er die Beinchen bewegt? Schau doch, wie er saugt! Ich will ihn behalten, Iza, und ich behalte ihn auch. Niemals werde ich ihn tten. Lieber gehe ich selbst fort von hier. Ich kann jagen. Ich kann Nhrendes fr uns beide finden. Ihn und mich kann ich durchbringen." Iza ri entsetzt die Augen auf. "Ayla, das darfst du nicht! Wohin willst du dann gehen? Du bist zu schwach. Du hast sehr viel geblutet." "Ich wei es noch nicht, Iza. Nur fort. Ich gebe mein Kind nicht auf." Aylas Entschlu war felsenfest, und Iza sah es ihr an. Aber sie war doch noch zu sehr geschwcht, um alleine fortzugehen; sie wrde sterben, wenn sie versuchen sollte, ihr Kind zu retten. Aylas Drohung, sich wieder gegen Clan-Brauch und -Gebot zu stellen, jagte Iza Angst und Schrecken ein. "Ayla, tue es nicht", bat Iza und rang die Hnde. "Gib mir das Kind. Wenn du es nicht kannst, dann will ich es fr dich tun. Und Brun will ich erklren, da du noch sehr schwach warst." Die Frau streckte nach dem Kleinen die Arme aus. "Komm, la mich ihn nehmen. Wenn er fort ist, wird es dir leichter, ihn aus deinem Herzen zu reien." "Nein! Nein, Iza!" Heftig wehrte Ayla ab und drckte das neue Leben, das aus ihr gekommen war, noch fester an sich. Schtzend neigte sie sich ber ihr Kind. Uba hatte alles mit angesehen; das Hin und Her zwischen den beiden Frauen und vorhin, wie qulend und schmerzlich Aylas Gebren war. Sie liebte die Frau mit dem sonnenhellen Haar. Sie war in groer Angst gewesen um Ayla, als diese so heftig gelitten und gekmpft hatte; jetzt aber war die Angst riesig geworden, als sie sich jener Zeit erinnerte, in der Ayla weg gewesen war und alle geglaubt hatten, sie wrde niemals wiederkehren. Eine schreckliche Ahnung, da sie Ayla niemals wiedersehen wrd^e, wenn sie jetzt fortging, drckte Uba fast das Herz ab. "Geh nicht, Ayla!" Mit einem Aufschrei strzte das Mdchen zu den beiden Frauen. "Mutter, Ayla darf nicht wieder fort von hier", flehte sie, wild mit den Armen schlagend, die Medizinfrau an. "Geh nicht wieder fort!" "Ich will ja nicht fortgehen, Uba, aber ich kann doch mein Kind nicht sterben lassen", warf Ayla ein. "Binde ihn doch hoch oben in einem Baumwipfel fest wie die Mutter, von der Aba berichtet hat. Und wenn er dann die bemessenen Tage am Leben bleibt, dann mu Brun dir erlauben, ihn zu behalten", schlug Uba flehentlich vor. "Was Aba erzhlte, hat sich nie so zugetragen", bedeutete Iza dem Mdchen. "Kein Kind kann drauen in der Klte ohne Nahrung berleben." Ayla achtete nicht auf Izas Erklrung. Was Uba vorgeschlagen hatte, lie einen Funken Hoffnung in ihr glimmen. "Aber es ist schon so, Iza. Wenn mein Kind nach sieben Tagen noch am Leben ist, dann mu es Brun annehmen." "Was fllt dir ein, Ayla? Du kannst das Kind doch nicht aussetzen und glauben, da es nach sieben Tagen noch am Leben ist. Das wird es niemals berleben." "Ich will es auch nicht aussetzen, sondern mit ihm fortgehen. Ich wei einen Ort, wo wir uns verbergen knnen, Iza. Dorthin werde ich gehen und das Kind mitnehmen. Und am Tag der Benamsung kehre ich zurck. Dann mu Brun mir erlauben, es zu behalten. Ich kenne eine kleine Hhle ... " "Nein!" Izas Hand unterbrach sie heftig. "Nichts mehr davon! Das ist gegen das Clan-Gebot. Mein Herz kann dich auf diesem Weg nicht begleiten. Bruns Zorn wrde dich treffen. Er wrde euch suchen und bald gerunden haben und euch zurckbringen. Es ist gegen das Gebot des Clans, Ayla." Iza stand auf und ging zum Feuer. Doch nach ein paar Schritten kehrte sie wieder um. "Und gingest du fort, so wrde er mich fragen, wo du bist." Niemals in ihrem Leben hatte Iza etwas getan, was gegen die Gebruche des Clans oder gegen Bruns Befehl verstie. Es wre ihr nie eingefallen. Das, was Ayla vorhatte, war offene Widersetzlichkeit. Und das war schlecht. Doch sie versprte genau, wie unbezwingbar Aylas Wille war, ihr Kind zu behalten. Es ist schon so, wie Ayla mir dargetan hat, dachte sie, als ihre Augen das Neugeborene umfingen. Er mag milich gestaltet sein, aber er ist krftig. Auch Crebs Krper war migebildet, als er geboren wurde. Und jetzt ist er der Mog-ur. Und dies hier ist ihr erstgeborener Sohn. Htte sie einen Gefhrten, so wrde er vielleicht zustimmen, dem Kind das Leben zu lassen. Nein, das wrde er nicht tun, so wenig wie sie andere belgen konnte, konnte sie sich selbst belgen. Doch sie konnte fr sich behalten, was sie wute. Iza war sich im klaren darber, da es ihr geboten gewesen wre, dieses alles Creb oder Brun darzutun. Doch sie brachte es nicht bers Herz. Was Ayla vorhatte, konnte sie nicht gutheien, aber sie wrde es in sich verschlossen halten. Sie legte heie Steine in eine Schale mit Wasser und machte Ayla einen heien Heiltrank. Die junge Frau schlief mit ihrem Kind in den Armen, als Iza ihr den dampfenden Becher brachte. Sie schttelte sie sachte an der Schulter. "Trink das, Ayla", bedeutete sie ihr und wies dann in eine abgelegene Ecke. "Ich habe das Nachgeburtige verhllt und dorthin in die Ecke gelegt. Heute nacht kannst du noch ausruhen, aber wenn die Sonne wieder hochgekommen ist, mut du es vergraben. Brun wei um die miliche Gestalt deines Sohnes. Ebra hat es ihm mitgeteilt. Der Clan-Fhrer erwartet, da du ihn zusammen mit dem Nachgeburtigen wegschaffst." Auf diese Weise wollte Iza Ayla mitteilen, wieviel Zeit ihr noch blieb, alles Ntige fr die Flucht zu richten. Lange lag Ayla wach und sann darber nach, was sie mitnehmen sollte. Den Schlafpelz, Kaninchenfelle und Flaumfedern fr das Kind, die Schleuder und einige Messer, Nahrung und ein Wasserbehltnis. "Wenn ich warte, bis die Sonne ber mir steht, ehe ich mich aufmache, kann ich noch alles vorbereiten." Am nchsten Morgen bereitete Iza weit mehr zu, als fr vier Erdlinge als Morgenverzehr gebraucht wurde. Creb war erst in tiefer Nacht in seinen Wohnkreis zurckgekehrt und hatte sich sofort schlafen gelegt. Er vermied es peinlichst, mit Ayla zusammenzutreffen. Er war ratlos und wute nicht, wie er ihr gegenbertreten sollte. Ihr Totem ist zu stark, dachte er. Es ist niemals ganz bezwungen worden, darum hat sie immer wieder geblutet, whrend sie das Kind trug. Darum ist das Kind migestaltet. Es ist wirklich ein Jammer, sie verlangt so sehr nach einein Kind. "Iza, das ist ein reichlicher Morgenverzehr", bedeutete er, als er sich niedersetzte. "Den ganzen Clan knnte man damit ernhren." "Es ist fr Ayla", gab Iza zurck und senkte hastig den Kopf. Gewi, Ayla mute wieder zu Krften kommen. Und sie wrde Krftigendes brauchen, um ber das Unglck, das sie getroffen hatte, hinwegzukommen. Creb fragte sich, ob sie jemals ein gesundes Kind haben wrde. Als Ayla von ihrem Lager aufstand, vermeinte sie, der Boden schwankte unter ihren Fen. Jeder Schritt wurde zur Qual, und wenn sie sich bckte, stach es ihr in den Leib, als wenn sie spitze Pflcke darin htte. Heillose Angst ergriff ihre Gedanken, und fr einen Augenblick erschien ihr alles sinnlos. Kann ich so zur Hhle hinauf? Ich mu es knnen! Wenn ich nicht fortgehe, nimmt Iza mir mein Kind und schafft es weg. Ich will es aber haben, schrie es in ihr, und sie verdrngte die Angst in ihrem Herzen. Es wird schon gehen. Und wenn ich den ganzen Weg kriechen mu. Ein dnner Regen nieselte grau herab, als Ayla die Hhle verlie. Sie hatte einiges in ihren Sammelkorb gepackt und das Nachgeburtige darauf gelegt. Die anderen Sachen waren unter ihrem Pelzumhang versteckt. Das Kind lag in einem Tragfell an ihrer Brust. Die Wogen der Nebel in ihrem Kopf teilten sich, als sie einen der Wege in die Wlder nahm, doch ein Gefhl von belkeit blieb. Nach einiger Zeit bog sie ab und schlug sich durch Bsche und Gestruch tief in den Wald, ehe sie anhielt. Matt sank sie auf die Knie, zog ihren Grabstock hervor und stach die Erde auf. Nachdem sie das Nachgeburtige tief darin vergraben hatte, blickte sie auf ihren Sohn. Keiner wird dich in ein solches Loch legen, gelobte sie. Ayla schwang sich den Sammelkorb wieder auf den Rcken, stand auf und schritt auf die steilen Hnge zu, ber denen ihre hhlige Zuflucht lag, und ward nicht gewahr, da sie beobachtet wurde. Kurz nachdem Ayla aufgebrochen war, hatte sich Uba aus der Hhle geschlichen. Sie wute, wie schwach Ayla auf den Fen war, und hatte Angst, die junge Frau knnte die Besinnung verlieren und eine leichte Beute der reienden Tiere werden. Um ein Haar wre Uba zurckgelaufen zur Hhle, um Iza zu holen; doch sie wollte Ayla nicht alleine lassen, deshalb war sie ihr gefolgt; hatte sie zwar aus den Augen verloren, als Ayla vom Pfad abgebogen war, aber wieder entdeckt, als sie gerade einen baumlosen Hang hinaufkletterte. Ayla sttzte sich beim Steigen schwer auf ihren Grabstock. Immer wieder blieb sie stehen, schluckte hart und schwer, um die belkeit niederzukmpfen, und wehrte sich gegen den Schwin- del, der ihr die Augen zu verdunkeln drohte. Sie sprte, wie Blut an ihren Beinen hinunterlief, doch sie hatte nicht die Kraft, sich zu verbinden. Jene Tage kamen in ihr hoch, als sie noch leichtfig den steilen Hang hinaufgelaufen war, ohne da ihr Atem schneller geworden wre. Und jetzt war es fr sie kaum zu glauben, wie weit der Weg zu ihrer Hhle war. Er wurde lnger statt krzer. Die Fe suchten sich selbst einen festen Tritt im gerlligen Hang. Sie stiegen mhsam und verzweifelt. Erst, als sie kaum noch konnten, gnnte Ayla ihnen eine Rast. Spt am Nachmittag fing das Kind zu schreien an. Ayla hrte seine Stimme nur noch wie aus weiter Ferne. Sie hielt nicht an. Unerbittlich zwang sie ihre Fe, weiter zu steigen, ja nicht nachzulassen. Sie muten die Wiese erreichen, sie und ihr Kind noch bis in die Hhle tragen. Uba blieb weit zurck. Sie wollte von Ayla nicht gesehen werden. Sie ahnte nicht, da die junge Frau kaum noch weit genug sah, um einen Fu sicher vor den anderen zu setzen. Rtliche Schwaden umwallten sie, als Ayla endlich ihre Wiese erreichte. Nur noch ein kleines Stck, hmmerte es in ihr. Sie schleppte sich durch das Gras und hatte kaum noch Kraft, die Zweige zu zerteilen, hinter denen die Hhle sich verbarg. Sie zwngte sich hindurch, taumelte ins Innere und brach auf dem Rehfell zusammen. Es war ein Glck, da Uba die Wiese genau in dem Augenblick betreten hatte, als Ayla in der Hhle verschwand, sonst htte sie denken mssen, die junge Frau htte sich in Luft aufgelst, denn die knorrigen Haselnustrucherste verbargen die ffnung in der Felswand vorzglich. Uba rannte zur Clan-Hhle zurck. Sie war lnger weggewesen, als sie gewollt hatte, und frchtete, Iza wrde unruhig sein und sie schelten. Doch die Medizinfrau wollte gar nicht wissen, wo ihre Tochter gewesen war. Sie ahnte, woher Uba kam, wollte aber lieber nicht daran rhren. ~Kapitel 19 "Sie mte doch schon lngst wieder zurck sein, Iza", klagte Crebs Hand und verriet seine Unruhe. Den ganzen Nachmittag war er rastlos umhergehinkt und hatte immer wieder zur Hhle hinausgespht, ob sie nicht endlich wiederkme. Iza nickte, ohne von der Hirschkeule aufzublicken, die sie gerade in Stcke schnitt. Pltzlich schrie sie auf, als die scharfe Steinklinge ihr tief in den Finger fuhr. Creb sah auf und runzelte die Stirn. Nicht nur, da sie sich geschnitten hatte, war verwunderlich, sondern auch ihr unbeherrschter Aufschrei. Denn gewhnlich war Iza sehr geschickt mit dem Messer, und der Mog-ur konnte sich nicht erinnern, wann sie sich das letzte Mal damit verletzt hatte. Auch sie ist unruhig, dachte er. "Ich war vor einer Weile bei Brun, Iza", bedeutete er der Schwester. "Er will sie noch nicht suchen. Niemand darf wissen, wo eine Frau bei solcher Gelegenheit sich aufhlt. Groes Unheil trfe den Mann, der sie so sieht. Aber sie ist schwach. Es wre mglich, da sie hilflos da drauen im Regen liegt. Du kannst nach ihr suchen, Iza. Du bist die Medizinfrau. Sie kann nicht weit fort sein. Warum bist du nicht schon auf den Beinen? Bald kommt die Dunkelheit." "Ich kann nicht", wehrte Iza ab und steckte ihren blutenden Finger wieder in den Mund. "Du kannst nicht?" wiederholte Crebs Hand fragend. "Ich kann sie nicht finden." "Wie willst du wissen, da du sie nicht finden kannst, wenn du sie nicht suchst?" Der Mog-ur legte den Kopf schief und sah seine Schwester an. Und pltzlich fiel ihm ein, wie ungewhnlich es doch war, da Iza nicht schon lngst da drauen suchte. "Iza, warum willst du Ayla nicht suchen?" fragte er mitrauisch. "Ich knnte sie nicht finden." "Warum nicht?" beharrte Creb. Bange Angst stand in den Augen der Frau, als sie gestand: "Sie hlt sich versteckt." "Versteckt? Vor wem?" "Vor uns allen. Vor Brun, vor dir, vor mir, vor dem ganzen Clan", gab Iza hilflos zurck. Creb starrte sie entgeistert an und hob den Arm, der nicht verstehen wollte. "Warum hlt sich Ayla vor uns allen versteckt? Warum vor dir? Sie braucht dich doch." "Sie will das Kind behalten, Creb", erklrte ihm Iza, und ihre Augen flehten den Bruder an, mitzufhlen, als sie mit zitternden Hnden berichtete. "Ich habe ihr klargemacht, da der Clan-Brauch einer Mutter gebietet, ihr migestaltetes Kind wegzuschaffen. Doch sie weigerte sich. Sie will es behalten. Sie wollte es fortbringen und bis zur Benamsung verstecken, weil Brun es dann annehmen mu." Mit scharfem Blick sah Creb die Frau an. Er wute, was Aylas Eigenmchtigkeit bedeutete. "Ja", nickte der Mog-ur, "Brun wird nichts anderes brigbleiben, als Aylas Sohn anzunehmen, Iza. Aber danach wird er sie fr ihren Ungehorsam verfluchen, und diesmal bis ans Ende ihrer Tage. Wenn die Frau den Mann zu etwas zwingt, was er nicht will, aber dennoch mu, dann verliert er sein Gesicht vor allen anderen. Brun kann das nicht dulden, die Mnner wrden ihn dann nicht mehr achten. Selbst wenn er sie verflucht, wird die Schande auf ihm sitzenbleiben. Du weit, in diesem Sommer werden alle Clans sich wieder zum Miething zusammenfinden. Glaubst du, da er sich dann sehen lassen kann? Wir alle, der ganze Clan des Bren, wrden fr das, was Ayla angerichtet hat, mit Verachtung ben mssen", zrnte der Zauberer und schlug wtend die Hand durch die Luft. "Wie konnte sie uns das nur antun?" "Sie handelte nach der Geschichte von der Mutter, die ihr migestaltetes Kind in den Gipfel eines Baumes gebunden hat", gab Iza zurck. "Wie konnte sie sich davon verfhren lassen - gegen das Clan-Gebot!" entgegnete Creb verchtlich. "Das war es nicht allein, Creb. Auch du hast dazu beigetragen." "Ich?" Der Mog-ur fuhr auf, als htte ihn ein Skorpion gebissen. "Mit dieser Unbotmigkeit habe ich nicht das geringste zu tun!" "Ich meine nicht, da du etwas getan hast, Creb. Ich meine, da du auch so bist. Auch du wurdest mit einer Ungestalt geboren, aber du durftest dein Leben behalten. Und jetzt bist du der Mog-ur." Was Izas Hnde ihm da erklrten, machte den alten Zauberer tief betroffen. Er wute um das glckliche Geschick, das ihn begnstigt hatte, doch noch vom Clan-Fhrer angenommen zu werden. Nur Glck hatte dem mchtigsten Magier aller Clans das Leben erhalten. Die Mutter seiner Mutter hatte ihm einst bedeutet, da es wirklich wundersam gewesen war. Wollte auch Ayla jetzt ein Wunder fr ihren Sohn? Doch niemals wrde sie Brun zwingen knnen, ihren Sohn anzunehmen und dabei selbst am Leben zu bleiben; es sei denn, er wnschte es selbst und wrde so entscheiden. "Und du, Iza? Hast du sie nicht gewarnt, da ihr Tun gegen das Clan-Gebot verstt?" "Ich habe sie beschworen, nicht zu gehen. Ich habe ihr angeboten, das Kind wegzuschaffen, wenn sie es nicht selbst tun knnte. Danach hat sie mich nicht einmal mehr in die Nhe des Kleinen gelassen. Ach, Creb, sie hat so viel um ihn gelitten." "Und da hast du sie einfach gehen lassen, leichtsinnig hoffend, es wrde ihr schon nichts geschehen? Warum bist du nicht gleich zu mir gekommen oder zu Brun?" Iza senkte stumm den Kopf. Creb hatte recht. Sie htte es ihn wissen lassen sollen. Nun wird auch Ayla sterben, nicht nur ihr Kind. "Wohin ist sie gegangen, Iza?" Crebs Auge war hart wie Stein. "Ich wei es nicht. Sie sprach von einer kleinen Hhle", gab Iza voller Angst zurck. Hastig wandte sich der Mog-ur ab und humpelte hinber zum Wohnkreis des Clan-Fhrers. Das Schreien des Kindes weckte Ayla schlielich aus ihrem Schlaf. Es war finster in der kleinen Hhle und feucht und kalt ohne Feuer. Blindlings zerwhlte sie den Sammelkorb nach einer frischen Binde, auf da es ihr wohler wrde zwischen den Beinen, und trockenem Pelzwerk fr das Kind. Nachdem sie etwas Wasser getrunken hatte, hllte sie sich fest in ihren Schlafpelz, legte sich wieder nieder und gab ihrem Sohn die Brust. Als Ayla das nchste Mal erwachte, tanzten Sonnenlichtkringel auf der riesigen Felswand, und sie rieb sich die Augen, ob das auch wahr wre und nicht nur freundliche Nebel im Kopf. Gierig verschlang sie den mitgebrachten Verzehr. Durch Schlaf und Speise erholt, setzte Ayla sich auf und drckte das Kind an sich. Ich brauche Holz fr uns, dachte sie, und der Verzehr wird auch nicht lange reichen. Ich brauche mehr. Sie schaute zum Einschlupf. Es mten schon Luzerne sprieen und auch neuer Klee und frische Wickentriebe. Im Ahorn steigt jetzt neuer Saft auf und macht die innere Rinde s. Nein, Ahorn wchst hier oben nicht. Aber es gibt Birken und Fhren. Meine Schleuder habe ich ja mitgenommen. Hrnchen, Biber und Kaninchen, aufgepat! Eine ganze Weile gab sich Ayla ihren Trumen von Streifzgen durch das aurlebende Land hin. Sie hielt sich an der Felswand fest und lie den Kopf sinken. An ihren Beinen klebten dunkelrote Krusten, der Umhang war befleckt und eingerissen. Schnell wurde ihr klar, da ihre Lage verzweifelt war. Als sie wieder sicher gehen konnte, beschlo Ayla, sich zu subern und Holz zu sammeln, wute aber nicht, was so lange mit dem Kind geschehen sollte. Sollte sie es mit sich nehmen oder hier in der Hhle weiter schlafen lassen? Die Clan-Frauen lieen ihre kleinen Kinder niemals unbewacht. Ayla zog sich das Herz zusammen bei dem Gedanken, ihren Sohn alleine zu lassen. Doch sie mute fort, sich reinigen und mehr Wasser holen; und ohne ihn konnte sie mehr Holz tragen. Vorsichtig sphte sie durch das Astgewirr nach drauen. Dann drckte sie die Zweige auseinander und zwngte sich aus der Hhle. Die Erde war feucht und weich, am Bach glitschiger Schlamm. Wo es schattig war, glitzerte noch Schnee. Ayla frstelte im kalten Wind, der Regenwolken vor sich her trieb. Zitternd zog sie sich aus und watete in den kalten Bach. Die Umhnge waren klamm und wrmten nicht, als sie sie wieder berzog. Mit Mhe erreichte Ayla den Wald, der ihre Wiese umgab, und ri an den drren Asten einer Fhre. Doch Schwindel fielen wieder ber sie her, ihre Knie wurden weich und ihre Rechte griff hilflos in der Luft herum und suchte einen Halt. In ihrem Kopf hmmerte das Blut durch die Adern. Alle Entschlossenheit, Holz und Nhrendes zu suchen, versank in einem Schwchewirbel. Das Kind schrie, als sie sich zur Hhle zurckschleppte. Sie hob es auf und drckte es an sich. Dann fiel ihr das Behltnis ein, das sie am Bach hatte liegen lassen. Sie brauchte doch Wasser! Hastig legte sie ihren Sohn wieder hin und schleppte sich nochmals aus der Hhle. Die ersten schweren Tropfen fielen. Als sie zurck war, stellte sie das Behltnis in die Ecke, sank erschpft in sich zusammen und zog den feuchten, schweren Pelz ber sich und das Kind. "Habe ich dir nicht stndig vorgehalten, da sie aufsssig und eigensinnig ist?" machte Broud geltend und sah Brun triumphierend an. "Hat auch nur einer mir geglaubt? Nein. Alle haben sich auf ihre Seite geschlagen, haben sich ihrem Eigensinn gebeugt und sogar zugelassen, da sie jagen geht wie ein Mann. Mag ihr Totem noch so stark und mchtig sein; es verstt gegen das Gebot, da eine Frau jagt. Nicht der Hhlenlwe hat ihr diesen Weg gewiesen. Ihr Trotz hat sie diesen Weg gefhrt. Siehst du nun, Brun, was geschieht, wenn du einer Frau ihren Willen lt? Siehst du nun, was geschieht, wenn du zu milde bist? Sie glaubt nun wahrlich, sie knnte dem Clan ihren migeburtigen Sohn aufzwingen. Aber diesmal darf es keine Milde geben. Sie hat gegen das Gebot aller Clans verstoen. Willentlich." Endlich sah Broud sich gerechtfertigt. Mit erbarmungsloser Hrte hielt er Aylas Tun dem Clan-Fhrer vor Augen, und dem tat es weh. "Du hast mir sehr deutlich gezeigt, wie du alles siehst, Broud", stellte dieser klar. "Doch es ist nicht ntig, da du immer wieder in dieselbe Kerbe schlgst. Ich nehme mir Ayla vor, wenn sie zurckkommt. Keine Frau hat mich je gezwungen, da ich gegen meinen Willen handle. Und das werde ich auch jetzt nicht zulassen. Wenn diese Nacht vergangen ist, suchen wir weiter", bestimmte Brun und schaute die Mnner an, die um ihn versammelt waren. "Wir suchen an solchen Orten, die uns wenig vertraut sind. Creb hat angedeutet, da Ayla zu einer kleinen Hhle wollte. Gibt es einen unter euch, der eine kleine Hhle hier gesehen hat? Allzu weit kann sie doch nicht sein. Ayla war zu schwach, um weiter fortzugehen. Wir wollen die Ebene und die Wlder auer acht lassen und nur dort suchen, wo es Hhlen gibt. Zwar hat der Regen ihre Spur verdorben, aber lat uns so lange suchen, bis sie gefunden ist." Beklommen wartete Iza, bis die Mnner auseinander gegangen waren. All ihren Mut hatte sie zusammengerafft und beschlossen, sich Brun mitzuteilen. Als sie die Mnner sich erheben sah, kam sie mit gesenktem Kopf an die Feuersttte des Clanfhrers und hockte sich zu seinen Fen nieder. "Was willst du, Iza?" fragte Brun. "Ich wnsche, da mich der Clan-Fhrer anhrt", bedeutete ihm die Medizinfrau. "Du magst sprechen." "Ich habe nicht recht getan, da ich den Clan-Fhrer berging und ihn nicht wissen lie, was Ayla vorhatte." Iza lie alle Form beiseite, als ihre Gefhle sie berwltigten. "Aber, Brun, sie verlangte so brennend nach einem Kind. Keiner glaubte, sie wrde je eines kriegen. Selbst sie nicht. Wie konnte nur der Geist des Hhlenlwen bezwungen werden? Ihr Herz war voller Freude. Sie litt, aber klagte nie. Als das Kind dann endlich kam, wre sie fast wieder ins Jenseitige gegangen, Brun. Nur weil sie das Kind haben wollte, hatte sie die Kraft, bis zum Ende durchzuhalten. Sie brachte es nicht bers Herz, ihren Sohn wegzuschaffen, auch wenn er migestaltet ist. Sie war sicher, nie wieder ein Kind gebren zu knnen. Sie war auer sich vor Schrecken und Schmerz und deshalb nicht mehr klar im Kopf und wute nicht, was sie da tat. Brun", flehte Iza ihren Bruder an, "ich bitte dich, la ihr das Leben." "Warum bist du nicht frher zu mir gekommen, Iza? Wenn du jetzt glaubst, es hilft, um ihr Leben zu bitten, warum bist du nicht gleich gekommen? War ich so hart zu ihr? Meine Augen hatten sich ihrem Leiden nicht verschlossen. Es gibt keinen hier im Clan, der nicht um die Schmerzen wei, die Ayla erlitten hat, um ihrem Sohn in die Welt zu helfen. Bin ich fr dich ein Mann mit einem Herzen aus Stein? Traust du mir nicht zu, da ich alles in Betracht ziehen wrde, wenn du mir zur rechten Zeit bedeutet httest, wie ihr zumute war? Ich htte mir das Kind angesehen. Ich htte ihm vielleicht das Leben gelassen, wenn es nicht allzu krppelig gewesen wre. Obwohl Ayla keinen Gefhrten hat. Aber du glaubtest schon von vornherein zu wissen, was ich tun wrde, Iza." Schwer lie Brun die Hnde sinken, schaute seine Schwester durchdringend an und teilte ihr mit, was er sie schon lange hatte wissen lassen wollen. Nie htte sie ihre Pflichten vernachlssigt. Stets wre sie den anderen Frauen zum Vorbild gewesen, und nur in ihrer Krankheit knne er den Ursprung ihres ungewhnlichen Betragens sehen. Er wisse, machte Brun, und in seinen Augen leuchtete es warm auf, da sie krank sei, auch wenn sie sich mhe, es zu verbergen. Er habe mit keinem darber geredet - wie sie es gewollt htte. Doch htte er schon vor dem ersten Schnee gefrchtet, Iza wrde in das Reich der Toten hinbergehen. Er wisse auch, da Ayla glaube, nie wieder gebren zu knnen. Und auch er habe gesehen, wie sie ihr Selbst zurckstellte, als Iza krank gewesen sei. Wie die junge Frau sie wieder habe gesunden lassen, sei ihm ein Geheimnis. Es knne der Mog-ur sein, der die Geister beschwichtigte, die sie zu sich holen wollten; aber der Mog-ur allein sei es nicht gewesen. Er, Brun, htte sich bereitgefunden, Crebs Bitte entgegenzukommen und Ayla in den Rang der Medizinfrau zu erheben. Er habe gelernt, sie zu achten, so wie er Iza achtete. Sie habe sich stets fgsam und gehorsam gezeigt, trotz der Drangsal, die sie durch Broud zu erdulden hatte. Sie, Iza, msse wissen, da er auch davor seine Augen nicht verschliee. Es wre Brouds nicht wrdig, zu glauben, sich mit einer Frau messen zu mssen. Er sei ein tapferer und khner Jger und brauche sich von keiner Frau bedroht zu fhlen. Doch, und Brun zog jetzt die Stirn in tiefe Falten, viel-leichtJnabe der Sohn etwas wahrgenommen an ihr, das er bersehen htte. Vielleicht habe Broud schrfere Augen; vielleicht sei er Ayla gegenber wirklich blind gewesen. Wre Iza frher gekommen, so htte er ihre Bitte wohlwollend prfen knnen. Jetzt aber sei es zu spt. Wenn Ayla nach den bemessenen Tagen zurckkehrte, wrden sie und ihr Sohn sterben. Am zweiten Tag versuchte Ayla, ein Feuer zu machen. In der Hhle lagen noch einige drre ste. Sie zwirbelte zwischen ihren Handflchen den Stock, hatte aber - zum Glck- nicht die Kraft, so lange zu drehen, bis das Holz zu schwelen anfing. Denn Droog und Crug hatten zur Bergwiese hinaufgefunden, whrend sie und das Kind schliefen. Sie htten den Rauch gerochen und sie gefunden. So aber gingen die Jger ahnungslos an der Hhle vorber. Htte das Kind auch nur im Schlaf gewimmert, ihre Ohren htten es gehrt. Doch alles war still, und der Einschlupf auch nicht fr das schrfste Auge zu sehen. Und noch einmal stand ihr das Glck zur Seite. Der milde Nieselregen, der bestndig aus einem dsteren Himmel herabfiel und die Wiese in einen schmatzenden Sumpf verwandelt hatte, lschte alle Spuren aus. Die Augen der Jger waren so gebt, da sie den Fuabdruck eines jeden vom Clan erkennen konnten, und sofort htten sie abgebrochene ste entdeckt oder frisch aufgestocherte Erde, aus der Knollen oder Wurzeln geborgen worden waren. Doch Ayla war zu schwach gewesen, um solche zu sammeln. Als Ayla spter hinausging, um zu trinken, und in der Nhe der Quelle, wo die Mnner angehalten hatten, die Fuspuren sah, stockte ihr der Atem. Und von da an wollte sie fast nicht mehr aus der Hhle gehen. Bei jedem Windsto, der das Gebsch vor dem Einschlupf schttelte, fuhr sie zusammen und gefror vor Angst. Der Verzehr, den sie mitgebracht hatte, war zur Neige gegangen. Sie durchwhlte die Krbe, die noch vom Winter her in der Ecke standen; nichts auer Nssen und Hrnchenkot. Dann aber kam ihr der Steinbau in den Kopf, unter dem sie -im hintersten Winkel - damals das gedrrte Fleisch gelagert hatte. So schnell es ging, lief sie nach hinten und nahm die Steine weg. Das Fleisch in der Grube war noch unberhrt und gut. Erleichtert seufzte Ayla auf. Doch pltzlich knackten die Zweige am Einschlupf. Wie sie erschreckt den Kopf in diese Richtung wandte, sah Ayla, da das Gestruch sich auseinandertat. "Uba!" rief sie entgeistert, als das Mdchen sich in die Hhle zwngte. "Wie hast du mich gefunden?" fragte sie bestrzt. "Ich bin dir gefolgt an dem Tag, an dem du fortgingst, Ayla. Ich hatte Angst, dir wrde etwas zustoen. Ich habe Nhrendes mit heraufgebracht." "Wei Iza, wo ich bin?" "Nein. Aber sie ahnt, da ich es wei. Sie will es nicht wissen, weil sie es dann Brun offenbaren mu. Ach, Ayla, Brun ist voller Zorn gegen dich. Jeden Tag haben die Mnner nach dir gesucht." "Ich sah ihre Spur an der Quelle, aber sie haben die Hhle nicht gefunden", antwortete Ayla. "Broud stolziert umher und verkndet allen, er htte immer gewut, wie schlecht du bist. Creb habe ich kaum zu Gesicht bekommen, seit du uns verlassen hast. Er hockt den ganzen Tag ber in der Zauberhhle, und Mutter zittert vor Angst und Sorge um dich. Sie rt dir, nicht zurckzukommen", berichtete Uba mit lebharter Gebrde. "Wie kannst du wissen, da sie mir rt, nicht zurckzukommen, wenn sie dir nichts gedeutet hat?" wollte Ayla wissen. "Sie hat schon gestern abend und auch heute frh mehr Nahrung zubereitet als sonst. Nicht zuviel - ich glaube, sie hatte Angst, Creb wrde ahnen, da es fr dich ist -, aber sie hat ihren Teil nicht gegessen. Spter hat sie einen Trank bereitet, und dann begann sie mit den Hnden zu klagen, als sprche sie mit sich selbst. Aber sie hat mich dabei angesehen. Ayla darf nicht zurckkommen, klagte sie. Niemals. Das arme Kind, sie hat nichts Nhrendes, sie ist so schwach und ohne Kraft. Sie mu ihr Kind versorgen. So machte sie, und dann ging sie fort. Ich dachte mir, da sie wollte, da ich es dir brchte." Uba schaute sich aufmerksam in der Hhle um. Dann fuhr sie fort: "Iza mu gesehen haben, da ich dir folgte. Es hat mich verwundert, da sie mich nicht schalt fr mein sptes Heimkommen. Brun und Creb zrnen ihr, weil sie ihnen nicht mitgeteilt hat, da du dich verstecken wolltest. Wenn sie ahnten, da Mutter einen Weg zu dir kennt - ich wei nicht, was sie tun wrden. Aber keiner hat mich gefragt. Keiner achtet auf ein Kind. Ayla, ich wei, da ich Creb offenbaren mte, wo du bist, aber ich will nicht, da Brun dich verflucht, ich will nicht, da du sterben mut." Ayla sprte den angstvollen Schlag ihres Herzens. Was habe ich denn getan? Als sie gedroht hatte, den Clan zu verlassen, hatte sie sich nicht klargemacht, wie schwach sie noch war, wie schwierig es sein wrde, allein mit einem Kind zu berleben. Sie hatte sich darauf verlassen, am Tag der Benamsung zurckkehren zu knnen. Was soll ich denn jetzt tun? Sie hob ihr Kind von der Erde auf und drckte es an sich. Ich kann dich doch nicht wegschaffen? Zrtlich blickte Uba auf die junge Frau. "Ayla", begann sie zaghaft. "Darf ich ihn sehen? Ich habe dein Kind nie gesehen." "Aber ja, Uba! Hier, du sollst ihn sehen", bedeutete Ayla. Die junge Frau legte ihr das Kind in den Scho. Uba begann, es aus seiner Umhllung zu schlen. "Er sieht heil aus, Ayla. Er ist nicht so verkrppelt wie Creb. Er ist ein bichen dnn, aber anders ist nur sein Kopf. Und doch sieht er nicht so andersartig aus wie du. Keiner im Clan sieht so aus wie du." "Das kommt, weil ich nicht im Clan geboren wurde", gab Ayla zurck. "Iza fand mich, als ich ein kleines Mdchen war. Von ihr wei ich, da ich den anderen geboren wurde. Aber jetzt gehre ich zum Clan." "Verlangt dein Herz nie nach deiner eigenen Mutter?" wollte Uba wissen. Ayla strich sich die verklebten sonnenhellen Strhnen aus der Stirn und machte wieder die Kerbe in die Nasenwurzel. "Ich kenne keine andere Mutter als Iza", gab sie zurck. "Ich wei nichts von jenem Tag, als ich noch nicht zum Clan gehrte." Doch pltzlich erbleichte sie. "Uba, wohin soll ich denn gehen, wenn ich jetzt nicht mehr zurck kann? Mit wem soll ich leben? Iza und Creb werde ich wohl niemals wiedersehen. Und heute ist der letzte Tag, an dem du bei mir bist. Aber, glaube mir, ich wute nicht, was ich htte sonst tun sollen. Ich konnte doch mein Kind nicht sterben lassen." Uba griff nach der Hand der jungen Frau und streichelte sie sacht. "Ich wei nicht, Ayla. Mutter sagt, Brun wird das Gesicht verlieren, wenn du ihn zwingst, deinen Sohn anzunehmen. Darum ist er so zornig. Wenn eine Frau einen Mann zwingt, etwas zu tun, was er nicht tun will oder nicht von sich aus zu tun bereit ist, dann achten die anderen Mnner ihn nicht mehr. Selbst wenn er dich verflucht, verliert er das Gesicht, weil du ihn gen- tigt hast, dies gegen seinen Willen zu tun. Ich wollte nicht, da du weggehst von uns, Ayla, aber wenn du zurckkehrst, mut du sterben." Verstrt starrte die junge Frau in das gequlte Gesicht des Mdchens. Als ob sie sich gleichzeitig trsten wollten, streckten beide weit die Arme aus, umfingen sich und hielten einander fest. "Du mut gehen, Uba", bedeutete Ayla schlielich. "Komm, mach dich wieder auf den Weg, sonst ziehst auch du den Zorn der Mnner auf dich." Das Mdchen gab den kleinen Suger wieder der Mutter zurck und stand auf. "Uba", rief Ayla, als diese schon den Haselstrauch auseinanderdrcken wollte. "Es hat mir sehr geholfen, da du heraufgekommen bist. So habe ich dich wenigstens noch einmal sehen knnen. La Iza wissen, da ich sie liebe." Ihre Augen begannen zu trnen. "Und Creb auch." "Ja, Ayla." Das Mdchen nickte und schlpfte hastig durch die Bsche. Als Uba fort war, packte Ayla das Bndel mit dem Verzehr aus, das diese mitgebracht hatte. Viel war es nicht, doch zusammen mit dem Drrfleisch wrde es fr ein paar Tage reichen. Aber was dann? Sie konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen. Ihr war, als wrde sie immer tiefer in den Schlund schwarzer Verzweiflung hineingezogen. Was sie vorgehabt hatte, war gescheitert. Nicht nur das Leben ihres Kindes, sondern auch ihr eigenes war aufs uerste gefhrdet. Sie kaute, ohne etwas zu schmecken, und trank von dem Gebru, das Uba ihr gebracht hatte. Dann legte sie sich mit dem Kind in den Armen wieder nieder und glitt in einen hilfreichen Schlaf, der fr eine Weile alles Schlimme vergessen machte. Es war Nacht, als Ayla wieder die Augen aufschlug und den letzten Rest des Izaschen Tranks hinunterstrzte. Jetzt gleich, solange es finster war und keine Gefahr drohte, von den Mnnern aufgesprt zu werden, wollte sie gehen und sich frisches Wasser holen. Fu um Fu tappte sie in der Finsternis umher, bis sie die verstelten Umrisse der Haselnu entdeckte, die sich schwarz von dem blulichen Dunkel drauen im Freien abhob. Eilig huschte sie hinaus. Ein schmales Mondgesicht, das sich immer wieder mrrisch hinter dahinjagenden Wolken verkroch, gab wenig Licht; doch nach einer Weile konnten Aylas Augen Bume erkennen, die sich geisterhaft aus dem trben Schimmer der Nacht heraushoben. Im Quellwasser, das, leise vor sich hin murmelnd, ber Felsen und Gestein sprang, betrachtete sich das Mondgesicht, verzog sich dort jedoch zu einer breiten unruhigen Fratze. Ayla war immer noch schwach, aber ihr wurde nicht mehr schwindlig, wenn sie aufstand, und das Gehen bereitete nicht mehr so starke Schmerzen. Erdlingsaugen sahen sie nicht, als sich Ayla zur Quelle hinunterneigte, doch andere Augen waren auf sie gerichtet. Nchtliches Raubgetier und dessen Opfer tranken an derselben Quelle wie die junge Frau. Nie wieder - seit sie vor langer Zeit allein und schutzlos durch die Wildnis gewandert war - war Ayla so angreifbar gewesen; nicht so sehr ihres Krpers wegen als vielmehr wegen ihres unbedachten Sichbewegens. Sie dachte an vieles, nur nicht ans berleben. Ihre Gedanken waren nach ihnen gekehrt. Fr ein reiendes Tier wre sie leichte Beute gewesen. Doch hier oben hatte Ayla unter den Vierbeinern sich Achtung verschafft. Schnell fliegende Steine, nicht immer tdlich, aber stets schmerzhaft, hatten sie Vorsicht gelehrt. "Es mu doch irgendeine Spur von ihr geben", forderte Brun zornig. "Wenn sie Nahrung mitgenommen hat, so kann es nicht viel gewesen sein und wird auch nicht lange reichen. Dann mu sie aus ihrem Versteck heraus. Jeder Ort, der abgesucht wurde, ist nochmals in Augenschein zu nehmen. Wenn sie tot ist, so will ich es wissen. Sie mu vor dem Tag der Benamsung gefunden werden. Und wenn nicht, so werde ich nicht zum Miething des Gro-Clans ziehen." "Jetzt hindert sie uns noch, das groe Treffen zu besuchen", hhnte Broud mit wilder Gebrde. "Warum wurde sie berhaupt in den Clan aufgenommen? Sie ist und bleibt doch eine von den anderen. Wre ich Clan-Fhrer, ich htte sie niemals aufgenommen. Wre ich Clan-Fhrer, ich htte Iza niemals erlaubt, diesen widerlichen Findling mitzunehmen. Warum kann denn keiner von euch sie so sehen, wie sie wirklich ist? Nur ich! Schon immer hat sie gegen die Clan-Gebote gehandelt, und immer wieder ist sie ungestraft davongekommen. Hat einer sie je daran gehindert, Getier in die Hhle zu bringen? Hat einer sie je daran gehindert, allein umherzuziehen, wie das einer guten Clan-Frau niemals in den Kopf gekommen wre? Es ist beileibe nicht wundersam, da sie uns klammheimlich wie ein reiendes Tier belauert hat, als wir uns mit den Waffen bten. Und was begab sich, als sie mit der Schleuder in der Hand ertappt wurde? Man belegte sie mit einem Todesfluch, der nur bemessen war. Und als sie wiederkehrte, wurde ihr auch noch das Jagen erlaubt. Eine Frau, die jagt! Seht ihr denn nicht, ihr Blindlufigen, wie die anderen Clans diesen Frevel aufnehmen werden? Es kommt doch nicht von ungefhr, da wir nicht zum Miething des Gro-Clans ziehen werden. Mu man sich denn da noch wundern, wenn sie glaubte, sie knnte uns, dem Clan des Bren, ihren Sohn aufzwingen?" Broud war aufgesprungen und hin und her gerannt, als wenn er einen Jagdtanz zeigen wollte. Mit scharfen, harten und fast wrgenden Bewegungen hatte er den Mnnern Ayla geschildert und wie sie den Clan immer mehr ins Unglck strzen wrde. Ein Jagdtanz war das wahrlich nicht gewesen, hatte aber viel mit Jagd zu tun - auf Ayla. Wie aus Stein gehauen war Brun die ganze Zeit dagesessen; hielt die Arme auf der Brust verschrnkt und starrte ins Feuer, das, wre sein Blick ein Wasserstrahl gewesen, zischend und fauchend htte erlschen mssen. Dann schaute er dem jungen Jger ins Gesicht. "Broud, das alles hast du uns schon viele Male dargetan", meielte seine Hand in den Flammenschein. "Ihr Ungehorsam wird geshnt werden." Die lstige Unerbittlichkeit, mit der Broud immer wieder davon anfing, zerrte nicht nur an der Nerven des Clan-Fhrers; sie begann so nach und nach dessen Selbstsicherheit empfindlich zu erschttern. Und Brun fing an zu zweifeln, ob das, was er entschieden hatte und noch entscheiden wrde, im Einklang mit dem Clan-Brauch sei. Nhrboden fr seine Entscheidungen war das berlieferte. Und doch hatte er, wie Broud ihm erbarmungslos vorhielt, Ayla einen Versto nach dem anderen durchgehen lassen; sie hatte ihn dazu gebracht, sich von eben diesem gesicherten Grund zu entfernen. Er hatte sich schon auf ein Gebiet begeben, das seine Fe nicht kannten und in das zu folgen seine Mnner sich zunehmend strubten. Denn Brouds bestndiges Bohren lie auch die anderen Jger nicht unberhrt. Die meisten waren nun berzeugt, da Ayla sie getuscht und verblendet hatte und da es Broud war, der sie durchschauen konnte. Und war Brun nicht in der Nhe, so enthielt sich Broud auch nicht der abwertenden Andeutungen, dieser wre doch jetzt wirklich zu alt, den Clan des Bren lnger zu fhren. Brun sprte, wie die Mnner ihm langsam die Achtung entzogen. Ayla verlie die Hhle nur noch, wenn sie Wasser brauchte. In Felle und Pelze gehllt, war ihr auch ohne Feuer warm genug. Die Nahrung, die Uba gebracht hatte, und das zhe Drrfleisch reichten ihr. So brauchte sie nicht hinaus und Krauter und Pflanzen sammeln oder auch zu jagen. So blieb ihr Zeit, sich auszuruhen und wieder Krfte zu gewinnen. Bald schlief sie auch nicht mehr so viel, was ihr jedoch nicht unbedingt zur Freude gereichte. Lag sie nmlich wach in der Fellmulde, so wurde sie wieder und wieder von schlimmen Bildern geqult, die sich in ihren Kopf drngten, wenn sie an das Zuknftige dachte. Im Schlaf wenigstens konnte sie die Zukunft fliehen. Zgernd gewrmt von der Nachmittagssonne, die ab und zu hinter rasch dahinfliegenden Wolken verschwand, hockte Ayla nahe am Einschlupf und hielt ihr schlafendes Kind in den Armen. Sie blickte auf den Sohn hinunter und drehte sachte seinen Kopf zur Seite. Ja, du siehst anders aus, dachte Ayla. Du siehst wirklich anders aus, aber nicht ganz so anders wie ich. Ayla stellte sich ihr eigenes Gesicht vor, so wie sie es einst im Wasserspiegel hatte schimmern sehen. Sie musterte ihr Kind, das sie mit dem Bild von sich verglich. Ja, nickte sie, so wlbt sich auch meine Stirn, hob die Hand und fuhr bei sich die hohe Wlbung nach, vom Haaransatz zur Nasenwurzel, dann ber den Grat der Nase hinweg zum Mund bis ans Kinn. Und diesen Auswuchs unter dem Mund, den habe ich auch. Aber er hat die dicken Wlste ber den Augen, die mir fehlen. Die Clan-Leute aber haben sie alle. Wenn ich anders aussehe, warum sollte er dann nicht auch anders aussehen? Er mu doch so sein wie ich, denn er ist von mir. Er sieht zwar aus wie ich, aber er sieht auch aus wie ein Erdling. Ich wurde den anderen geboren, und mein Kind wurde dem Clan geboren. Er hat etwas von beiden. Glaube ja nicht, da du migestaltet bist, mein Kind, nickte sie ihm zu. Wenn du mir und dem Clan geboren wurdest, dann mut du von mir und dem Clan etwas mitbekommen haben. Wenn die Geister sich nmlich vermischten, dann mu das an dir sichtbar sein. So sieht's auch aus, und es ist richtig, da du so aussiehst. Aber wessen Totem hat den Lebenskeim fr dich gelegt? Welches auch immer es war, ihm mu beigestanden wor- den sein. Niemand von den Mnnern hat ein Totem, das strker ist als meines. Nur Creb. Ayla mute lcheln bei dem Gedanken. Hat der Groe Br dich zum Leben erweckt, mein Sohn? Ich lebe an Crebs Feuersttte. Nein, das gibt es nicht. Denn niemals erlaubte der Hhlenbr einer Frau, da sie sich seinen Geist einverleibte. Aber wenn es nicht Creb war, wer war es dann? Wer war in meiner Nhe? Angestrengt dachte Ayla nach. Brouds hmisches Grinsen tauchte pltzlich vor ihr auf. Nein! Ungestm dachte sie ihn weg. Nicht dieser Widerling. Sein Totem hat mein Kind nicht ins Leben gerufen. Sie schttelte sich und verzog angeekelt den schrundigen Mund. Ich hasse ihn. Wie gern htte ich geschlagen, gekratzt und gebissen. Doch das darf eine Frau nicht, wenn der Mann sie nimmt, obwohl sie nicht will. Rasch hob Ayla die Hand und fhrte sie zu ihrem Amulett am Hals und bat ihr Totem, sie vor Brouds gemeinem Geschlecht zu schtzen. Dann lie sie die Hand sinken und dachte an dessen Gefhrtin. Wie hlt Oga es nur aus mit ihm? Und die anderen Frauen? Warum mssen die Mnner gerade da ihr Geschlecht hineinstoen, woraus geboren wird? Da hat es doch nichts zu suchen, das ist den Kindern vorbehalten, dachte Ayla zornig und emprt. Doch pltzlich ging ihr ein seltsamer Gedanke durch den Kopf. Wenn es dort doch etwas zu suchen htte? Wre es mglich, da das mnnliche Geschlecht mithilft, ein Kind ins Leben zu bringen? Nur Frauen knnen Kinder kriegen, aber sie bekommen Mdchen und Jungen, berlegte sie. Wre es mglich, da es das mnnliche Geschlecht dort hindrngt, woraus Kinder geboren werden, und dort den Samen legt? Wre es also mglich, da es nicht der Geist des Totems eines Mannes ist? Und wrde dann das Kind nicht auch dem Mann gehren? Wieder hatte Ayla die Kerbe in der Nasenwurzel. Ich habe nie gesehen, da die Frau einen Geist schluckt, wie immer gesagt wird. Doch ich habe oft erlebt, wie das mnnliche Geschlecht von ihr Besitz ergreift. Und keiner glaubte, da ich je ein Kind haben wrde - nur, weil mein Totem so stark ist. Und doch habe ich ein Kind bekommen, und sein Anfang liegt in jenen Tagen, als ich Brouds Lust zu ertragen hatte. Nein! Entsetzt wies Ayla diesen Gedanken zurck. Denn dann wrde das Kind auch Broud gehren. Creb hatte recht. Er hat immer recht. Ich habe einen Geist geschluckt, der mit meinem Totem kmpfte und es bezwang. Doch vielleicht war es nicht nur ein Geist; vielleicht waren es die Geister der Totems aller Clan-Mnner. Mit einer wilden Bewegung drckte sie das Kind an sich. Du bist mein Sohn, nicht der von Broud. Das Kind, geweckt durch den raschen Ruck, begann zu schreien. Ayla wiegte es sachte hin und her, bis es sich beruhigt hatte und weiterschlief. Vielleicht wute mein Schutzgeist, wie gro mein Wunsch nach einem Kind war und lie sich deshalb bezwingen. Doch wieso htte mein Totem zulassen sollen, da ich ein Kind kriege, wenn es wute, da es wrde sterben mssen? Ein Kind, in dem etwas von mir ist und etwas von den Clan-Leuten, wird eben anders aussehen als sie und ich, aber beiden hnlich. Sie werden immer sagen, da mein Kind migestaltet ist. Selbst wenn ich einen Gefhrten htte, es wrde sich nichts daran ndern. Ich werde es nicht behalten knnen; es wird sterben mssen. Wir werden beide sterben, du und ich, mein Sohn. Ayla hielt das Kind an sich gedrckt und wiegte es leise summend in den Armen, whrend ihr die Trnen ber das Gesicht liefen. Was soll ich tun? Verzweifelt blickte sie in der Hhle umher und auf das schlafende Kind in ihren Armen. Wenn ich an deinem Namenstag wiederkehre, mein Kind, dann wird Brun mich verfluchen. Iza lt mir raten, nicht zum Clan zurckzukehren; aber wohin denn sonst? Zum Jagen bin ich noch nicht krftig genug; und selbst wenn, was wrde ich mit dir solange tun? Mitnehmen knnte ich dich nicht. Du wrdest vielleicht schreien und die Tiere warnen. Aber dich allein lassen, wre niemals mglich. Vielleicht brauche ich gar nicht auf die Jagd zu gehen. Ich kann ja Pflanzen und Krauter sammeln. Womit aber Umhnge, Schlaffelle und Fuhllen machen? Und wo soll ich eine Hhle finden, in der wir leben knnen. Hier kann ich doch nicht bleiben. Die hier ist zu nahe beim Clan; frher oder spter wrden die Mnner mich finden. Gut, ich knnte fortgehen; aber mglich wre es, da keine Hhle zu finden ist und die Mnner meine Spur entdecken und mich zurckbringen. Und selbst wenn ich eine fnde und genug Nhrendes ansammeln knnte, um uns beide ber die langen Tage der Kltnis und des Schnees zu helfen, wir wren immer allein. Du brauchst noch andere um dich, mein Kleiner, nicht nur mich. Mit wem willst du spielen? Wer wrde dich das Jagen lehren? Und was sollte aus dir werden, wenn mir etwas zustt? Du wrst allein; so ganz allein, wie ich es war, ehe Iza mich fand. Aber du sollst nicht allein sein, und ich will es auch nicht. Ich will zur Hhle des Clans. Ayla schluchzte und vergrub ihren Kopf in den Hnden. Ich will Uba wiedersehen und Creb. Ich will zu Iza. Aber kann ich zurck? Brun zrnt mir, und er wird mich verfluchen. Ich wute wirklich nicht, was ich ihm antat, als ich ging. Und wollte doch nur, da du nicht sterben mut, mein Kind. Brun war so gut zu mir; er lie mich jagen. Und wenn er sich nicht gezwungen she, dich anzunehmen? Wenn ich ihn anflehte, dich am Leben zu lassen? Und wenn ich jetzt zurckkehrte, dann wrde er sein Gesicht wohl nicht verlieren. Noch ist es Zeit; noch fehlen zwei Finger bis zu deinem Namenstag. Und wenn ich seinen Zorn nicht zu besnftigen vermag? Und wenn er ablehnt? Wenn sie mir dich doch wegnehmen? Dann will ich nicht mehr leben. Wenn du sterben mut, dann will ich's auch. Wenn ich zurck bin und Brun befiehlt, dich zu tten, dann will ich ihn bitten, mich zu verfluchen. Ich werde mit dir gehen ins Totenreich. Aber vorher laufe ich zu Brun und flehe ihn an, dich mir zu lassen. Flinkhndig warf Ayla ihre Sachen in den Sammelkorb. Sie hllte das Kind in das Tragfell und zog den Pelzumhang fest um sich. Sie ging zum Einschlupf und bog die schtzenden Zweige auseinander. Als sie ins Freie kam, fiel ihr Blick auf einen grauen Stein zu ihren Fen, in dem sich glitzernd das Sonnenlicht fing. Sie hob ihn auf und drehte ihn in der Hand, so da er funkelte. Hufig schon war sie hier aus- und eingekrochen und hatte diesen Stein stets bersehen. Fest schlo Ayla ihre Hand darum und machte die Augen zu. Kann dies ein Zeichen sein? Ein Zeichen, das mir mein Totem gesandt hat? "Groer Hhlenlwe", machte sie. "Habe ich den richtigen Entscheid getroffen? Heit du mich, jetzt zurckzukehren? Groer Hhlenlwe, la dies ein Zeichen sein, da ich deiner wrdig bin und wieder eine Prfung bestanden habe. La dies ein Zeichen sein, damit mein Kind leben wird." Ihre Finger zitterten, als sie den kleinen Brustbeutel aufknpfte und den wundersam geformten funkelnden Stein zu dem roten bohnengroen Elfenbein, der steinernen Seeschnecke und dem Ocker steckte. Dann schritt sie zgig aus und ging zurck zum Clan. ~Kapitel 20 Mit wildem Armgeschlenker strzte Uba in die Hhle. "Mutter! Mutter! Ayla ist wieder da!" Alles Blut wich aus Izas Gesicht. "Nein! Das darf doch nicht wahr sein! Hat sie das Kind bei sich? Uba, warst du bei ihr? Hast du ihr meinen Rat berbracht?" fragte die Medizinfrau. "Ja, ich war bei ihr. Ich habe ihr erklrt, wie zornig Brun ist. Ich habe ihr bedeutet, nicht zurckzukehren", gab das Mdchen zurck. Iza lief zum Eingang und sah Ayla, die sich zgernden Schrittes Bruns Wohnkreis nherte. Vor ihm lie sie sich zu Boden fallen und neigte sich schtzend ber ihr Kind. "Sie kommt zu frh", bedeutete Brun dem Zauberer, der hastig aus der Hhle gehumpelt kam. "Sie mu sich in der Zahl der Tage geirrt haben." "Sie hat sich nicht geirrt, Brun. Sie wei, da es zu frh ist. Sie ist mit Absicht zu frh zurckgekehrt", entgegnete der Mog-ur mit entschiedener Gebrde. Der Clan-Fhrer blickte neugierig dem Zauberer ins Gesicht. Wie wollte der Mog-ur mit solcher Sicherheit wissen, da die junge Frau mit Absicht vor der Zeit zurckgekehrt war? Dann blickte er auf Ayla und schlielich ein wenig unsicher wieder auf den Mog-ur. "Wird der Zauber, den du ber uns gemacht hast, uns auch wirklich beschtzen? Sie sollte doch noch abgesondert leben. Die Tage des Frauenfluchs sind noch nicht um. Nach dem Gebren sind es immer mehr als sonst." "Der Zauber hat groe Kraft, Brun. Du bist sehr wohl beschtzt. Es ist dir erlaubt, sie zu sehen", erklrte ihm der Zauberer. Der Clan-Fhrer richtete den Blick wieder auf Ayla, die zitternd zu seinen Fen hockte, den Kopf ber ihr Kind geneigt. Verfluchen sollte ich sie, scho es ihm zornig durch den Kopf. Aber noch ist nicht der Namenstag des Kindes. Warum ist sie nur zu frh zurckgekommen? Und auch mit dem Kind? Es mu noch am Leben sein, sonst htte sie es nicht bei sich. Der Ungehorsam kann nicht ausgelscht werden; aber warum ist sie vor der Zeit gekommen? Bruns Neugier lie sich nicht lnger unterdrcken. Er tippte Ayla auf die Schulter. "Ich war ungehorsam", begann Ayla mit verkrampfter Hand, ohne dem Clan-Fhrer ins Gesicht zu blicken. Sie wute, sie htte nicht versuchen drfen, mit einem Mann zu sprechen, sich vielmehr weiter abgesondert halten mssen. Doch Brun hatte ihr auf die Schulter getippt. "Ich bitte, da es mir gestattet sei, mich mitzuteilen." "Es kommt dir eigentlich nicht zu, aber der Mog-ur hat den Schutz der Geister auf uns herabgefleht. Wenn ich es dir gestatte, so werden die Geister es dulden. Ja, du warst ungehorsam. Und womit willst du dich entschuldigen?" Ayla neigte dankend den Kopf noch tiefer und fuhr fort: "Ich kenne die Bruche des Clans. Ich htte das Kind wegschaffen sollen, wie die Medizinfrau es mir befahl. Aber ich bin fortgelaufen. Ich wollte am Namenstag meines Kindes zurckkehren, um den Clan-Fhrer zu zwingen, es im Clan aufzunehmen." "Du bist aber vorzeitig zurckgekehrt", gab Brun triumphierend zurck. "Noch ist der Namenstag nicht angebrochen, und ich kann der Medizinfrau befehlen, dir jetzt dein Kind zu nehmen." Das Gefhl, sein Kopf msse vor lauter Denken bersten, das er seit dem Tag gehabt hatte, an dem Ayla geflohen war, verschwand, als er dieses bedeutete und ihm mit einemmal die Augen aufgingen. Nur wenn das Kind sieben Tage lang am Leben blieb, zwang ihn das Gebot des Clans, es anzunehmen. Noch war die Frist nicht abgelaufen. Er brauchte das Kind nicht anzunehmen und hatte nicht das Gesicht verloren und Schande ber sich und den Clan gebracht. Aylas Arme schlssen sich einen Augenblick lang fest um das Kind, das in dem Tragfell an ihrer Brust lag, dann hob sie wieder die Hnde und begann zu erklren: "Ich wei, da der Namenstag erst morgen ist. Ich wei auch, da es nicht gut war von mir, den Clan-Fhrer zwingen zu wollen, das Kind anzunehmen. Es steht einer Frau nicht zu, darber zu entscheiden, ob ein Kind leben oder sterben soll. Nur der Clan-Fhrer kann diesen Entscheid treffen. Darum bin ich zurckgekehrt." Brun blickte aufmerksam in Aylas ernstes Gesicht. "Wenn du das Clan-Gebot kennst, warum bist du dann mit einem Kind zurckgekehrt, das migestaltet ist? Bist du jetzt bereit, deinen Sohn herzugeben? Oder soll ihn die Medizinfrau fr dich tten?" Ayla zgerte, tief ber ihr Kind gebeugt. "Ich will ihn wegschaffen, wenn der Clan-Fhrer es be fiehlt." Qulend langsam kamen ihre Handzeichen zustande, und ihr war, als wrde man wieder und wieder eine Klinge in ihr Herz stoen. "Ich habe meinem Sohn gelobt, ihn nicht allein im Schattenreich zu lassen. Wenn der Clan-Fhrer entscheidet, da mein Kind sterben mu, dann bitte ich ihn, mich zu verfluchen." Ihre Hnde lieen alles Ehrerbietige beiseite, als Ayla flehte: "Brun, ich bitte dich, meinen Sohn am Leben zu lassen. Und wenn er sterben mu, will ich auch nicht lnger leben." Die Inbrunst, mit der Ayla diese Bitte vortrug, verwunderte den Clan-Fhrer. Er wute, da es auch Frauen gab, die ihre Kinder trotz milicher Gestalt und Krppeligkeit behalten wollten; die meisten jedoch entledigten sich ihrer so rasch wie mglich. Ein migestaltetes Kind brachte Schande ber die Mutter. Es war lebendes Zeugnis ihrer Unfhigkeit, heile Kinder zu gebren, und setzte den Wert der Frau herab. Selbst wenn das Gebrechen oder die Migestalt geringfgig war, galt es, das weitere zu bedenken. Brun wute auch, da die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind gewaltig war; aber so gewaltig, da sie eine Frau bewegen konnte, ihrem Kind in die nchste Welt zu folgen, wollte ihm doch nicht in den Sinn. "Du willst mit deinem Krppelkind sterben? Warum?" fragte er Ayla. "Mein Sohn ist nicht migestaltet und auch kein Krppel", trotzten Aylas Hnde. "Er ist eben anders. So wie ich anders bin. Ich sehe nicht aus wie die Clan-Leute. Und so ist es auch mit meinem Kind. Jedes Kind, das ich haben wrde, wrde aussehen wie er", inachte sie und zeigte auf ihren Sohn. "Sollte mein Totem jemals wieder bezwungen werden, dann wrde ich niemals ein Kind haben, das leben darf. Und deshalb will ich auch nicht leben." Brun blickte auf den Mog-ur. "Wenn eine Frau den Geist des Totems eines Mannes einnimmt, sollte das Kind dann nicht aussehen wie der Mann?" "Ja", gab der Zauberer zur Antwort, "so sollte das Kind aussehen. Aber bersieh nicht, Brun, da auch sie das Totem eines Mannes hat. Darum vielleicht entspann sich so ein harter Kampf. Es kann sein, da der Hhlenlwe an dem neuen Leben teilhaben wollte. Es kann sein, da das, was sie uns bedeutet hat, so abwegig nicht ist. Ich mu noch in mich gehen und mit den Geistern sprechen." "Aber das Kind ist dennoch migestaltet?" hob Brun fragend die Hand. "So geschieht es oft, wenn das Totem einer Frau nicht klein beigeben will. Das bewirkt ein schwereres Gebren und ein migebildetes Kind", gab der Mog-ur zurck. "Mich wundert mehr, da das Kind mnnlich ist. Wenn das Totem einer Frau sich widersetzt, wird das Kind gewhnlich weiblich. Aber wir haben das Kind noch nicht gesehen. Vielleicht sollten wir es uns anschauen." Brun zauderte. Warum die Frau nicht gleich verfluchen und das Kind wegschaffen lassen? Da Ayla vorzeitig zurckgekehrt war und bitter bereut hatte, war Balsam fr Bruns verletzten Stolz gewesen. Doch noch war der Zorn des Clan-Fhrers nicht beschwichtigt. Wegen dieser Frau htte er fast das Gesicht verloren; und es war nicht das erstemal, da er durch sie Schwierigkeiten mit der berlieferung und mit Broud bekommen hatte. Und was wrde sie als nchstes tun? Und das Miething des Gro-Clans stand nahe bevor. In der letzten Zeit hatte Brun sich hufig vor Augen gehalten, was es wohl ausmachte, wenn sein Clan zum Miething mit einer Frau eintraf, die den anderen geboren war. Und rckblickend fragte er sich, wie es wohl gekommen war, da er schon so viele unclanmige Entscheidungen getroffen hatte. Dann, wenn er sie getroffen hatte, war ihm, dem Clan-Brauch nach, noch alles vertretbar erschienen. Doch insgesamt gesehen sprengten sie die eng abgesteckten Grenzen der Gebruche des Clans. Ayla war ungehorsam gewesen; sie mute bestraft werden. Und wenn er den unbefristeten Todesfluch ber sie verhngte, wrde er mit einemmal all seine Sorgen los sein. Doch der Todesfluch bedrohte auch den Clan. Schon einmal hatte er seine Leute Aylas wegen den bsen Geistern ausgesetzt. Doch ihre vorzeitige Rckkehr aus freien Stcken hatte ihn vor groer Schande bewahrt; Iza mochte wohl recht haben: Ayla hatte vor Schreck und Schmerz vorbergehend den Kopf verloren. Und er selbst hatte Iza dargelegt, da er eine Bitte, das Kind am Leben zu lassen, nicht rundheraus abgeschlagen htte, wre er frher mit einbezogen worden. Und nun hatte sich Ayla in seine Hnde begeben. Sie war gekommen, obwohl sie wute, was fr eine Strafe ihr drohte, und sie hatte um das Leben ihres Kindes gebeten. Wenigstens ansehen sollte man es. Brun traf nicht gern einen schnellen Entscheid. Er wies Ayla an, sich in Crebs Wohnkreis zurckzuziehen, stand auf und stampfte davon. Ayla warf sich in Izas weit geffnete Arme. Und wenn sie jetzt sterben mute, wenigstens einmal noch hatte sie die Frau gesehen, die ihr zur Mutter geworden war. "Ihr habt alle das Kind betrachten knnen", bedeutete Brun. "Es fiegt mir sehr am Herzen, zu wissen, wie ihr die Sache seht. Verhnge ich den Todesfluch ber die Frau, wird der Clan wiederum den bsen Geistern preisgegeben, und das tue ich nicht gern. Findet ihr das Kind annehmbar, so kann ich die Mutter nicht verfluchen. Und ohne sie wird eine andere Frau es zu sich nehmen mssen. Es wird mit einem von denen unter euch leben mssen, dessen Gefhrtin ein Kind hat, das noch nicht der Brust entwhnt ist. Wird es dem Kind erlaubt, am Leben zu bleiben, so sollte die Strafe fr Ayla weniger hart sein. Wenn diese Nacht hinter uns liegt, bricht der Namenstag an; ich mu bald einen Entscheid treffen, und der Mog-ur braucht Zeit, um alles fr den Todesfluch zu richten, wenn das ihre Strafe sein sollte. Es mu getan sein, ehe die Sonne noch einmal aufgeht." "Es ist nicht nur der Kopf des Jungen, Brun", begann Crug. Ika stillte ihr Jngstes noch, und Crug hatte keine Lust, auch noch Aylas Kind an seinem Feuer aufzunehmen. "Der sieht schlimm genug aus. Aber er kann ihn nicht einmal aufrecht halten. Sein Kopf mu immer gesttzt werden. Wie soll das werden, wenn er ein Mann ist? Wie will er jagen? Niemals wird er fr sich Nhrendes beschaffen knnen. Stets wird er dem ganzen Clan zur Last fallen." "Glaubst du, sein Hals knnte krftiger werden?" fragte Droog mit unsicherer Gebrde. "Wenn Ayla stirbt, wird sie etwas von Onas Geist mit sich nehmen. Aga ist bereit, ihren Sohn anzunehmen - ihr Herz befiehlt es ihr. Aber ich glaube, es wird ihr schwerfallen, ein migestaltetes Kind im Wohnkreis zu haben. Wenn sie dazu bereit ist, so bin ich es auch; nicht aber, wenn das Kind Brde fr den ganzen Clan sein wird." "Sein Hals ist so lang und dnn, und sein Kopf ist so gro. Ich glaube nicht, da er jemals krftiger wird und ihn gerade tragen kann", wandte Crug ein. Broud hob die Hnde. "Ich werde ihn gewi nicht an mein Feuer nehmen. Ich werde nicht einmal Oga fragen, wie sie es sieht. Er pat nicht als Geschwister ihrer Shne; er wrde ein Bruder von Brac und Grev werden, und das verbitte ich mir. Brac wird weiterleben, auch wenn sie etwas von seinem Geist mit sich nimmt. Ich begreife dein Zaudern nicht, Brun. Du warst bereit, sie zu verfluchen. Nun aber willst du sie wieder aufnehmen, weil sie vor der Zeit zurckgekehrt ist. Du bist sogar be- reit, ihren migeburtigen Sohn anzunehmen." Brouds Gebrden verrieten Bitterkeit und Zorn, als er fortfuhr: "Sie hat sich gegen dich aufgelehnt, indem sie floh. Gewi, sie ist zurckgekehrt. Aber ihr Ungehorsam bleibt bestehen. Wie kannst du da noch zaudern? Das Kind ist migeburtig und mu weggeschafft werden, und sie gehrt verflucht. Wre ich Clan-Fhrer, so wre sie schon lngst verflucht. Sie ist ungehorsam, sie ist aufsssig, sie bringt die anderen Frauen vom Pfad der Clan-Tugenden ab. Merkst du nicht, da auch Iza sich eigenmchtig verhalten hat?" Broud hatte eine flammende Wut in den Hnden. "Sie mu verflucht werden, Brun. Wie kannst du davor die Augen verschlieen? Bist du blind? Sie war nie zu etwas ntze. Wre ich Clan-Fhrer, ich htte sie niemals in den Clan aufgenommen. Wre ich Clan-Fhrer ..." "Du bist es aber noch nicht, Broud", zerhackte ihm Brun mit kalter Gebrde die Anklage. "Und nie wirst du Clan-Fhrer werden, wenn du weiter unfhig bist, dich zu bezwingen. Sie ist nur eine Frau, Broud. Wie kommt es, da du dich von ihr bedroht fhlst? Was kann sie dir anhaben? Sie mu dir gehorchen, sie kann und darf nicht anders. Was ist das fr ein Clan-Fhrer, der so heftig darauf brennt, einer Frau den Tod zu geben, da er sogar bereit ist, dafr den ganzen Clan in Gefahr zu bringen?" Mit Mhe hielt Brun seine Unbeherrschtheit zurck. Es war genug. Viel mehr konnte er vom Sohn seiner Gefhrtin nicht hinnehmen. Die Mnner waren bestrzt und hatten die Kpfe eingezogen. Ein offener Zwist zwischen dem Clan-Fhrer und dem, der ihm nachfolgen sollte, war beunruhigend und lie das schlimmste befrchten. Broud hatte seine Grenzen berschritten, gewi, doch sie waren an seine Ausbrche gewhnt. Brun war es, der Beklommenheit in den Mnnern auslste; nie zuvor hatten sie den Clan-Fhrer so ungehalten gesehen. Und nie zuvor hatte er so offen angezweifelt, da Broud ihm als Clan-Fhrer folgen wrde. Einen ewigkeitwhrenden Augenblick lang verkeilten sich die Blicke der beiden Mnner. Dann senkte Broud die Lider. Nun, da die drohende Schande abgewendet war, ruhte Brun wieder fest in sich selbst. Er war der Clan-Fhrer und nicht bereit, diesen Platz zu rumen, solange es ging. Broud kmpfte Ohnmacht und bittere Wut nieder und schluckte schwer. Er gibt ihr immer noch sein Wohlwollen, dachte er grimmig. Wie kann er das nur tun? Ich bin der Sohn seiner Gefhrtin, und sie ist nur eine hliche Frau. Als er nach einer Weile wute, da seine Hnde eine ruhige Rede fhren konnten, meldete er sich. "Es*schmerzt mich", hob er an, "dem Clan-Fhrer meine Meinung so unklar dargelegt zu haben, da es ihn verwirrte. Mir liegen die Mnner am Herzen, die ich eines Tages rhren soll, wenn du mich fr fhig erachtest, sie zu fhren. Aber wie kann ein Mann jagen, dessen Haupt wacklig auf seinem Hals sitzt?" Scharf und zornig blickte Brun auf den jungen Mann. Das, was seine Hnde sagten, pate nicht zu dem, wie er den Krper hielt und das Gesicht verzog. Brouds ausnehmend unterwrfige Haltung barg bitteren Hohn; und das reizte den Clan-Fhrer weit mehr als offenes Aurbegehren, denn Broud bemhte sich, seine Gefhle zu verbergen, und Brun sprte das. Doch der Erste im Clan schmte sich, da er selbst aus der Haut gefahren war, und sah klar, da dieses die abschtzigen Angriffe hervorgerufen hatte, mit denen Broud sein Urteilsvermgen in Frage stellte. "Du hast uns klar genug gezeigt, wie du die Sache siehst, Broud", antwortete Brun hlzern. "Ich verschliee nicht meine Augen davor, da das Kind fr den Clan-Fhrer, der mir nachkommt, eine drckende Last sein wird. Dennoch liegt der Entscheid bei mir. Ich werde tun, was mir am besten dnkt zu tun. Ich habe nicht bedeutet, da ich das Kind annehmen werde, Broud, und auch nicht, da die Frau vom Fluch verschont sein wird. Meine Sorge gilt dem Clan, nicht dieser Frau oder ihrem Kind. Der Todesfluch kann alle in Gefahr bringen; verweilende bse Geister knnen Unheil stiften, um so mehr, als sie schon einmal in die Hhle gelassen wurden. In meinen Augen ist das Kind allzu migestaltet, um am Leben bleiben zu knnen. Aber das sieht Ayla nicht. Sie kann es nicht sehen. Es kann sein, da ihr Wunsch, ein Kind zu haben, sie blind geinacht hat. Als sie zurckkehrte, flehte sie mich an, den Todesfluch ber sie zu verhngen, wenn das Kind nicht angenommen wird. Ich habe euch zu Rate gezogen, weil ich wissen will, ob einem unter euch an dem Kind etwas aufgefallen ist, das mir entgangen sein knnte. Ich kann den Entscheid ber den Todesfluch nicht leichten Herzens treffen." Brouds ohnmchtige Wut legte sich ein wenig. Vielleicht ist es doch nicht so, da Brun ihr mehr Wohlwollen gibt als mir, dachte er. "Du hast recht, Brun", bereute er zerknirscht. "Der Clan- Fhrer sollte die Gefahren ins Auge fassen, die dem Ganzen drohen. Ich bin dankbar, von einem so weitsichtigen Clan-Fhrer lernen zu knnen." Brun sprte, wie das angespannte Herz sich dehnte und wieder ruhiger schlug. Niemals hatte er auch nur im Ernst daran gedacht, Broud zu verstoen. Er war ja der Sohn seiner Gefhrtin, das Kind seines Herzens. Es ist nicht immer leicht, sich selbst zu zwingen, dachte er, sich seiner eigenen Gereiztheit erinnernd. Broud fllt es nur ein wenig schwerer als den meisten, aber er bessert sich. "Ich freue mich, da du es auch so siehst wie ich, Broud. Wenn du der Clan-Fhrer bist, ist es an dir, fr Sicherheit und Wohl des Clans zu sorgen." Damit lie Brun den Sohn seiner Gefhrtin nicht nur wissen, da er ihn noch immer als Nachfolger betrachtete; er nahm vor allem den brigen Jgern das unbehagliche Gefhl, die Clan-Fhrung knnte zerfallen. Sie waren nun sicher, da alles so geschehen wrde, wie der Clan-Brauch es vorschrieb. "Gerade das Clan-Wohl ist es, das mir so sehr am Herzen liegt", versicherte Broud. "Ich will keinen Mann in meinem Clan haben, der nicht jagen kann. Wozu wird Aylas Sohn jemals taugen? Ohne ihn und ohne sie sind wir besser dran. Ayla hat sich dem Clan-Gebot widersetzt. Ihr Sohn ist migeburtig. Beide sollten sterben." Rundum wurde knurrend zugestimmt. Brun merkte die Unaufrichtigkeit in dem, was Broud darlegte, aber er ging nicht darauf ein. Und wie der Clan-Fhrer alle seine Mnner ansah, sprte er, da auch er jetzt htte zustimmen mssen; doch irgend etwas hielt ihn davon ab. Es ist das Richtige, dachte er. Von Anfang an hat sie mich in Bedrngnis gebracht. Gewi, Iza wird es schwer nehmen, aber ich habe nicht versprochen, die Mutter oder das Kind zu schonen. Ich habe ihr nur zugesagt, da ich mit mir zu Rate gehen werde. Wer htte denn erwartet, da sie zurckkehrt? Denn das ist es ja gerade, was mich stets so in VerdrkkUng bringt, da ich nie wei, was man von ihr erwarten kann. Wenn der Schmerz Iza schwcht und krank macht, dann ist noch Uba da. Sie ist ein Zweig von Izas Stamm, und beim Mie-thing des Gro-Clans knnen andere Medizinfrauen sie in die Lehre nehmen. Brun starrte noch immer vor sich hin und hatte die Stirn in tiefe Falten gelegt. Wenn jener Teil von Bracs Geist, den Ayla in sich trgt, mit ihr stirbt, verlieren wir dann wirklich so viel von ihm? Broud ist nicht bang davor; warum bedrckt es mich? Broud hat recht. Sie verdient die hrteste Strafe. Allzu heftig ein Kind zu lieben ist nicht recht. Sie sieht nicht einmal, da ihr Sohn migestaltet ist. Sie mu blind sein. Der Schmerz hat ihr den klaren Blick geraubt. Ist es mglich, da zu gebren solche furchtbaren Schmerzen nach sich zieht? Mnner haben schon Schlimmeres erlitten. Manche sind mit klaffenden Wunden von der Jagd zurckgekehrt. Wie weit sie wohl gegangen sein mag? Die Hhle, wo sie hinfloh, kann eigentlich so fern nicht sein. Ayla war ja viel zu schwach, als sie geboren hatte, um einen weiten Weg zu wandern. Aber wie kommt es, da wir sie nicht fanden? Und wenn ich ihr erlaube, am Leben zu bleiben, dann mu ich sie zum Miething mitnehmen. Was wrden die Leute von den anderen Clans fr Augen machen? Und noch schlimmer wre es, wrde ich dem Krppelkind das Leben lassen. Also gut. Sie wird verflucht, und er wird weggeschafft. Das ist das Richtige. Alle sehen es so. Mag sein, da auch das Leben mit Broud wieder leichter wird. Mag sein, da er sich dann besser bezwingen kann. Er ist ein unerschrockener Jger; er wird ein guter Clan-Fhrer werden. Schon um Brouds willen sollte er es tun. Es ist das Richtige, nickte Brun sich selbst zu, ja, es ist das Richtige. Dann hob er den Kopf. "Ich habe meine Entscheidung getroffen", teilte Brun mit. "Morgen ist der Namenstag. Beim ersten Licht, noch ehe die Sonne sich zeigt..." "Brun!" unterbrach ihn der Mog-ur und fuhr mit der Hand zwischen des Clan-Fhrers Rede. Er hatte an der Beratung der Mnner nicht teilgenommen. Keiner hatte ihn seit der Geburt von Aylas Kind viel zu Gesicht bekommen. Die meiste Zeit hatte er in der Zauberhhle gesessen, tief in sich versunken, und ergrndet, was Ayla zu solchem Tun getrieben hatte. Er wute, wie hart es sie angekommen war, sich in den Clan-Brauch einzufgen, und er glaubte, da es ihr gelungen war. Der Mog-ur war berzeugt, da es nicht Ungehorsam war, der Ayla hatte unclanmig handeln lassen, sondern etwas, das er noch nicht gesehen hatte. "Ehe du dich festlegst, Brun, wnscht der Mog-ur zu sprechen." Brun starrte den Zauberer an, dessen Gesicht unergrndlich war wie immer. Was kann er vorbringen, das ich bersehen habe? Ich habe mich entschlossen, sie zu verfluchen, und er wei es. "Der Mog-ur mge sprechen", bedeutete er. "Ayla hat keinen Gefhrten, aber ich habe ihr stets Schutz und Nhrendes zuteil werden lassen. Sie ist mir anvertraut. Wenn du gestattest, will ich als Gefhrte fr sie eintreten." "Tu das, Mog-ur, aber was kannst du noch dazugeben? Ich habe alles in Betracht gezogen. Aber was geschehen ist, ist geschehen und lt sich nicht mehr ndern. Sie hat sich wiederum gegen den Clan-Brauch aufgelehnt. Und die Mnner sind nicht bereit, ihr Kind anzunehmen. Broud hat uns klar vor Augen gestellt, da Mutter wie Kind das Leben zu nehmen ist." Der Mog-ur stemmte sich mhsam hoch, richtete sich auf und warf seinen Stock zur Seite. Er war der groe, brenfellige Mog-ur, der mchtigste Zauberer aller Clans, der Mittler zwischen den Welten, der Ehrfurcht gebietende Beschtzer der Erdlinge vor dem Bsen. Er war es, der mutig und selbstlos den Unsichtbaren entgegentrat, die weit furchtbarer waren als jedes reiende Tier, das man kannte, jenen Mchten, die den tapfersten Jger in einen zitternden Feigling verwandeln konnten. Unter den Mnnern war keiner, der sich nicht sicherer fhlte in dem Wissen, da er der Zauberer seines Clans war; keiner, der nicht irgendwann einmal in seinem Leben tiefe Furcht vor seiner Macht und seiner Zauberkraft gesprt htte; und nur einer, Goov, der es wagen konnte, daran zu denken, eines Tages seinen Platz einzunehmen.. Der Mog-ur allein stand mchtiglich zwischen den Mnnern des Clans und dem schrecklichen Nichts, das nur zu ahnen war, und wurde durch den vertrauten Umgang mit dem Nichts, das nur er durchdenken konnte, zu einem Teil von ihm. Dies legte einen unheimlichen Schein um ihn, der auch zu strahlen schien, wenn er von seiner Zaubersttte in den Wohnkreis trat. Selbst dort, an seiner Feuersttte, galt er den Clan-Leuten mehr als nur einer von ihnen. Er war der Mog-ur, der das Wissen hatte, das ihnen auf ewig verschlossen war. Als der Zaubermann nun seinen Blick von einem zum anderen wandern lie, war nicht einer unter ihnen, dem nicht pltzlich mit qulender Bangnis zu Kopfe kam, da die Frau, die sie alle fr sich schon zum Tode verurteilt hatten, an seiner Feuersttte lebte. Sein Blick traf zuerst Brun und durchbohrte ihn. "Der Gefhrte einer Frau darf fr das Leben eines migestalteten Kindes sprechen. Ich bitte dich, Aylas Sohn das Leben zu lassen, und um seinetwillen bitte ich dich, auch ihr Leben zu verschonen." All,das, was Brun sich vor kurzem erst als Grund, die beiden am Leben zu lassen, zurechtgelegt hatte, schien pltzlich weit mehr Gewicht zu gewinnen; all das, was fr ihren Tod sprach, schien unbedeutend. Fast htte er allein aufgrund von Crebs Bitte seine Zustimmung gegeben. Doch er war der Clan-Fhrer. So leicht konnte er vor all seinen Jgern nicht rckfllig werden. Obwohl es ihn stark verlangte, der bezwingenden Kraft des mchtigen Zaubermannes nachzugeben, blieb er fest. Als der Mog-ur den Ausdruck steinerner Entschlossenheit gewahrte, der dem Augenblick der Unschlssigkeit folgte, schien er sich vor den Augen aller zu verwandeln. Jh fiel alles Zauberhafte von ihm ab. Er wurde ein verkrppelter alter Mann in einem Brenfell, der sich auf seinem heilen Bein nur mhsam aufrecht hielt. Und als er redete, tat er es mit den gewhnlichen Gebrden und den kurzen, knurrenden Lauten des tglichen Umgangs. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck der Entschlossenheit, und dennoch wirkte es seltsam verletzlich. "Brun, seit dem Tag, an dem Ayla gerunden wurde, hat sie an meinem Feuer gelebt. Ihr werdet alle mit mir einig sein, da Frauen und Kinder in dem Mann, dessen Feuer sie teilen, ein Vorbild sehen. So wie dieser Mann, glauben sie, mssen alle Mnner sein. Und ich war Aylas Vorbild. An mir hat sich ihre Vorstellung, wie ein Mann sein mu, geformt. Ich bin migestaltet, Brun. Ist es so befremdlich, da eine Frau, die am Feuer eines migeburtigen Mannes aufgewachsen ist, ihr eigenes Krppelkind nicht als migestaltet sehen kann? Mir fehlen ein Auge und ein Arm. Die eine Seite meines Krpers ist verkmmert. Ich bin nur ein Zerrbild von einem Mann, aber Ayla hat mich immer als einen ganzen Mann gesehen. Der Krper ihres Sohnes ist wohlgebildet. Er hat zwei Augen, zwei heile Arme, zwei heile Beine. Wie sollte sie an ihm etwas Migebildetes erkennen? Mir war es aufgegeben, sie zu unterweisen. Wenn sie fehlte, dann bin ich zu tadeln. Ich habe ihrer Eigenart, die sich dem Clan-Brauch stets entzog, nicht geachtet. Ich brachte sogar dich dazu, sie hinzunehmen, Brun. Ich bin der Mog-ur. Du vertraust darauf, da ich dir die Wnsche der Geister bermittle, und du vertraust meinen Weisungen auch in anderen Dingen. Ich glaube nicht, da wir falsch handelten. Manchmal war es schwer fr Ayla, alles zu ertragen, und ich nahm an, sie wre eine gute Frau geworden und htte sich den Brauch des Clans zu eigen gemacht. Jetzt sehe ich, da ich zu milde mit ihr war. Ich habe ihr nicht klar genug gemacht, was hier von ihr erwartet wird. Ich habe sie selten zurechtgewiesen, nie geschlagen und sie hufig ihre eigenen Wege gehen lassen. Jetzt mu sie durch mein Sumen sterben. Aber, Brun, ich konnte nicht hrter zu ihr sein." Creb sah seinen Bruder scharf an, als er fortruhr: "Nie habe ich eine Gefhrtin genommen. Ich htte eine whlen knnen, und sie htte mit mir leben mssen, doch ich tat es nicht. Und wit ihr, warum? Brun, hast du nur einmal bemerkt, wie die Frauen mich anschauen? Hast du gesehen, wie sie mir aus dem Weg gehen? Ich hatte auch meine Lendenlust, als ich jung war, aber ich lernte, sie zu bezwingen, denn die Frauen wandten mir den Rcken zu, um nicht sehen zu mssen, da ich ihnen ein Zeichen gab. Niemals htte ich meinen Krppelkrper einer Frau aufgezwungen, die sich bei meinen Anblick voller Abscheu zeigte. Aber Ayla hat sich niemals von mir abgewandt. Vom ersten Tag an kam sie mir entgegen und berhrte mich. Sie hatte keine Angst vor mir und zeigte keinen Abscheu. Sie gab mir ihre Liebe und ffnete mir ihr Herz. Wie htte ich sie schelten knnen, Brun? Seit meiner Geburt habe ich in diesem Clan gelebt, doch habe ich das Jagen nie gelernt. Wie knnte auch ein Krppel jagen? Ich war eine Last, ich wurde verspottet, ich wurde eine Frau genannt. Jetzt bin ich der Mog-ur, und keiner spottet meiner, aber eine Feier zum Mann wurde fr mich niemals gehalten. Ich bin nicht einmal das Zerrbild eines Mannes, Brun. Ich bin berhaupt kein Mann. Nur Ayla gab mir ihre Liebe - nicht dem Zauberer, sondern mir, dem Erdlings-Mann. Und mich sah sie als Ganzes. Sie nahm ich in mein Herz als das Kind der Gefhrtin, die ich niemals hatte." Creb schttelte den Umhang ab und streckte den Armstumpf aus, den er sonst niemals zeigte. "Brun, sieh her, dies ist der, den Ayla als ganzen Mann sah. Dies ist der Mann, der ihr zum Vorbild wurde. Dies ist der Mann, den sie liebt und an dem sie ihren Sohn nun mit. Sieh mich an, mein Bruder! Verdiente ich zu leben? Verdient Aylas Sohn weniger zu leben?" Im trben Zwielicht der Morgendmmerung versammelten sich die Clan-Leute vor der Hhle. Ein feiner Regen, der wie Dunst in der Luft hing, warf einen Schimmer ber Felsen und Bume und sammelte sich in den Haaren und Barten der Leute. Zarts Wasserfden, die von den nebelverhllten Gipfeln herabkrochen, versponnen sich in den Hangmulden, und dicht wogende Schwaden verbargen die Ebene. Ayla lag wach auf ihrem Schlafpelz in der dsteren Hhle und sah zu, wie Iza und Uba sich leise am Feuer zu schaffen machten, frisches Holz auflegten und Wasser wrmten fr den Morgentrunk. Ihr Kind schlief noch. Sie aber hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Bald war die erste helle Freude, Iza nun doch noch wiederzusehen, finsterer Verzweiflung gewichen. Kein Mitteilen wollte zustande kommen, und so hatten die zwei Frauen und das Mdchen fast den ganzen langen Tag ber dumpf und reglos am Feuer gehockt und das, was sie empfanden, einander nur mit angstvollen Blicken mitgeteilt. Creb hatte den Wohnkreis seiner Feuersttte den ganzen Tag nicht betreten; einmal jedoch fing Ayla einen Blick von ihm auf, als er aus der Zauberhhle humpelte, um sich zu den Mnnern zu begeben, die in Beratung beieinander saen. Er hatte sich hastig abgewandt, doch sie hatte den warmen Ausdruck von Liebe und Mitleid in seinem Auge wohl gesehen. Ayla und Iza tauschten einen ngstlich-ahnungsvollen Blick, als sie Creb in die Hhle der Geister eilen sahen, nachdem er weit hinten in der Hhle lang mit Brun zusammengesessen hatte. Der Clan-Fhrer hatte seinen Entscheid getroffen, und Creb mute nun den Zauber richten. Iza brachte Ayla den Morgentrunk in dem vertrauten Becher, der ihr nun schon so lange gehrte, und setzte sich still neben sie. Dann kam Uba, aber auch sie fand keine Zeichen der Ermutigung oder des Trostes. "Fast alle sind drauen. Wir mssen gehen", bedeutete Iza und nahm Ayla den Becher aus den Hnden. Ayla stand auf. Sie wickelte ihren Sohn in das Tragfell, nahm ihren Pelzumhang vom Schlaflager und warf ihn sich ber die Schultern. Wasser schimmerte in ihren Augen. Sie sah erst Iza an, dann Uba. Verzweifelt schrie Ayla auf und umfate die beiden. Alle drei schmiegten sich in schmerzlicher Umarmung aneinander. Dann ging Ayla aus der Hhle. Sie hielt den Kopf gesenkt, und als ihr Auge hier und dort den Abdruck einer Ferse oder die verwischten Umrisse von Fen wahrnahm, beschlich sie das unheimliche Gefhl, es wre wie damals. Und sie folgte Creb dem Tod entgegen. An jenem Tag htte er mich fr ewig verfluchen sollen, dachte sie. Ich wurde geboren, um verflucht zu werden. Warum denn sonst mu ich das noch einmal erleiden? Doch heute werde ich in die Welt der Schattengeister gehen. Ihren Sohn drckte sie fester an sich. Ich kenne eine Pflanze, die uns beiden den tiefsten Schlaf bringt, den es gibt, aus dem wir niemals wieder erwachen werden. Und gemeinsam wandern wir dann in der nchsten Welt. Vor Brun lie sie sich zu Boden sinken und starrte auf die Fe in den schmutzigen Hllen. Es begann heller zu werden; bald wrde sich die Sonne zeigen. Brun mu schnell machen, dachte sie und sprte kurz seine Hand auf ihrer Schulter. Langsam hob sie den Kopf und blickte in des Clan-Fhrers brtiges Gesicht. "Frau", fing er an und hob streng die Hand, "du hast gegen das Clan-Gebot verstoen und mut dafr bestraft werden." Ayla neigte den Kopf. Was er da deutete, war richtig. "Ayla, Frau dieses Clans und aller Clans, du bist verflucht. Keiner soll dich sehen, keiner soll dich hren. Du hast ab heute gesondert von allen zu leben und darfst einen vollen Mond lang nicht den Wohnkreis dessen, der dich schtzt und nhrt, verlassen." Unglubig starrte Ayla in das unbewegte Gesicht des Clan-Fhrers. Das war der Frauenfluch, nicht der Todesfluch! Sie hatten sie nicht verstoen; sie hatten sie nur auf einen Mond verbannt. Was tat es ihr, da keiner im Clan whrend dieser Tage von ihrem Dasein Kenntnis nehmen wrde. Hatte sie doch Iza und Uba und Creb. Und danach konnte sie in den Clan zurckkehren und war wieder wie jede andere Frau. Doch Brun hatte noch nicht geendet. "Des weiteren ist es dir verboten, auf die Jagd zu gehen, geschweige der Jagd auch nur mit Wort oder Geste Erwhnung zu tun, von nun an bis zu der Zeit, wo wir vom Miething zurckkehren werden. Bis zu jenem Tag, an dem die Bltter von den Bumen fallen, ist es dir untersagt, nach eigenem Willen umherzustreifen. Ziehst du aus, um heilende Krauter und Pflanzen zu sammeln, so lt du es mich wissen und kehrst ohne Verzug zurck. Stets wirst du um Erlaubnis fragen, ehe du die Clan-Hhle verlt. Und du wirst mir zeigen, wo sich die Hhle befindet, in der du dich versteckt gehalten hast." "Ja, ja, wie du es wnschst", nickte Ayla eifrig. Ihr war, als schwebte sie auf einer leuchtenden Wolke. So leicht und froh war ihr ums Herz geworden. Doch die harte Hand des Clan-Fhrers zerschlug schnell ihre hohe Stimmung. "Noch offen bleibt die Frage nach deinem migestalteten Sohn, der dich in deinen Ungehorsam hineingetrieben hat. Nierwis wieder sollst du versuchen, einen Mann oder gar einen Clan-Fhrer zu zwingen, gegen seinen Willen zu handeln. Keine Frau soll je versuchen, einen Mann zu zwingen", schlo Brun und gab dann ein Zeichen. Verzweifelt drckte Ayla ihr Kind an sich und blickte dorthin, wo Bruns Blick dem ihren vorausflog. Sie wrde sich ihren Sohn nicht nehmen lassen. Da sah sie den Mog-ur aus der Hhle hinken. Als er sein Brenfell zur Seite warf und sie die rote Schale erkannte, die er fest unter dem Stumpf seines Armes eingeklemmt hielt, gingen ihr fast die Augen ber vor Freude und Erleichterung. Zgernd wandte sie sich Brun zu, als wagte sie nicht, ihren Augen zu trauen. "Aber eine Frau kann bitten", verkndete Brun mit ruhiger Geste. "Der Mog-ur wartet, Ayla. Dein Sohn mu einen Namen haben, wenn er ein Glied des Clans sein soll." Ayla sprang auf und strzte zum Mog-ur hin. Sie nahm ihr Kind aus dem Tragfell, sank vor dem Zauberer zu Boden und hielt ihm das Kind entgegen. Einen Namen! Sie hatte nicht einmal an einen Namen gedacht, hatte sich nicht einmal gefragt, was fr einen Namen Creb fr ihren Sohn whlen wrde. Mit den heiligen Zeichen rief der Mog-ur die Geister der To-tems herbei, tauchte dann die Hand in die Schale. "Durc", verkndete er laut, um das Geschrei des Kindes zu bertnen. "Der Name dieses Jungen sei Durc", und zog von der Stelle aus, wo sich die Brauenwlste des Kindes trafen, eine rote Linie bis zur Spitze der kleinen Nase. "Durc", wiederholte Ayla und zog das Kind an sich, um es zu wrmen. Durc, dachte sie, wie der Durc aus Dorvs Geschichte. Creb wei, da ich sie immer am liebsten gehabt habe. Es war kein gelufiger Name, und viele waren verwundert. "Durc", knurrte Brun. Er war der erste, der an ihr vorberzog. Ayla glaubte, in den Augen des strengen, stolzen Clan-Fhrers einen Schimmer von Wrme zu sehen. Die meisten Gesichter verschwammen ihr hinter einem Schleier von Trnen. So sehr Ayla sich auch mhte, sie konnte sie nicht unterdrcken und hielt deshalb den Kopf gesenkt, ihre feuchten Augen zu verbergen. Ich kann es nicht glauben, dachte sie, ich kann es nicht glauben. Ist es denn wirklich geschehen? Du hast einen Na- men, mein Sohn? Brun hat dich angenommen? Und ich trume auch nicht? Pltzlich sah sie den wundersam geformten funkelnden Stein vor sich, den sie an der kleinen Hhle gefunden hatte. Es ist ein Zeichen gewesen. Ein Zeichen des groen Hhlenlwen. "Durc", hrte sie Iza sagen und blickte auf. Das Gesicht der Frau strahlte. "Durc", sagte Uba und fgte mit rascher Bewegung hinzu: "Ich bin so froh." "Durc", das klang hhnisch. Ayla sah auf und erkannte Broud, der sich eben abwandte. Die seltsamen Gedanken fielen ihr ein, die ihr durch den Kopf gegangen waren, als sie in der kleinen Hhle gesessen hatte; die junge Frau begann zu zittern. Das stumme Ringen zwischen Brun und Broud hatte sie in ihrer glcklichen Erregung nicht bemerkt. Der junge Mann war drauf und dran gewesen, dem jngsten Clan-Glied eine Anerkennung zu verweigern. Erst ein scharfer Befehl aus Bruns Augen hatte den jungen Jger dazu gebracht, sich zu beugen. Ayla sah ihm nach, als er mit geballten Fusten und strmischem Schritt sich davonmachte. ~Kapitel 21 "Iza! Iza! Schnell! Schau dir Durc an!" Ayla packte die Medizinfrau am Arm und zog sie rasch zum Eingang der Hhle. "Was ist?" wollte die Frau wissen, whrend sie hinter Ayla her rannte. "Ist ihm etwas geschehen?" "Nein, nein. Schau doch!" Voller Stolz wies Ayla auf das Kind, als sie Crebs Wohnkreis erreichten. "Er hlt seinen Kopf hoch." Der Kleine lag auf dem Bauch und sah aus groen ernsten Augen zu den beiden Frauen auf. Sein Kopf wackelte hin und her von der Anstrengung und fiel schlielich auf die weiche Pelzdecke zurck. "Wenn er es schon so frh fertig bringt, dann wird er den Kopf gewilich aufrecht halten knnen, wenn er gro ist", wandte sich Ayla mit halb fragender, halb flehender Gebrde an Iza. "Freu dich noch nicht", gab Iza zurck. "Aber es ist ein gutes Creb humpelte in die Hhle. Sein Auge zeigte die groe Leere, die es stets hatte, wenn er ganz in sich selbst versunken war. "C(eb!" rief Ayla und lief ihm entgegen. Beinahe erschrocken blickte der Mog-ur auf. "Durc hat seinen Kopf hoch gehalten. Iza hat es gesehen." Die Medizinfrau besttigte es freudig. "Hrrm", knurrte Creb. "Wenn er nun so krftig wird, dann ist es wohl an der Zeit", bedeutete er. "An der Zeit?" "Ich habe mich mit den Geistern zusammengetan. Ich glaube, wir sollten die Totemfeier fr ihn halten. Er ist noch ein wenig jung, aber die Zeichen, die mir gegeben wurden, kann ich nicht bersehen. Sein Totem hat sich mir offenbart. Es wird gut sein, wenn wir nicht lnger warten. Es mu getan werden, ehe wir zum Miething des Gro-Clans aufbrechen. Unheil kann ber ihn kommen, wenn er fortzieht und sein Totem kein Heim hat." Als Crebs Blick auf die Medizinfrau fiel, brachte ihn das auf einen anderen Gedanken. "Iza", wandte er sich fragend an sie, "hast du ausreichend Wurzeln fr die Feier? Ich wei nicht, wie viele Clans sich einfinden werden. Trage Sorge, da du ausreichend Wurzeln bei dir hast." "Ich werde nicht mit euch ziehen, Creb", bedeutete ihm Iza enttuscht. "So weit kann ich nicht laufen. Ich mu hierbleiben." Nein, dachte er, Iza kann wirklich nicht mit uns ziehen. Wo habe ich auch nur meine Augen gehabt. Sie ist zu schwach. Wie mager sie ist und fast ganz wei. Schon als das letzte Mal die Bltter fielen, schien es, als wrde sie uns verlassen. Wie all das sie wohl wieder auf die Beine gebracht hat? Was aber wird aus der Feier? Nur die Frauen von Izas Stamm kennen das Geheimnis des Zaubertranks. Uba ist zu jung. Es mu eine Frau sein. Ayla! Ja, Ayla. Iza kann sie darin unterweisen, ehe wir aurbrechen. Es ist wirklich an der Zeit, da sie zur Medizinfrau erhoben wird. Creb musterte die junge Frau, als diese sich bckte, um ihr Kind hochzuheben. Und pltzlich sah er sie mit khlerem Blick als vorher. Werden die Leute der Nachbar-Clans sie auch annehmen? Er versuchte, Ayla so zu sehen, wie sie die Nachbarn sehen wrden. Das sonnenhelle Haar hing ihr lose um das flache Gesicht, seitlich hinter die Ohren gestrichen, so da die gewlbte Stirn deutlich hervortrat. Ihr Krper war der einer Frau, doch gro und schlank, und ihre Beine standen hoch und gerade, und wenn sie aufrecht ging, berragte sie ihn um einiges. Sie sieht nicht aus wie die Frauen des Clans, dachte er. Alle werden sie anstarren, die meisten, frchte ich, mit Mitrauen. Mag sein, da wir die Feier gar nicht halten knnen. Mag sein, da die anderen Mog-urs den Trank nicht annehmen wollen, wenn Ayla ihn bereitet. Aber versuchen will ich es. Wre nur Uba ein wenig lter. Iza soll beide unterweisen, wenn ich auch nicht glaube, da die anderen ein Mdchen eher annehmen als eine Frau, die nicht im Gro-Clan geboren wurde. Ich will mich mit Brun beraten. Wenn wir die Geister zu uns rufen, damit sie das Totem offenbaren, werden wir Ayla zugleich zur Medizinfrau erheben. "Ich gehe zu Brun", bedeutete Creb kurz und machte sich auf den Weg zum Wohnkreis des Clan-Fhrers. Er wandte sich noch einmal nach Iza um. "Zeige Ayla und Uba, wie der Trank bereitet wird", befahl er mit knapper Gebrde. "Ob es Nutzen hat, wei ich nicht." "Iza, ich finde die Schale nicht, die wir der Medizinfrau des Gastgeber-Clans mitbringen sollen", gab Ayla der Medizinfrau verzweifelt zu verstehen, nachdem sie Nhrendes, Pelze und Gerte durchwhlt hatte, die neben ihrem Schlafplatz aufgeschichtet waren. "Ich habe berall gesucht." "Du hast sie doch schon eingepackt, Ayla. Beruhige dich, Kind. Es ist noch Zeit. Brun wird erst aufbrechen, wenn er mit seinem Verzehr zu Ende ist. Setz dich zu mir und i etwas. Und du auch, Uba." Iza warf begtigend die Hnde hoch. "Wir haben doch schon gestern alles durchgesehen, bevor wir uns schlafen legten." Creb hockte auf einer Matte, Durc auf dem Scho, und verfolgte das aufgeregte Getue mit Erheiterung. "Sie sind nicht anders als du, Iza." Er hob den Jungen hoch und setzte ihn sich auf die Schulter. Von seinem neuen Ausguck aus blickte Durc sich neugierig um. "Schau, wie krftig sein Hals ist", bedeutete die Medizinfrau. "Es macht ihm gar keine Mhe mehr, seinen Kopf aufrecht zu halten. Ich kann es kaum glauben. Seit seiner Totemfeier ist er von Tag zu Tag krftiger geworden. Gib ihn mir. Ich kann ihn jetzt lange nicht mehr halten." "Mag sein, da der Grauwolf mich deshalb drngte, die Feier abzuhalten", erklrte Creb. "Bestimmt wollte er dem Kind helfen." Der Zauberer lehnte sich zurck und betrachtete die kleine Schar, deren Beschtzer und Nhrer er war. Wie oft hatte ihn dpr hpip Wunsch eeault, eine Familie zu haben wie all die an deren Mnner. Jetzt, wo er alt wurde, war es ihm endlich vergnnt. Er hatte sich schon mit Brun darber unterhalten, wer Durc^pter unterweisen sollte. Der Clan-Fhrer konnte es nicht zulassen, da ein Clan-Glied aufwuchs, ohne das erlernt zu haben, was es spter brauchen wrde. Brun hatte das Kind in dem Wissen angenommen, da es zunchst an Crebs Feuer aufwachsen wrde; und er fhlte sich verantwortlich fr den Kleinen. Bei der Totemfeier hatte er dann verkndet, da der Clan-Fhrer selbst es auf sich nehmen wrde, den Jungen zu unterweisen, sobald dieser krftig genug war, mit auf die Jagd zu gehen. Ayla war voller Dankbarkeit. Einen besseren Lehrer htte sie ihrem Sohn nicht wnschen knnen. Der Grauwolf ist ein gutes Totem fr den Jungen, sann Creb. Aber neugierig bin ich doch. Es gibt Wlfe, die mit dem Rudel laufen, und es gibt Wlfe, die fr sich alleine bleiben. Welcher wohl mag Durcs Totem sein? Als alles gepackt und gebndelt war, luden die junge Frau und das Mdchen sich ihre Lasten auf, und dann gingen sie alle zusammen aus der Hhle. Schnell drckte Iza den kleinen Jungen noch einmal an sich, half Ayla, ihn in die Tragdecke zu pak-ken und holte etwas aus einer Falte ihres Umhangs. "Das sollst du jetzt tragen, Ayla. Du bist die Medizinfrau des Clans", bedeutete sie der jungen Frau und reichte ihr den rot gefrbten Beutel, in dem die Zauberwurzeln verwahrt waren. "Hast du auch noch jede Handreichung vor Augen? Du darfst keine einzige auslassen. Ich wollte, ich htte es dir zeigen knnen, aber nur zum ben darf der Zaubertrank nicht bereitet werden. Er ist zu heilig, man darf ihn nur bei hohen Feiern reichen. Behalte es im Kopf, nicht die Wurzeln allein bewirken den Zauber, du mut dich selbst so sorgfltig vorbereiten wie den Trank." Uba und Ayla neigten die Kpfe, als die junge Frau die kostbare Gabe entgegennahm und in ihren Medizinbeutel steckte. Iza hatte ihr die Tasche aus Otterfell an dem Tage geschenkt, an dem Ayla zur Medizinfrau erhoben worden war. Doch wenn sie die sah, mute sie an jene andere denken, die Creb verbrannt hatte. Ayla griff zu ihrem Amulett und tastete nach dem fnften Zeichen, das sie jetzt darin trug: den kleinen Brocken lichtschwarzen Braunsteins. An dem Tag, an dem sie auserwhlt war, einen Hauch vom Geist aller Clan-Glieder und - ber den Hhlenbren - des gesamten Gro-Clans in sich aufzunehmen, war ihr Leib mit der schwarzen Salbe gezeichnet worden, die gemengt war aus zerstampftem Braunstem und heiem Fett. Nur zur Feier der hchsten Feste wurde der Leib der Medizinfrau mit diesen schwarzen Zeichen bedeckt; und nur sie durfte den schwarzen Stein in ihrem Amulett tragen. Ayla wnschte sich von Herzen, Iza wrde mit ihnen ziehen. Es machte sie unruhig, zu wissen, da die Medizinfrau zurckblieb. Allzu hufig wurde ihr ausgemergelter Leib von heftigein Husten geschttelt. "Iza, achte gut auf dich", mahnte Ayla mit bittender Gebrde, nachdem sie die Frau umarmt hatte. "Dein Husten ist schlimmer geworden." "Er ist immer schlimmer, wenn es kalt ist. Du weit es doch, wenn die Sonne scheint, wird es wieder besser mit mir. Und du und Uba habt mir solche Berge von Alantwurzeln gesammelt, da es hier gewi keine Pflanzen mehr geben wird. Sorge dich also nicht um mich", gab Iza mit beschwichtigender Hand zurck. Doch Ayla wute, da Krauter und Pflanzen die Schmerzen der Medizinfrau nur vorbergehend linderten. ber lange Zeit hinweg hatte Iza ihre Krankheit stndig damit behandelt; die Schwindsucht in ihr war zu weit gediehen, als da sie noch eine starke Wirkung haben konnten. "Geh hinaus ins Freie, wenn die Sonne scheint und gnne dir viel Ruhe", drngte Ayla. "Es wird hier nicht viel Arbeit geben. Holz und Nhrendes sind in Flle da. Zoug und Dorv knnen das Feuer unterhalten, das Tiere und bse Geister abwehren hilft. Und Aba kann das Kochen besorgen." "Ja, ja", stimmte Iza zu. "Macht jetzt schnell. Brun ist zum Aufbruch bereit." Ayla nahm ihren gewohnten Platz ganz hinten ein, whrend alle sie ansahen und warteten. "Ayla", rief Iza. "Sie knnen nicht aufbrechen, solange du nicht an deinem richtigen Platz bist", mahnte sie. Hastig eilte Ayla an die Spitze der Frauengruppe. Ihr war unbehaglich, als sie sich noch vor Ebra einreihte. Sie machte der Gefhrtin des Clan-Fhrers ein Zeichen, das um Vergebung bat, doch Ebra hatte sich lngst an ihren zweiten Platz gewhnt. Dennoch mutete es sie seltsam an, nicht Iza, sondern Ayla vor sich zu sehen; die Frage ging ihr durch den Kopf, ob sie wohl auf dem Zug zum nchsten Miething des Gro-Clans noch dabei Iza und die drei Leute, die zu betagt waren, um die lange Wanderung mitzumachen, begleiteten den Zug bis zum Grat. Dort"hielten sie an und blickten den Clan-Leuten nach, bis sie nur noch als kleine dunkle Punkte in der Weite der Steppe auszumachen waren. Dann kehrten sie in die de gewordene Hhle zurck. Aba und Dorv waren schon zum letzten Miething nicht mitgezogen und waren beinahe verwundert darber, da sie noch am Leben waren und noch ein zweites Treffen versumten. Iza und Zoug jedoch blieben das erste Mal zurck. Immer noch zwar streifte Zoug hin und wieder mit seiner Schleuder durch die Wlder, aber er kehrte jetzt hufiger mit leeren Hnden zurck. Dorvs Augenlicht hatte sich so getrbt, da er gar nicht mehr ausziehen konnte. Obwohl der Tag warm war, drngten sich die vier Zurckgelassenen eng um das Feuer vor der Hhle. Aber keiner hob auch nur die Hand, um ein Gesprch in Gang zu bringen. Pltzlich wurde Iza von einem Husten gepackt, der ihren ganzen Krper schttelte. Blutiger Schleim kam ihr von den Lippen. Sie lief in die Hhle und verkroch sich tief in die Schlafmulde. Bald trotteten auch die anderen herein und lieen sich stumm an ihren Feuersttten nieder. Sie ahnten, da es lange whren wrde, bis die Abwanderer wieder zurckkehrten. Unertrglich lange. Von der milden Frische des jungen Sommers, der oben im Bergland eben erst aufgeblht war, konnten die Clan-Leute in den weiten, heien Ebenen der Steppe nichts mehr spren. Statt ppig belaubter Bume und Bsche, statt Tannen und Fichten, deren neue Triebe noch im lichten Grn an Zweigen und sten leuchteten, dehnten sich hier bis ins Unendliche bereits brusthoch stehende Grser und Krauter, aus denen die Sonne das Grn schon herausgesogen hatte. Dicht verfilzte Matten vorjhrigen Wachstums polsterten den Boden und dmpften den Schritt der Clan-Leute, deren kleiner Zug sich schlangengleich durch das grngoldene Land wand. Selten trbten Wolken den grenzenlos weiten Himmel ber ihnen, es sei denn, irgendwo in der Ferne ballte sich ein Gewitter zusammen. Wasser gab es kaum. An jedem Wasserlauf machten sie halt und fllten ihre Behltnisse. Man konnte nie sicher sein, ob des Abends, wenn das Nachtlager aufgeschlagen wurde, auch Wasser in der Nhe war. Brun schlug eine Gangart ein, die auch jene mithalten konnten, die nicht so flink auf den Beinen waren, allerdings mit Anstrengung. Sie hatten einen weiten Weg bis zur Gastgeberhhle, die hoch oben in den Bergen des Festlands lag. Besonders Creb fiel es schwer, Schritt zu halten, doch die Vorfreude auf das Miething und die heiligen Feiern, die er leiten wrde, beflgelten ihn. Sein Krper mochte verkrppelt und verkmmert sein; die Krfte des Geistes des groen Zauberers beeintrchtigte das nicht. Die Wrme der Sonne und die wohlttigen Krauter, die Ayla ihm reichte, linderten die Schmerzen in seinen Gelenken, und mit der Zeit krftigte das stndige Bewegen die Muskeln selbst seines kranken Beines. Einfrmiges Gleichma von Aufstehen, Packen, sich auf den Weg machen, Rasten, Lagern, Schlafen und zwischendurch etwas essen bestimmte die Tage der Wanderer. Und mit der vorrckenden Jahreszeit steigerten sich ganz allmhlich Trockenheit und Hitze. Die wrmende Sonnenscheibe erglhte zu einem sengenden Rundfeuer, das die Steppen ausdrrte und das Flachland unter dem staubverschleierten, gelblich trben Himmel mit der lohfarbenen Eintnigkeit graubrauner Erde, strohiggelben Grases und brunlicher Felsen berzog. Doch nach drei Tagen brannten den Clan-Leuten die Augen von dem Rauch und der Flugasche eines gewaltigen Steppenbrandes, die der Wind ihnen in die Gesichter blies. Von Ferne sahen sie riesige Herden von Bisons, Hirschwild, Pferden und Halbeseln vorbeiziehen. Lange bevor sie sich dem Sumpfgebiet der Landenge nherten, die das Halbinselland mit dem Festland verband und immer wieder von der seichten Salzsee im Oberland berschwemmt wurde, konnte man weit hinten die mchtige Bergkette erkennen, deren gewaltige Gipfel, von ewigem Eis bedeckt, kalt und unangreifbar der Hitze der Steppe spotteten. Als das Flachland in sanft gewellte Hgel berging, in deren roter, eisenerziger Erde Federgras und Wiesenschwingel wachsen, wute Brun, da das Sumpfland nicht mehr weit war. Zwei Tage lang kmpften die Clan-Leute sich durch modrige, von Mckenschwrmen summende Smpfe und durch trbes, brackiges Wasser, ehe sie das Festland erreichten. Auf einen Saum niedriger Buchen- und Eichenbsche folgte schattiger Eichenwald. Dann durchzogen sie ein riesiges Baumgebiet mit Buchen, durchsetzt mit Kastanien, und gelangten zu einem gemischten Waldland aus Eichen, Buchsbaum und Eiben; an den Stmmen mchtiger Bume rankten Efeu und Klematis empor. Schlielich tauchten die Erdlinge in ein groes Gewlde aus Fichten und Tannen, in dem hier und dort auch noch Buche und Alii-irn ihrpn Plary hphaiioteten. Sie sahen Waldbisons weiden, Rotwild davonjagen und Elche vorbeitrotten; auch Wildschweine, Fchse, Dachse, Wlfe, Luch'^, Leoparden, Wildkatzen und eine Menge kleineres Getier kam ihnen unter die Augen; aber nicht ein einziges Hrnchen. Ayla hatte gleich das Gefhl gehabt, da unter diesen Tieren der Festlandberge eines fehlte. Und dann entdeckten die Clan-Leute ihren ersten Hhlenbren. Blitzschnell hob Brun die Hand, und alles hielt an. Weit streckte er den Arm aus und wies nach vorne auf den massigen, zottigen Bren, der sich den Rcken an einem Baum rieb. Alle Erdlinge waren jetzt zusammengerckt, die Frauen und Kinder in der Mitte, die Mnner im Ring auen herum. Selbst die Kinder sprten die Ehrfurcht, mit der die Clan-Leute den gewaltigen Herrscher des Waldes beugten. Selbst im Sommer, wo er vergleichsweise mager war, wog dieser Pelzriese so viel wie ber sechzig Mnner. Im Sptherbst, wenn er sich sein Winterfett angefressen hatte, war er noch massiger. Die Mnner des Clans berragte er um beinahe drei Manneslngen, und mit seinem mchtigen Kopf und dem zottigen Pelz wirkte er wie ein bermchtiger Dmon. Whrend der Br immer noch an dem Baum lehnte und sich trge den Rcken an der rissigen Rinde schabte, schien er der Erdlinge, die so dicht vor ihm angehalten hatten und ihn atemlos anstarrten, gar nicht gewahr zu werden. Gab es doch kaum ein Geschpf, das er wirklich zu frchten hatte, und andere beachtete er einfach nicht. Schon oft hatten die Clan-Leute erlebt, wie der kleinere Braunbr, der in dem Hgelland um ihre Hhle hauste, mit einem einzigen Schlag seiner pelzigen Pranke einem Hirsch das Genick brechen konnte; nicht auszudenken, wozu dann dieses gewaltige Tier fhig war. Nur ein mnnliches Tier wagte es, whrend der Brunst den Kampf mit semesgleichen aufzunehmen, oder eine Brin, die um ihre Jungen frchtete. Und sie siegte immer. Doch nicht nur die ungeheuerliche Gre des Bren hielt die Erdlinge in Bann. Dies war der Hhlenbr, ihr Totem, dessen Geist alle Clans des Gro-Clans zusammenband. Er war ihnen verwandt; in ihm war ihrer aller Geist vereinigt. Allein seine Gebeine besaen solche Kraft, da sie alles Bse abwehren konnten. Das, was sie mit ihm verband, war ein ber-Denken der eigenen Herkunft und der eigenen Art, fr die der Br das Sinnbild war. Deshalb war auch das groe Miething, zu dem zu gelangen sie schon viel Weg unter die Fe genommen hatten, von so hoher Bedeutung. Da sich diese Erdlinge den Hhlenb- ren als Einigendes vorstellten, waren ihre Clans durch ihn vereint, zum Gro-Clan nmlich - zum Clan des Bren. Jetzt aber hatte der Pelzriese sich genug gekratzt. Er reckte sich auf seine volle Hhe, trottete ein paar Schritte auf den Hinterbeinen daher und lie sich dann auf alle viere nieder. Die Schnauze am Boden tapste er lautlos davon. "War das der Hhlenbr?" fragte Uba mit zitternder Hand und weit aufgerissenen Augen. "Ja, das war der Hhlenbr", besttigte Creb. "Und wenn wir zum gastgebenden Clan kommen, wirst du noch einen sehen." "Hat dieser Clan denn wirklich einen lebendigen Bren in seiner Hhle?" wollte Ayla wissen. "Er ist so riesengro." Sie kannte den Brauch, der bestimmte, da der Clan, der das groe Miething ausrichten wrde, einen jungen Hhlenbren einzufangen und in seiner Hhle grozuziehen hatte. "Jetzt wird er wohl in einem mchtigen Pfahlverhau auerhalb der Hhle sein. Aber als der Br noch klein war, lebte er mit den Nachbar-Clan-Leuten in der Hhle und wurde grogezogen wie ein Kind. Nahrung bekam er an jeder Feuersttte, wann immer er hungrig war. Viele Clans behaupten, da ihre Hhlenbren sogar ein wenig ihrer Zeichensprache erlernten. Aber ich war jung in den Tagen, als das groe Miething in unserer Hhle abgehalten wurde. Ich wei nicht mehr viel davon und kann euch nicht bedeuten, ob es auch wirklich so gemacht wird. Wenn dann der Br grer geworden ist, wird er in einen Pfahlverhau gesteckt, damit er keinen verletzen kann; aber alle fttern ihn und streicheln ihn weiter, damit er sprt, da man ihm wohlgesonnen ist. Auf dem Fest des Bren wird er schlielich geehrt, und er wird unsere Bitten in die Welt der Geister bringen", erklrte der Mog-ur mit geduldiger Gebrde. "Und wann halten wir das groe Miething ab und ziehen bei uns einen Hhlenbren gro?" erkundigte sich Uba. "Wenn wir an der Reihe sind. Es sei denn, der Clan, dem es zufllt, vermag es nicht. Dann knnen wir uns anbieten. Aber kein Clan will bergangen sein oder unfhig, ein solches Miething auszurichten, auch wenn die Jger manches Mal weit durch das Land zu ziehen haben, um ein Brenjunges aufzuspren, selbst wenn ihnen von der Brenmutter grte Gefahr droht. Der Clan, zu dem wir geladen sind, hat groes Glck gehabt. Wo er wohnt, da hausen noch Hhlenbren. Und seine Jger haben schon anderen Clans geholfen, die heiligen Tiere zu " ' ------ u"i,io mi-it oe icpinp mehr: aber einst mssen sie dagewesen sein. Die Gebeine dieses uns durch den Geist Verwandten lagen ja in der Hhle, als wir sie entdeckten", schlo Creb. "Und was geschieht, wenn dem Clan, der ein Miething ausrichten darf, etwas zustt? Unser Clan lebt ja auch nicht mehr in der gleichen Hhle wie in frheren Tagen", ereiferte sich Ayla. "Wre es an uns, so wten die anderen Clans bestimmt nicht, wo sie uns finden sollten." Creb schttelte lchelnd den Kopf. "Doch, Ayla. Wir wrden Lufer zu unserem Nachbar-Clan schicken, dessen Hhle der unseren am nchsten ist. Und von dort wrde die Kunde weiter verbreitet werden." Gerade hatte Brun das Zeichen zum Weitergehen gegeben, und der Clan setzte sich wieder in Bewegung. Als sie zu dem Baum kamen, an dem der Hhlenbr sich am Rcken geschabt hatte, musterte Creb die Rinde mit scharfem Auge und zog ein paar Haarbschel heraus, die in der schrundigen Borke klemmten. Behutsam wickelte er sie in ein Blatt, das er mit den Zhnen hielt, und steckte das Rllchen in eine Falte seines berwurfs. Das Haar eines lebenden Hhlenbren besa einen gewaltigen Zauber. Den hochstmmigen Nadelbumen im Hgelland folgten bald kleinwchsige, knorrige Arten, als die Clan-Leute hher stiegen. Die eisglitzernden Gipfel der himmelhohen Berge, die sie schon von der Steppe aus hatten funkeln sehen, rckten greifbar nah. Dann schlugen sie sich durch dichtes Birkengehlz und zogen gebckt unter den tierhngenden Zweigen von Wacholderbschen hindurch. Schlielich gelangten sie wieder auf Wiesen, deren Grn eine unglaubliche Farbenvielfalt wildwachsender Blumen sprenkelte; fleischrote Azaleen, orangerot gefleckte Tigerlilien, violette Akelei, wasserblaue Wicken, dunkelblauer Enzian, gelbe Veilchen, Primeln aller Art. Ab und zu sprangen ihnen kecke Gemsen ber den Weg, und an den Hngen weideten Mufflons, die schwer an ihren Hrnern zu tragen hatten. Die Clan-Leute waren schon fast im Gebiet struppig-krppliger Nadelbume, die an die Wiesen der Niedriggrser grenzten, als sie auf einen ausgetretenen Pfad gelangten, der sich mhlich einen steilen Hang hochwand. Die Jger des Clans, der hier oben lebte, hatten einen weiten, mhsamen Weg hinunter zu den offenen Steppen, aber sie waren bereit gewesen, das auf sich zu nehmen. Denn hier hauste noch der Hhlenbr, und das verhie Glck und Wohlstand. Als sie Brun und Grod an einer Wegbiegung auftauchen sahen, blieben die Leute, die dem ankommenden Clan entgegengelaufen waren, beim Anblick von Ayla wie angewurzelt stehen. Aller Anstand war vergessen. Unglubig starrten sie Ayla an und begleiteten sichtlich erregt und heftig mit den Armen schwingend den Zug, der, mit Ayla an der Spitze der Frauen-gruppe, mde und matt das letzte Stck bis zum Vorplatz der Hhle zurcklegte. Creb hatte Ayla gewarnt, doch auf solches Aufsehen war sie nicht gefat gewesen; und auch nicht auf so viele Erdlinge, von denen es hier nur so wimmelte. ber zweihundert entgeisterte Clan-Leute strmten zusammen und begafften die befremdliche Frau. Noch nie in ihrem Leben hatte Ayla so viele Erdlinge beieinander gesehen. Vor einem riesigen Pfahlverhau - die Hauptstmme waren tief in die Erde gerammt worden - blieben sie stehen. Hier drinnen war der Hhlenbr, noch massiger als der, den man unterwegs gesehen hatte. Trge rkelte sich das gewaltige Felltier, das drei Jahre lang gehtschelt und gepppelt worden war. Hingebungsvoller Mhe des kleinen Clans hatte es bedurft, den gefrigen Bren so lange zu unterhalten, und selbst die vielen Gaben an Nahrung, Werkzeug und Pelzwerk, die die Gast-Clans mitbrachten, konnten nicht fr die Arbeit und Anstrengung entschdigen. Doch nicht einer war unter den Gast-Clan-Leuten, der die Angehrigen des gastgebenden Clans nicht beneidete, und jeder der Nachbar-Clans brannte darauf, diese schwere Aufgabe selbst zu bernehmen und dafr Ruhm und Ehre einzuheimsen. Der Hhlenbr tapste neugierig zum Gitter. Uba schmiegte sich nher an Ayla; sie frchtete sowohl das Gedrnge als auch den Bren. Der Clan-Fhrer und der Mog-ur des heimischen Clans traten zu der Gruppe der Neuankmmlinge, entboten ihnen den althergebrachten Gru, dem jedoch rasch zornige Fragezeichen ihrer Hnde folgten. "Was fllt euch ein, eine der Fremdlinge zum Groen Miething mitzubringen, Brun?" schalt der andere Clan-Fhrer. "Sie ist eine Frau unseres Clans und aller Clans, Norg, und eine Medizinfrau von Izas Stamm", gab Brun mit ruhiger Gebrde zurck, die von seinem inneren Unbehagen nichts verriet. Von den Leuten ringsum kam unglubiges Gemurmel, Hnde flogen und redeten in erregter Gebrde. .-T~>"o i/ar,r> nirr>r spin". bedeutete der andere Mog-ur. "Wie knnte sie eine Frau eures Clans und aller Clans sein? Sie wurde den Fremdlingen geboren." "Sie ist eine Frau unseres Clans und aller Clans", beharrte Creb so entschieden wie Brun, whrend er Norg einen harten Blick zuscho. "Oder zweifelst du an mir, Norg?" Unsicher sah dieser seinen Mog-ur an, doch das verwirrte Gesicht des Zauberers half ihm nicht weiter. "Norg, wir sind von weither gekommen und sind mde", lenkte Brun ein. "Dies ist nicht die Zeit, darber zu streiten. Verweigerst du uns die Gastlichkeit eurer Hhle?" Dies war ein Augenblick hchster Gespanntheit. Wenn Norg es ablehnte, sie aufzunehmen, blieb ihnen nichts anderes brig, als den langen Rckweg zu ihrer Hhle anzutreten. Zwar verstiee er damit gegen alle guten Sitten; gestattete er jedoch Ayla den Zutritt zur Hhle, so besttigte er sie damit als Glied des Gro-Clans. Und wieder blickte Norg auf seinen Mog-ur, dann auf den mchtigen Einugigen, welcher der groe Mog-ur war, und schlielich auf den Mann, der den ersten aller Clans anfhrte. Was blieb ihm denn auch noch viel brig, wenn der groe Mog-ur diese Fremde als Frau seines und aller Clans vorstellte? Norg gab seiner Gefhrtin das Zeichen, Brun und seinen Clan zu ihrem Platz in der Hhle zu geleiten; doch wich er Brun und dem groen Mog-ur nicht mehr von der Seite. Sobald die Ankmmlinge es sich wohnlich gemacht hatten, wollte er herausfinden, wie eine Frau, die offenkundig von den Fremdlingen abstammte, ein Glied des Clans geworden war. Der Eingang zur Hhle von Norgs Clan war kleiner als der mchtige Spitzbogen, durch den Bruns Clan-Leute ein- und ausgegangen waren. Auch die Hhle selbst schien zunchst kleiner. Doch wie sich zeigte, bestand sie nicht aus einem einzigen Raum; von ihm zweigten nmlich kleinere Hhlen ab, durch Gnge miteinander verbunden, die den Bauch des Bergs durchzogen. Platz gab es mehr als genug, um alle Clans unterzubringen, wenn sie auch das Tageslicht entbehren muten. Bruns Clan wurde in eine gerumige Felskammer gefhrt, die gleich hinter der Hhle lag, in der Norgs Leute ihre Feuersttten und Wohnkreise hatten. Es war ein Vorzugsraum, der ihrem ersten Rang unter den Clans entsprach. Obwohl sich in den tieferen Hhlen bereits einige andere Clans niedergelassen hatten, htte man ihnen diesen Platz bis zum Beginn der Feier des Bren aufgehoben. Erst dann, wenn man gewi gewesen wre, da Bruns Clan nicht kommen wrde, htte man ihn dem rangnchsten Clan eingerumt. Der Gro-Clan hatte keinen Fhrer. Doch so, wie es in jedem einzelnen Clan eine rangmige Ordnung gab, so gab es diese auch unter den Clans, und brauchmig war der Fhrer des ranghchsten Clans zugleich der oberste des Gro-Clans. Unumschrnkte Macht jedoch ging damit nicht einher. Dazu waren die Clans zu sehr gewohnt, ber sich selbst zu bestimmen. Jeder wurde von einem einzigen Mann in unumschrnkter und alleiniger Herrschaft gefhrt, der nicht so leicht bereit war, sich anderen Mchten als denen der berlieferung und der Geister zu beugen. Welcher Rang jedem einzelnen Clan innerhalb der Groen Ordnung zukam, wurde alle sieben Jahre auf dem Groen Miething aller Clans bestimmt. Ansehen und Rang eines jeden Clans beruhten auf vielem; nicht nur Feiern wurden abgehalten; wettkampfartiges Krftemessen war von gleicher, wenn nicht gar von grerer Bedeutung. Der Zwang, sich selbst zu beherrschen, der jeden einzelnen einband, um den fr das berleben notwendigen Zusammenhalt zu sichern, durfte in solchen Vergleichen mit den anderen Clans gelockert werden. Und die Angriffslust, die sie sonst womglich gegeneinander gerichtet htten, konnte dabei auf bemessene Weise abgelassen werden. Wettkmpfe gab es viele. Die Mnner maen sich im Ringen und Schleudern, lieferten Proben ihrer Muskelkraft mit der Keule, trugen Laufwettbewerbe mit und ohne Speer aus, suchten einander im Werkzeugmachen, im Jagdtanz und im Geschichtenknden zu bertreffen. Und die Frauen hatten das ihre beizusteuern, wenn auch ihren Fertigkeiten nicht so viel Gewicht beigemessen wurde. Der groe Festverzehr bot den Frauen Gelegenheit, mit besonders schmackhaft zubereiteten Speisen zu glnzen. Die von ihnen gefertigten Gaben fr den gastgebenden Clan wurden zunchst ausgestellt und dann von jenen Frauen bewertet, die nicht an ihrer Fertigung mitgewirkt hatten. Weiche, geschmeidige Hute wurden da zur Schau gestellt, prchtiges Pelzwerk, wasserdichte Krbe, durchbrochen geflochtene Tragkrbe, Matten von feinem Gewebe und Muster, Behltnisse aus fester Rohhaut oder Baumrinde, krftige Schnre aus Flechsen und Sehnen oder faserigen Pflanzen oder Tierhaar, lange Riemen von gleichmiger Breite, Holzschalen von schimmernder Gltte, Platten aus Knochenstcken oder Holz, Trinkbecher, Schalen und Schpfer, Hauben, Mtzen, Fu- und Handhllen, Beutel aller Arten. Sogar die kleinen Kinder wurden verglichen. Mit von Bedeutung fr das Ansehen eines Clans war auch die Stellung, die der Mog-ur und die Medizinfrau unter ihresgleichen einnahmen. Die hohe Achtung, die Iza und Creb genossen, hatte ebensosehr dazu beigetragen, da Bruns Clan der erste Rang zuerkannt wurde, wie die Tatsache, da sein Clan schon seit Generationen der erste gewesen war. Dies allerdings hatte Brun nur einen leichten Vorteil eingebracht, als er zum Clan-Fhrer ernannt worden war. So wichtig all diese Einzelheiten waren, das entscheidende lag in der Eignung des Clan-Obersten zum Fhrer. Und die Entscheidung wiederum, welcher Clan-Fhrer der fhigste unter allen war, hing von Verschiedenem ab. Ein Teil war, wie gut die Mnner jedes Clans bei den Wettkmpfen abgeschnitten hatten, denn das zeigte, wie gut ihr Clan-Fhrer es verstand, sie zu leiten und anzuspornen; ein anderer Teil war, wie eifrig die Frauen bei der Arbeit sich regten, denn darin zeigte sich eines Clan-Fhrers feste Hand. Den grten Teil aber machte die Gesinnungsstrke eines Clan-Fhrers aus. Brun wute, da es diesmal schwer werden wrde, die alte Stellung im Gro-Clan zu behaupten. Bereits dadurch, da er Ayla mitgebracht hatte, hatte er betrchtlich an Boden verloren. Das Miething bot auch Gelegenheit, alte Bande der Freundschart fester zu knpfen, mit Verwandten aus anderen Clans zusammenzukommen, Neues und Geschichten auszutauschen, die in der folgenden Zeit manchen trostlosen kalten Winterabend mit Leben und Lachen erfllen wrde. Junge Leute, die im eigenen Clan keinen Gefhrten rinden konnten, hielten unter den jungen Mnnern und Frauen der Nachbar-Clans Ausschau. Allerdings wurde ein Paar nur dann zusammengegeben, wenn der jeweilige Clan-Fhrer, der ber den jungen Mann zu bestimmen hatte, mit der Gefhrtin einverstanden war. Fr eine junge Frau galt es allgemein als Ehre, erwhlt zu werden, besonders, wenn sie dadurch in einen ranghheren Clan kam. Trotz Zougs Empfehlung und trotz des hohen Ansehens, das Izas Sippe geno, hatte diese nicht daran gedacht, da Ayla auf dem Miething einen Gefhrten finden wrde. Da sie ein Kind hatte, wre vielleicht von Vorteil gewesen, aber nur wenn ihr Sohn nicht als migestaltet abgetan worden wre. Und Ayla war weit davon entfernt, an die Suche nach einem Gefhrten zu denken. Sie hatte genug damit zu tun, ihren gan- zen Mut zusammenzuraffen, um den neugierigen und mitrauischen Erdlingen gegenberzutreten, die drauen vor der Hhle auf sie warteten. Sie und Uba hatten die Bndel und Krbe ausgepackt und den Raum etwas eingerichtet. Norgs Gefhrtin hatte dafr gesorgt, da Steine fr die Feuersttten und die Begrenzung der Wohnkreise bereitlagen. Ayla hatte sich grte Mhe gegeben, ihre Gaben fr die Gastgeber so auszulegen, wie Iza ihr gezeigt hatte, und die Feinheit ihrer Arbeit war bereits aufgefallen. Sie wusch sich, kleidete sich frisch und stillte dann ihren Sohn, whrend Uba ungeduldig wartete. Das Mdchen war ganz versessen darauf, rasch die Umgebung rings um die Hhle zu erkunden und all die fremden Leute kennenzulernen; doch allein wagte sie sich nicht hin aus. is. "Mach doch schneller, Ayla", drngte sie mit hastiger Hand. "Alle sind schon drauen. Kannst du dich nicht spter um Durc kmmern? Ich will hinaus in die Sonne. Hier ist es so finster." "Und ich will nicht, da er gleich zu schreien anfngt. Du weit doch, wie laut er das tut. Dann glauben die Leute vielleicht, da ich keine Mutter bin", gab Ayla zurck. "Ich will nichts tun, was mich in ihren Augen noch abstoender macht. Creb hat mich darauf hingewiesen, da die Leute hier verwundert sein wrden, wenn sie mich sehen. Aber ich ahnte nicht, da sie zaudern wrden, uns berhaupt aufzunehmen." "Aber sie haben uns aufgenommen, und wenn Creb und Brun sich mit ihnen zusammengesetzt haben, dann werden sie sehen, da du zum Clan gehrst. Komm, Ayla. Du kannst nicht noch lnger in dieser Hhle bleiben. Du mut ihnen in die Gesichter blicken. Nach einiger Zeit werden sie sich an dich gewhnen, genauso wie wir. Ich sehe schon gar nicht mehr, da du anders aussiehst." "Ich war da, ehe du geboren wurdest, Uba. Die Leute hier haben mich nie zuvor gesehen. Aber nun gut, gehen wir. Nimm noch einen Happen fr den Hhlenbren mit." Ayla stand auf. Sie drckte Durc an ihre Schulter und ttschelte seinen Rcken, whrend sie hinausgingen. Sie grte Norgs Gefhrtin mit achtungsvoller Gebrde, als sie an ihrem Wohnkreis vorbeikamen. Die Frau erwiderte den Gru und wandte sich dann hastig wieder ihrer Arbeit zu, beschmt, da sie die junge Frau so lange angestarrt hatte. Ayla holte tief Atem, als sie sich dem Ausgang nherten, und hielt ihren Kopf ein we-"i(r hnhpr Sie war entschlossen, die Neugier der Leute nicht zu beachten; sie war eine Frau des Clans und gehrte genauso hierher wie alle anderen. Als sie ins helle Sonnenlicht hinaustrat, wurde ihre Selbstsicherheit auf eine harte Probe gestellt. Viele hatten einen Vorwand gefunden, in Hhlennhe zu verbleiben und zu warten, bis die befremdliche Frau herauskam. Einige bemhten sich, ihre Neugier nicht offen zu zeigen; die meisten aber vergaen oder miachteten das Gebot des guten Anstands und starrten Ayla mit aufgerissenen Mndern und groen Augen an. Ayla sprte, wie ihr das Blut ins Gesicht scho. Jetzt bin ich bestimmt ganz rot auf den Wangen, dachte sie und beugte sich ber Durc, um den Gaffenden nicht begegnen zu mssen. Gleich darauf richtete sich das Augenmerk der Leute auf Durc, den sie bisher ganz bersehen hatten. Die Gesichter und Gebrden verrieten deutlich, was die Umstehenden von ihrem Sohn hielten. Er htte gar nicht wie eines ihrer Kinder auszusehen brauchen. Htte er mehr hnlichkeit mit Ayla gehabt, so htten sie ihn leichter annehmen knnen. Gleich, was Brun und der groe Mog-ur behaupteten, Ayla war eine von den Fremdlingen. Es wre wirklich nicht verwunderlich gewesen, htte ihr Kind ausgesehen wie diese. Durc jedoch war den Clan-Kindern insoweit hnlich, da jenes, was er von seiner Mutter mitbekommen hatte, wie migebildet wirkte. In den Augen aller Clan-Leute war er eine Migeburt, die man nicht htte am Leben lassen drfen. Dadurch fiel nicht nur Aylas Wert noch weiter, sondern auch Brun verlor immer mehr an Boden. Ayla wandte den mitrauischen Blicken und aufgerissenen Mndern den Rcken zu und ging mit Uba an ihrer Seite zum Pfahlverhau des Hhlenbren hinber, um sich das riesige Tier anzusehen. Als der Br die beiden kommen sah, tapste er an das Pfahlgitter, setzte sich auf und langte mit einer Pranke nach drauen, um sich den Leckerbissen zu holen, den er erwartete. Ayla und Uba fuhren beide zurck beim Anblick der riesigen Pranke mit den dicken, ziemlich kurzen Krallen, die mehr dafr geeignet waren. Wurzeln und Knollen auszugraben als Bume hinaufzuklettern. Im Gegensatz zu den Braunbren waren bei den Hhlenbren nur die Jungen klein und wendig genug, um zu klettern. Ayla und Uba legten ihre pfel vor den dicken Pfhlen auf den Boden. Das Tier, das man als Tierkind grogezogen und das nie Hunger gekannt hatte, war gezhmt und den Erdlingen gegenber voller Zutrauen. Es hatte bald herausgefunden, wie es bestimmt noch einen zustzlichen Happen bekam. Also richtete der Br sich auf und schlug in bittender Gebrde die schweren Pranken zusammen. Beinahe htte Ayla gelacht; doch es gelang ihr gerade noch, den unbotmigen Frohlaut zu unterdrcken. "Jetzt ist mir klar, warum die Clan-Leute behaupten, ihre Hhlenbren knnten sprechen", wandte sich Ayla an Uba. "Er will mehr. Hast du noch einen Apfel?" Uba gab ihr einen der kleinen, harten pfel, und diesmal trat Ayla an den Kfig heran und gab ihn ihm. Er schob ihn in sein Maul, kam dann nher an die Pfhle heran und rieb seinen zottigen Kopf an dem rauhen Holz. "Du willst wohl gekrault werden, alter Honigfresser", begrte ihn Ayla. Sie wute wohl, da man den Hhlenbren, wenn er selbst da war, nie beim Namen nennen durfte. Wenn das nmlich geschah, wrde er sich daran erinnern, wer er war, und erkennen, da er nicht einfach zum Clan gehrte, der ihn grogezogen hatte. Er wurde wieder zum wilden Tier werden und das Fest des Bren zunichte machen. Sie kraulte ihn hinter dem Ohr. "Du bist ein Faulpelz", bedeutete sie ihm, als er auch noch das andere Ohr hinstreckte. Ayla kraulte und kratzte den groen, zottigen Kopf, doch als Durc den Arm ausstreckte, um ein Bschel Fell zu packen, wich sie schnell zurck. Sie hatte die kleinen Tiere, die sie krank oder verletzt in die Hhle zu bringen pflegte, oft genug gestreichelt, um zu spren, da auch dieser mchtige Kerl gezhmt und zutraulich war. Ihre anfngliche Scheu vor ihm war rasch verflogen. Doch als Durc mit seinen Hndchen in das Zottelfell greifen wollte, wurden das groe Maul und die gebogenen Krallen pltzlich sehr gefhrlich. "Da du es einfach wagst, ihm so nahe zu kommen!" Ubas Gesicht war voller Ehrfurcht. "Mir wrde es angst machen, ihm so nahe zu kommen." "Er ist wie ein groes Kind. Aber fr Durc ist er gefhrlich. Er knnte ihn mit einem freundlichen Prankenschlag verletzen. Er sieht so harmlos aus, wenn er noch etwas will, aber ich mchte nicht wissen, was er tun kann, wenn er einmal zornig wird", bedeutete Ayla nachdenklich, als sie davongingen. Uba war nicht die einzige gewesen, die erstaunt war ber Ay-las Unerschrockenheit. Viele hatten den Vorfall beobachtet. Die meisten Neuankmmlinge scheuten zumindest zu Anfang vor dem Bren zurck. Die kleineren Jungen machten sich ein Vergngen daraus, blitzschnell zum Pfahlverhau hinzustrzen, den Arm zwischen den Pfhlen hindurchzustrecken und den Bren kurz zu berhren. Damit wollten sie ihren Mut zeigen. Die Mnner waren zu stolz, um Furcht sehen zu lassen, gleich, ob sie welche versprten oder nicht. Aber nur wenige Frauen, abgesehen von jenen des gastgebenden Clans, wagten sich jemals nahe an den Kfig heran, und noch nie war es vorgekommen, da eine den Mut gezeigt hatte, den Arm durch das Gitter zu strecken und den Bren zu kraulen, und das gleich bei der ersten Begegnung. Zwar konnte dieses Geschehnis die Ablehnung der Leute gegen Ayla nicht auslschen, aber nun sahen sie die fremde Frau doch mit etwas anderen Augen. Jetzt, wo alle Gelegenheit gehabt hatten, Ayla grndlich in Augenschein zu nehmen, gingen sie auseinander. Immer noch aber sprte Ayla hier und dort verstohlene Blicke. Das offene Staunen der Kinder traf sie lngst nicht so sehr. Es entsprang der Neugier der Jungen fr alles, was ungewhnlich war, und enthielt keinen Schimmer von Mitrauen oder Mifallen. Ayla und Uba gingen auf eine schattige Stelle unter einem Felsvorsprung zu, der sich am ueren Rand des groen freien Platzes vor der Hhle befand. Von dort aus konnten sie das Treiben der Leute beobachten, ohne gegen den Anstand zu verstoen. Ayla und Uba waren sich immer besonders nah gewesen. Doch seit Uba begonnen hatte, ernsthaft zu lernen, und seit dem Tag, an dem sie Ayla in die kleine Hhle hinauf gefolgt war, hatte sich ihre Beziehung gewandelt; sie war ausgewogener geworden. Sie waren sich gleich und jetzt enge Freundinnen. Uba hatte den sechsten Sommer hinter sich und das erste Mal etwas fr Jungen brig. Im khlen Felsschatten setzten sie sich nieder, das Tragfell mit Durc zwischen sich. Der Kleine lag auf dem Bauch und strampelte und hob immer wieder den Kopf, um sich neugierig umzusehen. Irgendwann auf der langen Wanderung hatte er angefangen, zu krabbeln und zu gurren und Laute von sich zu geben, was keines der kleinen Clan-Kinder konnte. Es beunruhigte Ayla und freute sie zugleich. Uba beugte die lteren Jungen und jungen Mnner und tat mit kurzen Gesten kund, wie sie ihr gefielen. Sie waren beide froh, da sie den langen Fuweg hinter sich hatten und unterhielten sich lebhaft darber, wie wohl das Fest des Bren werden wrde, als eine junge Frau sich ihnen nherte und scheu anfragte, ob sie sich zu ihnen setzen knnte. Sie hieen sie mit Freude willkommen; war es doch das erste Zeichen von Freundlichkeit, das ihnen hier zuteil wurde. Sie sahen, da die Frau einen Sugling in ihrem Tragfell hielt; doch das Kind schlief, und die Frau tat nichts, es zu stren. "Mein Name ist Oda", zeigte sie an, als sie sich niedergelassen hatte und hob fragend die Hand, weil sie beider Namen wissen wollte. "Ich heie Uba", erwiderte Uba. "Diese Frau ist Ayla." "Aay... Aycha?... Ich kenne den Namen nicht." Odas Gebrden waren ein wenig zerhackt, aber man verstand sie. "Es ist kein Name des Clans", bedeutete ihr Ayla. Oda hob die Hnde, als wollte sie etwas sagen, lie sie dann aber wieder sinken. Sie schien unschlssig. Schlielich wies sie auf Durc. "Ich sehe, du hast ein Kleines", begann sie mit zgernder Gebrde. "Ist es ein Mdchen oder ein Junge?" "Ein Junge. Sein Name ist Durc. Wie der Durc aus der Geschichte. Kennst du sie?" fragte Ayla. Ein seltsamer Ausdruck der Erleichterung trat in Odas Augen. "Die Geschichte ist mir vertraut. Der Name kommt in unserem Clan nicht vor." "Auch in unserem Clan ist er nicht blich. Aber der Kleine ist nun mal etwas Besonderes. Und der Name pat zu ihm", tat Ayla fast trotzig kund. "Auch ich habe ein Kleines. Ein Mdchen. Ihr Name ist Ura", gab Oda zurck. Noch immer schien sie unschlssig und voller Unbehagen. Eine Zeitlang saen die drei Frauen reglos beieinander. Keine schien recht zu wissen, was sie tun sollte. "Schlft die Kleine?" erkundigte sich Ayla schlielich mit fragender Gebrde. "Ich wrde mir Ura gern ansehen, wenn du gestattest." Oda tat eine Weile gar nichts. Es war, als mte sie sich die Frage durch den Kopf gehen lassen. Dann, als htte sie ihren Entschlu gefat, nahm sie den Sugling aus dem Fell und legte ihn Ayla in die Arme. Die junge Frau ri weit die Augen auf. Ura war noch sehr klein - seit dem Gebren konnte nicht viel mehr als ein Mond vergangen sein -, aber sie sah aus wie Durc. Sie hatte so viel hnlichkeit mit Durc, da sie seine Schwester htte sein knnen. Odas Kind htte das ihre sein knnen! Ayla wollte es nicht glauben. Wie konnte eine Frau, die dem Gro-Clan angehrte, ein Kind haben, das aussah wie das ihre? Sie hatte geglaubt, Durc she anders aus, weil sich in ihm ein Teil von ihr und ein Teil vom Clan vereinigt hatten, doch Creb und Brun muten wohl recht gehabt haben. Durc war nicht anders, er war migestaltet; so wie Odas Kind migestaltet war. Ayla war so auer sich, da sie nur still und stumm dasitzen konnte. Schlielich wandte sich Uba an die andere Frau. "Dein Kind sieht aus wie Durc, Oda." "Ja", besttigte sie. "Ich war verwundert, als ich Aychas Kind sah. Das hat mich veranlat, zu euch zu kommen. Ich wollte sehen, ob das Kleine ein Junge oder ein Mdchen ist." "Warum wolltest du das sehen?" fragten Aylas Hnde. Oda blickte auf das Kind in Aylas Scho. "Meine Tochter ist migestaltet", bedeutete sie, ohne Ayla anzusehen. "Ich hatte Angst, sie wrde niemals einen Gefhrten finden, wenn sie erwachsen wird. Gibt es einen Mann, der eine so migestaltete Frau zur Gefhrtin nimmt?" Odas Augen blickten flehend, als sie Ayla endlich ansah. "Als ich dein Kind gewahrte, erwachte Hoffnung in mir. Auch fr deinen Sohn wird es nicht leicht sein, eine Gefhrtin zu finden." Ayla hatte an eine Gefhrtin fr Durc noch gar nicht gedacht. Oda hatte aber recht, es wrde ihm gewi schwerfallen, eine Gefhrtin zu rinden. Und jetzt war ihr klar, warum Oda sich ihnen genhert hatte. "Ist deine Tochter heil?" wollte sie wissen. "Krftig?" Oda blickte auf ihre Hnde nieder, ehe sie diese wieder hob, um zu antworten. "Das Kind ist dnn, aber alles ist dran. Das Kind hat einen schwachen Hals, aber er wird jetzt krftiger." Ayla sah sich das Kleine genauer an und warf dann der Frau einen fragenden Blick zu, ehe sie das Kind aus seinen Hllen schlte. Es war stmmiger gebaut als Durc, den Kindern des Clans hnlicher von der Gestalt her, aber die Knochen waren zarter. Es hatte die gleiche hohe Stirn, den gleichen zu kurz geratenen Hinterkopf; nur die Brauenwulste waren weniger stark ausgebildet; die Nase war klein, aber man konnte schon jetzt sehen, da das Kind den kinnlosen Kiefer der Erdlinge bekommen wrde. Der Hals des kleinen Mdchens war krzer als der von Durc, aber lnger als gewhnlich bei den Suglingen des Clans. Ayla hob das kleine Mdchen hoch und schob ihm die Hand unter den Kopf. Sie sah, wie der Sugling sich mhte, den Kopf zu heben, und machte zu Oda eine beruhigende Gebrde. "Ihr Hals wird krftiger werden, Oda. Durcs war noch schwcher, als ich ihn gebar, und sieh ihn dir jetzt an." "Glaubst du?" gab Oda zurck. "Ich bitte dich, die du die Medizinfrau des obersten aller Clans bist, dieses Mdchen als Gefhrtin deines Sohnes anzunehmen." "Ich glaube, Ura wre bestimmt eine gute Gefhrtin fr Durc." "Dann bist du bereit, dich mit deinem Gefhrten zu beraten?" "Ich habe keinen Gefhrten", antwortete Ayla. "Dann steht Unglck ber deinem Sohn", gab Oda enttuscht zurck. "Wer soll ihn unterweisen, wenn du keinen Gefhrten hast?" "Es steht kein Unglck ber meinem Sohn", widersprach Ayla mit Entschiedenheit. "Nicht alle Kinder, die gefhrtenlosen Frauen geboren werden, sind vom Unglck verfolgt. Ich teile des Mog-urs Feuer. Er jagt nicht, aber Brun selbst hat gelobt, meinen Sohn zu unterweisen. Er wird ein guter Jger werden und ein guter Nhrer. Auch hat er ein Jagdtotem. Der Mog-ur hat uns offenbart, da es der Grauwolf ist." "Ich wnsche von Herzen, da du recht hast", gab ihr Oda zu verstehen. "Unser Mog-ur hat Uras Totem noch nicht offenbart, aber ein Grauwolf ist stark genug, jedes Frauentotem zu bezwingen." "Nicht Aylas", warf Uba mit rascher Gebrde ein. "Ihr Totem ist der Hhlenlwe. Sie wurde erwhlt." "Wie konnte es geschehen, da du ein Kind bekamst?" Odas Gesten verrieten ihre Verwunderung. "Mein Totem ist der Hamster, doch er hat diesmal heftig gekmpft. Als ich meine erste Tochter trug, hatte ich es nicht so schwer." "Auch ich hatte es schwer, als ich Durc trug. Hast du noch eine Tochter? Ist sie heil und wohlgestaltet?" "Sie war wohlgestaltet, ja. Aber nun ist sie im Schattenreich", bedeutete Oda bedrckt. "Und darum durfte Ura leben? Es verwundert mich, da du sie behalten durftest", gab Ayla zurck. "Ich hatte nicht den Wunsch, sie zu behalten. Mein Gefhrte befahl es so. Es ist meine Strafe", bekannte Oda mit zgernder Hand. "Deine Strafe?" "Ja", nickte Oda. "In meinem Herzen wnschte ich mir eine Tochter, aber mein Gefhrte wnschte einen Sohn. Ich trug noch meine tote Tochter im Herzen. Ich wnschte mir ein Kind, das ihr gleich sein sollte. Mein Gefhrte meinte, das Kind sei migestaltet, weil Unrecht in meinem Herzen war, als ich es trug. Er meinte, htte ich einen Sohn gewnscht, so wre das Kind wohlgestaltet geworder^. Er zwang mich, das Kind zu behalten. Jeder sollte sehen, da ich keine gute Frau bin. Aber er hat mich nicht verstoen. Denn kein anderer wollte mich haben." "In meinen Augen bist du keine schlechte Frau, Oda." Mitleid stand in Aylas Gesicht. "Iza wnschte sich ein Mdchen, als sie Uba trug. Sie hat mir anvertraut, da sie ihr Totem an jedem Tag um ein Mdchen bat. Wie ist deine erste Tochter umgekommen?" "Sie wurde von einem Mann gettet." Odas Gesicht lief rot an. "Er sah aus wie du, Aycha. Es war ein Mann, der zu den Fremdlingen gehrte." Ein Mann, der zu den Fremdlingen gehrte? dachte Ayla. Ein Mann, der aussieht wie ich? Klte kroch ihr den Rcken hinauf und ihr war, als strubten sich ihr die Haare. Sie sah in Odas schamrotes Gesicht. "Iza hat mir gesagt, da ich den Fremdlingen geboren wurde, Oda, aber ich wei nichts mehr von ihnen. Ich kenne sie nicht. Ich gehre jetzt zum Clan des Bren", bedeutete sie ermutigend. "Wie ist es denn geschehen?" "Wir waren auf der Jagd, einige Frauen und die Mnner. Unser Clan hat seine Hhle in der rauhen, kalten Gegend, wo der Schnee frh kommt und spt schmilzt. Jenes Mal zogen wir weiter fort als je zuvor. Die Mnner verlieen bei Sonnenaufgang das Jagdlager. Wir blieben zurck, um Holz zu sammeln fr ein Feuer. Da strmten unversehens die fremden Mnner in unser Lager. Sie wollten uns nehmen, aber gaben uns nicht das Zeichen, sondern strzten sich sofort auf uns. Ich konnte nicht einmal mein Kleines aus dem Tragfell nehmen. Der Fremdling, der mich packte, ri mir alles vom Leib. Mein Kleines fiel zur Erde, aber er sah es nicht." "Nach ihm", fuhr Oda erregt fort, "wollte mich noch ein anderer Mann nehmen, aber einer sah mein Kind. Der hob die Kleine auf und gab sie mir, doch sie lebte nicht mehr. Sie war mit dem Kopf auf einen Stein geschlagen, als sie herunterfiel. Da spie der Mann, der sie gefunden hatte, viele laute Gerusche aus seinem Mund, und sie gingen alle fort. Und als die Jger zurckkehrten, zeigten wir ihnen, was geschehen war, und sie kehrten wie der Wind mit uns zur Hhle zurck. Mein Gefhrte war gut zu mir; auch er trauerte um meine Tochter. Und in mein Herz zog wieder Freude ein, als ich sah, da mein Totem so bald, nachdem ich das Kind verloren hatte, wieder bezwungen worden war. Ich mute mich nicht einmal absondern, weil ich nicht die Tage hatte. Ich glaubte, mein Totem schmerzte es, da ich mein Kind verloren hatte. Ich glaubte, es wollte mir ein anderes geben. Und darum bat ich um ein Mdchen. Aber das htte ich nicht tun sollen." "Mein Herz leidet mit dir", versicherte Ayla der anderen Clan-Frau. "Niemals mchte ich Durc verlieren. Ich will mich an den groen Mog-ur wenden, was Ura angeht. Er wird sich mit Brun beraten. Er ist meinem Sohn zugeneigt. Auch Brun wird einverstanden sein, glaube ich." "Ich will es dir danken, und ich gelobe, sie gut aufzuziehen, Aycha. Sie wird eine gute Frau, nicht wie ihre Mutter. Bruns Clan hat den hchsten Rang; gewi wird mein Gefhrte sich nicht widersetzen. Wenn er wei, da Ura in Bruns Clan einen Platz findet, wird er mir vielleicht nicht mehr so heftig zrnen. Immer hlt er mir vor Augen, da meine Tochter nur eine Last sei und niemals Ansehen genieen wird." "Ich will zum Mog-ur gehen", versprach Ayla nochmals. Nachdem Oda gegangen war, war Ayla still und in sich gekehrt. Uba sprte, da sie mit sich allein sein wollte, und strte sie nicht. Die Fremdlinge, dachte Ayla, wer sind die Fremdlinge? Iza hat gesagt, ich wre ihnen geboren worden, aber wie kommt es, da ich nichts mehr von ihnen wei? Ich wei nicht einmal mehr, wie sie aussehen. Wo leben sie? Wie sehen die Mnner der Fremdlinge aus? Ayla kam wieder das Wasserspiegelbild ihres eigenen Gesichts vor Augen. Sie versuchte, sich einen Mann mit diesem Gesicht vorzustellen. Statt dessen jedoch tauchte Brouds Gesicht vor ihr auf, und blitzartig sah sie klar. Die Mnner der Fremdlinge! So mute es sein! Oda hatte berichtet, einer von ihnen htte sie genommen. Und danach waren ihre blutenden Tage ausgeblieben. Diese Frau hatte Ura zur Welt gebracht, so wie sie selbst Durc geboren hatte, nachdem es Broud mit ihr gemacht hatte. Jener Mann, dachte sie, war einer der Fremdlinge, und auch ich wurde den Fremdlingen geboren; Oda und Broud aber wurden dem Clan geboren. Ura ist sowenig migestaltet wie Durc. So wie in Durc, so sind in ihr Teile der Fremdlinge und Teile des Clans vereint. Dann hat also doch Brouds mnnliches Geschlecht meinen Sohn in mich gelegt und nicht der Geist seines Totems. Aber die anderen Frauen von Odas Clan hatten keine migeburtigen Kinder bekommen. Und wrde jedesmal ein Kind gezeugt, wenn die Mnner bei den Frauen sind, so gbe es ja dauernd "Kinder. Mag sein, da auch Creb recht hat: Das Totem einer Frau msse bezwungen werden. Aber bestimmt ist es nicht so, da die Frau die lebenspendende Kraft des Totems schluckt; diese dringt durch das mnnliche Geschlecht in sie ein, und dann vermischt sie sich mit der lebenspendenden Kraft des Totems der Frau. Nicht die Mnner allein machen ein Kind; auch die Frauen geben das ihre dazu. Ayla vergrub das Gesicht in ihren Hnden. Aber warum gerade Broud? Mein Herz schrie nach einem Kind, mein Hhlenlwe wute es, aber Broud ist voller Ha gegen mich. Und gegen mein Kind. Aber wer sonst htte sich mit mir vermischt? Die anderen Mnner finden mich ja hlich. Broud hat es nur getan, weil er sah, wie heftig ich ihn dabei hate. Wute mein Hhlenlwe, da Brouds Totem siegen wrde? Seine Lebenskraft mu mchtig sein; Oga hat schon zwei Shne. Auch Brac und Grev mssen durch Broud ins Leben gerufen worden sein wie Durc. Sind sie somit Geschwister? Brder? Wie Brun und Creb? Brun mu Broud in Ebras Leib gepflanzt haben. Es kann auch ein anderer Mann gewesen sein. Nein, wohl nicht. Selten geben die Mnner der Gefhrtin des Clan-Fhrers das Zeichen. Denn eigentlich ist das unanstndig. Ayla spreizte die Finger und blickte durch die Lcken. Aber wenn Brun Broud gepflanzt hat und Broud Durc gepflanzt hat, wohnt dann in Durc auch etwas von Brun? Und von Brac und Grev? Brun und Creb sind Brder; sie wurden derselben Mutter geboren. Ist dann Durc auch ein Teil von Creb? Und von Iza? Sie ist Crebs Schwester. Ayla schttelte pltzlich heftig den Kopf. Das alles war zu verwirrend. Doch Broud hat Durc in mich gepflanzt, beharrte sie. Hat wohl mein Totem Broud dazu bewegt, mir jenes erste Mal das Zeichen zu geben? Mag sein, da auch das eine Prfung war; mag sein, da es einen anderen Weg nicht gab. Mein Totem mu es vorhergesehen haben. Es wute, wie brennend mein Wunsch nach einem Kind war und hat mir ein Zeichen gesandt, um mich wissen zu lassen, da Durc leben wrde. "Ayla", sagte Uba, die Freundin aus ihren Gedanken reiend. "Ich habe eben gesehen, da Creb und Brun in die Hhle gegangen sind. Die Sonne steht schon tief. Wir mssen den Abendverzehr bereiten. Creb wird hungrig sein." Durc war eingeschlafen. Er erwachte, als Ayla ihn hochhob, schlief aber bald wieder ein, als er, in sein Fell eingehllt, an der Brust seiner Mutter lag. Gewi wird Brun gestatten, da Ura und Durc zusammengegeben werden, dachte sie, als sie zur Hhle zurckwanderten. Aber was wird aus mir? Werde ich je einen Gefhrten finden? ~Kapitel 22 Noch einmal mute Ayla Blicke der Bestrzung und des Mitrauens ber sich ergehen lassen, als die letzten beiden Clans eintrafen. Die hochgewachsene, hellhaarige Frau war immer noch eine Sehenswrdigkeit fr die nahezu zweihundertfnf-zig Erdlinge, die sich mittlerweile zum Groen Miething eingefunden hatten. Wo Ayla ging und stand, fiel sie auf; jede ihrer Handreichungen wurde mehr oder weniger verstohlen beobachtet. Doch so fremd sie auch wirkte, an ihrem Verhalten war nichts, was gegen die Sitten verstie. Ayla bemhte sich nach Krften, niemandem Anla fr Unmut zu geben. Sie lachte nicht und lchelte nicht. Sie vergo keine Trnen. Sie zeigte keinen Frohsinn und kein Wehleiden. Sie erlaubte sich weder weit ausholende, weichfedernde Schritte noch freien lok-keren Armschwung. Sie bot ein Bild clanmiger Frauentugend, und allmhlich gewhnten sich die Clan-Leute an sie und wandten ihre Augen wieder anderen Dingen zu. Es war nicht einfach, innerhalb des bemessenen Raums rings um die Hhle eine so groe Erdlingsschar in Ruhe und Frieden eintrchtig beieinander zu halten. Das gelang nur mit Gemeinschaftsgeist, gleichgerichteter Zusammenarbeit und gegenseitigem Entgegenkommen. Fr die Clan-Fhrer der zehn Clans war hier viel mehr zu tun, als wenn sie nur fr ihren eigenen Clan Sorge zu tragen hatten. Je mehr Erdlinge zusammen waren, desto schwieriger wurde das Zusammenleben. Um alle satt zu bekommen, muten Jagdzge unternommen werden, und schon war man im Engpa der Ratlosigkeit, wenn zwei oder mehrere Clans zusammen jagten. Gut, die Fhrung, das war klar, oblag dem Fhrer des ranghchsten Clans. Wer aber sollte zweiter und dritter Mann sein? Und wie sollten die Jger eingeteilt werden? Man versuchte es mit wechselnder Ein-rpilnni?. um ia keinen vor den Kopf zu stoen, und man zog nie mals aus, ohne zuvor geklrt zu haben, was Aufgabe eines jeden Mannes sei. Auch bei der Sammelarbeit der Frauen drohten Reibereien. Zwar*ging es da nicht um Rang oder Aufgabe; es war einfach so, da allzu viele Frauen die besten Pflanzen und Krauter pflk-ken wollten. Rasch war dann ein Gebiet abgegrast, und doch hatte keine wirklich genug. Getrocknete Nahrung war ausreichend vorhanden fr alle Clans, aber Frischzeug war eben viel begehrter. Schon lange vor einem Miething pflegte der Clan, bei dem es ausgerichtet wurde, weiteste Streifzge zu unternehmen, um das Gebiet in der Umgebung seiner Hhle unberhrt zu lassen; doch selbst dieses Entgegenkommen konnte nicht sicherstellen, da die Bedrfnisse aller befriedigt wurden. Der von dem Gletscherwasser gespeiste Flu in der Nhe lieferte genug Wasser, Brennholz jedoch war knapp. Gekocht wurde im Freien, wenn es nicht gerade regnete; den Verzehr bereiteten die Clan-Frauen am groen Gemeinschaftsfeuer und nicht an ihren eigenen Feuersttten. Dennoch wurde der grte Teil des drren Holzes, das sich in den Wldern fand, aufgebraucht, und viele grne Bume fielen den xten zum Opfer. Zur Versorgungsschwierigkeit kamen noch die leidigen Fragen, wie denn Abflle und Unrat zu beseitigen seien und wo der Platz fr all die vielen Erdlinge hergenommen werden konnte. Das alles war nicht leicht zu lsen. Es galt nicht nur. Wohnraum im Hhleninnern zu schaffen, sondern auch Platz zum Kochen, Platz fr Versammlungen, fr die verschiedenen Wettkmpfe, fr Festlichkeiten und Feiern. Und all dieses vorzubereiten barg eben mannigfaltige Schwierigkeiten. Ein Clan suchte den anderen zu bertrumpfen oder um den Vorteil zu bringen, und nur durch endloses Beraten konnte das gespannte Seil der Eigensucht zwischen den Gruppen gelockert werden. Brauch und berlieferung trugen viel dazu bei, dem Geznk die Schrfe zu nehmen, und Brun besonders zeigte hier seine Gabe, sich einzufhlen und zu vermitteln. Creb war nicht der einzige, der bei dem Miething des Gro-Clans eine besondere Befriedigung erlebte, mit seinesgleichen zusammenkommen zu knnen. Auch Brun reizte die Herausforderung, sich mit Mnnern zu messen, die ihm an Macht gleichgestellt waren. Seinen Wettkampf sah er darin, die Vormacht ber die anderen Clan-Fhrer zu erringen. Die von altersher gebten Bruche und Gebote richtig anzuwenden, verlangte einen klaren Durchblick und die Fhigkeit, einen Ent- scheid zu treffen und an ihm festzuhalten, und dennoch zu erkennen, wenn um ein Geringes nachzugeben ratsam war. Brun war nicht grundlos der erste unter den Clan-Fhrern. Er wute, wann er hart sein mute und wann entgegenkommend, wann er Einmtigkeit bewahren mute und wann er sich alleine zu behaupten hatte. Wenn die Clans sich versammelten, war es meist so, da der starke Mann in Erscheinung trat, der die selbstbewuten Clan-Fhrer zumindest fr die Dauer des Mie-things zu einer wirksamen Einheit zusammenbringen konnte. Und dieser Mann war Brun. Er war es schon, seit er das Oberhaupt seines eigenen Clans geworden war. Htte er durch Ayla das Gesicht verloren, so wre er durch seinen Selbstzweifel um eben diesen Vorteil gebracht worden, wre sein Glaube an sein sicheres Urteil erschttert gewesen. Und so htte seine eigene Zaghaftigkeit Zweifel an seinen Entscheidungen aufkommen lassen. Dann wre er den anderen Clan-Fhrern nicht mehr unter die Augen getreten. Doch Bruns Gespr dafr, innerhalb der fest abgesteckten Grenzen von Brauch und berlieferung den rechten Weg zu finden, hatte ihn befhigt, Ayla gegenber Milde walten zu lassen. Und als fr ihn keine Bedrohung mehr bestand, konnte er die junge Frau mit anderen Augen sehen. Ayla hatte versucht, einen Entscheid zu ihren Gunsten zu erzwingen, aber nicht wahr haben wollen, da ihr das dem Brauch nach nicht zukam. Doch sie hatte es nicht um einer Nichtigkeit willen versucht. Gewi, sie war eine Frau und mute sich darber im klaren sein, wo ihr Platz war, aber sie war noch zur rechten Zeit zur Besinnung gekommen und hatte erkannt, da sie auf dem falschen Weg gewesen war. Als Ayla ihm ihre kleine Hhle gezeigt hatte, war er insgeheim mchtig erstaunt gewesen, da die Gebrerin, noch ziemlich geschwcht, es geschafft hatte, dort hinaufzuklettern. Er fragte sich, ob das ein Mann vermocht htte. Brun bewunderte mutige, entschlossene und ausdauernde Erdlinge. Und obwohl Ayla kein Erdling war und obendrein noch eine Frau - er mute sie bewundern. Brun hatte seine Mnner um sich versammelt und ging mit ihnen den Stand der Wettbewerbe durch. "Wre Zoug mit uns gekommen, so htten wir bestimmt im Schleudern gesiegt", bezeugte Crug mit entschiedener Gebrde. "Keiner htte ihn bezwungen." "Nur Ayla", antwortete Goov vorsichtig. "Es ist ein Jammer, da sie nicht zum Kampf antreten durfte." "Wir brauchen keine Frau, um zu siegen", prahlte Broud. "Der Schleuderkampf hat nicht so hohen Rang. Brun wird mit der Steinschlinge alle anderen bezwingen. Und dann kommt noch ^peeriaufen." "Aber Voord war schon ohne Speer der schnellste. Er kann auch im Speerlauf siegen", wandte Droog ein. "Und Gorn hat mit der Keule gut geschlagen." "Wartet, bis wir ihnen unsere Mam-Mut-Jagd zeigen. Da kann nur unser Clan siegen", versicherte Broud. Jagdabenteuer darzustellen war Bestandteil vieler Feste. Broud war stets mit Feuereifer bei der Sache. Er sprte genau, wie gut es ihm gelang, den Zuschauenden Erregung, Gefahr und Spannung des Jagens zu vermitteln, und er sonnte sich nur allzu gern in der allgemeinen Aufmerksamkeit. Doch diese lebenden Bilder hatten noch einen anderen Sinn, als den Darstellenden Ehre und Bewunderung zu bringen. Sie belehrten. Ausdrucksvoll und recht genau wurde hier den jungen Mnnern und anderen Clan-Leuten vorgefhrt, wie man mit List und Schlauheit auch die gefhrlichsten und strksten Tiere berwinden konnte, und somit Erfahrung weitergegeben, die fr das berleben der einzelnen Clans von Nutzen war. "Wir werden siegen, wenn du den Jagdtanz anfhrst, Broud", machte sich Vorn eifrig bemerkbar. Noch immer hing der Junge mit Bewunderung an dem zuknftigen Clan-Fhrer. Und Broud sorgte dafr, indem er seinen Verehrer, wann immer er konnte, in den Kreis der Mnner zog. "Es ist ein Jammer, da dein Wettlauf noch nicht gilt. Ich habe zugesehen. Du hast mit groem Abstand gefhrt. Aber das ist eine gute bung fr das nchste Mal", lobte ihn Broud. "Es sieht gut aus fr uns", stellte Droog fest. "Aber es kann sich noch alles gegen uns wenden. Gorn ist stark. Er hat es dir im Ringen nicht leichtgemacht, Broud. Fr eine Weile glaubte ich, du knntest ihn nicht bezwingen. Norgs Stammeszweiter mu stolz sein auf den Sohn seiner Gefhrtin; er ist gewachsen seit dem letzten Miething. Ich glaube, er ist der grte unter uns allen hier." "Er hat Kraft, gewi", besttigte Goov. "Das zeigte sich vor allem, als er mit der Keule siegte. Aber Broud hat flinkere Fe und beinahe ebenso starke Arme." "Und Nouz zeigt groes Geschick mit der Schleuder. Er hat wohl nach dem letzten Miething, wo er mit Abstand Zoug unterlag, unermdlich gebt, weil er sich nicht noch einmal von einem lteren Mann bezwingen lassen wollte", stellte Crug anerkennend fest. "Wenn er auch mit der Steinschlinge so sicher geworden ist, wird er Brun einen harten Kampf liefern. Voord ist schnell wie der Wind, aber ich glaube, du wrdest ihn einholen, Broud. Du warst am Schlu nur noch einen Schritt hinter ihm." "Droog fertigt die besten Werkzeuge", warf Grod ein. "Es ist nicht schwer, die besten Werkzeuge, die einer gemacht hat, auszuwhlen und hierherzubringen, Grod; aber das Glck wird mir zur Seite stehen mssen, wenn ich hier vor aller Augen gleich gute fertigen soll. Dieser junge Mann von Norgs Clan besitzt hohe Fingerfertigkeit", schwchte Droog Grods Siegessicherheit ab und lie durchblicken, da er von seinem Sieg nicht berzeugt war. "Aber du bist doch im Vorteil, Droog, der andere ist jnger. Er hat noch nicht die Ruhe und die Erfahrung im Wettbewerb wie du. Er wird sich durch die Blicke der anderen leicht stren las sen." -n." "Dennoch werde ich Glck brauchen", beharrte Droog. "Alle, die siegen wollen, brauchen Glck", nickte Crug. "Und so, wie ich es sehe, gibt der alte Dorv noch immer die besten Darstellungen der Uralt-Geschichten." "Das siehst du nur so, weil du an ihn gewhnt bist, Crug", schrnkte Goov ein. "Bei diesem Wettbewerb ist es sehr schwer zu entscheiden. Sogar unter den Frauen gibt es manche, die uns mit ihren Schilderungen in Atem halten knnen." "Aber niemals knnen sie so packen wie die Jagdtnze. Wenn meine Augen mich nicht betrogen haben, dann haben die Leute von Norgs Clan darber beraten, ob sie die Jagd auf ein Nashorn zeigen sollen. Sie brachen jedoch ab, als sie mich gewahrten", berichtete Crug. Oga nherte sich zaghaft den Mnnern und zeigte ihnen an, da der Abendverzehr bereitet war; doch winkte man sie wieder weg. Oga hatte gehofft, die Mnner wrden bald kommen; wenn sie zu lange auf sich warten lieen, wrden sich die Frauen von Bruns Clan erst spt zu den anderen gesellen knnen, die sich jetzt schon um die Geschichtenerzhlerinnen - gewhnlich waren es die lteren Frauen -versammelten. Oga kehrte zum Gemeinschaftsfeuer vor der Hhle zurck. "Sie mchten noch nichts essen", bedeutete sie den anderen enttuscht. Ovra blickte auf und wies auf die Mnner, die es sich anders berlegt hatten und sich dem Feuer nherten. "Schau, dort kom men sie doch", machte Ovra. "Hoffentlich sitzen sie nicht zu lange ber dem Verzehr." "Und Brun kommt auch. Die Versammlung der Clan-Fhrer ist wohl beendet", warf Ebra ein. "Aber ich sehe den Mog-ur nicht." "Er ist mit den anderen Mog-urs in die Hhle gegangen. Wer wei, wann sie herauskommen werden. Mssen wir denn auf ihn warten?" wollte Uka wissen. "Ich halte etwas fr ihn zurck", warf Ayla mit rascher Handbewegung ein. "Er denkt nie ans Essen, wenn er sich auf eine Feier vorbereitet. Er ist es gewhnt, den Verzehr fast kalt zu sich zu nehmen. Manchmal glaube ich, es schmeckt ihm so besser. Ich glaube nicht, da er es uns zum Vorwurf machen wird, wenn wir nicht auf ihn warten." "Schaut, sie fangen schon an. Die ersten Geschichten werden wir versumen." Ona zeigte sich enttuscht. "Da ist nichts zu machen, Ona", gab Aga zurck. "Wir knnen nichts ndern. Wir drfen erst dann gehen, wenn die Mnner fertig sind." "Viel werden wir nicht versumen, Ona", beschwichtigte Ika. "Es geht ja fast die ganze Nacht. Und spter zeigen die Mnner ihre Jagderlebnisse, wo wir zuschauen drfen." "Ich sehe mir lieber das an, was die Frauen machen", bedeutete Ona. "Broud hat mir anvertraut, da unser Clan die Mam-Mut-Jagd zeigen wird. Er glaubt fest, da wir siegen werden. Brun hat ihm gestattet, den Tanz aufzufhren", berichtete Oga eifrig und mit stolzfunkelnden Augen. "Das wird alle packen, Ona. Ich wei noch, wie Broud in den Mannesstand erhoben wurde und den Jagdtanz aufrhrte. Ich konnte eure Zeichensprache noch nicht verstehen, aber mir war ganz hei geworden", berichtete Ayla. Nachdem der Verzehr aufgetragen war, warteten die Frauen mit brennender Ungeduld und sphten immer wieder mit sehnschtigen Blicken hinber zu der Frauenschar, die sich am anderen Ende des groen Vorplatzes versammelt hatte. "Ebra, geht und seht euch die Geschichten an", machte Brun. "Wir Mnner wollen uns beraten." Die Frauen nahmen ihre Suglinge hoch und schubsten die Kinder hinber zu der Frauengruppe, die sich im Kreis um eine alte Frau niedergelassen hatte, die gerade am Anfang einer neuen Geschichte war. "... und die Mutter des groen Eiskindes .. ." "Schnell", drngte Ayla hastig. "Sie zeigt die Geschichte von Durc. Ich will nichts versumen. Sie ist mir doch die liebste." "Das wissen alle, Ayla", gab Ebra zurck. Die Frauen von Bruns Clan suchten sich einen Platz und waren bald gefangen von der behenden Darstellung der alten Frau. "Sie deutet es ein wenig anders", machte Ayla nach einer Weile. "Jeder Clan sieht die alten Geschichten ein wenig anders, und jeder Erzhler bringt sie auf seine eigene Art; aber es ist die gleiche Geschichte. Du bist nur an Dorv gewhnt. Er ist ein Mann; er kann die Mnner in den Geschichten besser erfassen und ihre Art ausdeuten. Eine Frau berichtet mehr ber die Frauen und die Mtter; nicht allein ber die Mutter des Eiskindes, sondern auch ber die Traurigkeit der Mtter von Durc und den anderen Jungen, als diese den Clan verlieen", erklrte Uka mit ausladender Gebrde. Ayla dachte daran, da Uka ihren Sohn beim Erdbeben verloren hatte. Sie konnte die Trauer dieser Mutter, den Sohn verloren zu haben, sehr gut nachfhlen. Auch fr Ayla gewann die Geschichte in dieser neu gedeuteten Weise eine weitere Bedeutung. Ein Schatten flog ber ihr Gesicht. Mein Sohn heit Durc. Werde auch ich ihn eines Tages verlieren? Ayla drckte ihr Kind an sich. Nein, das darf nicht sein. Schon einmal htte ich ihn beinahe verloren. Aber jetzt ist die Gefahr gebannt. Ein flchtiger Luftzug fuhr Brun durch das Haar und khlte ihm die schweinasse Stirn, whrend er mit scharfem Blick die Entfernung zu dem Baumstumpf ma, der am ueren Rand des groen freien Platzes vor der Hhle stand. Doch der kleine Windhauch neckte nur. Er war zu schwach, die lhmende Hitze der sengenden Nachmittagssonne zu lindern, die auf den staubigen Platz hinunterstach. Brun stand so reglos wie die dicht gedrngt ugenden Zuschauer. Die Beine waren gespreizt. Die rechte Hand hielt lok-ker die Steinschlinge. Die drei schweren gerundeten Steine, die in straff sitzende Tierhaut gehllt waren und an geflochtenen Riemen unterschiedlicher Lnge hingen, lagen auf der Erde. Um jeden Preis wollte Brun diesen Kampf gewinnen. Nicht nur um der Ehre willen, obwohl auch das wichtig war, sondern vor allem, weil er den anderen Clan-Fhrern zeigen wollte, da er immer noch ein ernstzunehmender Bewerber um den hchsten Rang im Gro-Clan war. Da er Ayla zum Miething mitgebracht hatte, war seinem Ansehen schlecht bekommen. Er und sein Clan hatten sich an sie gewhnt. Den anderen aber war sie zu befremdlich, als da sie die Frau der Fremdlinge in so kurzer Zeit htten annehmen knnen. Selbst Creb, der Groe Mog-ur, mute um seinen Platz kmpfen, und es war ihm noch nicht gelungen, die anderen Mog-urs davon zu berzeugen, da Ayla eine Medizinfrau von Izas Stamm war. Lieber wollten sie auf den Zaubertrank verzichten, als ihr gestatten, ihn zu bereiten. Und da sich die anderen Clans weigerten, Ayla jenen Rang zuzugestehen, den Iza eingenommen hatte, brckelte Bruns Macht als oberster Clan-Fhrer noch weiter ab. Wenn er mit seinen Leuten nach Abschlu der Wettkmpfe nicht an erster Stelle lag, so wrde Brun Rang und Ansehen verlieren, das stand fest. Doch selbst der Sieg war keine Gewhr dafr, da sein Clan an der Spitze bleiben wrde; zu vieles war da noch im Spiel. Der gastgebende Clan hatte immer einen Vorteil. Und gerade Norgs Clan war es, der Bruns Clan bei den Wettkmpfen am hrtesten zusetzte. Sollte der Heim-Clan nur knapp geschlagen werden, so wrde das Norg vielleicht dennoch genug beflgeln, um Brun den Rang noch abzulaufen. Norg sah das ganz klar und war Bruns erbarmungslosester Geg ner. Brun kniff die Augen zusammen, als er die Entfernung zum Baumstumpf ma. Die Umstehenden hielten den Atem an. Und schon zerstob die Starrheit seines Krpers in wirbelnder Bewegung, und die drei Steinkugeln schssen durch die Luft auf den Baumstumpf zu. Doch Brun wute, schon als die Steinschlinge seiner Hand entflog, da sein Wurf miglckt war. Krachend schlugen die Steine gegen den Baumstumpf und sprangen wieder ab, ohne da die Riemen sich um den Stumpf gewickelt htten. Brun ging hin und hob die Steinschlinge auf, und Nouz trat an die Abwurfstelle. Wenn Nouz nun das Ziel ganz verfehlte, dann war Brun der Sieger. Trafen die Steine den Baumstumpf, so mte noch einmal entschieden werden. Gelang es Nouz aber, seine Steinschlinge so abzuschwingen, da sich die Riemen mit den Steinen um den Baumstumpf wickelten, so gehrte ihm der erste Platz. Unbewegten Gesichts nahm Brun bei den Zuschauern Aufstellung. Er widerstand der Versuchung, sein Amulett zu um- fassen, schickte statt dessen nur ein heimliches Flehen zu seinem Totem. Nouz hingegen griff ganz unverhohlen zu dem Beutelchen an seinem Hals, schlo kurz die Augen und blickte starr zum Baumstumpf. Mit einer kraftvollen Drehung schleuderte er die Steinschlinge ab. Nur lang gebte Beherrschtheit seiner selbst lie Brun die Enttuschung hinunterschlucken, als er sah, wie sich die Steine um den Baumstumpf wickelten. Nouz hatte gesiegt, und Brun wute, da sein Ansehen noch strker ins Wanken geraten war. Brun blieb auf seinem Platz, whrend man drei Tierhute auf das Kampffeld brachte. Die eine wurde an den madenzerfresse-nen Stamm eines mchtigen Baumes gebunden, dessen Wipfel abgebrochen war und der jetzt nur noch ein wenig hher stand als die Mnner. Die zweite Haut wurde ber einen moosbewachsenen Stamm gebreitet, der am Waldrand lag, und mit Steinen beschwert; die dritte legte man einfach auf die Erde aus und legte an den Enden ebenfalls schwere Steine drauf. Zu allen drei Huten waren es die gleichen Schritte. Genau vierhundert zu jeder. Jeder Clan whlte einen Mann, der in diesem Wettkampf anzutreten hatte, und die Kmpfer reihten sich unweit der auf dem Boden ausgebreiteten Haut in der Rangordnung ihrer Clans auf. Andere Mnner, die scharf zugespitzte Speere aus Eiben- und Birkenholz trugen, liefen zu den brigen Huten. Zuerst traten zwei junge Mnner aus den ranguntersten Clans vor. Jeder hielt einen Speer, und so warteten sie gespannt Seite an Seite, die Augen unverwandt auf Norg gerichtet. Auf sein Zeichen strmten sie zu dem alten, verkrppelten Baumstamm und rammten ihre Speere in die Haut. Sie zielten dabei auf jene Stelle, wo das Herz des Tieres gesessen htte, dem die Haut einmal gehrt hatte. Dann rissen sie ihrem Clans-Mann, der neben dem Zielplatz wartete, einen zweiten Speer aus der Hand und jagten zu dem umgestrzten Stamm, trieben den zweiten Speer in das Holz. Der eine der Mnner war bereits etwas voraus, als es galt, mit dem dritten Speer loszulaufen; keuchend rannte dieser zu dem Fell, das auf der Erde ausgebreitet war, stie den Speer tief hinein, so nahe der Mitte wie mglich, und warf dann triumphierend die Arme hoch. Nach der ersten Runde waren noch fnf Mnner brig. Drei traten zu dem zweiten Umlauf an. Derjenige, der als letzter ankam, durfte dann noch einmal gegen die brigen beiden Kmpfer antreten. Dann wurden die beiden Mnner, die Zweite ge wesen waren, miteinander in den Kampf geschickt, so da fr den Endkampf nur noch drei blieben. Zu diesem Endkampf traten schlielich Broud, Voord und Gorn an, ein Mann aus Norgs Clan* Gorn hatte vier Rennen bestreiten mssen, um sich seinen Platz im Endkampf zu erringen, whrend die anderen beiden 'nach nur zwei Runden noch ziemlich frisch aussahen. Nur dank eines unbezwingbaren Willens zum Sieg hatte Gorn es geschafft, in den Endkampf zu kommen, und er hatte sich damit die Bewunderung aller erobert. Als die drei Mnner sich aufstellten, trat Brun auf den Kampfplatz hinaus. "Norg", sagte er. "In meinen Augen sollten wir mit dem letzten Rennen noch warten. Es wre gerechter, Gorn etwas Ruhe zu gnnen." Beiflliges Brummen kam aus der Menge, und Bruns Stern leuchtete wieder ein wenig heller. Brouds Gesicht jedoch verfinsterte sich. Mit diesem Vorschlag hatte Brun ihn um den Vorteil gebracht, den er im Kampf mit einem bereits ermdeten Mann gehabt htte. Schnell hatte Brun das Vor- und Nachteilige gegeneinander abgewogen. Sollte Broud den Kampf verlieren, so stand zu erwarten, da sein Clan den obersten Rang einben wrde; sollte Broud jedoch gewinnen, so wrde dieser Gerechtigkeitssinn Bruns des Clan-Fhrers Ansehen erhhen, und Brouds Sieg knnte niemals in Frage gestellt werden. Keiner konnte dann im nachhinein behaupten, da Gorn vielleicht gesiegt htte, wenn er frischer gewesen wre. Die Sonne stand schon tief, als die Menge sich wieder um den Kampfplatz versammelte. Spannung flammte wieder auf. Die drei jungen Wettkmpfer, frisch ausgeruht jetzt, gingen auf dem Platz umher, spannten ihre Arme, wogen die Speere in den Hnden, umfaten sie und stieen sie probeweise in die Luft. Goov lief mit zwei Mnnern der anderen Clans zu dem alten gespaltenen Baum; Crug begab sich zu dem umgestrzten Stamm. Broud, Gorn und Voord reihten sich nebeneinander auf und warteten, den Blick auf Norg gerichtet, auf das Zeichen. Der Fhrer des Heim-Clans hob den Arm. Dann zog er ihn blitzartig abwrts, und die drei jungen Mnner stoben davon. Voord bernahm sofort die Fhrung, dicht gefolgt von Broud, whrend Gorn sich an Brouds Fersen heftete. Voord griff schon nach seinem zweiten Speer, als Broud den ersten in den alten Baum rammte. Gorns Fe hetzten Broud vorwrts auf den Weg zu dem umgestrzten Stamm. Immer noch lag Voord an erster Stelle. Schon stie er seinen Speer in das Holz des gestrzten Baumes, als Broud keuchend heranflog. Doch Voord traf einen verborgenen Knorren, und der Speer fiel ihm zu Boden. Bis er ihn wieder aufgehoben und von neuem zugestoen hatte, war er sowohl von Broud als auch von Gorn berholt worden. Hastig ri er seinen Speer an sich und verfolgte die beiden. Doch er hatte das Rennen schon verloren. Broud und Gorn sausten mit fliegenden Fen und hmmernden Herzen dem Ziel entgegen. Gorn holte auf und mit letzter Kraft schob sich der junge Mann an Broud vorbei. Doch als dieser seinen Gegner von hinten sah, der ihn den Staub seiner wirbelnden Fe schlucken lie, wurde Broud erst recht wtend. Er meinte, sein Brustkorb mte bersten, als er noch schneller vorwrts strmte. Einen Herzschlag vor Broud erreichte Gorn das ausgebreitete Fell. Doch wie er den Arm hob, scho Broud unter ihm hindurch und rammte im rasenden Lauf den Speer tief in den Boden. Ein Atemzug noch - und Gorns Speer zitterte auch darin. Zu spt. Als Broud zum Stehen kam, umdrngten ihn sogleich die Jger seines Clans. Brun betrachtete das Bild mit stolzglhenden Blicken. Sein Herz raste fast so wie das von Broud. Von Anfang bis zum Ende des Rennens hatte er mit dem Sohn seiner Gefhrtin gezittert. Einige qualvolle Augenblicke lang, die fr ihn eine Ewigkeit whrten, war er sicher gewesen, es wre alles verloren. Doch Broud hatte alles gegeben und hatte den Sieg doch noch errungen, wodurch die Stellung des Clans und seines Fhrers wieder ein wenig gefestigt war. Ich werde wohl alt, scho es Brun durch den Kopf. Ich habe den Kampf mit der Wurf schlinge verloren. Aber Broud hat nicht versagt. Er hat gesiegt. Vielleicht ist es an der Zeit, den Clan seiner Fhrung zu bergeben. Ich knnte ihn zum Clan-Fhrer machen. Ich knnte es hier und jetzt verknden. Ich werde um den ersten Rang kmpfen und ihn mit der Ehre heimwrts ziehen lassen. Mit diesem Rennen hat er sich als fhig erwiesen. Ja, das werde ich tun. Ich will es ihm gleich offenbaren. Brun wartete, bis um Broud ein minderes Gedrnge war, dann ging er auf den jungen Mann zu, das strahlende Gesicht Brouds vor Augen, wenn er ihm erffnete, welch groe Ehre er ihm zuteil werden lassen wollte. Es war die hchste Gabe, die er dem Sohn seiner Gefhrtin bergeben konnte. "Brun!" Broud gewahrte den Clan-Fhrer und ri das Wort an sich. "Warum hast du das Rennen hinausgezgert, Brun?" schalt er zornig. "Beinahe htte ich verloren. Leicht htte ich ihn schlagen knnen, httest du ihm nicht Ruhe gegnnt. Ist es dir denn gleich, ob unser Clan an oberster Stelle steht oder unten? Oder macht es dir nichts aus, weil du weit, da du beim nchsten Miething zu alt sein wirst? Wenn ich Clan-Fhrer werden soll, so knntest du ruhig dafr Sorge tragen, da ich auf jenem Platz anfange, auf dem auch du angefangen hast." Entsetzt wich Brun zurck, wie vor den Kopf geschlagen von Brouds giftigen Schmhungen. Widerstreitende Gefhle tobten in ihm. Du bist blind, Broud, dachte er. Wirst du jemals sehend werden? Der Clan steht an der Spitze. Wenn es in meiner Macht liegt, wird er auch dort bleiben. Was aber wird geschehen, wenn du Clan-Fhrer wirst, Broud? Wird dieser Clan dann weiter erster sein? Das Feuer des Stolzes in seinen Augen flackerte und erlosch. Eine groe Traurigkeit breitete sich ber sein Herz. Doch auch die zeigte er nicht nach auen, auch die lie er nicht berhandnehmen. Mag sein, da er noch zu jung ist, hielt Brun sich vor. Mag sein, da er noch Zeit braucht und Erfahrung. Habe ich ihm denn erklrt, was mich trieb, den Kampf zu verschieben? "Broud", begann er mit ruhiger Gebrde, "wre Gorn mde gewesen, wre dann dein Sieg so hervorragend? Httest du es verwunden, wenn die anderen Clans Zweifel gezeigt htten an deiner Fhigkeit, ihn zu besiegen, wenn er frisch gewesen wre? So ist doch klar und deutlich, da du gesiegt hast. Du hast gut gekmpft, Sohn meiner Gefhrtin." Trotz seiner Bitterkeit achtete Broud diesen Mann noch immer hher als alle anderen. Und in diesem Augenblick hatte er wie nach seiner ersten Jagd das Gefhl, da er fr solches Lob von Brun alles geben wrde. "Das habe ich nicht gesehen, Brun. Du hast recht. So wissen alle, da ich gesiegt habe. So wissen alle, da ich besser bin als Gorn." Die Jger anderer Clans umringten Broud, als er zur Hhle zurckkehrte. Brun blickte ihm nach, und sein Auge fiel auf Gorn, der, begleitet von seinen Clan-Leuten, ebenfalls zur Hhle schritt. Ein lterer Mann klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Norgs Zweiter im Clan darf stolz sein auf den Sohn seiner Ge- fhrtin, dachte Brun. Broud mag den Kampf gewonnen haben, aber ich bin nicht sicher in meinem Herzen, da er auch der bessere Mann ist. Brun hatte seine Bekmmerung nur niedergezwungen, ausgelscht hatte er sie nicht. Und wenn er auch versuchte, sie noch tiefer zu vergraben, enden wrde der Schmerz nicht. Broud war noch immer der Sohn seiner Gefhrtin, der Sohn seines Herzens. "Die Mnner von Norgs Clan sind tapfere Jger", stellte Droog anerkennend fest. "Es war schlau, dem Nashorn auf seinem Weg zum Wasserloch eine Grube zu graben und sie mit sten und Buschwerk zu verdecken. Auch wir knnten dies einmal versuchen. Es war mutig, das Nashorn zurckzutreiben, als es ausbrechen wollte. Ein solches Tier kann wilder und bsartiger sein als das Mam-Mut. Norgs Jger haben das gut dargestellt." "Aber sie waren nicht so gut wie wir mit unserer Mam-Mut-Jagd. Darin sind sich alle einig", warf Crug ein. "Dennoch hat es Gorn verdient, fr das Fest des Bren erwhlt zu werden. Fast jeder entscheidende Kampf wurde zwischen ihm und Broud ausgetragen. Ich frchtete schon, wir wrden diesmal nicht gewinnen. Norgs Clan ist uns dicht auf den Fersen. Wen siehst du als den dritten Erwhlten an, Grod?" "Voord hat sich gut geschlagen, aber ich htte Nouz gewhlt", gab Grod zurck. "Und wenn ich recht gesehen habe, so htte auch Brun Nouz vorgezogen." "Die Wahl war schwer, aber Voord hat die Ehrung verdient", schlo Droog. "Goov werden wir nun nicht mehr viel zu Gesicht bekommen", bemerkte Crug. "Die Gehilfen ziehen sich bis zum Fest mit den Mog-urs zurck. Die Frauen werden hoffentlich nicht weniger kochen, nur weil Broud und Goov nicht mit uns essen. Ich will krftig zulangen, denn bald gibt es bis zum Fest nichts mehr." "Steckte ich in Brouds Haut, so htte ich wohl gar nicht den Wunsch zu essen", bedeutete Droog. "Es ist eine groe Ehre, fr das Fest des Bren erwhlt zu werden. Aber Broud wird allen Mut brauchen." Das erste Licht des neuen Tages fiel in eine leere Hhle. Die Frauen waren schon am groen Feuer bei der Arbeit, und die brigen Clan-Leute konnten vor Aufregung nicht mehr schlafen. Schon seit Tagen waren die Vorbereitungen fr das groe Fest im Ganee, doch das Schwierigste stand noch bevor. Fast zu greifen war die allgemeine Erregung, fast unertrglich die Anspannung aller Sinne. Jetzt, da die Wettkmpfe abgeschlossen waren, hatten die Mnner nichts mehr zu tun, und Rastlosigkeit bemchtigte sich ihrer. Ihre Unrast bertrug sich auch auf die lteren Jungen und die Kinder, und bald brachte ein frchterlich wimmelndes Durcheinander ruhelos umherstreifender Mnner und wild herumjagender Kinder die Frauen, die alle Hnde voll zu tun hatten, an den Rand der Verzweiflung. Fr kurze Zeit legte sich dieses Tohuwabohu, als die Frauen auf heien Steinen gebackene Hirsefladen herumreichten. Die ungewrzten, schlicht schmeckenden Kuchen wurden mit feierlichem Ernst verzehrt. Nur an diesem einen Tag alle sieben Jahre gab es sie, und nichts anderes durften die Clan-Leute bis zum groen Festverzehr zu sich nehmen. Diese Fladen stillten nicht den Hunger, sie reizten die Elust. Doch am spten Vormittag, als angenehmer Geruch von den Feuern aufstieg und die Mgen zu knurren begannen, nahmen fahrige Unrast und tiefe Erregung von neuem zu. Creb hatte weder Ayla noch Uba angewiesen, sich auf die Feier vorzubereiten, die spter abgehalten werden sollte, und beide waren sicher, da die Mog-urs sie nicht annehmbar gefunden hatten. Sie waren nicht die einzigen, die wnschten, Iza wre soweit bei Krften gewesen, da sie mit ihnen zum Miething htte ziehen knnen. Creb hatte all sein Ansehen und sein gewaltiges Kndertum eingesetzt, um die alten Zauberer zu berzeugen, da der Zaubertrank auch von Ayla oder Uba anzunehmen sei; doch so sehr auch die Mog-urs auf die Feier versessen waren, so sehr es sie nach den Ur-Fernen verlangte, in die der Trank sie bringen wrde; sie lehnten ab. Ayla war ihnen zu fremd und Uba zu jung. Sie weigerten sich, Ayla als Medizinfrau von Izas Stamm anzusehen. Die heilige Feier zu Ehren des Groen Hhlenbren betraf nicht nur die Clans, die zum Miething gekommen waren; ihre Folgen - gut oder bse - wrden den gesamten Gro-Clan betreffen, und die Mog-urs waren nicht bereit, die schwere Gefahr auf sich zu nehmen, Unheil ber alle Clans zu bringen, nur weil sie Ayla erlaubten, den Zaubertrank zu bereiten. Da diese heilige Handlung nun nicht vollzogen werden sollte, minderte das Ansehen Bruns und seines Clans um ein Betrchtliches. So ruhmreich Bruns Mnner auch aus den Wettkmpfen hervorgegangen waren, es wrde nichts nutzen, da er Ayla als Clan-Frau anerkannt und dies vor allen dargetan hatte. Nicht lange, nachdem die Hirsekuchen verzehrt waren, fan- den sich die Clan-Fhrer in der Nhe des Hhleneingangs zusammen. Ruhig und gelassen warteten sie, bis das Augenmerk aller Gro-Clan-Leute auf sie gerichtet war. Wie die Wellenkreise eines ins Wasser geworfenen Steins breitete sich Stille aus. Hastig nahmen die Mnner die Pltze ein, die ihnen durch Eigenrang sowie Stammesrang vorgegeben waren. Die Frauen legten ihre Arbeit aus den Hnden, winkten den Kindern und suchten sich mit ihnen ebenfalls ihre Pltze. Gleich wrde das Fest des Bren beginnen. Der erste Schlag des glatten, harten Schlegels auf die schsseifrmige Holztrommel zerschlug wie ein Donnerknall die erwartungsvolle Stille. Dann tnten die Schlge gleichmig und verhallten weiter. Begleitet wurden sie von den Speerschften, die auf den Boden gestoen wurden und eine gedmpft grollende Tonflche schufen. Ein mit Stcken auf einer langen, hohlen Bambusrhre gehauener Gegenschlag durchsetzte in scheinbar willkrlich durchsetzten Klangmustem den krftigen, gleichbleibenden Schlag der Holztrommel, bei deren fnftem Donnern jedoch die helle, hohe, wildhmmernde Baumrhre den Gleichtakt suchte. Wieder und wieder wurde so von neuem eine Schlagspannung geschaffen, die sich zu einer tnenden Raserei steigerte, bis die Schlge wieder in sich zusammenfielen. Mit einem letzten gemeinsamen Schlag trat pltzlich vllige Stille ein. Wie von Zauberhand herbeigeholt, standen in schweren Brenfellen die Mog-urs Schulter an Schulter vor dem Pfahlverhau des Hhlenbren. Neun an der Zahl. Der Groe Mog-ur stand einsam vor ihnen, er war der zehnte. In den Kpfen der Erdlinge, die atemlos verharrten, drhnte noch das gewaltige Schlagen der Speere und Trommeln nach. An einem dnnen Seil hielt der Groe Mog-ur eine flache ovale Scheibe aus Holz. Und als er sie immer schneller durch die Luft wirbelte, steigerte sich ein kaum vernehmbares Sirren zu einem gewaltigen Donnern. Den Erdlingen ringsum strubten sich die Haare bei diesem Getn. Sie vernahmen die Stimme des Geistes des Hhlenbren, der alle anderen Geister warnte, dieser Feier, die allein dem Hhlenbren geweiht war, zu nahe zu kommen. Die Geister ihrer Totems wrden ihnen hier keinen Beistand leisten knnen; sie hatten sich ganz unter den Schutz des Groen Geistes aller Clans zu begeben. Ein hohes, dnnes Trillern durchschnitt das grollende Drhnen der kreisenden Klapper; beim Klang dieser hohen, klagenden Tne erfate selbst die Furchtlosesten ein Schaudern, wh rend die Klapper sich immer langsamer drehte und ihr donnerndes Sausen verstummte. Wie ein krperloser Geist zog sich der wimmernde, wabernde Klangfaden bis zum Morgenhimmel ninauf. Ayla, die in der vordersten Reihe stand, konnte erkennen, da diese Tne aus dem Ding kamen, das einer der Mog-urs an den Mund gedrckt hielt. Die aus dem Rhrenknochen eines Vogelbeins gefertigte Flte hatte keine Lcher fr die Tne; ihre Verschiedenartigkeit wurde durch ffnen und Schlieen des unteren Endlochs erreicht. Die Hnde eines begabten Fltners konnten dem Vogelknochen fnf verschiedene Tne entlocken. Fr die junge Frau, genau wie fr alle anderen, war es Zauberkraft, die diese fremden Klnge ertnen lie. Nur fr diese Feier klangen sie auf Gehei des heiligen Mannes aus der Welt der Geister herber. So, wie die kreisende Klapper das Brllen des lebenden Hhlenbren nachahmte, so stieg aus der Flte die Geisterstimme des mchtigen Tieres auf. Selbst der Zauberer, der den Vogelknochen blies, empfand die Klnge als auerweltlich, obwohl er die Flte selbst gemacht hatte. Das Spiel auf der Flte war streng gehtetes Geheimnis des Zauberers seines Clans, ein Geheimnis, das diesem Zauberer bis zum Auftauchen Crebs stets den hchsten Rang unter den Mog-urs aller Clans gesichert hatte. Und der zauberkundige Fltner war es auch, der sich der Anerkennung Aylas am heftigsten widersetzte. Der mchtige Hhlenbr trottete unruhig in seinem Pfahlverhau auf und nieder. Man hatte ihn nicht gefttert, und er war es nicht gewhnt, ohne Nahrung gelassen zu werden. Auch Wasser hatte man ihm an diesem Tag nicht gegeben, und er war durstig. Die schweidnstende Menge der Erdlinge, die nach Spannung und Erregung roch, das ungewhnliche Drhnen der schalenfrmigen Holztrommeln, das Sirren und Donnern der Klapper und der hohe Klageton der Flte, dies alles beunruhigte das Tier aufs hchste. Als er den Groen Mog-ur sah, der sich hinkend seiner Bleibe nherte, stellte er sich auf seine Hinterbeine und brllte aus heiem Rachen seinen Hunger heraus. Erschreckt fuhr Creb zusammen, fate sich jedoch rasch und verbarg seine Unsicherheit hinter einem, bei ihm nicht ungewhnlich wirkenden, schwankenden Schritt. Sein Gesicht, das wie die der brigen Zauberer geschwrzt war, verriet nichts von der Angst in seinem Herzen, als er den Kopf nach hinten neigte, um zu dem gewaltigen Tier aufzublicken. Creb trug eine kleine Schale mit Wasser. Ihrer Form und der elfenbeinhellen Farbe nach war sie einstmals die Schdeldecke eines Erdlings gewesen. Er stellte die Schale vorsichtig zwischen die Pfhle des Verhaus und trat langsam, mit dem Gesicht zum Bren gewandt, zurck. Whrend das Tier das Wasser in sich hineinschlabberte, umschlossen einundzwanzig junge Jger, jeder mit einem neuen Speer in den Hnden, den Pfahlverhau. Die Fhrer der sieben Clans, von deren Mnnern keiner zum Kampf mit dem Bren erwhlt worden war, hatten je drei ihrer besten Jger fr die Feier ausgesucht. Jetzt liefen Broud, Gorn und Voord aus der Hhle und nahmen vor dem mit Riemen fest gesicherten Ausla des Verhaus Aufstellung. Abgesehen von kurzen Lendenschurzen waren sie nackt, und ihre Krper waren mit roten und schwarzen Zeichen bemalt. Das bichen Wasser hatte den Durst des mchtigen Bren nicht im geringsten stillen knnen. Und als er die Mnner rings um seine Bleibe bemerkte, hoffte er natrlich auf mehr. Er hockte sich auf die Hinterbeine und patschte die Vorderpranken zusammen. Als darauf nichts geschah, trottete er zu dem nchststehenden Mann hinber und stie seine Schnauze zwischen den dicken Pfhlen hindurch. Mit einem schrillen Ton brach das dnne Wimmern der Flte ab. Creb holte die Schale aus dem Verhau und nahm wieder seinen Platz vor der Reihe der Zauberer ein. Auf ein Geheimzeichen, das keiner der Umstehenden wahrnehmen konnte, hoben die Mog-urs an, nach der uralten Weise heiliger Zeichen, vereint zu knden: "Nimm das Wasser zum Zeichen unseres Dankes, allmchtiger Beschtzer. Dein Clan hat nicht vergessen, was du ihn gelehrt hast. Die Hhle ist unser Heim. Sie schtzt uns vor Schnee und Kltnis. Auch wir rasten still, nhren uns von dem Vorrat der Erntezeit und wrmen uns mit Pelzen. Du bist einer von uns gewesen, hast unter uns gelebt und hast gesehen, da wir deinen Wegen folgen." Die Zauberer mit ihren schwarzen Gesichtern und den weitfaltigen Umhngen aus Brenfell schienen zu schweben, als sie mit gemessenen Gebrden dem Schutzgeist ihrer Clans ihre Verehrung bezeugten. "Dich verehren wir am meisten und vor allen anderen Geistern. Wir bitten dich, in deiner Welt fr uns zu sprechen, von der Tapferkeit unserer Mnner und der Fgsamkeit unserer Frauen zu knden. Wir bitten dich, uns einen Platz zu geben, wenn wir einst in das Jenseitige zurckkehren. Schtze uns vor dem Bsen. Denn wir sind dein. Allmchtiger Hhlenbr, wir sind der Clan des Bren. Ehre sei mit dir. Grter aller Geister, und auch mit den Erdlingen dein Wohlgefallen. " Als die Mog-urs zum ersten Mal im Angesicht des mchtigen Tieres ihre Zeichen machten und ihn somit beim Namen riefen, stieen die einundzwanzig Mnner ihre Speere zwischen den Pfhlen des Verhaus hindurch und bohrten sie dem allmchtigen Geschpf in das zottige Fell. Nicht alle drangen bis ins Fleisch, doch es schmerzte, was das Tier in wilde Wut brachte. Sein zorniges Gebrll zerfetzte die Stille. Erschrocken sprangen die Erdlinge zurck. Etwa zur gleichen Zeit begannen Broud, Gorn und Voord, die Riemen zu zerschneiden, die den Ausla des Verhaus hielten. Sie kletterten an den Pfhlen empor, bis sie die Spitzen der Stmme erreichten. Broud war zuerst oben, doch Gorn war es, dem es gelang, den kurzen, dicken Holzklotz zu fassen, den man frher dort oben bereitgelegt hatte. Der Hhlenbr, der vor Schmerzen hin- und herraste, ri sein dolchzhneartiges Maul auf und brllte markerschtternd; aus kleinen, blutunterlaufenen Augen sie anblickend, tapste er auf die Mnner zu. Sein gewaltiger Kopf reichte bis zu den hchsten Pfahlspitzen des Verhaus. Das Riesentier erreichte die ffnung und drckte gegen den Ausla. Krachend strzten die Pfhle zu Boden. Der Verhau war offen. Der Hhlenbr war frei. Die speerbewafmeten Jger strzten herbei, um zwischen dem gefhrlich gereizten Tier und den bleichgesichtigen Zuschauern einen schtzenden Wall zu bilden. Frauen kmpften gegen das wrgende Verlangen, aufs schnellste die Flucht zu ergreifen, und drckten ihre Suglinge fester an sich, whrend die lteren Kinder sich mit schreckgeweiteten Augen an die Beine und Hften der Mtter klammerten. Die Mnner umfaten fester ihre Speere. Aber keiner unter den Clan-Leuten rhrte sich vom Fleck. Als der angestachelte Br mitrauisch durch die klaffende Stelle in seinem Verhau hinaustapste, sprangen Broud, Gorn und Voord, die auf den mit Bedacht abgeflachten Pfahlenden gelauert hatten, auf das berraschte Tier hinunter. Broud stand auf seinen Schultern, beugte sich vornber, packte das Fell am Kopf und ri ihn nach hinten. Voord war dem Bren inzwischen in den Rcken gesprungen, grub dort seine Hnde in die Zotteln und zog mit aller Kraft abwrts, so da sich die wabbelige Fett- haut um den Hals des Tieres straffte. Dann schlug er ihm mit der Axt auf die schwarzglnzende empfindliche Schnauze, so da das Tier vor Schreck und Schmerz das riesige Maul weit aufri; Gorn, der rittlings auf des Bren Schultern hockte, rammte ihm eilig den Holzklotz breitseits in den geifernden Rachen. Als Broud loslie, klappte der Br die Kiefer zu und klemmte den Keil fest zwischen seinen Zhnen und der Backenwand ein. Er rchelte und keuchte, als er das Maul zu ffnen versuchte - vergebens, das Maul blieb zu. Mit schweren Pranken schlug er dann wie rasend nach den Mnnern, die in seinem Fell hingen. Scharfe Krallen, die frher nur totes Fleisch und pfel geholt hatten, gruben sich in den Oberschenkel Gorns und rissen ihn herab. Mchtige Arme drckten den Erdling, der vor Schmerzen wie von Sinnen schrie, an die rotfleckige Brenbrust, und das Leiden des jungen Jgers hatte pltzlich ein schnelles Ende, als ihm mit einem trok-kenen Krachen das Rckgrat brach. Ein nichtendenwollender Klageschrei stieg aus der Frauengruppe auf, als das Hhlentier den zerfetzten und zerknickten Krper Gorns wegschleuderte. Mit gesenktem Kopf rannte der Br gegen den speerbewaff-neten Wall junger Mnner, die sogleich einen Ring um ihn schlssen. Mit einem furchtbaren Schlag seiner Krallenpranke hatte er sich eine Lcke gemacht, als er drei Mnner zu Boden fegte und einem vierten das Bein bis auf die Knochen aufri. Wie ein Wurm krmmte sich der Mann zusammen vor Schmerz, der ihn so heftig durchfuhr, da ihm kein Schrei ber die Lippen kam. Schnell sprangen die anderen ber ihn hinweg und suchten dem rasenden Bren so nahe zu kommen, da sie ihn mit ihren Speeren durchbohren konnten. Voller Entsetzen umklammerte Ayla ihren Sohn. Eine tiefe Angst, da der Br sich auch auf sie strzen wrde, lahmte ihre Beine. Doch als der Jger zusammenbrach und sein Blut die Erde berschwemmte, verga sie alle Angst. Hastig drckte sie Uba ihr Kind in den Arm und strzte sich in das Getmmel. Flink drngte sie sich zwischen den todesmutig kmpfenden Mnnern hindurch und schleifte den Jger weg von dem wilden Gestampf und Geschrei und Gesthn. Schnell drckte sie den Blutflu ab und band einen Riemen fest um die aufgerissene Stelle. Ayla fing schon an, dem Jger mit dem Tragfell ihres Kindes das Blut abzuwischen, als zwei andere Medizinfrauen ihrem Beispiel folgten. Furchtsam dem Kampfgemenge ausweichend, eilten sie Ayla zu Hilfe. Zu dritt trugen sie den verwun deten Mann in die Hhle, und whrend sie verzweifelt um sein Leben rangen, erlag der Br schlielich doch den strkeren Speeren der anderen Jger. Kaum war der Hhlenbr bezwungen, da ri sich Gorns Gefhrtin aus den Armen jener, die sich bemhten, sie zu trsten, und rannte zum Leichnam ihres Gefhrten; warf sich ber ihn und grub ihr Gesicht in seine haarige Brust. Sie kniete sich nieder und beschwor ihn beharrlich, doch endlich bitte aufzustehen. Ihre Mutter und Norgs Gefhrtin versuchten sanft, sie fortzuziehen, als die Mog-urs sich der Gruppe nherten. Der Groe Mog-ur neigte sich zu der Frau hinunter und berhrte behutsam ihren Kopf, so da sie zu ihm aufblicken mute. "Klage nicht um ihn", bedeuteten ihr seine milden Gebrden. "Gorn ist die hchste aller Ehren zuteil geworden. Er wurde erwhlt, den Groen Hhlenbren in die Welt der Geister zu begleiten. Der Geist des Hhlenbren erwhlt nur die Besten, die Tapfersten, mit ihm zu wandeln. Der Festverzehr zu Ehren des Groen Hhlenbren wird auch der Gorns zu Ehren sein. Sein Mut und Siegeswille werden fortleben in Geschichten, und bei den zuknftigen Miethings des Gro-Clans wird stets von ihm berichtet werden. So, wie der Hhlenbr zurckkehrt, so wird auch der Geist Gorns zurckkehren. Er wird auf dich warten, damit ihr gemeinsam wiederkehren und euch vereinen knnt, aber du mut tapfer sein wie er. Lsche deinen Schmerz, Frau, und teile die Freude deines Gefhrten an seinem Hingang in die nchste Welt. Heute nacht werden die Mog-urs ihm besondere Ehre widerfahren lassen, so da seine Tapferkeit von allen geteilt werden und auf den Clan bergehen wird." Die junge Frau mhte sich, ihren Schmerz zu bezwingen, sich so tapfer zu zeigen, wie der ehrfurchtgebietende heilige Mann ihr gebot. Sie wollte dem Geist ihres Gefhrten keine Schande machen. Der schieffige Zauberer mit dem Narbengesicht, den alle frchteten, schien ihr pltzlich nicht mehr gar so schrecklich. Mit einem dankbaren Blick stand sie auf und schritt, sich mhsam aufrecht haltend, zurck an ihren Platz. Nachdem Gorns Gefhrtin dort angelangt war, begannen die Clan-Fhrer-Frauen und die Gefhrtinnen der Stammeszwei-ten den Bren flinkhndig zu huten. Das Brenblut wurde in geweihten Schsseln aufgefangen und von den Zaubergehilfen herumgereicht. Mnner, Frauen und Kinder, alle tranken sie den warmen Lebenssaft des Hhlenbren, selbst den Suglin- gen wurde er eingeflt. Ayla und die beiden anderen Medizinfrauen wurden aus der Hhle gerufen, um aus den geweihten Schalen zu trinken, und auch der verwundete Jger erhielt seinen Teil. So hatten sie alle durch das Blut des Hhlenbren bezeugt, da sie zum einzigen Gro-Clan gehrten, zum Clan des Bren. Sie waren von seinem Blut, und er hatte es ihnen gegeben. Emsig arbeiteten die Frauen, whrend Mnner und Kinder zusahen. Sorgfltig wurde das Fett des Tieres von der Haut geschabt. Wenn es ausgelassen war, hatte es Zauberkraft und wrde unter die Mog-urs verteilt werden. Der Kopf wurde nicht vom Fell getrennt, und whrend das Fleisch in die mit heien Steinen ausgelegten Gruben hinuntergelassen wurde, hngten die Gehilfen der Mog-urs das Fell des Bren auf Pfhlen vor der Hhle auf. Von hier aus konnte der allmchtige Hhlenbr mit leeren Augen die Festlichkeiten verfolgen. Er war der Ehrengast bei dem Festverzehr, der aus ihm bereitet wurde. Danach trugen die Mog-urs Gorns Leiche feierlich und gemessenen Schrittes in die Tiefen der Hhle. Als sie verschwunden waren, gab Brun das Zeichen, und die Menge zerstreute sich. Der Geist des Hhlenbren war nach uraltem Gesetz auf seinen Weg geschickt worden. ~Kapitel 23 "Wie hat sie es nur gemacht? Keine der anderen wagte es, auch nur in die Nhe des Bren zu kommen, geschweige denn, den Jger zu holen; sie aber zeigte keine Furcht." Der Mog-ur des Clans, dem der verwundete Mann angehrte, machte keinen Hehl aus seinem Erstaunen. "Es war beinahe so, als sei sie sicher, da der Groe Hhlenbr ihr nichts antun wrde. Es war wie an jenem ersten Tag. Ich glaube, da der Groe Mog-ur recht hat. Der Hhlenbr hat sie angenommen. Sie ist eine Frau unseres Clans. Unsere Medizinfrau sagt, sie htte sein Leben gerettet. Sie ist nicht nur gut unterwiesen worden, sie ist auch besonders begabt, was ihr von Geburt aus gegeben ist. Ich anerkenne, da sie von Izas Stamm ist." Die Mog-urs hockten in einer Grotte tief unten im Berg. Steinlampen, es waren dies flache Schalen, mit Brenfett gefllt, das von einem Docht aus getrocknetem Moos aufgesogen wurde, warfen Lichtpftzen auf Boden und Wnde. Der Schein der schwachen Flammen brach sich glitzernd im Kristallgestein des Felsens und im Wasserglanz der tropfenden Steine, die von der Decke herabhingen und ihren Gegenstcken, den Steinzapfen, entgegenstrebten, die aus dem Boden emporwuchsen. Manchen Zapfen und Steintropfen war es gelungen, sich zu vereinigen; sie standen nun wie hohe Sulen, die sich zur Mitte hin verjngten, vom Boden bis zur gewlbten Decke. "Ja, die junge Frau hat bei allen Verwunderung geweckt, als sie an jenem ersten Tag keine Furcht vor dem Hhlenbren zeigte", bedeutete ein anderer Zaubermann. "Aber wenn wir uns einig sind, ist dann noch Zeit fr sie, sich vorzubereiten?" "Es ist noch Zeit", gab der Groe Mog-ur zurck, "wenn wir uns eilen." "Sie wurde den Fremdlingen geboren. Wie kann sie da eine Frau des Clans sein?" vermeinte der fltende Mog-ur mit heftigen Widergebrden. "Die Fremdlinge gehren dem Clan nicht an. Nie werden sie ihm angehren. Du hast uns mitgeteilt, da sie die Totemzeichen des Clans schon trug, als sie zu euch kam. Dies aber sind nicht die Zeichen eines Frauentotems. Wie kannst du sicher sein, da es die Zeichen des Clans sind? Die Frauen des Clans haben niemals ein Totein des Hhlenlwen." "Ich habe nie verkndet, da sie damit geboren wurde", ent-gegnete der Groe Mog-ur ruhig. "Willst du etwa sagen, da ein Hhlenlwe nicht auch eine Frau erwhlen kann? Ein Hhlenlwe kann erwhlen, wen er will. Sie war dem Tode nahe, als sie gerunden wurde; Iza hat sie ins Leben zurckgefhrt. Glaubst du, ein Kind knnte einem Hhlenlwen entrinnen, stnde es nicht unter dem mchtigen Schutz seines Geistes? Er gab ihr sein Zeichen mit, damit es keinen Zweifel geben knnte. Die Zeichen auf ihrem Bein sind die Zeichen des Clans. Keiner kann das von der Hand weisen. Warum sollte sie mit den Zeichen des Clan-Totems gezeichnet sein, wenn es ihr nicht bestimmt gewesen wre, eine Frau des Clans zu werden? Ich wei nicht, wie es kommt. Es steht mir nicht zu, den Willen der Geister zu erkunden. Mit der gndigen Hilfe des Hhlenbren vermag ich manches Mal, das zu deuten, was sie tun und wollen. Kann einer von euch mehr? Ich will nur sagen, da sie eingeweiht ist; Iza hat ihr das Geheimnis der Wurzeln in ihrem roten Beutel anvertraut, und Iza htte es ihr nicht geoffenbart, wre sie nicht ihre Tochter. Wir brauchen auf die heilige Feier nicht zu verzichten. Ihr mt entscheiden, aber tut es schnell." "Du hast uns gesagt, da dein Clan glaubt, das Glck stnde ihr zur Seite", warf Norgs Mog-ur ein. "Ja, es ist so, als brchte sie das Glck dahin, wo sie ist. Seit wir sie gefunden haben, war das Glck stets mit uns." "Sie hat uns auch an diesem Tag das Glck gebracht. Unser junger Jger wird sein Leben behalten", teilte der Mog-ur vom Clan des Verwundeten mit. "Ich bin bereit, sie als Medizinfrau anzunehmen. Es wre hchst jammervoll, mten wir auf Izas Trank verzichten." Mehrere Zauberer brummten zustimmend. "Und du?" wandte sich der Groe Mog-ur an den Zweiten der Zauberer. "Frchtest du immer noch, da es dem Groen Hhlenbren mifallen wird, wenn Ayla den Zaubertrank bereitet?" Alle blickten jetzt auf ihn. Wenn dieser mchtige Zauberer sich noch immer dagegen stellte, konnte er genug andere Mog-urs auf seine Seite ziehen. Selbst wenn er sich weigerte, an der Feier teilzunehmen, obwohl die anderen bereit waren, den Trank von Ayla anzunehmen, reichte das aus. Alle muten sich einig sein; eine Spaltung unter ihnen durfte es nicht geben. Er senkte den Blick, whrend er sich die Frage durch den Kopf gehen lie. Dann sah er die Mnner an, einen nach dem anderen. "Es ist ungewi, ob es dem Groen Hhlenbren mifallen wird oder nicht. Mir ist nicht wohl dabei. Es ist etwas an dieser Frau, das mir nicht geheuer ist. Aber klar ist, da keiner die hohe Feier missen will, und es scheint, da sie die einzige ist, die den Trank bereiten kann. Fast wrde ich Izas eigene Tochter vorziehen, trotz ihrer Jugend. Doch wenn ihr alle euch einig seid, werde ich es dabei bewenden lassen. Mir ist nicht wohl dabei, ich mchte es betonen, aber euch im Wege stehen mchte ich auch nicht." Der Groe Mog-ur schickte fragende Blicke in die Runde und sah allseits zustimmende Gebrden. Mit einem Seufzer der Erleichterung stemmte er sich an seinem Stock hoch und hinkte eilig aus der Grotte. Von Steinlampen gefhrt, humpelte er durch mehrere Gnge, die sich zu Kammern erweiterten und sich dann verjngten. Auf die Steinlampen folgten Kienspne, als er sich den Wohnkreisen der Clans nherte. Ayla sa neben dem verwundeten jungen Mann in der vorderen Hhle. Durc schlief in ihren Armen. Uba hockte an ihrer Seite. Die Gefhrtin des Verwundeten war auch da, die sorgen-^"iior> Ancrpn auf den Teer gerichtet. "Ayla, schnell, du mut dich bereit machen. Es bleibt wenig Zeit", gab Creb ihr mit hastiger Hand zu verstehen. "Du mut dich eilen! Aber la keine Handreichung aus. Komm sofort, wenn du bereit bist. Uba, bring Durc zu Oga. Sie soll sich um ihn kmmern. Ayla hat jetzt keine Zeit dazu." Entgeistert starrten sie beide den Zauberer an. Ayla brauchte einen Augenblick, bis ihr klar war, was er ihr soeben mitgeteilt hatte. Dann neigte sie zustimmend den Kopf. Hurtig rannte sie zur Feuerstelle in der zweiten Hhle, um sich einen anderen berwurf zu holen. Der Groe Mog-ur wandte sich der jungen Frau zu, die mit Kmmernis ber ihren schlafenden Gefhrten wachte. "Der Groe Mog-ur mchte gerne wissen, wie es um den jungen Mann bestellt ist." "Ayla sagte, er wird leben und wieder gehen knnen. Aber sein Bein wird nicht ganz heil werden." Die Frau verwendete andere Zeichen, als sie sprach. Ayla und Uba hatten leichte Schwierigkeiten gehabt, sich mit ihr zu verstndigen. Creb jedoch hatte mehr bung mit den verschieden abgewandelten Zeichensprachen der anderen Clans. "Der Groe Mog-ur wrde gern das Totem dieses Mannes wissen." "Es ist der Steinbock", antwortete sie. "Dieser Mann ist so sicheren Fues wie der Steinbock?" "Bisher schon", gab sie zurck. "Aber heute war er nicht so wendig. Was soll nun aus ihm werden? Was geschieht, wenn er nie wieder richtig gehen kann? Wie soll er denn noch jagen? Wie soll er mich ernhren? Was kann ein Mann denn anderes tun, wenn er nicht jagen kann?" Die junge Frau rang verzweifelt die Hnde. "Der junge Jger wird leben. Ist nicht das das Hchste?" fragte der Groe Mog-ur mit ruhiger Gebrde. "Ja. Aber er ist stolz. Wenn er nicht jagen kann, wird er sich wnschen, man htte ihm das Leben nicht erhalten. Er war ein guter Jger. Eines Tages wre er sogar Zweiter im Clan geworden. Nun wird er nie an Rang gewinnen. Er wird an Rang verlieren. Was wird er tun, wenn er an Wert verliert?" "Frau!" bedeutete ihr der Groe Mog-ur mit strenger Gebrde. "Kein Mann verliert an Wert, wenn er ein Erwhlter des Groen Hhlenbren ist. Um ein Haar wre er es gewesen, der mit ihm in die nchste Welt hinbergehen sollte. Der Geist des Hhlenbren trifft seine Wahl nicht leichten Sinnes. Der Groe Hhlenbr befand es fr ihn, ihn hier zurckzulassen; jedoch er zeichnete ihn. Dein Gefhrte wurde geehrt. Jetzt kann er den Groen Hhlenbren auch als sein Totem begreifen; seine Narben werden die Zeichen seines neuen Schutzgeistes sein. Er kann sie mit Stolz tragen. Immer wird er fhig sein, dich zu ernhren. Der Groe Mog-ur wird mit deinem Clan-Fhrer sprechen. Deinem Gefhrten kommt von jeder Jagd ein Anteil zu. Und es mag sein, da er wieder gehen wird; es mag sein, da er wieder jagen wird. Vielleicht wird er nicht so sprunghaft sein wie der Steinbock; er wird vielleicht sich eher wie ein Br bewegen knnen. Aber das steht nicht dagegen, auf die Jagd zu gehen. Du solltest stolz auf ihn sein, Frau." "Er ist ein Erwhlter des Groen Hhlenbren?" fragten die Hnde der Frau. "Der Hhlenbr ist sein Totem?" Ehrfurcht stand in ihren Augen. "Beide, der Hhlenbr und der Steinbock. Er hat beide To-tems", gab der Groe Mog-ur zurck. Er gewahrte die leichte Wlbung unter ihrem berwurf. "Hat die Frau schon Kinder?" "Nein, aber ich trage neues Leben in mir. Ich wnsche, da es ein Sohn wird." "Du bist eine gute Frau, eine gute Gefhrtin. Bleibe bei ihm, wenn er erwacht, dann bedeute ihm, was der Groe Mog-ur gesagt hat." Die junge Frau senkte den Kopf. Sie hatte verstanden. Nach der Schneeschmelze wurde der kleine Flu in der Nhe der Gastgeberhhle zu einem brodelnden Strudelwasser, das Bume entwurzelte und Felsbrocken aus den Bergen ri, die es in rasender Sturzflut ins Tal fhrte. Selbst in ruhigerer Stimmung zeigte der Flu, der sich schumend mitten durch breites Schwemmland wlzte, die milchig-trbe grnliche Farbe des Gletscherwassers. Ayla und Uba hatten das Gebiet um die Hhle schon kurz nach ihrer Ankunft erkundet, um die reinigenden Pflanzen zu finden, mit denen sie sich waschen muten, falls eine von ihnen aufgerufen wurde, an der heiligen Feier teilzunehmen. Ayla hatte das Herz bis zum Hals geschlagen, als sie aus der Hhle gestrzt war, um die Pflanzen zusammen mit den Wurzeln auszugraben. Wieder zurckgekehrt, flatterte ihr Magen unruhig, whrend sie auf kochendes Wasser wartete, um den mitgebrachten Farn auszulaugen. Die neue Kunde, da ihr nun doch gestattet war, an der heiligen Feier teilzunehmen, verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den Clan-Leuten. Nun, nachdem die Mog-urs sie fr wrdig befunden hatten, sahen alle die Frau, die den Fremdlingen geboren war, mit neuen Augen, und Aylas Ansehen stieg gewaltig. Hiermit war besttigt, da sie in der Tat Izas Tochter war, und sie galt nun als ranghchste Medizinfrau. Der Fhrer jenes Clans, in dem Verwandte von Zoug lebten, berdachte seinen ablehnenden Bescheid, sie aufzunehmen, noch einmal. Vielleicht hatte Zougs Empfehlung doch etwas Gutes. Vielleicht wrde einer seiner Mnner sie nehmen, wenn auch nur als zweite Frau. Ayla aber war viel zu aufgeregt, um auf die beiflligen Gebrden der Clan-Leute ringsum zu achten. Eigentlich hatte sie entsetzliche Angst. Ich kann es nicht! schrie es in ihr, als sie zum Flu lief. Die Zeit ist zu kurz, und ich kann mich nicht richtig vorbereiten. Was ist, wenn ich etwas bersehe? Wenn ich einen Fehler mache? Dann werde ich Schande ber Creb bringen. Schande ber Brun. Schande ber den ganzen Clan. Das Wasser war eisig, doch es beruhigte sie. Ayla sah dem Kommenden schon gelassener entgegen, als sie sich auf einem Felsbrocken niedersetzte und ihr langes, blondes Haar entwirrte, das in einer leichten Brise langsam trocknete. Trstlich war ihr der Anblick der feuerglhenden Berggipfel, die allmhlich mit den blulich violetten Schleiern der Nacht verhllt wurden. Ihr Haar war noch feucht, als sie sich ihr Amulett wieder ber den Kopf streifte und den frischen berwurf anlegte. Gerte und Werkzeuge stopfte sie in die Falten des Gewandes, nahm den anderen berwurf unter den Arm und rannte zur Hhle zurck. Unterwegs kam sie an Uba vorber, die Durc in den Armen hielt, und nickte ihr kurz zu. Die Frauen arbeiteten wie besessen, stndig durch die Kinder gestrt, die vllig auer sich waren. Das blutige Brengemetzel hatte ihr Innerstes aufgewhlt; auch waren sie es nicht gewhnt, hungern zu mssen, und die Essensdfte, die ihnen von berall in die Nase stiegen, steigerten den Hunger zur Gier. Und da ihre Mtter so beschftigt waren, konnten sie ihrer Erregung und ihrer Ungeduld in einer Weise Luft machen, wie ihnen das sonst niemals gestattet worden wre. Einige der Jungen hatten die zerschnittenen Riemen vom Pfahlverhau des Bren aufgehoben und sich als Ehrenzeichen um die Arme gebunden. Andere, die nicht so flink gewesen waren, versuchten, sie ihnen abzujagen, und die ganze Kindermeute rannte brllend um die Feuer herum. Als sie dieses Treibens mde wurden, fingen sie an, die Mdchen zu rgern, die auf ihre kleineren Geschwister achtgeben muten, bis die Mdchen schlielich auf die Jungen losgingen, sie zu verprgeln, oder zu ihren Mttern rannten, um sich zu beschweren. Die Kinder waren nicht die einzigen, denen der Hunger allmhlich zur Qual wurde. Der Ruch des in riesigen Mengen zubereiteten Verzehrs reizte jedermanns Elust. Und alles wartete eigentlich nur mit nur mhsam beherrschter Ungeduld auf den groen Festverzehr und die nachfolgende Feier. Wurzeln und Knollen kchelten leise in den ber den Feuer hngenden Tierhautbehltnissen. Wilder Spargel, Lilienwurzeln, wilde Zwiebeln, Hlsenfrchte, kleine Krbisse und Pilze waren wohlschmeckende Beilagen. Mit einer Soe aus heiem Brenfett, Krautern und Salz wrden Lattich, groe Kletten und Lwenzahn aufgetragen werden. Der eine Clan glnzte mit einem besonders gewrzten Verzehr aus Zwiebeln, Pilzen und kleinen grnen Erbsen. Ein anderer hatte eine seltene Art von Fichtenzapfen mitgebracht. bers Feuer gehalten, sprangen aus den Zapfen groe schmackhafte Nsse heraus. Norgs Clan rstete Kastanien, die an den tiefer liegenden Hngen gesammelt worden waren, und machte dazu eine nuartig schmeckende dicke Soe aus zerstampften Bucheckern, getrockneten Getreidekrnern und kleinen s-sauren pfeln, die in Scheiben geschnitten wurden. In der nheren Umgebung der Hhle gab es nirgends mehr Blaubeeren und schon gar nicht Preiselbeeren. Alle waren sie in die Sammelkrbe der Frauen gewandert. Tagelang hatten die Frauen von Bruns Clan sich abgemht, die mitgebrachten, getrockneten Eicheln aufzubrechen und zu zerstampfen. Das Feinzerstampfte wurde in flache Lcher im Flusand vergraben und mit viel Wasser bergossen, damit ihm die Bitterkeit entzogen wrde. Der Brei wurde dann zu flachen Kuchen gebacken und diese wiederum in sen Ahornsaft getaucht, bis sie vllig durchtrnkt waren, und schlielich in der Sonne getrocknet. Uba, die den Frauen half und dabei stndig ein Auge auf Durc hatte, konnte es nicht fassen, da dies alles gegessen wurde. Von den Feuern stieg der Rauch so schwadendick in die stille, sternschimmernde Nacht auf, da er in feinen Wolken den Himmel verhllte. Der Mond war neu und hielt sein Antlitz der Erde abgewandt. Der Schein der Feuer erhellte den breiten Vorplatz der Hhle, doch die Wlder, die ihn umstanden, blickten dunkel und drohend. Man hatte den Verzehr jetzt von den Feuern genommen. Er brauchte nur noch warmgehalten zu werden. Fast alle Frauen hatten sich in die Hhle zurckgezogen. Sie legten frische Umhnge an und ruhten sich noch etwas aus. Doch selbst die mdeste Frau hielt es nicht lange in der Hhle aus. Bald fllte sich der Vorplatz wieder mit einer erwartungsvollen Menge, die ungeduldig der Dinge harrte, die da kommen sollten. Tiefe Stille breitete sich aus, als die zehn Zaubermnner und ihre Gehilfen nacheinander aus der Hhle schritten. Dann hob ein allgemeines Zurechtrcken an, als jeder sich seinen Platz suchte. Diesmal ging es nicht nach Rang. Wichtig war nur, da jeder vor oder hinter oder an der richtigen Seite bestimmter anderer Leute sich befand. Als es wieder still wurde, entzndete man am Eingang zur Hhle ein groes Feuer. Dann wurden die Steine entfernt, die die Kochgruben bedeckten. Den Gefhrtinnen der Fhrer sowohl des rangobersten als auch des gastgebenden Clans wurde die Ehre zuteil, das Fleisch herauszuheben. Bruns Brust schwoll an vor Stolz und Befriedigung, als er Ebra vortreten sah. Der Entscheid war endlich mit der Anerkennung Aylas durch die Mog-urs gefallen. Brun und sein Clan behaupteten den ersten Platz sicherer als je zuvor. So wenig es die Leute zunchst hatten glauben wollen, die hochgewachsene Frau mit dem sonnenhellen Haar war eine Frau des Gro-Clans und eine Medizinfrau von Izas angesehenem Stamm. Bruns hartnckiges Behaupten, da dem so wre, hatte sich als richtig erwiesen. Es war der Wille des Groen Hhlenbren. Htte Brun auch nur einen Herzschlag lang geschwankt, so wre sein Ansehen nicht mehr so gro gewesen, seine berlegenheit nicht so deutlich. Das Brenfleisch wurde mit gegabelten sten von den Keulen gerissen, und die anderen Frauen halfen mit. Platten aus Holz und Bein wurden beladen, groe Schsseln mit dem vielfltigsten Verzehr gefllt. Broud und Voord traten vor den Groen Mog-ur. "Mit diesem Festverzehr zu Ehren des Groen Hhlenbren soll auch Gorn geehrt werden, den unser Schutzgeist ausersehen hat, da er ihn begleite. Whrend er nmlich unter den Leuten von Norgs Clan weilte, sah der Groe Hhlenbr, da diese nicht vergessen haben, was er sie gelehrt hat. Gorn wurde ihm anvertraut, und er sah in ihm einen wrdigen Begleiter. Broud und Voord, weil ihr mutig, krftig und ausdauernd wart, hat man euch erwhlt, dem Groen Geist die Tapferkeit der Mnner seines Clans vorzufhren. Er stellte euch mit seiner gewaltigen Kraft auf eine schlimme Probe, und was er sah, gefiel ihm. Ihr habt wohlgetan, und euer sei die Ehre, ihm den letzten Verzehr zu bringen, den er mit seinem Clan teilen wird, ehe er in die Welt der Geister zurckkehrt. Mge der Geist des Hhlenbren bei uns sein auf allen unseren Wegen fr und fr." Die beiden jungen Jger schritten die Reihen der Frauen ab, die neben den hochbeladenen Platten und vollgefllten Behltnissen standen, und lieen sich in ihre Gefe von allem geben auer vom Fleisch. Dem Bren, der hier im Pfahlverhau gelebt hatte, war niemals Fleisch gegeben worden. Die Platten stellten sie vor der auf Pfhlen aufgespannten Brenhaut ab. Danach fuhr der Groe Mog-ur mit kurzer Handbewegung fort: "Ihr habt von seinem Blut getrunken. Nun et von seinem Fleisch und werdet eins mit dem Geist des Hhlenbren." Das war das Zeichen zum Beginn des Festverzehrs. Broud und Voord erhielten die ersten und besten Stcke vom Fleisch. Und ihnen schlssen sich in langer Reihe die anderen Clan-Leute an. "Ayla, du it ja gar nichts. Du weit doch, da alles Fleisch in dieser Nacht gegessen werden mu." "Ich wei es, Ebra. Aber ich bin nicht hungrig." "Ayla flattert das Herz", warf Uba mit kurzer Geste ein, whrend sie genlich kaute. "Ich bin froh, da ich nicht erwhlt wurde. Dann knnte ich auch nichts essen." "I wenigstens etwas Fleisch. Das mut du tun. Hast du Brhe fr Durc? Er soll ein wenig davon haben. Das macht ihn eins mit dem Gro-Clan." "Ich habe ihm schon etwas gegeben, aber viel wollte er nicht. Oga hat ihn gerade genhrt", erwiderte Ayla und wandte sich an Brouds Gefhrtin: "Oga, ist Grev noch hungrig? Meine Brste sind so voll, da sie schmerzen." "Ich htte gewartet, aber sie waren beide hungrig, Ayla. Du kannst sie morgen anlegen." "Da werde ich genug haben fr zwei und mehr", meinte Ayla. "In der Nacht werden sie nichts wollen. Da werden sie fest schlafen. Der Daturatrank ist bereit. Wenn sie das nchstemal hungrig werden, dann gib ihnen den Trank zuerst. Sie schlafen dann schnell. Uba wird dir zeigen, wieviel es sein mu. Ich komme erst nach der Feier zurck." "Bleib nicht zu lange, Ayla. Unser Tanz fngt an, sobald die Mnner in die Hhle gegangen sind. Einige Medizinfrauen verstehen mit Trommeln besonders gut zu schlagen. Beim Miething* des Gro-Clans ist der Frauentanz immer wundersam", bedeutete Ebra. "Mit den Schlgeln kann ich noch nicht gut hantieren. Iza hat mich ein wenig darin unterwiesen und die Medizinfrau von Norgs Clan auch", erklrte Ayla zaghaft. "Du bist noch nicht lange Medizinfrau, Ayla, und Iza hat sich mehr Zeit genommen, dich in den heilenden Zauber einzuweisen als in den Gebrauch schsseifrmiger Trommeln. Doch auch die Klnge besitzen Zauberkraft", gab Ovra zu verstehen. "Medizinfrauen mssen so vieles wissen." "Ich wnschte, Iza wre hier", machte Ebra traurig. "Es ist gut, da sie dich endlich angenommen haben, Ayla, aber Iza fehlt mir doch. Es ist alles so sonderbar ohne sie." "Ich wnschte auch, sie wre hier", gab Ayla zurck. "Mir hat das Herz geblutet, da wir sie zurcklassen muten. Sie ist so krank. Sie mu viel Wrme und Ruhe haben." "Wenn ihre Zeit gekommen ist, in das Jenseitige hinberzugehen, dann wird sie eben gehen. Wen die Geister rufen, den kann niemand aufhalten", stellte Ebra mit gefater Gebrde fest. Ayla frstelte, obwohl die Nacht warm war, und ein pltzlicher Anflug dunklen Vorahnens strich ber sie hin wie ein Rabenvogel, der in die Kltnis fliegt. Der Groe Mog-ur gab ihr ein Zeichen, und Ayla sprang auf, die das dunkle Gefhl nicht abschtteln konnte, als sie zur Hhle lief. Izas Schale, innen wei angelaufen von langem Gebrauch, stand auf ihrem Schlafpelz, wo sie sie bereitgestellt hatte. Sie holte den rotgefrbten Beutel aus ihrer Medizintasche und leerte ihn aus. Im Schein des Kienspans besah sie mit scharfem Auge die Wurzeln. Obwohl Iza ihr viele Male dargelegt hatte, wie die rechte Menge zu schtzen sei, war sich Ayla noch immer nicht im klaren darber, wieviel sie fr die zehn Mog-urs nehmen sollte. Die Strke des Tranks hing nicht nur von der Zahl der Wurzeln ab, sondern auch von ihrer Gre und dem Grad ihres Alters. Nie hatte sie Iza bei der Zubereitung helfen knnen. Der Trank war, wie ihr die Medizinfrau instndig dargetan hatte, zu heilig, zu kostbar, um nur zum ben bereitet zu werden. Medi- zinfrau-Tchter lernten es dadurch, da sie zusahen, wie er gemacht wurde. Und dann wuten sie es wieder, wie sie es schon vorher gewut hatten. Doch Ayla war nicht in den Clan hineingeboren worden. Sie hatte es jetzt schwerer. Zgernd suchte sie mehrere Wurzeln heraus, legte dann noch eine dazu, um sicher zu sein, da der Zauber wirken wrde. Dann ging sie zu der Stelle gleich beim Eingang, wo ein Gef mit frischem Wasser stand. Dort, hatte Creb ihr befohlen, sollte sie warten. Reglos verfolgte sie den Beginn der heiligen Feier. Dem Klang der schsseifrmigen Holztrommeln folgte das dumpfe Stoen der Speerschfte und der abgehackte Donnerton der langen, hohlen Rhren. Gehilfen gingen mit den Datura-trank-Schalen unter den Mnnern umher, und bald bewegten sich alle im Einklang mit dem schwerflligen Getn. Die Frauen hielten sich im Hintergrund; ihre Zeit kam spter. Ayla stand zitternd an ihrem Platz, den Umhang lose um ihren Krper, und wartete. Der Tanz der Mnner wurde wilder, und sie fragte sich, wie lange sie noch wrde warten mssen. Sie fuhr zusammen, als eine Hand ihre Schulter berhrte. Sie hatte nicht bemerkt, da die Mog-urs aus der Tiefe der Hhle gekommen waren. Erleichtert atmete sie auf, als sie Creb erkannte. Auf leisen Sohlen schritten die Zauberer aus der Hhle und stellten sich halbkreisfrmig vor der aufgespannten Brenhaut auf. Der Groe Mog-ur stand vor ihnen, und von ihrem Ausguck aus hatte Ayla den flchtigen Eindruck, da der Hhlenbr, der mit aufgerissenem Maul hoch aufgerichtet an den Pfhlen hing, gleich den verkrppelten alten Mann angreifen wrde. Doch das gewaltige Tier, das weit ber den Groen Mog-ur leerugig hinwegblickte, war nur noch ein Trugbild von Kraft und Wildheit. Sie sah, wie der Groe Zauberer den Gehilfen, die die hlzernen und beinernen Klangkrper bedienten, ein Zeichen gab. Beim nchsten gewaltigen Zusammenschlag brachen sie ab. Die Mnner hielten in ihrem Tanz inne und blickten auf und waren verwundert, dort die Mog-urs zu sehen, wo eben noch alles leer gewesen war. Doch auch das pltzliche Erscheinen der Zauberer war Trug, und Ayla wute jetzt, wie die Tuschung vollbracht wurde. Der Mog-ur wartete, lie Spannung sich aufbauen, bis er fast mit seinem Krper sprte, da aller Aufmerksamkeit auf die mchtige Gestalt des Hhlenbren gerichtet war, der im Feuer-trhpin 7.11 dhen schien. Sein Zeichen war kaum wahrzuneh men, und er blickte mit Absicht in die andere Richtung, als er es gab. Doch es war das Zeichen, auf das Ayla gewartet hatte. Sie lie ihren Umhang von den Schultern gleiten, fllte die Schale mit Wasser und umfate die Wurzeln in ihrer Hand fester. Noch einmal holte sie tief Atem, dann schritt sie langsam dem Einugigen entgegen. Ein Aufseufzen hchster Verwunderung ging durch den Kreis der Mnner, als Ayla ins Licht trat. In ihren Umhang gekleidet, dessen lose fallende Falten und Taschen ihren Krper verhllten, hatte sie ausgesehen wie eine der ihren. Ohne die Hlle des weit fallenden Gewandes jedoch zeigte sich, da ihr Krper ganz anders war als die Krper der Clan-Frauen. Er war nicht rundlich und erdschwer wie bei diesen; er war schlank und schmal. Ihre Arme und Beine waren lang und gerade. Und nicht einmal die roten und schwarzen Kreise und Linien, die ihren nackten Leib bedeckten, konnten ihr Anderssein verbergen. Noch seltsamer aber war ihr hoher Wuchs. Wenn sie, wie blich, mit gekrmmtem Rcken und leicht vornbergebeugt da-hinschlurfte oder zu Fen eines Mannes hockte, war dies nicht weiter aufgefallen. Als sie jedoch den Zauberern gegenberstand, war es offenkundig geworden: Ayla war weit hher gewachsen als selbst der grte Mann im Clan. Mit einer flieenden Folge feingefhrter Gesten rief der Groe Mog-ur den Schutz des Groen Bren herab, der noch in ihrer Nhe weilte. Dann schob Ayla die harten, ausgedrrten Wurzeln in ihren Mund. Es fiel ihr schwer, sie zu kauen, da ihr die groen Zhne und die krftigen Kiefer der Clan-Leute fehlten. So sehr Iza sie auch davor gewarnt hatte, die Sfte zu schlucken, die sich in ihrer Mundhhle bildeten, sie konnte nicht verhindern, da etwas davon in ihre Kehle geriet und geschluckt wurde. Auch wute sie nicht, nach welcher Zeit die Wurzeln weich waren; aber sie hatte das Gefhl, als mte sie kauen ohne Unterla. Als sie endlich die letzte Wurzel ausspie, fhlte sie sich leicht benommen. Sie rhrte so lange, bis das Flssige in der uralten heiligen Schale wrig-wei wurde; dann reichte sie die Schale Goov. Die Gehilfen hatten dabei gestanden und gewartet, whrend sie die Wurzeln kaute. Jeder hielt ein Gef mit Daturasud in den Hnden. Goov reichte die Schale mit der weien Flssigkeit an den Groen Mog-ur weiter, hob dann sein Gef vom Boden auf und bergab es Ayla auf die gleiche Weise, wie die anderen Gehilfen ihre Schalen den Medizinfrauen ihrer Clans reichten. Es war ein gerechter Austausch. Der Groe Mog-ur schlrfte aus der heiligen Schale. "Der Trank ist stark", bedeutete er Goov, so da es niemand merkte. "Gib weniger." Goov nickte, nahm die Schale und ging mit ihr hinber zu dem Mog-ur, dem der zweite Rang zukam. Ayla und die anderen Medizinfrauen trugen ihre Schalen zu den wartenden Frauen und reichten sie ihnen. Ayla schlrfte den letzten Rest aus ihrer Schale; doch schon sprte die junge Medizinfrau sich von einem befremdlichen Gefhl des Entferntseins berschwemmt, so als htte sich ein Teil von ihr gelst und she nun all dem, was ringsum vorging, aus der Entfernung zu. Einige der lteren Medizinfrauen griffen zu den schsseifrmigen Holztrommeln und begannen, den bemessenen Ton fr den Tanz der Frauen zu schlagen. Wie gebannt starrte Ayla auf die wirbelnden Stcke, whrend sie der klaren, genauen Schlagfolge lauschte. Die Medizinfrau von Norgs Clan schob ihr eine rundliche Holztrommel zu. Mit zaghafter Hand pate sie den Schlgel der allgemeinen Schlagfolge an und ging nach einer Weile ganz in ihr auf. So versunken war Ayla, da sie nichts von dem bemerkte, was um sie herum vorging. Als sie einmal kurz aufblickte, waren die Mnner fort, und die Frauen wanden und drehten sich und sprangen in einem wilden, rasenden Tanz. Schnell stellte sie die Trommel beiseite und sah, wie sie umstrzte und sich ein paarmal drehte, ehe sie ruhig liegen blieb. Die bauchige Form des Klangholzes weckte eine Erinnerung in ihr. Sie erinnerte an Izas Schale, das kostbare uralte Gef, das ihr anvertraut worden war. Und dann sah sie sich, wie sie mit ihrem Finger das weiwrige Flssige gerhrt hatte. Wo ist Izas Schale? ging ihr durch den Kopf. Was ist mit ihr geschehen? Wo ist sie nur? Sie kam einfach nicht los von den Gedanken, die sie bedrngten und verfolgten. Izas Gesicht tauchte vor ihr auf, und Trnen sprangen ihr in die Augen. Izas Schale! Ich habe Izas Schale verloren. Die wunderschne, alte Schale, von ihrer Mutter bergeben, weitergereicht von der Mutter ihrer Mutter und davor immer weiter, immer weiter. Und wieder tauchte Iza auf, und noch eine Iza hinter ihr und noch eine; eine endlos lange Reihe von Medizinfrauen fhrte hinter Iza in die uralten, dunkelkalten nebelhaften Zei-"or> TTnrI iprip dieser Frauen hielt eine kostbare weie Schale in den Hnden. Langsam lste sich dieses Bild vor Aylas Augen auf. Und etwas schwebte auf sie zu, wurde grer und grer: die Schale, die pltzlich an ihrem Kopf zersprang und in zwei Teile Orach. Nein! Nein! schrie es in ihr. Helloderndes Entsetzen verbrannte ihre Sinne. Izas Schale! Wo war Izas Schale? Sie stolperte und lief von den Frauen fort und rannte zur Hhle; whlte zwischen Beinschalen und Holzschsseln und suchte nach Izas Schale. Der Hhleneingang hinter dem zuckenden Lichtschein lockte, zog sie an, und sie torkelte hinber. Und mit einemmal war ihr der Weg versperrt. Sie war gefangen, gefangen in der Umarmung eines riesigen rauhhaarigen Geschpfes, das auf sie nieder blickte mit unfrmigem Kopf, einem riesigen aufgerissenen Maul und toten starren Augen. Ayla schlug die Hnde vors Gesicht, wich zurck und floh in wilden Sprngen zur lockenden Hhle. Als sie durch die ffnung wankte, fiel ihr Blick auf etwas Weies nahe der Stelle, wo sie auf das Zeichen des Groen Mog-urs gewartet hatte. Sie sank auf die Knie und sah Izas Schale, die sie aufhob und an sich drckte wie ein kleines Kind. Milchigwei schwappte es noch auf dem Grund. Sie haben nicht alles getrunken, scho es ihr durch den Kopf. Ich habe zuviel gemacht. Was soll ich damit nur tun? Ich kann es doch nicht fortgieen. Iza hat gesagt, da ich es nicht darf. Ja, deshalb konnte sie mir nicht zeigen, wie der Trank zubereitet wird; ich habe zuviel gemacht, weil sie es mir nicht zeigen konnte. Ich habe es falsch gemacht. Was ist, wenn einer das sieht? Dann glauben sie, da ich gar keine richtige Medizinfrau bin. Keine Frau des Clans. Dann treiben sie uns vielleicht fort. Was soll ich tun? Was soll ich denn nur tun? Ich werde es trinken. Ja, das will ich tun. Wenn ich es trinke, wird keiner es sehen. Und alles ist wie vorher. Ayla hob die Schale an ihre Lippen und leerte sie. Als wrde sie durch Flauschiges gehen, machte sich Ayla auf den Weg in die zweite Hhle. Man mute die kostbare Schale an einem sicheren Ort verbergen. So sehr war ihr jedes Gefhl fr Raum und Zeit abhanden gekommen, da sie nicht merkte, wie ihr die Schale innerhalb von Crebs Wohnkreis einfach aus den Hnden fiel. Ein Geschmack lag in ihrem Mund nach uraltem, wildem Wald; nach glitschigem, feuchtem Lehm, muffig faulendem Holz, himmelhochaufragenden, groblttrigen Bumen, die regenna tropften, riesigen, fleischigen Pilzen. Die Wnde der Hhle weiteten sich, schwangen hoch und zurck, schwanden in immer weitere Fernen. Ayla fhlte sich wie ein Kfer, der mhsam auf dem Boden dahinkroch. Winzige Dinge sprangen ihr berscharf ins Auge. Ihr Blick folgte ngstlich den Kratern eines Fuabdrucks, gewahrte jeden kleinen Kieselstein, der sich lsen konnte und ihr den Kopf zerschmettern. Aus den Augenwinkeln erhaschte sie eine Spinne, die an einem Faden emporkletterte, der im Schein eines Kienspans rtlich glnzte. Das Licht bannte sie. Sie starrte in die flackernde, tanzende Flamme und sah den schwarzen Rauch, der in Kringeln zur dunklen Decke emporstieg. Sie trat nher an den Lichtstock heran, sah wieder einen und folgte dem winkenden Flammenfinger. Doch als sie ihn erreichte, lockte schon der nchste und dann wieder einer und dann wieder. Immer tiefer wurde sie in die Hhle hineingezogen. Es fiel ihr nicht auf, als die Flammenfinger den kleineren Flmmchen von Steinlampen wichen, die weit auseinanderlagen, und sie wurde nicht bemerkt, als sie an einer groen Grotte vorbertappte, in der die Mnner tief in sich versunken hockten. Keiner sprte ihre Gegenwart, als sie an der kleineren Grotte vorberkam, wo die lteren Jungen, gefhrt von den Gehilfen der Zaubermnner in gleiche Versenkung geglitten waren wie die erwachsenen Mnner. Mit einer Zielstrebigkeit, von der nichts sie abbringen konnte, wanderte Ayla von einem kleinen Flmmchen zum nchsten. Die Lichter fhrten sie durch Stollen, Gnge, kleine Grotten, Felsnischen und Hhlen. Sie stolperte auf dem holprigen Boden und suchte Halt an der feuchten Felswand, die sich drehte. Und wieder gelangte sie in einen Gang. Am anderen Ende leuchtete rosiges Licht. Endlos war er und wollte kein Ende nehmen; weiter und weiter fhrte er sie. Hufig schien ihr, als she sie sich selbst aus groer Ferne, wie sie durch den lichtertrben Gang wankte. Ihr Geist wurde in immer weitere Fernen gezogen, in ein tiefes, schwarzes Nichts, doch sie hatte Angst vor der unermelichen Weite des Nichts und kmpfte hart, ihm zu entkom men. l^Al. Endlich kam sie dem hinteren Lichtschein nahe und erblickte mehrere Gestalten, die in einem Kreis beieinander hockten. Ganz tief aus ihrem Hirn drang eine Mahnung zur Vorsicht zu ihr, und Ayla hielt an, ohne der letzten lockenden Flamme zu achten, und verbarg sich hinter einer steinernen Sule. Es waren die Mog-urs, zehn an der Zahl, die in ihrer Grotte zusammensaen und sich tief versenkt hatten in den Ursprung ihres Seins. Sie hatten die Feier erffnet, die alle Mnner aller Clans einigte, doch es dann aber den Gehilfen berlassen, sie fortzufhren, und hatten sich allein in den heiligsten Bereich zurckgezogen, um jene Feier abzuhalten, die nur fr sie bestimmt war. Jeder der Mnner, sein Brenfell um den Krper, hockte hinter dem Schdel eines Hhlenbren. Und auch aus den Nischen in den Felswnden blickten Brenschdel auf den magischen Kreis herunter. In der Mitte befand sich etwas Behaartes, das Ayla auf den ersten Blick nicht recht erkannte. Doch als sie dann sah, was es war, gerann ihr das Blut in den Adern, und um ihre Kehle legte sich ein steinerner Ring: In der Mitte lag Gorns vom Rumpf getrenntes Haupt. Starr vor Entsetzen sah sie zu, wie der Mog-ur von Norgs Clan nach dem Kopf griff, ihn umdrehte und mit einem Stein die groe ffnung erweiterte und das schwabbelige rosiggraue Hirn des Jgers blolegte. Mit gewaltigen Gebrden besprach der Zauberer den Kopf, griff dann in die ffnung und zog ein Stck des Hirns heraus, hielt es in der Hand, whrend der nchste Mog-ur den Arm nach dem Kopf ausstreckte. Und jeder der Zauberer griff in den toten Kopf hinein und holte sich seinen Teil vom Gehirn des Mannes heraus, den der Hhlenbr zerbrochen hatte. Ein wirbelnder Schwindel trieb Ayla an den Rand der tiefsten Leere. Sie schluckte und wrgte und klammerte sich verzweifelt an den Rand des Abgrunds, auf dessen unterstem Boden das Nichts lag, doch als sie sehen mute, wie die groen heiligen Mnner der Clans die Hnde zum Mund fhrten und Gorns Hirn verzehrten, lie Ayla los. Stumme Schreie stieen aus ihr hervor, die sie selbst nicht hren konnte. Sie konnte nicht sehen, und sie konnte nicht fhlen, aber sie wute es. Sie war nicht in einen alles auslschenden Schlaf gesunken. Das Nichts war voller Grauen in seiner den, schwarzen Leere. Angst packte sie. Wie rasend kmpfte sie darum zurckzukehren, schrie lautlos um Hilfe und fiel nur noch tiefer hinunter. Schneller und schneller strzte sie in eine tiefe, schwarze Unendlichkeit. Doch pltzlich lie die rasende Fahrt nach. Sie sprte ein Prikkeln in ihrem Hirn, in ihrem Geist und eine Kraft, die sie langsam zurckholte, heraus aus dem Abgrund der Unendlichkeit. Sie nahm Gefhle wahr, die ihr fremd waren, Gefhle, die nicht zu ihr gehrten. Am strksten war die Liebe, doch sie war ver- mischt mit einem tiefen Zorn und groer Furcht; und dann sprte sie die Wibegierde. Und hell entsetzt gewahrte sie, da der Groe Mog-ur mitten in ihrem Kopf sa. Mit ihrem Denken fhlte sie seine Gedanken; mit ihren Gefhlen empfand sie sein Gefhl. Seine Anwesenheit in ihr hatte etwas Krperliches, als wenn er sie berhrte. Der Groe Mog-ur konnte nmlich nicht nur die Erinnerung teilen und beherrschen, er konnte die Verbindung aufrechterhalten, whrend sich die anderen im Geist vom Vergangenen in das Gegenwrtige bewegten. Den Mnnern seines Clans war eine reichere, erflltere geistige Gemeinschaft vergnnt als allen anderen. Doch mit den geistmchtigen Mog-urs konnte er sich bersinnlich verbinden, schon von Anfang an. Durch Creb, den Groen Mog-ur, fanden sich alle Zauberer in einer Vereinigung zusammen, die weit enger und weit erfllender war als jede krperliche: es war die geistige Berhrung. Ayla konnte nicht wissen, da durch die Schdigung des Gehirns, die der Krppel bei seiner Geburt erlitten hatte, nur seine krperlichen Fhigkeiten beeintrchtigt waren, der Sitz der Geisteskrfte aber heil geblieben war. Doch dieser Mann war der letzte seiner Art. In ihm hatte der Weg, die die Natur dem Clan bestimmt hatte, ein Ende gefunden. Weiter konnte er ohne einen artverndernden Umschwung nicht fhren. Doch wie das mchtige Geschpf, das sie verehrten, und viele andere Wesen, die in ihrer Umwelt lebten, waren die Erdlinge nicht gemacht, Vernderungen zu berleben. Jene Erdlingsart, die fr ihre Schwachen und Kranken sorgte, ihre Toten begrub und ein mchtiges Totem verehrte, diese Erdlinge mit dem gewaltigen Hirn, die nur clanmig leben konnten und sich in Hunderten von tausend Jahren fast nicht weiterentwickelt hatten, waren geboren und dazu bestimmt, damit jenen Weg zu gehen, den auch das wollhaarige Mammut und der mchtige Hhlenbr nehmen muten. Sie wuten es nicht, doch ihre Tage waren gezhlt. Sie waren dem Aussterben nahe. Und in Creb hatten sie das Ende des Wegs erreicht. Ayla sprte so etwas wie den rauschhaften Puls eines fremden Blutstroms, der ihren eigenen berdrhnte. Der mchtige Geist des groen Zauberers erforschte die verschlungenen Bahnen ihres fremden Geistes auf der Suche nach Gemeinsamem. Er fand Pfade der hnlichkeit; und dort, wo es keine gab, -"u^ o" "ar-h andprpn Mglichkeiten der Verklammerung und stellte Verbindungen her, wo nur schattenhafte Anlage vorhanden war. Mit bestrzender Klarheit begriff Ayla pltzlich, da Creb es gewesen war, der sie aus dem Nichts geholt hatte; aber mehr noch - er verhinderte, da die anderen Mog-urs, die ebenfalls mit ihm verbunden waren, ihre Anwesenheit sprten. Sie konnte nur undeutlich seine Verbindung mit ihnen wahrnehmen, nicht aber sie selbst. Auch sie sprten, da er Verbindung mit jemand -oder etwas - anderem aufgenommen hatte, aber niemals htten sie sich vorstellen knnen, da es Ayla war. Und sowie sie jetzt erfate, da der Groe Mog-ur sie vor dem Schlimmsten gerettet hatte und immer noch schtzte, so ersprte sie jetzt die tiefe Ehrfurcht, mit der die Mog-urs jene Handlung vollbracht hatten, ber die sie selbst so entsetzt gewesen war. Sie hatten sich vereinigt. Die Mog-urs hatten den Mut und die Tapferkeit des jungen Mannes, der nun an der Seite des Geistes des Hhlenbren wandelte, in sich aufgenommen. Und da sie die Mog-urs waren, mit einem besonderen Geist ausgestattet, konnten sie diesen Mut und diese Tapferkeit an alle weitergeben, die zum Gro-Clan gehrten. Nicht nur an jene Clans, die sich zum Miething hier eingefunden hatten, sondern auch an jene, die in weiten Fernen waren, zu fern, um an diesem Treffen teilnehmen zu knnen. Hier lag der Ursprung von Crebs Zorn und Furcht. Dem uralten berlieferten zufolge durften nur Mnner an den heiligen Feiern des Gro-Clans teilhaben. Wurde eine Frau Zeugin einer solchen Feier, und sei es nur einer kleinen, so bedeutete dieses den Untergang fr den Clan. Doch heute hielt man keine kleine Feier ab. Dies hier war eine Feier von hoher Bedeutung fr alle Clans. Und Ayla war eine Frau. Und sie war dabei. Und sie war noch nicht einmal eine Frau des Gro-Clans. Das wute der Mog-ur jetzt mit Sicherheit. Von dem Augenblick an, als er ihrer gewahr geworden war, wute er, da sie nicht zum Gro-Clan gehrte. Ebenso blitzartig hatte er die Folgen ihres Hierseins erfat, aber da war es schon zu spt gewesen. Dies, was daraus folgte, war nicht mehr abzuwenden; und auch das wute er. Doch ihre Verfehlung war so schwer, da Creb nicht wute, was er mit ihr tun sollte; selbst ein Todesfluch war dem nicht angemessen. Doch ehe er einen Entschlu fate, wollte er mehr von ihr wissen und durch sie mehr ber die Fremdlinge erfahren. Es berraschte ihn, da er ihren Hilfeschrei wahrnahm. Die Fremdlinge waren anders, aber es mute auch hnlichkeiten ge- ben. Er meinte, es um des Clans willen wissen zu mssen, und er besa einen Wissensdurst, der grer war als bei den anderen seiner Art. Immer hatte sie seine Neugier gereizt; er wollte wissen, wodurch sie anders war. Also beschlo er, einen Versuch zu wagen. Und nun fhrte der mchtige heilige Mann sie alle zurck zu ihren Anfngen - die neun Mnner, deren Geist dem seinen gleich war und die ihm bereitwillig folgten, und - getrennt von ihnen - die junge Frau, deren Geist dem seinen zwar hnlich war, aber doch auch anders. Und wieder schmeckte Ayla den wilden urtmlichen Wald, sprte, wie es auf der Zunge und auf der Haut und in der Nase anders wurde, warm und pelzig. Ihr war das nicht so klar wie den anderen - ihr war dies alles neu, dieses Gefhl, in der Morgenrte des Lebens zu stehen. Ihre Erinnerungen daran waren unbewut und verschwommen. Doch die Anfnge waren die gleichen, sprte der Groe Mog-ur. Sie fhlte das Einssein ihrer eigenen Krperteilchen und sprte es, als sie sich in den warmen, nhrenden Wassern teilten und auseinanderentwickelten. Sie wuchsen und teilten sich und wandelten sich, und Bewegung bekam Sinn. Wieder eine Wandlung, und sachte pulsendes Leben erhrtete sich, gab Form und Gestalt. Wieder eine Wandlung, und sie erfuhr den Schmerz des ersten Atemzugs in einem neuen luftigen Element. Und noch eine Wandlung, und sie fhlte saftige, lehmige Erde und sah das Grn junger Bume und gewaltige Ungeheuer, vor denen man sich vergraben mute. Und dann wandelte sie sich selbst in Hitze und Trockenheit und Drre, die sie zurcktrieben an den Rand des Wassers, bis zu den Spuren eines fehlenden Glieds, das sich im Wasser verlor, das ihre Gestalt vergrerte und ihr ihren Pelz nahm und ihren Umri vernderte und Verwandte zurcklie, die zu einer frheren Form zurckkehrten, aber dennoch Luft atmeten und mit Milch gesugt wurden. Und dann ging sie aufrecht auf zwei hinteren Beinen, und die vorderen konnte sie als Werkzeug gebrauchen, und ihre Augen sahen einen ferneren Horizont, und in ihrem Kopf bildete das Hirn sich weiter aus. Sie war dabei, sich vom Mog-ur zu trennen, schlug einen anderen Weg ein; und doch liefen die Pfade nicht so weit auseinander, als da er dem ihren nicht mit dem seinen, der beinahe gleichlaufend fhrte, auf der Spur bleiben konnte. Jetzt brach er die Verbindung mit den anderen Erdlin-gen ab. Sie konnten ihren Weg auch ohne ihn fortsetzen. Nur diese beiden blieben verbunden, der alte Zauberer, der zum Gro-Clan gehrte, und die junge Frau, die eine von den Fremdlingen war. Creb fhrte jetzt nicht mehr, doch er folgte ihrer Spur, und sie folgte der seinen. Sie sah, wie warmes Land von Eis berzogen wurde, von einem Eis, das noch dicker und klter war als das Eis ihrer eigenen Zeit. Es war ein Land, das weit, weit entfernt war, tief im Gebiet nach Sonnenuntergang, nicht fern von den weiten Wassern, die unendlich viel grer waren als das Wasser, das ihr Halbinselland umschlo. Sie sah eine Hhle, die Bleibe eines Ahn-Eiters des Groen Mog-urs, eines Vorfahren also, der aussah wie er. Es war ein nebelhaftes Bild, ber die Kluft hinweg erspht, die ihre Arten voneinander trennte. Die Hhle befand sich in einer steilen Wand, zu deren Fen ein Flu rauschte und eine weite Ebene sich dehnte. Hoch oben auf dem Fels erhob sich deutlich sichtbar eine Felsnadel; eine lange, leicht abgeflachte Sule, die ber den Abgrund geneigt war, als wre sie im Umsturz erstarrt. Der Stein war von einem anderen Ort, aus anderem Gestein als der Fels. Tobende Wasser und die sich immer weiter umschichtende Erde hatten ihn dort auf den Fels gepflanzt, in dem die Hhle sich befand. Das Bild verschwamm, doch die Erinnerung blieb bei ihr. Einen Herzschlag lang fhlte sie berwltigenden Schmerz. Dann war sie allein. Der Mog-ur konnte ihr nicht mehr folgen. Sie fand ihren eigenen Weg zurck zu sich selbst und dann ein wenig weiter, noch ber sich selbst hinaus. Flchtig erhaschte sie noch einmal einen Blick auf die Hhle, dann folgten rasch aufeinander verwirrende Bilder von Landschaften, die nicht das Vielfltige der Natur darstellten, sondern Starrheit oder Gleichma. Hohe, kantige Gebilde aus gegossenem Stein ragten aus der Erde auf, und lange, gleichmig geschnittene Bnder durchzogen das Land, auf denen glnzend bunte Tiere mit groer Schnelligkeit dahinjagten. Riesige Donnervgel schwebten ohne Flgelschlag unter dem Himmel. Dann neue Bilder, so befremdlich, da sie Ayla nicht erfassen konnte. In ihrem hastigen Bemhen, das Gegenwrtige zu erreichen, scho sie doch etwas ber ihre Vorstellung hinaus und glitt in eine Zeit hinein, wo vielleicht doch noch eine neue Wandlung gekommen wre. Dann aber war ihr Geist klar, und sie sphte hinter einer Sule hervor auf die zehn Mnner, die im Kreis in einer Grotte hockten. Der Groe Mog-ur blickte sie an, und sie sah in seinem tief- braunen Auge den Schmerz wieder, den sie empfunden hatte. Er hatte neue Wege in ihren Geist geschlagen, Wege, die es ihr erlaubt hatten vorauszublicken; doch in seinen eigenen Geist konnte er keine neuen Wege schlagen. Und whrend sie ber das Jetzt hinausgeblickt hatte, war ihm nur eine Ahnung des Zuknftigen gekommen, einer Zukunft, die ihr gehren wrde, aber nicht ihm. Und das lie ihn erzittern vor Furcht. Gegenstndliches denken konnte Creb nur in hchst beschrnktem Mae. Und mit groer Anstrengung gelang es ihm, bis knapp ber zwanzig zu zhlen. Die Fhigkeit vorauszublik-ken, war ihm nicht gegeben. Sein Geist, das sprte er, war weit machtvoller als der ihre. Doch seine Mglichkeit, ihn zu gebrauchen, war von anderer Art. Er konnte in seine und Aylas Anfnge zurckkehren. Er konnte sich klarer und weiter erinnern als jeder andere des Gro-Clans. Er selbst konnte sie in die Erinnerung zwingen. Doch in ihr sprte er die Lebenskraft einer neuen Art, die sich entwickelt hatte. "Geh!" Ayla fuhr zusammen bei dem scharfen Befehl, bestrzt, da er so laut gesprochen hatte. Dann sah sie, da er gar nicht gesprochen hatte. Sie hatte den Befehl gesprt, nicht gehrt. "Geh fort aus der Hhle! Schnell! Geh jetzt!" Wie gehetzt sprang sie aus ihrem Versteck und rannte den Gang hinunter. Einige der kleinen Flammen in den Steinlampen waren erloschen, andere flackerten nur noch schwach. Kein Laut kam aus den Grotten, wo die Mnner und die Jungen jetzt schliefen. Sie kam zu den Fackeln und strzte aus der Hhle hinaus. Es war finster, aber der erste schwache Schimmer des neuen Tages zeigte sich. Aylas Geist war klarer. Nichts Berauschendes war mehr in ihr. Doch sie war bis ins Innerste erschpft. Sie sah die Frauen, die schlaff und ausgeleert auf dem Boden lagen, und legte sich neben Uba nieder. Sie war immer noch nackt, aber sie empfand die Morgenkhle so wenig wie die anderen nackten schlafenden Frauen. Als der Groe Mog-ur, der ihr mden Schrittes gefolgt war, die ffnung der Hhle erreichte, lag sie schon in tiefem traumlosem Schlaf. Creb humpelte zu ihr hin und blickte hinunter auf ihr zerzaustes sonnenhelles Haar, und eine schwere Last senkte sich auf sein Herz. Er htte sie nicht gehen lassen sollen. Er htte sie vor die Mnner bringen und sie auf der Stelle tten sollen. Doch was htte das geholfen? Das Unglck, das durch ihre Anwesenheit bei der Feier heraufbeschworen worden war, htte damit nicht abgewendet werden knnen. Was htte es geholfen, sie zu tten? Ayla war nur eine ihrer Art, und diese war es, an dgr sein Herz hing. ~Kapitel 24 Goov trat aus der Hhle, blinzelte in die Morgensonne, rieb sich die Augen und streckte sich. Er sah den Groen Mog-ur, der zusammengesunken auf einem Baumstumpf hockte und zur Erde starrte. So viele Lampen und Fackeln sind erloschen, dachte er, da einer sich in der Finsternis da drinnen verirren knnte. Ich will den Mog-ur fragen, ob ich die Lampen fllen und neue Fackeln aufstellen soll und ging auf den Zauberer zu. Jh hielt er an, als er das eingefallene Gesicht des alten Mannes sah und die Trostlosigkeit sprte, die in dessen Haltung lag. Ich will ihn nicht stren, dachte er. Ich gehe einfach und tue es. Der Mog-ur sprte die Last der langen Tage, dachte Goov, als er mit einer Blase voll Brenfett, frischen Dochten und neuen Fackeln in die Hhle eilte. Immer wieder bersehe ich, wie betagt er ist. Die lange Wanderung hierher hat ihn mde gemacht, und die Feiern zehren an seinen Krften. Und noch liegt der lange Heimweg vor uns. Seltsam, ging es dem jungen Gehilfen durch den Kopf, als alten Mann habe ich ihn mir nie vorgestellt. Einige andere Mnner kamen aus der Hhle, rieben sich die Augen und schauten auf die nackten Frauen, die noch schlafend auf der Erde lagen. Die ersten erwachten, rannten fort und holten ihre berwrfe und weckten dann die anderen. "Ayla!" rief Uba und schttelte die junge Frau. "Ayla! Aufwachen!" "Mpff", murmelte Ayla und wlzte sich auf die andere Seite. "Ayla! Ayla!" rief Uba wieder und schttelte sie fester. "Ebra, ich kann sie nicht wach bekommen." "Ayla", sagte die andere Frau lauter und schttelte Ayla grob. Ayla schlug die Augen auf, versuchte mit wirren Gesten eine Antwort zu geben, schlo die Augen wieder und rollte sich fest zusammen. "Ayla! Ayla!" rief Ebra wieder. Noch einmal ffnete die junge Frau die Augen. "Geh in die Hhle und schlaf dich aus, Ayla. Hier kannst du nicht bleiben. Die Mnner werden wach", befahl Ebra mit bestimmter Gebrde. Die junge Frau torkelte zur Hhle. Gleich darauf kam sie zurck, hellwach jetzt, aber mit kreidebleichem Gesicht. "Was ist?" fragte Uba mit erschreckter Gebrde. "Du siehst aus, als wre dir ein Geist begegnet." "Uba! Ach Uba! Die Schale." Ayla warf sich zu Boden und schlug die Hnde vors Gesicht. "Die Schale? Was fr eine Schale, Ayla? Ich verstehe nicht." "Sie ist zersprungen", bedeutete Ayla mit verzweifelter Geste. "Zersprungen?" fragte Ebra. "Wie kommt es, da eine zersprungene Schale dich so traurig macht? Du kannst eine neue fertigen." "Nein. Keine wie diese. Es ist Izas Schale. Die Schale, die sie von ihrer Mutter bekommen hat." "Mutter Schale? Mutters heilige Schale?" fragte Uba mit entsetzten Gebrden. Das trockene, sprde Holz hatte nach so langer Zeit stndigen Gebrauchs alle Spannkraft verloren. Ein feiner Ri, der unter der weien Schicht in ihrem Inneren verborgen geblieben war, hatte sich gebildet. Und als Ayla in der Nacht die Schale auf den Steinboden der Hhle hatte fallen lassen, war sie in zwei Teile zersprungen. Ayla gewahrte nicht, da Creb aufblickte, als sie aus der Hhle rannte. Als er sah, da die heilige Schale zersprungen war, schien ihm das wie ein unheilvolles Zeichen des Verhngnisses. Es pat, dachte er. Nie wieder wird die Zauberkraft dieser Wurzeln Anwendung finden. Nie wieder werde ich die Kraft dieser Wurzeln bei einer Feier gebrauchen, und ich werde Goov nicht lehren, wie sie frher angewendet wurde. Die Clans werden sie vergessen. Schwer sttzte sich der alte Krppel auf seinen Stab und zog sich hoch, geplagt von grimmigen Schmerzen in den Gliedern. Lange genug habe ich in kalten Hhlen gesessen. Es ist an der Zeit, da Goov mich ablst. Vielleicht wird er bald bereit sein mssen. Wer wei, wie lange ich noch lebe? Brun sprte, da sich der alte Zauberer tief gewandelt hatte. Er glaubte, des Mog-urs Niedergeschlagenheit rhre von der Aufregung der vergangenen Nacht, zumal dies ja sein letztes Miething sein wrde. Dennoch war Brun beklommen zumute, wenn er den langen Marsch zurck zur heimischen Hhle vor sich sah. Wie wrde Creb ihn berstehen? Er war gewi, da der alte Mann sie zwingen wrde, langsamer zu gehen. Brun be-schlqJs, seine Mnner noch auf eine letzte Jagd zu fhren, um dann das frische Fleisch gegen haltbarere Nahrung aus den Vorrten von Norgs Clan einzutauschen; sie wrde ihnen auf dem langen Weg zur Hhle reichen. Nach der erfolgreichen Jagd hatte es Brun eilig aufzubrechen. Einige Clans waren bereits abgezogen. Nun, da die Festlichkeiten vorber waren, kehrten seine Gedanken zur heimischen Hhle und den Erdlingen zurck, die dort warteten. Doch der Clan-Fhrer war guter Dinge. Niemals war seine Stellung strker erschttert gewesen; das machte den Sieg um so kostbarer. Er war zufrieden mit sich, zufrieden mit seinem Clan, zufrieden mit Ayla. Sie war eine gute Medizinfrau, und er hatte es gesprt. Wenn das Leben eines Menschen in Gefahr war, dann sah sie nichts anderes mehr, genau wie Iza. Brun wute, da der Mog-ur seine ganze Macht eingesetzt hatte, die anderen Zauberer zu berzeugen; Ayla selbst jedoch hatte es bewiesen, als sie das Leben des jungen Jgers gerettet hatte. Der Mog-ur machte niemals eine Andeutung ber Aylas heimlichen Besuch in der Grotte weit in der Tiefe des Berges. Nur einmal lie es sich nicht vermeiden: Ayla packte. Am folgenden Morgen wollten sie aurbrechen. Creb humpelte herein. Er war ihr aus dem Weg gegangen, und das schmerzte die junge Frau, die sehr an ihm hing. Er hielt an, als er sie sah, und wollte sich zum Gehen wenden. Doch sie hinderte ihn daran, lief zu ihm hin und hockte sich ihm zu Fen. Er blickte auf ihren gesenkten Kopf, stie einen Seufzer aus und klopfte ihr auf die Schulter. Ayla hob den Kopf und war entsetzt, als sie sah, wie sehr Creb in den letzten Tagen verfallen war. Die Narbe und der Hautlappen, der seine leere Augenhhle bedeckte, waren runzlig geworden und das Gesicht unter den schweren Brauenwlsten fast eingefallen. Der graue Bart hing ihm schlaff herunter, und die niedrige Stirn wirkte noch lnger unter dem schtteren Haar. Und es war tiefer Schmerz, der sein einst leuchtend braunes Auge verdunkelte, der sie mitten ins Herz traf. Was hatte sie ihm nur angetan? Oh, wre sie doch nie bei den Mog-urs gewesen, wnschte sie sich. Die Qual, die sie darob um Creb durchmachte, wenn sie sah, wie sein Krper von Schmerzen gepeinigt wurde, war nichts im Vergleich mit der Qual, die ihr der Schmerz in des Mog-urs Herz machte. "Was ist, Ayla?" fragte er kurz. "Mog-ur, ich... ich... " Sie geriet ins Stocken und sprach mit hastigen Hnden weiter. "Ach, Creb, ich kann es nicht ertragen, dich so voller Schmerz zu sehen. Was kann ich tun? Ich will zu Brun gehen, wenn du es wnschst. Ich will alles tun, was du mir befiehlst. Nur sag mir, was ich tun soll." Was kannst du denn tun, kleine Ayla? dachte er. Kannst du etwas daran ndern, da du so bist, wie du bist? Kannst du den Schaden, den du angerichtet hast, ungeschehen machen? Die Leute des Clans werden untergehen, nur du und die Leute deiner Art werden bleiben. Wir sind eine uralte Art. Wir haben uns an Brauch und an das berlieferte gehalten, wir haben die Geister und den Groen Hhlenbren geehrt, aber fr uns ist es vorbei. Das Ende ist da. Vielleicht hat es so sein sollen. Vielleicht warst nicht du es, Ayla, sondern die Leute deiner Art. Bist du uns darum gebracht worden, es mich wissen zu lassen? Die Erde, die wir zurcklassen, ist vielfltig, grausam und schn; sie hat uns alles gegeben, was wir brauchten. Und jetzt nimmt sie uns zu sich. Creb schaute zu Ayla herab. "Es gibt nur eins, was du tun kannst, Ayla", gab der Mog-ur mit langsamer Geste zurck, und sein Auge wurde kalt. "Du darfst nie wieder davon sprechen." Hochaufgerichtet stand er auf seinem gesunden Bein und mhte sich, seinen Krper nicht allzusehr auf den Stock zu sttzen. Dann wandte er sich mit steifer Wrde von Ayla ab und hinkte aus der Hhle. "Broud!" Der junge Mann ging hinber zu dem anderen Erdling, der ihn gegrt hatte. Die Frauen von Bruns Clan beeilten sich, den Morgenverzehr zu bereiten. Sobald alle gegessen hatten, wollten sie aufbrechen. Die Mnner nutzten die Gelegenheit, noch einen letzten Gru mit den Leuten zu tauschen, die sie nun so lange nicht wiedersehen wrden. Manche von ihnen wrden sie berhaupt nicht wiedersehen. "Du hast gut gekmpft diesmal, Broud, und beim nchsten Treffen wirst du Clan-Fhrer sein." "Beim nchsten Miething werdet ihr vielleicht ebenso gut kmpfen", gab Broud mit freundlicher Gebrde zurck. "Wir hatten das Glck auf unserer Seite." "Ja, ihr habt das Glck auf eurer Seite. Euer Clan ist der oberste, euer Mog-ur ist der hchste, selbst eure Medizinfrau steht an erster Stelle. Ja, ihr mt das Glck auf eurer Seite haben, weil Ayla bei euch ist. Nicht viele Medizinfrauen gibt es, die sich furchtlos einem Hhlenbren entgegenstellen, um einen Jger zu regten." Brouds Miene verdunkelte sich. Dann aber ersphte er Voord und lief zu ihm hinber. "Voord!" rief er und machte eine Geste des Grues. "Du hast gut gekmpft diesmal. Es hat mich gefreut, als du vor Nouz erwhlt wurdest. Er war gut, aber du warst besser." "Aber du hattest es verdient, als erster erwhlt zu werden, Broud. Dein ganzer Clan verdient den ersten Platz. Selbst eure Medizinfrau ist die beste, auch wenn ich zu Anfang Zweifel versprte. Sie wird dir eine gute Medizinfrau sein, wenn du Clan-Fhrer bist. Ich wnsche nur, sie wchst nicht noch hher. Mir wird seltsam zumute, wenn ich zu einer Frau die Augen heben mu." "Ja, die Frau ist zu hoch gewachsen", gab Broud mit steifer Gebrde zurck. "Aber so schlimm ist das nicht, wenn sie eine gute Medizinfrau ist." Broud brachte nur mit Mhe etwas Bejahendes zustande. Dann entbot er noch einen Gru und ging davon. Ayla, Ayla, immer nur Ayla, ich habe genug von dieser Ayla, dachte er, whrend er ber den freien Platz schritt. "Broud", rief ein Erdling, der ihm entgegenkam. "Ich wollte vor eurem Aurbruch noch mit dir sprechen", bedeutete der Mann. "In meinem Clan ist eine Frau mit einem Mdchen, das migestaltet ist wie der Sohn eurer Medizinfrau. Ich habe bei Brun angefragt, und er hat sich bereit gezeigt, sie aufzunehmen, aber er wnschte, da ich auch dich frage. Du wirst wohl bald der Clan-Fhrer sein. Die Mutter hat gelobt, ihre Tochter zu einer guten Frau zu erziehen, die es wrdig ist, dem ersten Clan anzugehren und die Gefhrtin des Sohnes der Medizinfrau zu werden. Hast du Einwendungen, Broud?" "Nein", entgegnete Broud mit kurzer unwirscher Geste und machte auf der Ferse kehrt. Wre er nicht so wtend gewesen, so htte er vielleicht Einwendungen erhoben. Aber er hatte keine Lust, sich auf ein neuerliches Lobgerede ber Ayla einzulassen. Als er zur Hhle stampfte, sah er zwei Frauen in eifriger Unterhaltung. Er wute, er htte wegblicken sollen, doch er hielt die Augen weiter geradeaus gerichtet und tat so, als she er die beiden nicht. "... Ich wollte meinen Augen nicht trauen. Sie eine Frau des Clans? Und als ich ihr Kind sah ... Aber wie sie so furchtlos an den Hhlenbrenverhau herangetreten ist? Gerade so, als htte sie zu Norgs Clan gehrt. Sie zeigte keine Furcht. Ich htte das nicht gewagt." "Ich habe eine Weile mit ihr beisammen gesessen. Sie betrgt sich ohne Fehl. Nur einen Gefhrten wird sie wohl niemals finden. Sie ist so hoch gewachsen. Kein Mann will eine Gefhrtin, zu der er die Augen heben mu. Auch wenn sie eine Medizinfrau von hchstem Ansehen ist." "Einer der Clans hat sie im Auge, aber es war keine Zeit zur Beratung. Sie wollen einen Lufer schicken, wenn sie sich entschieden haben, sie aufzunehmen." "Aber leben sie nicht in einer neuen Hhle? Ayla hat sie gefunden. Sie ist gro ... " Broud stampfte an den beiden Frauen vorber und mute sich sehr beherrschen, die beiden Nichtstuerinnen nicht zu schelten. Doch sie gehrten nicht zu Bruns Clan, und es war nicht ratsam, Frauen eines anderen Clans zurechtzuweisen, ohne vorher die Erlaubnis ihrer Gefhrten oder des Clan-Fhrers eingeholt zu haben. "Unsere Medizinfrau hat mich wissen lassen, da sie hohes Geschick besitzt", bedeutete Norg gerade, als Broud in die Hhle trat. "Sie ist Izas Tochter", gab Brun zurck. "Und Iza hat ihr gute Unterweisung gegeben." "Es ist ein Jammer, da Iza nicht kommen konnte. Sie ist krank, ja?" "Ja, und darum will ich schnell fort. Wir haben einen langen Weg vor uns. Dies war eines der besten Miethings. Es wird lange in uns lebendig bleiben", bedeutete Brun. Broud wandte den Mnnern den Rcken zu. Ayla, Ayla, Ayla. Alles dreht sich hier um Ayla. Als htte keiner auer ihr auf diesem Miething etwas getan. War sie denn Ersterwhlter? Wer stand hoch oben auf dem Kopf des Bren, whrend sie sicher und geschtzt auf der Erde weilte? Ist es so eine groe Tat, da sie dem Jger das Leben rettete? Er wird wohl nie wieder laufen knnen. Sie ist hlich, und sie ist zu hoch gewachsen, und ihr Sohn ist eine Migeburt, und die Leute hier sollten wissen, wie aufsssig sie daheim ist. Gerade in diesem Augenblick lief Ayla mit mehreren Bnr dein vorber. Brouds Blick sprhte so brennenden Ha, da sie zusammenzuckte. Was habe ich getan? scho es ihr durch den Kopf. Seit wir hier sind, habe ich Broud kaum zu Gesicht bekommen. Broud war ein ausgewachsener, krftig gebauter Mann, doch die Bedrohung, die von ihm ausging, war schlimmer, als von ihm geschlagen zu werden. Er war der Sohn der Gefhrtin des Clan-Fhrers; dazu bestimmt, selbst eines Tages ein solcher zu werden. hnliches ging ihm durch den Sinn, whrend er zusah, wie Ayla ihre Bndel vor der Hhle niederlegte. Nach dem Verzehr packten die Frauen flink die wenigen Gerte, die sie noch gebraucht hatten, zusammen. Brun hatte es eilig aufzubrechen. Ayla tauschte noch einige Gre mit den anderen Medizinfrauen und Norgs Gefhrtin, dann hllte sie ihren Sohn in das Tragfell und hastete an ihren Platz an der Spitze der Frauengruppe von Bruns Clan. Brun gab das Zeichen, und schon zogen sie ber den groen freien Platz vor der Hhle davon. Vor der ersten Wegbiegung hielt Brun an, und sie alle wandten sich noch einmal zur Hhle zurck. Norg und sein ganzer Clan standen auf dem groen Vorplatz. "Mge der Geist des Groen Hhlenbren euch begleiten", wnschte Norg. Brun gab den Gru zurck, und dann nahm man den Heimweg unter die Fe. Es kam so, wie Brun vorausgesehen hatte - der Heimweg wurde Creb beschwerlich. Nicht mehr beschwingt von Vorfreude, niedergedrckt von dem dumpfen dsteren Wissen, das er fr sich alleine behielt, verlangte jeder Humpelschritt dem alten Mann Mhe und Anstrengung ab. Bruns Unbehagen vertiefte sich; niemals hatte er den alten Zauberer so mutlos gesehen. Hufig blieb dieser zurck, so da Brun einen Jger ausschicken mute, ihn zu suchen, whrend der Zug wartete. Der Clan-Fhrer schlug eine gemchlichere Gangart ein, weil er hoffte, das wrde es Creb leichter machen. Doch der war wie ausgebrannt. Den wenigen abendlichen Feiern, die auf Bruns Betreiben abgehalten wurden, fehlte die Kraft. Der Mog-ur wirkte widerwillig, seine Gesten schienen steif, als wre er mit dem Herzen nicht dabei. Auch fiel es Brun auf, da Creb und Ayla auf Abstand hielten, und wenn auch Ayla keine Mhe hatte, das Tempo mitzuhalten, so hatte doch ihr Schritt seine federnde Leichtigkeit verloren. Irgend etwas ist zwischen den beiden, mutmate er. Seit der Mitte des Vormittags waren sie durch hohes dichtste- hendes Gras gelaufen. Brun warf einen Blick nach rckwrts. Creb war nirgends zu sehen. Er wollte einen der Mnner ein Zeichen geben, doch dann hatte er einen Einfall. Er lief nach hinten zu Ayla. "Kehr um und such den Mog-ur", bedeutete er ihr. Sie sah ihn erstaunt an, dann bejahte sie mit kurzer Geste seinen Befehl. Sie gab Durc an Uba weiter und eilte den schmalen Graspfad zurck. Weit hinten entdeckte sie Creb. Langsam, schwer auf seinen Stock gesttzt, humpelte er heran mit schmerzverzerrtem Gesicht. Ayla wute, da schier unertrgliche Schmerzen ihn seit Tagen peinigten, doch jedes ihrer Angebote, ihm zu helfen, hatte er abgelehnt. Nach den ersten Zurckweisungen hielt sie sich zurck, doch das Herz blutete ihr um ihn. Creb blieb stehen, als er sie sah. "Was willst du?" fragte er barsch. "Brun hat mich geschickt." Creb knurrte nur und setzte sich wieder in Bewegung. Ayla blieb hinter ihm. Sie beobachtete seine mhsamen, schmerzgehemmten Bewegungen, bis sie es nicht mehr ertragen konnte. Sie lief an ihm vorbei und lie sich ihm zu Fen fallen, so da er anhalten mute. Lange Zeit blickte Creb starr auf die junge Frau hinunter, ehe er ihr einen leichten Schlag auf die Schulter gab. "Will der Mog-ur mich nicht wissen lassen, warum er zrnt?" "Ich zrne nicht, Ayla." "Warum erlaubst du mir dann nicht, dir zu helfen?" fragte sie mit flehenden Hnden. "Nie zuvor hast du es mir verweigert." Ayla bemhte sich, ihre Fassung zu bewahren. "Ich bin eine Medizinfrau. Ich habe gelernt, jenen zu helfen, die Schmerzen leiden. Zu helfen ist meine Aufgabe. Es schmerzt mich, den Mog-ur leiden zu sehen ... Ach, Creb, erlaube mir, da ich dir helfe. Sprst du nicht, da mein Herz dir gehrt? Du bist fr mich wie der Gefhrte meiner Mutter. Du hast mir Nahrung und Schutz gegeben, du bist fr mich eingetreten, dir verdanke ich mein Leben. Es ist mir verborgen, warum du mich aus deinem Herzen verstoen hast. Aber ich habe dich nicht verstoen. Mein Herz gehrt immer noch dir." Trnen hoffnungsloser Verzweiflung strmten ihr ber das Gesicht. Wie kommt es, da ihre Augen sich immer mit Wasser fllen, wenn sie glaubt, da ich ihr mein Herz verschlossen habe? Und wie kommt es, da ich beim Anblick ihrer schwachen Augen immer das Verlangen spre, etwas fr sie zu tun? Haben alle, die zu den Fremdlingen gehren, diese Schwche? Es ist richtig, nie zuvor habe ich mich gegen ihre Hilfe gestemmt. Warum sollte, es jetzt anders sein? Sie gehrte nicht zum Clan, auch wenn die anderen sie als Clan-Glied aufgenommen haben. Sie wurde den Fremdlingen geboren, und sie wird bis ans Ende ihrer Tage zu ihnen gehren. Sie wei es selbst nicht. Sie glaubt, sie ist eine Frau des Clans, und sie glaubt, da sie eine Medizinfrau ist. O ja, sie ist eine Medizinfrau. Mag sein, da sie nicht von Izas Stamm ist, aber sie ist eine Medizinfrau, und sie hat sich geplagt, eine Frau des Clans zu werden, so schwierig es fr sie auch manchmal war. Wie schwer mag es ihr wohl geworden sein? Viele Male haben sich ihre Augen mit Wasser gefllt, aber wie viele Male hat sie darum gekmpft, das Wasser zurckzudrngen? Immer wenn sie glaubt, da mein Herz sich ihr verschlossen hat, kann sie es nicht zurckhalten. Kann sie das so heftig schmerzen? Wrde mir das Herz weh tun, wenn ich wte, sie htte sich von mir abgewandt? O ja, es wrde weh tun. Wenn sie die gleiche Wrme in ihrem Herzen sprt wie ich, kann sie dann so anders sein? Creb bemhte sich, sie als Fremde zu sehen, als eine Frau, die zu den Fremdlingen gehrte. Aber sie blieb Ayla, das Kind der Gefhrtin, die er niemals gehabt hatte. "Machen wir schnell, Ayla. Brun wartet. Trockne dir die Augen. Wenn wir rasten, bereitest du mir einen Weidenrindentrank, Medizinfrau", bedeutete er ihr. Ein Lcheln huschte ber ihr Gesicht. Ayla sprang auf und nahm wieder ihren Platz hinter ihm ein. Nach einigen Schritten lief sie an seine verkrppelte Seite. Er blieb kurz stehen, neigte dann den Kopf und sttzte sich auf sie. Brun merkte sogleich die Vernderung zum Guten und begann mit dem Geschwindschritt. Dennoch kamen sie bei weitem nicht so rasch vorwrts, wie er es gerne gehabt htte. Eine Wolke der Schwermut schien den alten Zauberer einzuhllen, aber er raffte seine Kraft noch einmal zusammen. Brun war froh, da er den Einfall gehabt hatte, Ayla zu ihm zu schicken. Creb lie sich von Ayla helfen, aber die Kluft, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte, konnte er nicht berwinden. Er konnte die Erinnerung an die Unterschiedlichkeit ihrer Bestimmung nicht aus seinem Gedchtnis verbannen. Zwischen ihm und Ayla stand eine Wand, durch die die unbefangene Wrme frherer Tage nicht mehr hindurchdringen konnte. Die Tage waren noch hei und stickig, doch die Nchte wur- den schon khl. Beim ersten Anblick der schneebedeckten Gipfel weit gegen Sonnenuntergang erfate Hochstimmung die Clan-Leute; als aber die Entfernung sich im Gleichma der Tage nicht zu vermindern schien, verfielen sie wieder in mde Gleichgltigkeit. Dennoch nahm die Entfernung natrlich ab, wenn auch kaum merklich. Allmhlich gaben die blauen Tiefen von Spalten und Klften den Gletschern festere Form, und die verwischten violetten Schatten unter den eisglitzernden Spitzen nahmen Gestalt an. Felsvorsprnge, Schluchten und Grate waren auszumachen. Sie gingen bis nach Einbruch der Dunkelheit, ehe sie das letzte Mal in den Steppen Rast machten, und alle waren am folgenden Tag schon beim ersten Licht auf den Beinen. Die Steppe verschmolz mit grnem Hgelland, und der Anblick des grasenden Nashorns weckte in ihnen ein Gefhl von Vertrautheit. Ihr Schritt wurde schneller, als sie zu einem Pfad gelangten, der sich durch die Hgel aufwrts wand. Sie umrundeten den vertrauten Grat und sahen ihre Hhle, und ihre Herzen schlugen schneller. Sie waren daheim. Aba und Zoug rannten ihnen entgegen. Aba hie ihre Tochter und Droog mit heller Freude willkommen, drckte die lteren Kinder an sich und nahm dann Groob in die Arme. Zoug grte Ayla mit freudiger Gebrde, whrend er zuerst zu Grod und Uka eilte, dann zu Ovra und Goov. "Wo ist Dorv?" fragten Ikas Hnde. "Er wandelt jetzt in der Welt der Geister", gab Zoug zurck. "Sein Augenlicht verdunkelte sich immer strker. Er konnte nicht mehr sehen. Ich glaube, er hat aufgegeben und wollte nicht mehr auf eure Heimkehr warten. Als die Geister ihn riefen, ging er mit ihnen. Wir haben ihn begraben und an der Stelle ein Zeichen gesetzt, damit der Mog-ur ihn finden kann, um die Totenfeier abzuhalten." Mit pltzlicher Angst sah Ayla sich um. "Wo ist Iza?" "Iza ist sehr krank, Ayla", bedeutete ihr Aba. "Seit dem letzten neuen Mond hat sie ihr Lager nicht mehr verlassen." "Iza! Nein!" schrie Ayla und strzte schon zur Hhle. Sie schleuderte ihre Bndel zu Boden, als sie Crebs Wohnkreis erreichte, und lief zu der Frau, die auf ihren Fellen lag. "Iza! Iza!" rief sie. Die alte Medizinfrau schlug die Augen auf. "Ayla!" ihre rauhe Stimme war kaum vernehmbar. "Die Gei ster haben mir meinen Wunsch erfllt", bedeutete sie mit schwacher Gebrde. "Du bist zurck." Iza,streckte die Arme aus. Ayla umschlang sie und sprte den ausgezehrten, zerbrechlichen Krper. Izas Haar war schneewei geworden. Die Haut ihres Gesichts war welk und sprde wie vertrocknetes Laub. Die Wangen waren eingefallen, die Augen lagen tief in den Hhlen. Sie sah aus, als wre sie tausend Jahre alt. Doch in Wirklichkeit hatten sie gerade den sechsund-zwanzigsten Sommer gesehen. Ayla konnte sie durch den Trnenstrom, der ihr aus den Augen flo, kaum erkennen. "Warum bin ich mit fortgezogen? Ich htte hierbleiben und dich pflegen sollen. Ich wute, da du krank bist. Warum nur bin ich fortgezogen und habe dich allein gelassen?" "Nein, nein, Ayla", wehrte Iza mit ruhiger Gebrde ab. "Du solltest dich nicht qulen. Du kannst nicht ndern, was bestimmt ist. Als du fortzogst, sprte ich, da ich sterben werde. Du httest mir nicht helfen knnen. Nur einmal wollte ich dich noch sehen, ehe ich fortgehe." "Du darfst nicht sterben! Ich lasse dich nicht sterben. Ich pflege dich. Ich mache dich heil", versicherte Ayla mit wilden Gebrden. "Ayla, Ayla. Es gibt Dinge, die selbst die beste Medizinfrau nicht tun kann." Die Anstrengung lste einen schlimmen Husten aus. Ayla hielt Izas Kopf, bis der Anfall sich legte. Sie schob der Frau ihren Pelz unter Kopf und Schultern, so da sie hher lag und leichter atmen konnte. Dann durchwhlte sie Krauter und das Feinzerstoene neben Izas Lager. "Wo ist der Alant? Ich kann keine Alantwurzel finden." "Es ist keine mehr da", bedeutete Iza schwach. Der Husten hatte sie erschpft. "Ich habe viel davon genommen und konnte nicht ausziehen, mehr zu suchen. Aba wollte mir welchen bringen, aber sie brachte Sonnenblumen." "Ich htte nicht fortgehen drfen", wiederholte Ayla mit klagender Gebrde. Dann rannte sie aus der Hhle. Am Eingang stie sie auf Uba, die Durc trug, und auf Creb. "Iza ist krank", teilte sie hastig mit. "Und sie hat keinen Alant mehr. Ich hole welchen. In der Feuersttte brennt kein Feuer, Uba. Ach, warum bin ich fortgezogen? Ich htte hierbleiben sollen, bei ihr." Aylas kummervolles Gesicht, schmutzig vom langen Weg, war von Trnenspuren durchzogen. Sie rannte den Hang hinunter, whrend Creb und Uba in die Hhle eilten. Ayla watete durch den Bach und hetzte zu der Wiese, wo die Pflanzen wuchsen. Mit bloen Hnden grub sie die Wurzeln aus und ri sie aus der Erde. Am Bach machte sie halt, wusch die Wurzeln, dann flog sie zur Hhle zurck. Uba hatte ein Feuer entzndet, aber das Wasser, das sie zum Erhitzen ber das Feuer gehngt hatte, war noch lau. Creb stand an Izas Lager und rief mit inbrnstigen Gebrden, in die er sein ganzes Herz hineinlegte, die Geister an, ihre Lebenskraft zu strken und Iza noch nicht mit fortzunehmen. Uba hatte Durc auf eine Matte gelegt. Er fing gerade an zu kriechen und zog sich auf allen vieren hoch. Ungelenk krabbelte er zu seiner Mutter, die gerade die Wurzeln in kleine Stcke schnitt. Sie schob ihn weg, als er an ihre Brust wollte. Ayla hatte kein Auge fr ihren Sohn, der zu schreien anfing, whrend sie die Wurzeln in das Wasser gab und ungeduldig darauf wartete, da es endlich zu kochen anfing. "La mich Durc sehen", bat Iza. "Er ist ja mchtig gewachsen." Uba hob ihn auf und brachte ihn ihrer Mutter. Sie setzte den Kleinen auf Izas Scho, doch der wollte sich nicht von einer alten Frau htscheln lassen, an die er sich nicht erinnerte, und wollte wieder herunter. "Er ist krftig und heil", stellte Iza befriedigt fest. "Und er kann seinen Kopf mit Leichtigkeit tragen." "Er hat auch schon eine Gefhrtin", berichtete Uba mit eifriger Hand. "Ein kleines Mdchen, das ihm versprochen ist." "Eine Gefhrtin? Was ist das fr ein Clan, der ihm ein Mdchen versprechen wollte? So jung noch und bei seiner Migestalt!" erkundigte sich Iza. Uba berichtete mit ausfhrlichen Gebrden von dem Zusammentreffen mit der unglckseligen Frau. "Nach dem nchsten Miething", bedeutete Uba, "soll das Mdchen hierher kommen, auch wenn es noch keine Frau ist. Ebra hat versprochen, da sie mit ihr an Bruns Feuer sitzen kann, bis beide so alt sind, da sie zusammengegeben werden knnen." "Wie ist der Name des Mdchens?" "Sie heit Ura", antwortete Izas Tochter. "Der Name gefllt mir. Er hat einen guten Klang." Iza legte den Kopf nach hinten, um eine Weile sich auszuruhen. "Was ist mit Ayla?" fragte sie dann mit schwacher Hand. "Hat sie einen Gefhrten gefunden?" "Der Clan, in dem Zougs Verwandte leben, hat sie im Auge. Anfangs wollten sie nicht. Aber als Ayla als Medizinfrau angenommen wurde, lieen sie uns wissen, da sie noch beraten wollen. Mag sein, da sie Ayla nehmen; aber ich glaube nicht, da sie Durc haben wollen." Iza neigte den Kopf, dann schlo sie die Augen. Ayla zerstampfte Fleisch, um fr Iza Brhe daraus zu kochen. Immer wieder sah sie nach dem Wasser, in dem die Wurzeln kochten, prfte Farbe und Geschmack. Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Durc kroch wimmernd zu ihr herauf, doch wieder schob sie ihn weg. "Gib ihn mir, Uba", bedeutete Creb. Eine Weile beruhigte sich der Kleine, als er auf Crebs Scho sa. Der lange graue Bart beeindruckte ihn sehr. Doch bald hatte auch das keinen Reiz mehr. Er rieb sich die Augen und strampelte so lange, bis Creb ihn freigab. Sogleich kroch er wieder zu seiner Mutter. Er war mde und hungrig. Ayla stand am Feuer und schien es nicht einmal zu bemerken, als der quengelige Kleine versuchte, sich an ihren Beinen hochzuziehen. Creb stemmte sich hoch, lie dann seinen Stab fallen und gab Uba zu verstehen, da sie ihm den Jungen in den Arm legen sollte. Schwer hinkend und ohne seinen Stock schlurfte er zu Brouds Feuerstelle hinber und legte Durc in Ogas Scho. "Durc ist hungrig, und Ayla hat damit zu tun, Medizin fr Iza zu machen. Willst du ihn nhren, Oga?" Oga bejahte und nahm Durc an die Brust. Broud sah mit finsterer Miene zu. Doch ein Blick des Mog-urs lie ihn seinen Zorn eilig verbergen. Sein Ha gegen Ayla schlo den Mann, der ihr Schutz und Nahrung gab, nicht ein. Broud frchtete den Mog-ur zu sehr, um ihn zu hassen. Doch sehr frh schon hatte er entdeckt, da sich der groe Zauberer selten in das tgliche Leben des Clans mischte. Niemals hatte der Mog-ur versucht, Broud daran zu hindern, das Mdchen in Zucht zu nehmen, das an seinem Feuer sa. Doch Broud versprte auch kein Verlangen, sich mit dem Zauberer auf ein offenes Auseinandersetzen einzulassen. Der alte Mann schlurfte zurck zu seinem Wohnkreis und suchte in den Bndeln, die dort herumlagen, nach der Blase mit dem ausgelassenen Brenfett, die er mitgebracht hatte. Uba sah ihn und kam schnell hinzu, um ihm zu helfen. Creb nahm die Blase mit dem Brenfett mit in seine kleine Hhle. Obwohl er sprte, da es hoffnungslos war, wollte er die ganze Kraft seiner Zauberkunst einsetzen, um Ayla in ihrem Bemhen, Iza am Leben zu halten, beizustehen. Endlich hatten die Wurzeln lange genug gekocht. Ayla schpfte einen Becher von dem Sud heraus und wartete jetzt geduldig, bis der Trank abkhlte. Die warme Brhe, die Ayla der alten Medizinfrau eingeflt hatte, regte deren Lebensgeister ein wenig an! Iza hatte kaum etwas zu sich genommen, seit sie der Husten niedergeworfen hatte. Der Verzehr, den die anderen ihr gebracht hatten, war hufig unberhrt geblieben. Es war ein trauriger, einsamer Sommer fr Iza gewesen. Die anderen drei Alten hatten sich bemht, ihr zu helfen und sie zu pflegen, als sie sahen, da Iza immer schwcher wurde; aber sie hatten keine Ahnung gehabt, wie sie es anfangen sollten. Iza hatte sich von ihrem Lager erhoben, als Dorvs Ende sich nherte, doch der alte Mann, der lteste des Clans, verfiel rasch, und sie hatte kaum etwas tun knnen. Sein Tod hatte tiefe Schatten ber die noch Lebenden geworfen. Die Hhle schien leer ohne ihn, und alle sprten deutlich, da auch sie dem Jenseitigen nahe waren. Sein Tod war der erste im Clan seit dem Erdbeben gewesen. Ayla hockte neben Iza und blies in die Flssigkeit in dem Beinbecher. Ab und zu kostete sie, um zu prfen, ob der Trank schon khl genug war. Alle ihre Sinne waren so fest auf Iza gerichtet, da sie nicht sah, wie Creb Durc fortbrachte und danach in seine kleine Hhle ging. Sie sprte auch nicht, da Brun sie beobachtete. Sie vernahm das leise Rasseln von Izas Atem und wute, da diese im Sterben lag, aber sie weigerte sich, es zu glauben. Alles, alles wrde sie tun, um ihre Mutter am Leben zu erhalten. Die Vorstellung, da Iza pltzlich nicht mehr da sein wrde, war furchtbar. Wenn auch Uba sprte, wie ernst die Krankheit ihrer Mutter war, so entging ihr doch nicht, da Brun an Crebs Feuer getreten war. Es war nicht blich, da ein Mann die Feuersttte eines anderen aufsuchte, wenn dieser nicht da war, und Bruns Anwesenheit machte Uba unruhig. Sie huschte davon, um die Bndel aufzuheben, die rings um die Feuersttte verstreut lagen, und blickte immer wieder von Brun zu Ayla und zu ihrer Mutter. Sie wute nicht, was sie tun sollte. Keiner beachtete Bruns Besuch, keiner grte ihn. Wie sollte sie sich verhalten? Brun blickte reglos auf die drei Frauen - die alte Medizinfrau, die junge Medizinfrau, die keine hnlichkeiten mit den Clan-Leuten aufwies und doch ihre ranghchste Heilkundige war, und Uba, die Tochter Izas, die eines Tages auch Medizinfrau sein wrde. Brun war seiner Schwester stets innig zugeneigt gewesen. Niemals htte er den Mann gewhlt, der ihr zum Gefhrten bestimmt worden war; Brun hatte ihn nie gemocht, ein Grotuer, der seinen verkrppelten Bruder mit Spott verfolgt hatte. Iza hatte keine Wahl gehabt, aber sie hatte ihre Last mit Wrde getragen. Sie war eine gute Frau, eine gute Medizinfrau. Sie wrde dem Clan sehr fehlen. Izas Tochter wird erwachsen, ging es ihm durch den Sinn, whrend er sie betrachtete. Bald wird Uba eine Frau sein. Dann braucht sie einen Gefhrten, einen guten Gefhrten, der zu ihr pat. Aber wer ist noch da auer Vorn? Auch Ona brauchte bald einen Gefhrten, und mit Vorn kann ich sie nicht zusammengeben, sie sind Geschwister. Sie mu warten, bis Borg ein Mann ist. Wird Borg fr Uba ein guter Gefhrte sein? Droogs Hand hat ihm gutgetan, und er zeigt sich Uba gern von der besten Seite. Vielleicht ist er von ihr angezogen. Brun beschlo, diese Fragen spter noch einmal zu berdenken. Der Wurzeltrank war abgekhlt. Ayla weckte die alte Frau, die eingeschlafen war. Mit sanfter Hand hielt sie ihr den Kopf, whrend sie den Becher an Izas Lippen hielt. Ich glaube nicht, da du sie diesmal aufhalten kannst, Ayla, dachte Brun, whrend er die gebrechliche Frau sah. Wie ist sie nur so schnell alt geworden? Sie war die jngste, jetzt sieht sie lter aus als Creb. Ich wei noch, wie sie mir meinen gebrochenen Arm richtete. Sie war nicht viel lter als Ayla, als diese Bracs Arm richtete. Aber sie war eine Frau und hatte schon einen Gefhrten. Sie hat den Arm gut geheilt. Er hat mich nie geschmerzt, nur in den letzten Tagen hat er ein wenig gezwickt. Auch ich werde alt. Bald werden die Tage der Jagd fr mich vorbei sein, und ich werde Broud die Fhrung bergeben mssen. Ist er reif dafr? Er ist tapfer. Alle haben mir bedeutet, welch ein Glck mir gegeben ist. Ja, das Glck war auf meiner Seite. Ich frchtete, der Groe Hhlenbr wrde ihn erwhlen, ihn zu begleiten. Es wre eine hohe Ehre gewesen, aber es htte mir schweren Schmerz bereitet. Gorn war ein guter Mann. Das war schwer fr Norgs Clan. Es ist immer schwer, wenn der Groe Hhlenbr seine Wahl trifft. Der Sohn meiner Gefhrtin wandelt noch in dieser Welt. Und er ist furchtlos. Mag sein, da er allzu furchtlos ist. Wagemut ist gut, aber ein Clan-Fhrer mu Weitblick haben. Er mu seine Mnner im Auge behalten. Er mu dafr sorgen, da die Jagd gut ist, aber er darf seine Mnner nicht leichtsinnig in Gefahr bringen. Vielleicht sollte ich ihn die nchste Jagd anfhren lassen. Das wird ihn erfahrener machen. Er mu lernen, da ein Clan-Fhrer mehr braucht als Wagemut. Aber wie kommt es, da Ayla sein Blut so stark in Wallung bringt? Wie aber kommt es, da er sich erniedrigt, indem er sich mit ihr auseinandersetzt? Sie mag anders aussehen, aber sie ist eine Frau. Tapfer und mutig fr eine Frau und von groer innerer Kraft. Ob Zougs Verwandte sie nehmen werden? Es wre leer ohne sie, jetzt, da ich mich an sie gewhnt habe. Und sie ist eine gute Medizinfrau, eine Zierde fr jeden Clan. Ich will sehen, da die anderen sie wrdigen. Nicht einmal ihr Sohn, der Sohn, dem sie in die nchste Welt folgen wollte, kann sie von Iza ablenken. Nicht viele gibt es, die einem Hhlenbren entgegentreten wrden, um das Leben eines Mannes zu retten. Auch sie kann furchtlos sein, und sie hat gelernt, sich zu bezwingen. Sie hat sich gut betragen, sowie es sich fr eine Frau gehrt. Alle hatten nur Lob fr sie. "Brun", rief Iza mit schwacher Stimme. "Uba, bring dem Clan-Fhrer einen warmen Trunk", bedeutete sie ihrer Tochter und bemhte sich, aufrechter zu sitzen. Sie war noch immer die Hterin von Crebs Feuer. "Ayla, bring ein Fell fr Brun, damit er sich setzen kann. Es schmerzt mich, da ich dir nicht selbst dienen kann, Brun." "Iza, bleib ruhig. Ich bin nicht gekommen, um mich bedienen zu lassen. Ich wollte nach dir sehen", erklrte Brun mit be-schwichtigenden Gesten, als er sich neben ihrem Lager niederlie. "Wie lange hast du dort gestanden?" wollte Iza wissen. "Nicht lange. Ayla hatte zu tun. Ich wollte sie nicht stren und dich auch nicht. Alle haben sie auf dem Miething nach dir gefragt." "War es ein gutes Treffen?" "Unser Clan ist immer noch der erste. Die Jger haben Mut und Tapferkeit gezeigt. Broud war der Ersterwhlte beim Fest des Bren. Auch Ayla hat dem Clan Ehre gemacht. Sie hat viel Lob bekommen." "Lob? Wer braucht Lob? Allzuviel Lob weckt den Neid der Geister. Aber es ist gut, da sie dem Clan Ehre gemacht hat." "Das hat sie getan. Sie wurde angenommen. Sie zeigte gutes Betragen. Sie ist deine Tochter, Iza. Wie kann einer da weniger erwyten?" "Ja, sie ist meine Tochter. So wie Uba meine Tochter ist. Das Glck war mir gut gesinnt. Die Geister gaben mir zwei Tchter, und beide werden gute Medizinfrauen werden. Ayla kann Uba all das lehren, was sie noch nicht wei." "Nein!" unterbrach Ayla mit heftiger Hand. "Du wirst Uba lehren. Du wirst wieder heil. Wir sind wieder da und werden dich pflegen. Du wirst wieder auf die Beine kommen, warte nur. Du mut gesund werden, Iza." "Ayla. Kind. Die Geister erwarten mich. Ich mu mit ihnen gehen. Sie haben mir meinen letzten Wunsch erfllt. Ich durfte euch noch einmal sehen, bevor ich gehe. Aber ich kann sie nicht lnger warten lassen." Die heie Brhe und der Wurzeltrank hatten die letzten Krfte der Frau aufleben lassen. Ihr Krper entbrannte fieberhei in einem letzten Versuch, die Krankheit abzuwehren, die die Frau ausgezehrt hatte. Die blitzenden Augen und das Rot, das das Fieber ihr in die Wangen trieb, verliehen ihr ein trgerisches Aussehen von Gesundheit. Doch zugleich ging von Izas Gesicht ein Leuchten aus, das von innen her zu kommen schien. Es war nicht die Glut des Lebens. Es war das, was die Clan-Leute das Geisterleuchten nannten, und Brun hatte es schon bei anderen gesehen. Dies war die emporsteigende Lebenskraft, die sich anschickte, den Krper zu verlassen. Oga behielt Durc bis spt in den Abend an Brouds Feuersttte. Lange nachdem die Sonne untergegangen war, brachte sie das schlummernde Kind zurck. Uba legte den Kleinen auf Aylas Fell. Tiefe Bangnis und ein Gefhl der Verlorenheit qulten das junge Mdchen. Sie hatte keinen, an den sie sich wenden konnte. Sie wollte Ayla in ihren verzweifelten Bemhungen, Izas Leben zu retten, nicht stren, und sie wollte ihre Mutter nicht stren. Creb war nur aus seiner Zauberhhle gekommen, um Izas Krper mit ockerroten Symbolen zu zeichnen. Gleich danach war er wieder verschwunden und lie sich nicht mehr blicken. Uba hatte alles ausgepackt und einen Verzehr bereitet, den keiner anrhrte. Als sie alles wieder fortgerumt hatte, hockte sie sich still neben das schlafende Kind und wnschte, sie htte etwas zu tun. Zwar konnte das die Angst in ihrem Herzen nicht vertreiben, aber es war besser, als unttig dazusitzen und zuse- hen zu mssen, wie Iza langsam starb. Schlielich legte sie sich auf Aylas Fell und kuschelte sich an das kleine Kind. Ayla gnnte sich keinen Augenblick Ruhe. Unermdlich kmmerte sie sich um Iza und versuchte mit allen Mitteln, die ihr einfielen, das Sterben aufzuhalten. Nicht einen Lidschlag lang lie sie Iza aus den Augen, voller Angst, die Frau knnte ihr entgleiten, wenn sie nicht hinsah. Sie war nicht die einzige, die diese Nacht durchwachte. Nur die kleinen Kinder schliefen. An jeder Feuersttte in der dunklen Hhle hockten Mnner und Frauen reglos da und starrten in die rote Glut oder lagen mit offenen Augen auf ihren Fellen. Der Himmel drauen war von Wolken verhangen, die die Sterne verhllten. Die Dsternis der Hhle verschmolz am Eingang mit tiefer Finsternis. In der Stille des frhen Morgens, als noch kein Licht den Himmel erhellte, fuhr Ayla mit einem Ruck aus kurzem Schlaf auf. "Ayla", flsterte Iza heiser. "Was ist, Iza?" fragte die junge Frau. Die Augen der Medizinfrau glnzten im Licht des Feuers. "Ich will dir etwas sagen, ehe ich gehe", bedeutete Iza und lie die Hnde sinken. Es machte ihr Mhe, sie zu bewegen. "La, Iza. Du sollst ruhen. Bei Sonnenaufgang wirst du krftiger sein." "Nein, Kind. Ich mu es jetzt tun. Bei Sonnenaufgang bin ich nicht mehr hier." "Doch, doch! Du mut bleiben. Du darfst nicht fortgehen", flehten Aylas Hnde. "Ayla, ich gehe. Du mut es annehmen. La mich es dir danken. Ich bin nicht mehr lange hier." Wieder gnnte sich Iza etwas Ruhe, whrend Ayla in starrer Verzweiflung wartete. "Ayla, du warst meinem Herzen immer am nchsten. Ich wei nicht, wie es kommt, aber so ist es. Ich wollte dich bei mir behalten. Ich wollte, da du beim Clan bleibst. Aber bald werde ich nicht mehr da sein. Creb wird mir folgen, und auch Brun ist betagt. Nach ihm wird Broud der Clan-Fhrer. Ayla, du kannst nicht bleiben, wenn Broud der Clan-Fhrer wird. Er wird einen Weg finden, dir Bses zu tun." Wieder rasselte Izas Atem. Mit geschlossenen Augen rang sie nach Luft und fuhr fort: "Ayla, meine Tochter, du seltsames, eigenwilliges Kind. Stets hast du dich bemht, allen alles recht zu machen. Ich habe dich gelehrt, eine Medizinfrau zu werden, damit du im Clan genug Ansehen geniet, selbst wenn du niemals einen Gefhrten finden solltest. Aber du bist eine Frau. Du brauchst einen Gefhrten. Einen Mann, der zu dir gehrt. Du stammst nicht aus dem Clan, Ayla. Du wurdest den Fremdlingen geboren. Du gehrst zu ihnen. Du mut fortgehen, Kind, deine eigenen Leute suchen." "Fortgehen?" bedeutete Ayla verwirrt. "Wohin soll ich gehen, Iza? Ich kenne die Fremdlinge nicht. Ich wei nicht, wo ich sie suchen soll." "Viele von ihnen leben in den Gebieten im Inneren des Landes, dort wo der Schnee viel lnger liegenbleibt als bei uns und wo die warmen Tage von kurzer Dauer sind. Meine Mutter berichtete mir, da der Mann, den ihre Mutter heilte, von dort gekommen war." Wieder brach Iza ab, zwang sich dann fortzufahren. "Du kannst hier nicht bleiben, Ayla. Geh fort und suche sie, Kind. Suche deine eigenen Leute. Suche die Fremdlinge! Suche nach deinen eigenen Gefhrten!" Izas Hnde fielen pltzlich herunter, und ihre Augen klappten zu. Ihr Atem ging flach. Mit Mhe holte sie noch einmal tief Luft und schlug noch einmal die Augen auf. "La Uba wissen, da ich ihr nahe bin, Ayla. Aber du warst mein erstes Kind, die Tochter meines Herzens. Du warst mir immer am nchsten." Die Hnde sanken ihr auf die Brust. Ihr Atem ging in einen Seufzer ber und stand still. "Iza! Iza!" schrie Ayla. "Mutter, geh nicht fort. La mich nicht allein. Geh nicht fort." Uba erwachte bei Aylas Klagegeschrei und rannte zu ihr. "Mutter! Nein! Meine Mutter ist von mir gegangen. Meine Mutter ist tot." Das junge Mdchen und die junge Frau blickten einander stumm an. "Sie hat mir aufgetragen, dich wissen zu lassen, da sie dir immer nahe war, Uba", bedeutete Ayla. Ihre Augen waren trocken. Noch immer hatte sie nicht erfat, da Iza tot war. Creb schlurrte herein. Er war aus seiner Hhle gekommen, noch ehe Ayla geschrien hatte. Mit einem tiefen Aufschluchzen streckte Ayla nach beiden die Arme aus und zog sie in verzweifelter Umklammerung an sich. ~Kapitel 25 "Oga, willst du Durc wieder nhren?" Die Geste des Einarmigen war klar, trotz des strampelnden Kindes, das er hielt. Ayla sollte ihn selbst nhren, dachte die junge Frau. Es ist nicht gut fr sie, wenn sie dem Kind so lange nicht die Brust gibt. Die Trauer ber Izas Tod und die Verwirrung ber Aylas Verhalten spiegelten sich deutlich in Crebs Gesicht ab. Sie konnte nicht ablehnen. "Gewi", bedeutete Oga und nahm Durc in ihre Arme. Creb humpelte zurck in seinen Wohnkreis. Er sah, da Ayla sich noch immer nicht von der Stelle gerhrt hatte, obwohl Ebra und Uka Izas Leiche fortgetragen hatten, um sie fr das Begrbnis zu richten. Aylas Haar war zerzaust, ihr Gesicht noch immer verschmutzt vom Staub der langen Wanderung und von Trnen. Sie trug denselben fleckigen Oberwurf, den sie bei der Heimkehr angehabt hatte. Creb hatte ihr ihren Sohn in den Scho gelegt, als er zu schreien angefangen hatte, doch sie hatte weder Auge noch Ohr fr ihn. Eine Frau htte vielleicht gewut, da das Geschrei eines hungrigen Suglings schlielich selbst den tiefsten Schmerz durchdringen kann. Doch Creb wute wenig von Mttern und Kindern. Er wute, da die Frauen ihre Suglinge oft einer anderen Mutter zum Nhren gaben, und er konnte das Kind nicht einfach hungern lassen, solange andere Frauen da waren, die ihm Nahrung geben konnten. Er hatte Durc zu Aga und zu Ika gebracht. Doch sie hatten nur noch wenig Milch. Grev hingegen war noch klein, und Oga schien noch immer ausreichend nhren zu knnen. Deshalb hatte Creb ihr den Kleinen nun schon mehrmals anvertraut. Ayla sprte den Schmerz in ihren harten Brsten nicht. Der Schmerz in ihrem Herzen war gewaltiger. Der Mog-ur nahm seinen Stab und hinkte tiefer in die Hhle hinein. Mnner und Frauen hatten Steine zusammengetragen und sie in einer ungenutzten Ecke der groen Hhle aufgehuft. Sie hatten aus dem harten Erdboden eine flache Grube ausgehoben. Iza war eine Medizinfrau von hchstem Rang gewesen. Ihr gebhrte ein Grab im Inneren der Hhle. Die Schutzgeister, die ber sie wachten, wrden so stets in der Nhe des Clans weilen, und sie selbst konnte von ihrem Heim in der anderen Welt nach ihnen schauen. Auerdem wurde damit sichergestellt, da nicht aasige Tiere die Gebeine verstreuten. Der Zauberer streute roten Ockerstaub in das Oval der Grube und heiligte mit stummer Gebrde das Stck Erde, das Iza aufnehmen wrde. Dann humpelte er hinber zu der Stelle, wo Izas Leichnam unter einem weichen Fell lag. Er zog die Decke zurck und enthllte ihren nackten, grauen Krper. Arme und Beine hatte man ihr abgebogen und mit rotgefrbter Sehne zusammengebunden. Der Zauberer erflehte mit einer kurzen Gebrde den Schutz der Geister, dann lie er sich neben ihr nieder und rieb die kalte Haut mit einer Salbe aus rotem Ocker und Brenfett ein. Zusammengekrmmt wie ein ungeborenes Kind und rot wie vom Blut der Geburt wrde Iza so, wie sie in diese Welt gekommen war, in die andere Welt hinbergeschickt werden. Nie zuvor war es ihm schwerer gefallen, diese Aufgabe zu erfllen. Iza war Creb mehr als eine Schwester gewesen. Sie hatte ihn besser gekannt als jeder andere. Sie wute von dem Schmerz, den er ohne Klage ertrug, von der Schmh, die er ob seiner Ver-krppelung ausgestanden hatte. Sie hatte mit ihrem Herzen seine Sanftmut und seine Empfindsamkeit begriffen, und sie war beglckt gewesen, seine Gre zu sehen, seine Macht, seinen Willen, alle Widrigkeiten zu berwinden. Sie hatte fr ihn gesorgt und seine Schmerzen gelindert. Mit ihr hatte er die Freuden des Zusammenlebens mit einer Familie erfahren. Obwohl er sie nie auf so vertraute Art berhrt hatte wie jetzt, da er ihren kalten Krper salbte, war sie ihm eine echte Gefhrtin gewesen. Ihr Tod vernichtete ihn. Als Creb an sein Feuer zurckkehrte, war sein Gesicht so grau wie Izas toter Krper. Ayla hockte noch immer neben Izas Lager und starrte aus leeren Augen vor sich hin; doch sie rhrte sich, als Creb anfing, Izas Sachen durchzusehen. "Was machst du?" fragte sie, als wollte sie die Dinge schtzen, die Iza einmal gehrt hatten. "Ich suche Izas Schalen und Gerte. Das Werkzeug, das sie in diesem Leben gebrauchte, soll mit ihr begraben werden, damit ihr Geist mit ihm in die nchste Welt gehen kann", erklrte Creb bereitwillig. "Ich hole es", bedeutete Ayla und schob Creb zur Seite. Sie suchte die Holzschalen und Beinbecher zusammen, die Iza benutzt hatte, um ihre Heiltrnke zu bereiten und die Mengen abzumessen; sie fand den runden Handstein und die flache Steinplatte, mit denen Iza Krner gemahlen oder zerstoen hatte; sie holte Izas Egert heraus, einiges Werkzeug, die Medizintasche. Alles legte sie auf Izas Lager. Dann starrte sie auf das armselige Hufchen, das Izas Leben und Arbeit verkrperte. "Das ist nicht Izas Werkzeug", erklrte sie mit zorniger Hand, stand auf und lief schnurstracks aus der Hhle. Creb sah ihr nach und schttelte den Kopf. Dann sammelte er Izas Gertschaft zusammen. Ayla durchwatete den Bach und rannte zu einer Wiese, wo sie mit Iza zusammen gewesen war. Vor einer Gruppe leuchtender Malven auf langen, schlanken Stengeln blieb sie stehen und pflckte einen ganzen Armvoll. Dann sammelte sie die vielbl-tige Schafgarbe, die Iza fr heilende Pflaster und schmerzlindernde Aufgsse verwendet hatte. Sie lief durch die Wlder und Wiesen und raffte noch mehr von den Pflanzen zusammen, die Iza immer gebraucht hatte, um Kranken und Verletzten zu helfen: weiblttrige Disteln mit runden, blagelben Blumen, leuchtend gelbes Goldkraut, Traubenhyazinthen, die von einem so tiefen Blau waren, da sie beinahe schwarz wirkten. Sie whlte nur jene Pflanzen aus, die auch schn waren, Blten von leuchtenden Farben und lieblichem Duft besaen, und die Trnen rannen ihr wieder ber das Gesicht, als sie am Wiesenrain stehenblieb, die Blumen im Arm, und jener Tage gedachte, als sie und Iza hier nebeneinander durch das hohe Gras gestreift waren und Pflanzen gesammelt hatten. Ihre Arme waren so voll, da sie Mhe hatte, alle Blumen zu tragen. Ein paar Blten fielen zu Boden, und sie bckte sich, sie aufzuheben und entdeckte die verschlungenen Zweige eines Busches mit kleinen Blten. Beinahe htte sie gelchelt bei dem Einfall, der ihr kam. Sie kramte in einer Falte ihres Oberwurfs, zog ein Flintsteinmesser heraus und schnitt einen Zweig des Gestruchs ab. In der warmen Sonne eines frhen Herbstes hockte Ayla am Rand der Wiese und wand die Stengel der farbenfrohen Blten um das Netzwerk von stchen, bis der ganze Zweig berwuchert schien von bunten Blten. Die Clan-Leute rissen die Augen auf, als Ayla mit ihrem Blumengesteck in die Hhle trat. Ohne anzuhalten ging sie nach hinten und legte den Blumenzweig neben die Tote, die seitlich in der flachen Grube lag, umgeben von einem Kreis von Steinen. "Das war Izas Werkzeug", erklrte Ayla mit trotziger Geste. Der alte Zauberer nickte vor sich hin. Sie hat recht, dachte er, das war Izas Werkzeug. Sie kannte sie alle. Ihr Leben lang arbeitete sie mit ihnen. Es wird sie vielleicht erwrmen, sie in der Welt der Geister bei sich zu haben. Ob dort wohl auch Blumen wachsen? Die Clan-Leute legten Izas Gerte und die Blumen mit ins Grab und schichteten dann Steine ber den toten Krper, whrend der Mog-ur den Geist des Hhlenbren und den Geist von Izas Totem, der Steppenantilope, anrief, da sie Izas Geist sichei;in die nchste Welt geleiteten. "Warte!" unterbrach ihn Ayla pltzlich mit hastiger Hand. "Ich habe etwas bersehen." Sie lief zur Feuersttte zurck und suchte ihren Medizinbeutel heraus. Vorsichtig entnahm sie ihm die beiden Hlften der alten heiligen Schale. Sie hetzte zurck und legte die Stcke neben Iza in das Grab. "Sie wird sie vielleicht mit sich nehmen wollen, jetzt, wo sie nicht mehr gebraucht werden kann." Der Mog-ur gab sein Zeichen der Zustimmung. So war es richtig. Richtiger als irgendeiner ahnte. Nachdem der letzte Stein aufgeschichtet war, legten die Frauen Holz auf und um das Steingrab. Mit einer glhenden Kohle vom Hhlenfeuer wurde das Kochfeuer fr Izas Leichenmahl entzndet. Die Speisen wurden auf dem Grab gekocht, und das Feuer wrde sieben Tage lang brennen. Durch seine Hitze wrde alle Feuchtigkeit aus dem Krper der Toten gesogen; er wrde austrocknen und vllig geruchlos werden. Als die Flammen hochschlugen, hob der Mog-ur zu einer letzten Klage an. So gewaltig waren seine Gesten und Gebrden, da die Clan-Leute tief im Innersten angerhrt wurden. Er berichtete den Geistern von der Liebe der Clan-Leute zu ihrer Medizinfrau, die fr sie gesorgt hatte, die ber sie gewacht und ihnen durch Krankheit und Schmerz hindurchgeholfen hatte. Es waren die althergebrachten Handformeln, mit denen er zu den Geistern sprach, nahezu die gleichen wie bei jedem Begrbnis, wenn auch manche nur bei den Totenfeiern der Mnner gebraucht wurden. Doch sie waren nicht einfach leer gedeutet; durch den tiefen Schmerz des heiligen Mannes erhielten sie einen tieferen Sinn. Trocknen Auges blickte Ayla ber die tanzenden Flammen hinweg auf die gemessenen Bewegungen des einarmigen Mannes und sprte die heftige Bewegung seiner Gefhle in ihrem eigenen Herzen. Der Mog-ur drckte ihren Schmerz aus; es war, als wre er in sie hineingeschlpft und sprche durch ihr Him, fhlte durch ihr Herz. Sie war nicht die einzige, die seinen Schmerz wie ihren eigenen empfand. Ebra begann schrill zu klagen, und die anderen Frauen folgten ihr. Uba, die Durc in den Armen hielt, sprte, wie ein dnnes Jammern in ihrer Kehle emporstieg, und stimmte in das Klagegetn der anderen mit ein. Ayla starrte leeren Blicks in die Flammen, zu tief getroffen in ihrem Kummer, um ihm noch Ausdruck geben zu knnen. Nicht einmal Trnen konnte sie weinen. Ebra mute Ayla schlielich krftig schtteln, ehe diese aus ihrer kummervollen Versunkenheit erwachte. Aus verstndnislosen Augen sah sie die Gefhrtin des Clan-Fhrers an. "Ayla, i etwas. Das ist der letzte Festverzehr, den wir mit Iza teilen." Ayla nahm die Holzplatte mit dem Essen, schob sich ein bichen Fleisch in den Mund und htte sich beinahe erbrochen, als sie ihn hinunterwrgen wollte. Hastig sprang sie auf und strzte aus der Hhle. Blind stolperte sie durch Gebsch und Gestrpp. Zunchst fhrten ihre Fe sie einen vertrauten Pfad entlang zu einer hochgelegenen Wiese und einer kleinen Hhle, die ihr schon oft Zuflucht und Sicherheit geboten hatte. Doch sie bog vom Weg ab, denn seit sie Brun diesen Ort gezeigt hatte, war ihr, als gehrte er ihr nicht mehr, und die Erinnerungen, die er barg, waren allzu schmerzlich. Statt dessen kletterte sie auf die Anhhe des Felsvorsprungs, der die Hhle des Clans vor den rauhen Winden schtzte, die tobend den Berg hinunterrasten, wenn die Tage krzer wurden und Schnee und Kltnis kamen. Von Windsten geschttelt fiel Ayla oben auf die Knie, und erst hier, allein mit ihrem unsglichen Kummer, gab sie in jammervoll klagendem Singsang ihrem Schmerz nach, whrend sie sich unablssig hin und her wiegte. Creb humpelte aus der Hhle, um nach ihr zu sehen, sah dunkel ihre zusammengekau-erte Gestalt hoch oben vor den in den Glanz der untergehenden Sonne eingetauchten Wolken und hrte das dnne, ferne Klagelied. So tief sein eigener Schmerz war, es war ihm unbegreiflich, da sie in ihrem Elend den Trost der Erdlingsgemeinschaft zurckwies und sich statt dessen in sich selbst zurckzog. Sein sonst so scharfes Einfhlungsvermgen war stumpf vom eigenen Gram. Er sprte nicht, da sie an mehr litt als an Kummer allein. Schuldgefhle peinigten Ayla. Sie machte sich Izas Tod zum Vorwurf. Sie hatte die kranke Frau alleingelassen, um mit dem Clan fortzuziehen. Sie war eine Medizinfrau, die eine Kranke, eine Frau, an der ihr Herz hing, in einer Zeit der Not im Such gelassen hatte. Sie fhlte sich schuldig an der schweren Krankheit, die Iza sich geholt hatte, als sie im strmenden Regen durch die Wlder gegangen war, um jene wundersame Wurzel zu su chen, die Ayla das Kind erhalten sollte, das sie sich so brennend wnschte. Sie fhlte sich schuldig fr den Schmerz, den sie Creb zugefgt hatte, als sie den lockenden Lichtem tief in die Hhle von Norgs Clan gefolgt war. Ayla war in eine tiefe Niedergeschlagenheit gesunken, aus der Iza ihr htte heraushelfen knnen, wenn sie da gewesen wre. Ayla, die Medizinfrau, fr die Schmerz zu lindern und Leben zu erhalten oberstes Gebot war, hatte zum ersten Mal erlebt, da ein Kranker, den sie pflegte, ihr unter den Hnden gestorben war. Als die Dunkelheit kam, kehrte sie in die Hhle zurck. Rastlos wlzte sich Ayla auf ihrem Lager und konnte keinen Schlaf finden. Sie merkte nicht einmal, da es der Schmerz ihrer aufgeschwollenen Brste war und das Fieber, das in ihr raste, die sie wachhielten. Zu tief hatte sie sich nach innen gekehrt, einzig ihren Gram und ihre Schuld vor Augen. Sie war schon fort, als Creb erwachte, wieder zum Felsen hinaufgestiegen. Creb konnte sie aus der Ferne sehen und behielt sie voller Sorge und Beunruhigung im Auge. Da sie schwach war und Fieber hatte, konnte er nicht sehen. "Soll ich sie holen?" fragte Brun, ebenso bestrzt wie Creb ber Aylas Verhalten. "Mir scheint, sie will allein sein. Vielleicht sollten wir sie lassen", gab Creb zurck. Unruhe qulte ihn, als er sie nicht mehr sah, und als sie bei Sonnenuntergang noch nicht zurckgekehrt war, bat er Brun, nach ihr Ausschau zu halten. Er bereute es tief, da er Brun nicht frher hatte ausziehen lassen, als er sah, wie der Clan-Fhrer sie auf seinen Armen zur Hhle zurckbrachte. Uba und Ebra pflegten die Medizinfrau. Ihr Krper brannte bald im Fieber, bald schlotterte er vor Frost. Laut schrie sie auf, wenn jemand ihre Brste nur leicht berhrte. "Ihre Milch wird versiegen", bedeutete Ebra dem jungen Mdchen. "Auch Durc kann da jetzt nicht mehr helfen. Es ist zu spt." "Aber Durc ist noch so klein. Er kann noch nicht entwhnt werden. Was geschieht mit ihm? Was geschieht mit Ayla?" Es wre vielleicht nicht zu spt gewesen, wenn Iza noch am Leben oder Ayla bei Bewutsein gewesen wre. Selbst Uba hatte eine Ahnung davon, da es Mittel gab, die geholfen, Trnke, die gewirkt htten; aber sie war jung und unsicher, und Ebra war so bestimmt. Als das Fieber endlich abidang, hatte Ayla keine Milch mehr. Sie konnte ihren eigenen Sohn nicht mehr nhren. "Ich nehme diesen Migeburtigen nicht an mein Feuer, Oga! Er wird nicht der Bruder meiner Shne!" Broud war hochrot vor Zorn und schttelte die Fuste. Oga hockte zusammengeduckt zu seinen Fen. "Broud! Er ist klein. Er mu gesugt werden. Aga und Ika haben nicht mehr genug Milch. Es wre nichts geholfen, wenn sie ihn bei sich aufnhmen. Ich habe genug. Ich habe immer zu viel Milch. Wenn er nicht genhrt wird, verhungert er. Dann mu er sterben." "Soll er doch sterben. Es htte ihm gar nicht gestattet werden drfen zu leben. An dieses Feuer kommt er nicht." Oga starrte den Mann an, der ihr Gefhrte war. Sie hatte nicht geglaubt, da er sich weigern wrde, Aylas Kind aufzunehmen. Sie hatte sich zwar gedacht, da er schimpfen und wten wrde; aber sie war sicher gewesen, da er am Ende doch bereit wre nachzugeben. So grausam konnte man doch nicht sein! Er konnte es doch ein kleines Kind nicht entgelten lassen, wenn er dessen Mutter hate! "Broud, Ayla hat Bracs Leben gerettet. Wie kannst du ihren Sohn sterben lassen?" "Hat sie nicht genug dafr bekommen, da sie sein Leben bewahrt hat? Ihr wurde das Leben geschenkt. Sie bekam sogar die Erlaubnis zu jagen. Ich schulde ihr nichts." "Nein, das Leben wurde ihr nicht geschenkt. Sie wurde zum Tode verflucht. Sie kehrte aus der Welt der Geister zurck, weil ihr Totem es wnschte, weil es sie schtzte", erwiderte Oga mit heftiger Gebrde. "Wre der richtige Fluch ber sie verhngt worden, so wre sie nicht wieder zurckgekehrt und htte diesen Migeburtigen nie zur Welt gebracht. Wenn ihr Totem so mchtig ist, wie kommt es dann, da ihre Milch versiegt? Alle frchteten, da ihrem Kind Unheil drohen wrde. Gibt es schlimmeres Unheil, als die Milch der leiblichen Mutter entbehren zu mssen? Und nun willst du diesen Unglckswurm an dieses Feuer bringen? Das erlaube ich nicht, Oga. Nicht an dieses Feuer! Schlu, aus!" Oga straffte den Rcken und blickte mit ruhiger Entschlossenheit zu Broud auf. "Nein, Broud, nicht Schlu, aus", bedeutete Oga. Sie hatte keine Angst mehr. Unglubige Bestrzung breitete sich auf Brouds Gesicht aus. "Du kannst es ablehnen, Durc an deinem Feuer aufzunehmen; das ist dein Recht. Dagegen kann ich nichts tun. Aber du kannst mir nicht verbieten, ihn zu nhren. Das ^t das Recht der Frauen. Eine Frau kann jeden Sugling nhren, und kein Mann kann es ihr verbieten. Ayla hat meinem Sohn das Leben bewahrt. Ich werde den ihren nicht sterben lassen. Durc wird meinen Shnen ein Bruder sein, ob es dir recht ist oder nicht." Broud war wie vor den Kopf geschlagen. Nie zuvor hatte sich Oga aufsssig oder ungehorsam gezeigt. Er wollte seinen Augen kaum trauen. Seine Bestrzung wandelte sich in Wut. "Wie kannst du es wagen, mir die Stirn zu bieten, Frau. Ich werde dich von diesem Feuer verstoen", tobte er mit wilden Gebrden. "Dann nehme ich meine Shne und gehe, Broud. Ich werde einen anderen Mann bitten, mich aufzunehmen. Mag sein, da der Mog-ur mir gestatten wird, an seinem Feuer zu leben, wenn kein anderer Mann mich haben will. Aber ich werde Aylas Kind nhren." Broud erwiderte mit einem harten Faustschlag, der sie zu Boden streckte. Voll unbndiger Wut wollte er sich erneut auf sie strzen, dann aber machte er mit einem Ruck kehrt. Kochend vor Zorn stampfte er zu Bruns Feuersttte hinber. "Erst fhrte sie Iza den Weg des Ungehorsams, nun reit sie auch meine Gefhrtin mit", begann Broud mit erregter Gebrde, sobald er in Bruns Wohnkreis getreten war. "Ich habe Oga wissen lassen, da ich Aylas Sohn nicht aufnehme. Diese Migeburt soll nicht Bruder meiner Shne werden. Soll ich dir sagen, was sie mir entgegnet hat? Sie will ihn dennoch nhren. Ich knnte sie nicht daran hindern. Er wrde ihrer Shne Bruder werden, ob es mir recht sei oder nicht. Kannst du das glauben? Von Oga? Meiner Gefhrtin?" "Es ist so, wie sie dir bedeutet hat, Broud", erwiderte Brun mit beherrschter Ruhe. "Du kannst sie nicht daran hindern, ihn zu nhren. Welches Kind eine Frau sugt, ist nicht Mnnersache, war niemals Mnnersache. Ein Mann mu sich um wichtigere Dinge kmmern." Brun war gar nicht erfreut ber Brouds wilden Ausbruch. Es machte Broud klein, da er sich von Dingen, die reine Frauensachen waren, so in Hitze bringen lie. Und welche andere Frau htte Durc nhren knnen? Der Kleine gehrte zum Clan, und die Clan-Leute sorgten fr die Ihren. Selbst die Frau, die frher von einem anderen Clan gekommen war und niemals ein Kind hervorgebracht hatte, war nach dem Tod ihres Gefhrten nicht dem Hunger ausgesetzt worden. Sie mochte eine Last gewesen sein, aber solange der Clan zu essen hatte, wurde auch ihr Nhrendes gegeben. Broud konnte es ablehnen, Durc an seinem Feuer aufzunehmen. Denn damit htte er sich verpflichtet, ihn zu nhren und ihn auf den Mannesstand vorzubereiten. Brun hatte erwartet, da Broud dazu nicht bereit sein wrde. Denn jeder wute, welche Gefhle er Ayla und ihrem Sohn entgegenbrachte. Aber warum stemmte er sich dagegen, da seine Gefhrtin den Jungen sugte? Sie gehrten doch alle einem Clan an. "Du meinst also, da Oga sich mir gegenber Ungehorsam ohne Bestrafung erlauben darf?" wtete Broud. "Was erhitzt du dich so, Broud? Willst du, da das Kind stirbt?" fragte Brun. Broud errtete bei der scharfen Frage. "Er gehrt zum Clan, Broud. Sein Kopf ist migestaltet, aber sein Geist scheint heil. Er wird zu einem Jger heranwachsen. Und dies ist sein Clan. Selbst eine Gefhrtin ist schon gefunden fr ihn. Du hast dein Einverstndnis kundgetan. Wie kommt es, da dein Blut zu sieden anfngt, nur weil deine Gefhrtin das Kind einer anderen Frau zu nhren bereit ist? Ist es noch immer Ayla, die dir den klaren Blick verwehrt? Du bist ein Mann, Broud. Was immer auch du ihr befiehlst, sie mu gehorchen. Und sie gehorcht dir ja auch. Warum trittst du mit einer Frau in Wettstreit? Du machst dich klein und schwach. Oder tusche ich mich? Bist du auch wirklich ein Mann, Broud? Bist du Manns genug, diesen Clan zu fhren?" "Ich will einfach nicht, da eine Migeburt der Bruder meiner Shne wird", wich Broud aus. Die Drohung, die Bruns letzte Gesten bargen, war ihm nicht entgangen. "Broud, gibt es einen Jger, der nicht das Leben eines anderen gerettet htte? Gibt es einen Mann, der nicht einen Teil des Geistes aller Mnner in sich trgt? Gibt es einen Mann, der nicht Bruder aller Brder ist? Was macht es, ob Durc schon jetzt der Bruder deiner Shne wird oder spter, wenn sie alle gro geworden sind? Was hast du denn fr Einwnde?" Darauf hatte Broud keine Erwiderung, die fr den Clan-Fhrer annehmbar gewesen wre. Seinen alles verzehrenden Ha gegen Ayla konnte er nicht offenlegen. Damit htte er gezeigt, da er seine Gefhle immer noch nicht in der Gewalt hatte; damit htte er gezeigt, da er nicht Manns genug war, eines Tages doch Clan-Fhrer zu werden. Er bereute es, zu Brun gekommen zu sein. Ich htte es eigentlich wissen mssen, dachte er. Er hat sich immer auf ihre Seite gestellt. So stolz war er auf mich nach den Kampfspielen beim Miething. Und nun zweifelt er wieder an mir - das habe ich wieder Ayla zu verdanken. "Nun, es ist mir gleich, ob Oga ihn nhrt", erklrte Broud mit kurzer Geste. "Aber ich will ihn nicht an meinem Feuer haben." In diesem Punkt wrde er nicht nachgeben. "Du magst glauben, da sein Geist heil ist, Brun. Ich bin nicht so sicher. Ich will nicht die Last auf mich nehmen, ihn auf den Mannesstand vorzubereiten. Ich bezweifle, da je ein Jger aus ihm werden wird." "Wie du willst, Broud. Ich habe mich verpflichtet, ihn unter meinen Schutz zu nehmen. Ich habe diese Entscheidung schon getroffen, ehe ich ihn annahm. Aber ich habe ihn angenommen. Durc ist ein Glied dieses Clans und wird ein Jger werden. Dafr werde ich sorgen." Broud wollte zu seinem Wohnkreis zurckkehren, doch da gewahrte er Creb, der Durc wieder zu Oga brachte. Er kehrte um und rannte aus der Hhle. Erst als er wute, da Brun ihn nicht mehr sehen konnte, lie er seiner Wut freien Lauf. Alles kommt von diesem alten Krppel/ scho es ihm durch den Kopf, und sogleich bemhte er sich, diesen Gedanken aus seinem Hirn zu lschen, weil er Angst hatte, irgendwie knnte der Zauberer wittern, was er dachte. Broud frchtete die Geister, mehr vielleicht als jeder andere Mann des Clans, und er frchtete jene, die in so vertrauter Beziehung zu ihnen standen. Was konnte auch ein Jger ausrichten gegen eine Schar krperloser Wesen, die Unheil und Krankheit und Tod sen konnten? Was konnte einer gegen einen Mann ausrichten, der die Macht besa, diese Wesen jederzeit herbeizurufen? Auf dem Miething hatten die jungen Mnner manche Nacht damit zugebracht, sich gegenseitig Angst zu machen mit Geschichten von erzrnten Mog-urs, die Schrecken und Unheil auf ihre Clan-Leute herabbeschworen hatten. Geschichten von Speeren, die sich im Kampf mit einem wilden Tier im letzten Augenblick verzogen hatten und abgeglitten waren, von schrecklichen Krankheiten, die Schmerz und Leid brachten, Geschichten von Jgern, die von gehrnten Tieren aufgespiet oder von reienden Tieren zerfleischt worden waren. All diese Schrecklichkeiten wurden wtenden Mog-urs zur Last gelegt. Und der Groe Mog-ur, Creb, war der mchtigste Zauberer von allen. Obwohl es eine Zeit gegeben hatte, da der junge Mann den Zauberer mehr mit Spott denn mit Ehrfurcht betrachtet hatte, empfand er jetzt eine tiefe Furcht vor diesem Mann mit dem migestalteten Krper und dem schrecklichen Gesicht. Broud hatte vor den jungen Mnnern der anderen Clans damit geprahlt, da er den Groen Mog-ur nicht frchtete. Doch all die wilden Geschichten, die im Schein des Feuers dargeboten worden waren, hatten ihre Wirkung hinterlassen. Die Ehrfurcht aller Clans vor dem alten Hinkemann, der nicht jagen konnte, hatte auch Brouds Furcht vor seiner Macht wachsen lassen. Wenn er in Tagtrumen in jene Zeit hineinwanderte, wo er Clan-Fhrer sein wrde, sah er stets Goov als seinen Mog-ur. Goov war ihm als beinahe Gleichaltriger und als Jagdgefhrte zu vertraut, als da er ihn im gleichen dsteren Licht htte sehen knnen wie den alten Zauberer. Er war sicher, da es ihm gelingen wrde, ihn mit Schmeicheln oder auch Drohen dazu zu bewegen, da er sich seinen Entscheidungen anschlo. Bei dem alten Groen Mog-ur htte er einen solchen Versuch niemals gewagt. Als Broud durch die Wlder, die um die Hhle lagen, streifte, fate er einen felsenharten Entschlu. Niemals wieder wrde er dem Clan-Fhrer Anla geben, an ihm zu zweifeln. Niemals wieder wrde er die Stellung als Clan-Fhrer, die ihm bestimmt war, in Gefahr bringen. Aber wenn ich der Clan-Fhrer bin, dann werde ich bestimmen, dachte er. Sie hat Brun gegen mich aufgehetzt, sogar Oga, meine Gefhrtin. Aber wenn ich Clan-Fhrer bin, dann soll Brun sich ruhig auf ihre Seite stellen. Er kann sie dann nicht mehr beschtzen. Alles, was sie mir angetan hat, werde ich ihr zurckgeben. Es wird ein Tag kommen, an dem sie wnschen wird, diesem Clan niemals begegnet zu sein. Und der Tag kommt bald. Broud war nicht der einzige, der dem alten Krppel grollte. Creb war von tiefem Groll erfllt gegen sich selbst. Er gab sich die Schuld daran, da Ayla nicht mehr nhren konnte. Da es seine ngstliche Sorge um sie gewesen war, die dieses Unglck herbeigerhrt hatte, nderte nichts. Er hatte keine Ahnung gehabt, da die Milch einer Mutter vertrocknete, wenn sie ihr Kind nicht sugte. Nun wute er es, aber es war zu spt. Wie hatte ihr nur dieses schreckliche Unglck widerfahren knnen? Kam es daher, da der Strahl des Unheils auf ihrem Kind lag? Creb suchte nach Grnden, und whrend er tief in seinem von Schuld gequlten Herzen kramte, begann er, an sich colhet 711 7wpirp1n- Bewerte ihn wirklich Sorge, oder trieb es ihn, sie zu verletzen, so wie sie ihn verletzt hatte, ohne es gewahr zu werden? War er seines groen Totems wrdig? Hatte der Groe Mog"ur sich herabgelassen zu so niedriger Rache? Wenn einer wie er dem Gro-Clan als hchster heiliger Mann galt, dann verdiente der Clan vielleicht wirklich den Untergang. Crebs Wissen, da seine Art aussterben wrde, sein Schmerz ber Izas Tod und seine Schuld an dem Kummer, den er Ayla gebracht hatte, berschwemmten ihn mit groer Schwermut. Ayla gab Creb keine Schuld; die gab sie sich selbst. Zusehen zu mssen, wie andere Frauen ihren Sohn sugten, ging ber ihre Krfte. Oga, Aga und Ika waren zu ihr gekommen, um sie wissen zu lassen, da sie Durc nhren wrden, und sie war dankbar dafr, meist aber war es Uba, die Durc zu einer der Frauen hinbertrug und blieb, bis er satt war. Ayla schien es, als wre sie durch die Weigerung ihrer Brste von einem Teil des Lebens ihres Sohnes ausgeschlossen. Sie trauerte immer noch um Iza und konnte auch bei Creb keinen Trost finden. Er hatte sich so tief in sich selbst zurckgezogen, da sie ihn nicht erreichen konnte. Doch jeden Abend, wenn sie mit Durc im Arm auf ihrem Lager sich ausstreckte, war sie Broud dankbar, weil er sich geweigert hatte, ihren Sohn an seinem Feuer aufzunehmen, der ihr dadurch nicht ganz verlorenging. Als die Tage merklich khler wurden, griff Ayla wieder zu ihrer Schleuder. Sie bot ihr den Vorwand, allein umherzustreifen. Im letzten Sommer hatte sie so selten gejagt, da sie ein wenig ungelenk geworden war; doch mit etwas bung kamen Handfertigkeit und Zielgefhl schnell wieder. An den meisten Tagen zog sie schon in aller Frhe los und kehrte erst spt zurck. Durc lie sie dann in Ubas Hnden. Mit Bedauern dachte sie daran, da bald schon der erste Schnee fallen wrde. Sich zu bewegen tat ihr gut, aber es zeigte sich eine Schwierigkeit. Seit sie zur Frau geworden war, hatte sie kaum gejagt. Nun aber strten sie die vollen Brste, wenn sie rannte und sprang. Und nach Art der Mnner, die einen Lendenschurz um ihr Geschlecht gebunden hatten, schnrte sie sich einfach einen breiten Streifen weicher Haut um die Brste, der sie hielt und schtzte, und so konnte sie sich frei bewegen. Die Seitenblicke der anderen Frauen beachtete sie nicht. Wenn auch das Schleudern ihren Krper krftigte und ihren Geist beschftigte, solange sie drauen in den Wldern war, trug sie dennoch ihre Last an Kummer und Schmerz. Uba schien es, als htte sich Crebs Feuersttte verfinstert. Creb und Ayla waren wie von dsteren Wolken undurchdringlicher Traurigkeit umhllt. Nur Durc brachte ein wenig Licht in das Dunkel. Mit seiner Freundlichkeit konnte er selbst Creb aus seinem Trbsinn reien. Ayla war frh ausgezogen, und Uba war hinten in der Hhle, wo sie etwas suchte. Oga hatte soeben Durc zurckgebracht, und Creb hatte ein Auge auf den Kleinen, der satt war und zufrieden, aber noch nicht schlfrig. Auf allen vieren kroch er zu dem alten Mann hin und zog sich auf wackligen Beinchen an ihm hoch. "Bald wirst du laufen knnen", bedeutete ihm Creb. "Noch vor der Schneeschmelze wirst du durch diese Hhle springen." Der Mog-ur bohrte ihm einen Finger in das runde Buchlein, um seinen Gesten Nachdruck zu verleihen. Durcs Mundwinkel verzogen sich, und er gab Tne von sich, die Creb nur noch von Ayla - und das war schon sehr lange hergehrt hatte. Durc lachte. Creb stupste noch einmal in den kleinen Bauch, und Durc krmmte sich wieder vor Lachen, verlor das Gleichgewicht und fiel um. Creb half ihm wieder auf die Beine und sah sich nun das Kind mit neuen Augen an. Durcs Beine waren gebogen, aber lngst nicht so stark wie die der anderen kleinen Kinder des Clans; und wenn sie auch stmmig waren, so konnte Creb doch sehen, da die Knochen lnger und dnner waren. Ich glaube, Durcs Beine werden grade werden wie die von Ayla, wenn er grer wird, und er wird einen hohen Wuchs bekommen. Und auch sein Hals, der so dnn und gebrechlich war, ist wie Aylas Hals. Nur sein Kopf ist anders. Die hohe Stirn ist die von Ayla. Creb drehte den Kleinen, um ihn von der Seite zu beugen. Ja, es ist ihre Stirn, aber die Brauen und die Augen sind die unseren, und auch sein Hinterkopf ist mehr der unsere. Ayla hatte sich nicht getuscht. Es ist nicht migestaltet. Er ist ein Mischling, eine Mischung aus ihr und dem Clan. Kann es sein, da es immer so ist? Vermischen sich die Geister? Wird der Keim des Lebens durch ein Gemengsei von mnnlichen und weiblichen Totemgeistern gelegt? Creb schttelte den Kopf. Er wute es nicht, aber es machte ihn nachdenklich. Oft dachte er in dem kalten, langen Winter an Durc. Er sprte, da Durc wichtig war. Nicht wichtig fr heute - wichtig fr spter. Aber wodurch ihm dieser Wert gegeben war, konnte er nicht ergrnden. ~Kapitel 26 "Aber ich bin nicht wie du, Ayla. Ich kann nicht jagen. Wohin soll ich gehen, wenn es dunkel wird?" Ubas Gesten zeigten ihre Verzweiflung. "Ayla, ich habe Angst." Ayla blickte in das gengstigte Gesicht und wnschte, sie knnte Uba begleiten. Sie war noch so jung, und die Vorstellung, fern des Schutzes und der Wrme des Clans leben zu mssen, erfllte sie mit Schrecken. Doch der Geist ihres Totems hatte zum ersten Mal gekmpft. Sie mute fort. Sie hatte keine Wahl. Sie hatte das erste Mal die Tage. "Weit du noch die kleine Hhle, wo ich mich versteckt hielt, als Durc geboren wurde? Geh dorthin, Uba. Da ist es sicherer als drauen im Freien. Jeden Tag vor Sonnenuntergang komme ich zu dir und bringe dir Verzehr. Es sind nur wenige blutende Tage, Uba. Nimm eine Schlafdecke mit und eine Kohle, um Feuer zu machen. Wasser gibt es in der Nhe. Es ist einsam, besonders in der Nacht. Aber du bist sicher dort. Schau, du bist jetzt eine Frau! Bald wird dir ein Gefhrte gegeben werden, und dann wird vielleicht nicht viel Zeit vergehen, ehe du ein Kind kriegst", trstete Ayla mit behutsamer Hand. "Wen wird Brun fr mich whlen? Was glaubst du, Ayla?" "Wen wnschst du dir denn zum Gefhrten, Uba?" "Vorn ist der einzige Mann, der keine Gefhrtin hat. Aber sicher wird auch Borg bald ein Mann sein. Borg wrde ich mgen. Aber Ona ist jetzt eine Frau, und sie kann nicht Vorns Gefhrtin werden. Wenn Brun nicht beschliet, sie einem der Mnner als zweite Frau zu geben, ist fr sie nur Borg da. Und dann wird wohl Vorn mein Gefhrte werden." Ayla glaubte das auch. "Glaubst du. Vorn wird dir als Gefhrte lieb sein?" "Er tut so, als she er mich nicht, aber manches Mal schaut er mich an. Mag sein, da er so bel nicht wre." "Broud sieht ihn gern. Er wird wohl eines Tages Stammes-zweiter. Das wird auch deinen Shnen Ansehen verleihen. Ich konnte Vorn nicht gut leiden, als er jnger war, aber es ist so, wie du meinst. Er ist so bel nicht. Sogar zu Durc ist er freundlich, wenn Broud nicht in der Nhe ist." "Alle auer Broud sind freundlich zu Durc", bedeutete Uba. "Alle mgen ihn leiden." "An jedem Feuer ist er daheim. Er ist so daran gewhnt, zum Nhren herumgereicht zu werden, da er alle Frauen Mutter nennt", seufzte Ayla, und ihr Gesicht verdunkelte sich flchtig. Doch gleich hellte es sich wieder auf. "Weit du noch, wie er schnurstracks an Grods Feuersttte gelaufen ist, als wre es sein Heim?" "Ja, ich sehe es noch. Er ist einfach an Uka vorbeigelaufen, grte sie nur und nannte sie Mutter, und dann ging er zu Grod und kletterte auf sein Knie." "Nie zuvor habe ich Grod so erstaunt gesehen", bedeutete Ayla. "Dann kletterte Durc doch wieder herunter und rannte zu Grods Speeren. Ich wartete darauf, da Grod zornig werden wrde, aber er konnte wohl dem dreisten Kleinen nicht widerstehen." "Ich glaube, Durc htte den schweren Speer aus der Hhle geschleppt, wenn Grod ihn gelassen htte." "Den kleinen Speer, den Grod ihm gemacht hat, nimmt er sogar zum Schlafen mit." Ayla lchelte. "Du weit, Grod ist ein zurckgezogener Mann. Ich war verwundert, als er an jenem Tag herberkam. Er grte mich nur kurz, dann ging er gleich zu Durc und drckte ihm den Speer in die Hnde." "Es ist ein Jammer, da Ovra nie Kinder bekommen hat. Ich glaube, Grod wrde es froh machen, wenn die Tochter seiner Gefhrtin ein Kind htte", bedeutete ihr Uba mitleidig. "Vielleicht hat Grod deinen Durc deshalb in sein Herz geschlossen. Brun hat Durc auch gern, das sehe ich ihm an, und Zoug zeigt ihm schon jetzt, wie er mit der Schleuder umgehen mu. Die Mnner tun so, als wren sie alle die Gefhrten seiner Mutter. Auer Broud." Uba machte eine kurze Pause. "Vielleicht ist es so, Ayla. Dorv hat immer behauptet, die Totems aller Mnner htten sich vereint, deinen Hhlenlwen zu bezwingen." Ayla ging darauf nicht ein. "Ich glaube, du mut jetzt gehen, Uba. Ich begleite dich. Es regnet nicht mehr, und die Erdbeeren sind reif. Ich wei oben am Pfad einen Platz, wo sie wachsen. Und spter komme ich zu dir hinauf." Goov malte das Zeichen von Vorns Totem ber das Zeichen von Ubas Totem, um so Vorns berlegenheit als Mann zum Ausdruck zu bringen. "Nimmst du diese Frau als Gefhrtin an?" fragten Crebs ernste Gebrden. Vorn berhrte Ubas Schulter, und die folgte ihm in die Hhle. Danach hielt Creb die gleiche Feier fr Borg und Ona, und auch dieses Paar zog sich an seine neue Feuersttte zurck. Die sommergrn belaubten Bume raschelten im leichten Wind, als die kleine Versammlung sich auflste, Ayla hob Durc vom Boden auf, um ihn in die Hhle zu tragen, doch er wehrte sich. Er wollte hinunter. "Gut, Durc", gab Ayla nach, "du kannst laufen. Aber komm mithinein." Whrend sie den Morgenverzehr bereitete, machte Durc sich auf den Weg zu der neuen Feuersttte, an der jetzt Uba und Vorn lebten. Ayla lief ihm nach und holte ihn zurck. "Durc will Uba sehen", wehrte sich das Kind. "Du kannst jetzt nicht, Durc. Eine Weile kann keiner zu Uba gehen. Aber wenn du ein gutes Kind bist, nehme ich dich mit auf die Jagd." "Durc ist ein gutes Kind. Warum kann Durc nicht zu Uba?" wollte der Kleine wissen. "Warum kommt Uba nicht und it mit uns?" "Sie gehrt nicht mehr zu uns, Durc. Sie ist jetzt Vorns Gefhrtin." Uba fehlte ihnen. Die Spannung zwischen Ayla und Creb wurde dadurch noch viel deutlicher. Keiner von beiden vermochte sich aus seinen Schuldgefhlen zu befreien und zum anderen hinzufinden. Oft, wenn Ayla den alten Zauberer in seiner Schwermut versunken sah, berkam sie das Verlangen, zu ihm zu gehen, ihm die Arme um den Hals zu legen und ihn zu umschlingen wie damals, als sie noch ein kleines Mdchen gewesen war. Doch sie tat es nicht. Sie wollte sich ihm nicht aufdrngen. Creb fehlte ihre warme Nhe, wenn er auch nicht wute, da das ihm das Herz noch schwerer machte. Und oft, wenn er den Schmerz in Aylas Gesicht sah, whrend eine andere Frau ihren Sohn nhrte, fhlte er sich getrieben, zu ihr zu gehen. Wre Iza am Leben gewesen, so htte sie einen Weg gefunden, die beiden wieder zueinander zu bringen. So aber wurden sie einander immer fremder; jeder sehnte sich nach der Wrme des anderen, und keiner wute, wie er die Kluft berwinden sollte. Bei ihrem ersten Morgenverzehr ohne Uba fhlten sie sich beide befangen. "Mchtest du mehr, Creb?" fragte Ayla. "Nein. Ich habe genug", gab er zurck. Sie rumte auf, whrend Durc mit beiden Hnden und einem Muschellffel nochmals in die Schssel tauchte. Obwohl er erst zwei Sommer erlebt hatte, war er nun der Milch fast ganz entwhnt. Ab und zu wanderte er noch zu Oga hinber - oder auch zu Ika, die jetzt wieder ein Kleines hatte - um sich nhren zu lassen, aber mehr der Wrme und Nhe wegen. Im allgemeinen wurden die lteren Kinder entwhnt, sobald ein neues Kind kam, doch bei Durc machte Ika eine Ausnahme. Er schien genau zu spren, wie weit er gehen durfte. Nie saugte er so viel, da fr ihr Kleines nichts mehr brig war, kuschelte sich nur ein Weilchen an sie, als wollte er zeigen, da dies sein Recht war. "Du nimmst den Jungen mit?" erkundigte sich Creb. "Ja." Sie wischte dem Kind die Hnde und das Gesicht ab. "Ich habe versprochen, ihn mit auf die Jagd zu nehmen. Ich werde wohl nicht viel jagen knnen mit ihm an der Hand, aber ich mu auch frische Krauter haben, und es ist ein warmer Tag." Creb brummte. "Du solltest auch an die Luft gehen, Creb", fgte Ayla mit aufmunternder Hand hinzu. "Die Luft wrde dir guttun." "Ja, ja. Ich will hinausgehen, Ayla. Spter." Flchtig dachte sie daran, ihn aus der Hhle zu locken, indem sie ihm eine Wanderung am Bach vorschlug, wie sie sie frher so oft gemeinsam unternommen hatten. Doch er hatte sich schon wieder in sich selbst zurckgezogen. Sie nahm Durc an die Hand und eilte hinaus. Creb blickte erst auf, als er sprte, da sie fort war. Er griff zu seinem Stab, fand es dann aber beschwerlich, sich zu erheben, und lie den Stab wieder sinken. Aylas Gedanken waren bei ihm, als sie sich mit Durc auf ihrer Hfte, den Sammelkorb auf dem Rcken, auf den Weg machte. Sie wute, da Crebs geistige Krfte nachlieen. Hufiger als frher war er mit seinen Gedanken gar nicht da, und oft kam es vor, da er Fragen wiederholte, die sie ihm schon beantwortet hatte. Selten verlie er die Hhle. Auch Helligkeit und Wrme konnten ihn nicht locken. Und wenn er sich versenkte, um innere Einkehr zu halten, schlief er hufig im Sitzen ein. Als die Hhle auer Sicht war, wurde Aylas Schritt freier. Sie lie Durc herunter, als sie zu einer Lichtung kamen, und begann, verschiedene Krauter zu pflcken. Der Kleine sah ihr eine Weile zu, packte dann eine Handvoll Gras und Luzerne und ri das Bschel mit den Wurzeln aus der Erde und brachte es ihr. "Du bist mir eine groe Hilfe, Durc", lobte sie, whrend sie ihm das Bschel abnahm und es in ihren Korb legte. "Durc holt mehr", gab der Junge zurck und lief schon wieder los. Sie hockte sich nieder und sah zu, wie ihr Sohn sich mhte, ein noch greres Bschel Gras aus der Erde zu rupfen. Pltzlich gaben die Wurzeln nach, und er fiel nach hinten. Sein Gesicht verzog sich, als wollte er schreien, doch Ayla lief zu ihm und hob ihn auf und warf ihn hoch in die Luft und fing ihn wieder. Durc jauchzte vor Wonne. Sie stellte ihn auf die Erde und tat so, als wollte sie ihn fangen. "Ich krieg' dich schon", warnte sie mit vergnglicher Hand. Durc trappelte auf seinen stmmigen Beinchen davon, so schnell er konnte. Sie lie ihm einen Vorsprung, dann kroch sie ihm auf allen vieren nach, packte ihn und zog ihn zu sich herunter. Lachend drckte sie Durc und kitzelte ihn, um wieder sein Lachen zu hren. Ayla lachte mit ihrem Sohn nur, wenn sie allein waren, und Durc fand schnell heraus, da auer seiner Mutter keiner viel Sinn fr sein Lachen hatte. Er strampelte, um sich aus ihrer Umarmung zu befreien. Nur wenn er an ihrer Seite einschlief, blieb er gern lnger in ihren Armen. Sie wischte sich eine Trne aus dem Auge. Weinen wie sie konnte Durc nicht. Er hatte die groen, braunen, tief unter den Brauenwlsten liegenden Augen der Clan-Leute. "Ma-Ma", sagte Durc. Er nannte sie oft so, wenn sie allein waren. "Jagst du jetzt?" fragte er mit ungeduldiger Hand. Verschiedentlich schon, wenn sie Durc mitgenommen hatte, hatte sie versucht, ihm zu zeigen, wie er eine Schleuder halten mute. Sie hatte ihm eine machen wollen, aber Zoug war ihr zuvorgekommen. Der alte Mann ging nicht mehr auf die Jagd mit der Schleuder, aber er fand Gefallen daran, den Jungen im Schleudern zu unterweisen. Obwohl Durc noch klein war, sah Ayla schon jetzt, da er ihr Geschick im Umgang mit der Waffe besa, und er war auf seine kleine Schleuder so stolz wie auf seinen kurzen Speer. Er sonnte sich gern in der freundlichen Aufmerksamkeit der anderen, wenn er mit der Schleuder am Grtel und dem Speer in der Hand durch die Gegend trabte. Als Durc entdeckte, da gebietendes Gehabe kleinen Mdchen gegenber beifllig gesehen und sogar den Frauen gegenber mit Nachsicht geduldet wurde, zgerte er nicht, dies bei jeder Gelegenheit zu zeigen -auer Ayla gegenber. Durc sprte, da seine Mutter anders war. Nur sie lachte mit ihm; nur sie spielte das Lautspiel mit ihm, nur sie hatte das feine, weiche Haar, das wie die Sonne so hell war. Sie war hher gewachsen als jeder Mann, und sie ging als einzige unter den Frauen auf die Jagd. Sie war etwas Besonderes. Sie war eine Frau und doch keine Frau, ein Mann und doch kein Mann. Ayla drckte Durc die kleine Schleuder in die Hnde, hielt die ihren darber und versuchte, ihm zu zeigen, wie es ging. Auch Zoug hatte das schon mit ihm gebt, und langsam bekam der Junge ein Gefhl dafr. Dann zog Ayla ihre eigene Schleuder aus dem Grtel, suchte ein paar Kieselsteine und scho sie ab. Als sie kleine Steine auf grere Felsbrocken legte und sie mit der Schleuder herunterscho, fand Durc das hchst belustigend. Er schleppte ihr eine Handvoll neuer Steine heran, um sie das noch einmal tun zu sehen. Nach einer Weile aber verlor er die Lust dazu, und sie begannen wieder, nach Krautern zu suchen, whrend Durc hinter ihr her kam. Da entdeckten sie rotse Erdbeeren und setzten sich ins Gras und pflckten sie. "Du siehst selbst wie eine Erdbeere aus, mein Sohn", bedeutete Ayla dem Kind lachend. Sie nahm ihn hoch und trug ihn zum Bach und wusch ihm den roten Saft vom Gesicht. Dann suchte sie ein groes Blatt, rollte es zusammen wie den Trichter einer Blte und fllte das Gef mit Wasser, das sie Durc zu trinken gab. Durc ghnte und rieb sich die Augen. Sie breitete das Tragfell im Schatten einer groen Eiche aus und legte sich neben ihn, bis er einschlief. In der warmen Stille des Nachmittags sa Ayla an den alten Baum gelehnt und verfolgte mit den Augen die Schmetterlinge, wie sie sich mit gefalteten Flgeln auf den Blumen niederlieen, lauschte dem Summen der Fliegen und dem Gezwitscher der Vgel. Mit ihren Gedanken war sie beim heutigen Morgen. Ich wnsche ihr, da es Uba wohl ergeht mit Vorn, dachte sie. Ich wnsche, da er gut zu ihr ist. Am Feuer ist es so leer ohne sie, auch wenn sie nicht fern ist. Ich wnsche ihr, da sie bald ein Kind kriegt. Das wrde ihr groe Freude bringen. Aber ich? Es ist keiner von jenem Clan gekommen, um mich zu holen. Mag sein, da sie unsere Hhle nicht finden knnen. Aber ich glaube, so gern wollten sie mich gar nicht haben. Eigentlich bin ich froh darber. Ich mchte nicht einen Mann zum Gefhrten haben, den ich nie gesehen habe. Und ich mchte auch keinen der Mnner, die mir vertraut sind. Sie wollen mich ja auch nicht haben. Ich bin zu hoch gewachsen. Selbst Droog reicht mir kaum ber die Schulter. Broud macht das wtend. Er kann es nicht verknusen, eine Frau zu sehen, die hher gewach-con icr a1c pr Ahpr seit wir von dem Miething des Gro-Clans zurckgekehrt sind, hat er mich in Ruhe gelassen. Wie kommt es aber, da ich stets zusammenzucke, wenn er mich ansieht? Ayla^dachte auch an die anderen Clan-Leute. Brun sprt die Brde des Alters. Ebra hat in letzter Zeit oft Mittel fr seinen Muskelschmerz geholt. Bald wird er Broud zum Clan-Fhrer machen. Ich spre es. Und Goov wird der Mog-ur. Ich glaube, Creb will gar nicht mehr der Mog-ur sein, seit der Nacht, als ich in der Grotte war. Wie kam es, da ich dort hinging? Ich wei nicht einmal mehr, wie ich dahin gekommen bin. Es wre mir wohler, ich wre nie mitgezogen zu Norgs Hhle. Wre ich hiergeblieben, dann htte ich Iza vielleicht noch ein wenig lnger am Leben halten knnen. Sie fehlt mir sehr. Und ich habe nie einen Gefhrten gerunden, aber Durc eine Gefhrtin, und er ist noch ein Kind. Seltsam, da sie dieser Ura das Leben gegeben haben. Man knnte meinen, als wre es ihr bestimmt gewesen, Durcs Gefhrtin zu werden. Mnner der Fremdlinge, hat Oda berichtet. Wer sind die Fremdlinge? Iza hat mir gesagt, da ich ihnen geboren wurde. Wie kommt es, da ich nichts davon wei? Was ist meiner eigenen Mutter zugestoen? Was ihrem Gefhrten? Hatte ich Geschwister? Ayla versprte ein Flattern in ihrer Magengrube, und pltzlich strubten sich ihr die Haare, als ihr einfiel, was Iza ihr in jener Nacht geraten hatte, als sie gestorben war. Sie hatte es weggeschoben gehabt, es war zu schmerzlich, an Izas Tod zu denken. Iza riet mir fortzugehen. Sie riet mir, meine eigenen Leute, meinen eigenen Gefhrten zu suchen. Broud wrde einen Weg finden, mir Bses anzutun, wenn ich bliebe. Im Landesinneren leben sie, die Fremdlinge, dort, wo der Schnee lange die Erde bedeckt und die warmen Tage von kurzer Dauer sind. Wie aber kann ich von hier fortgehen? Dies ist meine Bleibe. Ich kann Creb nicht verlassen, und Durc braucht mich. Und wenn ich die Fremdlinge nicht finde? Oder wenn ich sie fnde und sie wollten mich nicht haben? Keiner will eine hliche Frau. Wie soll ich wissen, da ich einen Gefhrten finde, selbst wenn ich die Fremdlinge aufspren sollte? Creb ist alt und mde. Was wird aus mir werden, wenn auch er nicht mehr da ist? Ich kann nicht allein mit Durc leben. Einer der Mnner mu mich dann zu sich nehmen. Aber wer? Broud! Er wird dann Clan-Fhrer sein. Wenn kein anderer mich aufnehmen will, mu er es tun. Und wenn ich mit Broud leben mu? Er will mich auch nicht haben, aber er wei, da es mir verhat wre, mit ihm zu leben. Und nur deshalb wrde er mich an seinem Feuer aufnehmen. Ich knnte es nicht ertragen, in Brouds Wohnkreis zu leben; lieber mit einem fremden Mann von einem anderen Clan, aber da will mich ja auch niemand haben. Soll ich fortgehen? Durc knnte ich mitnehmen. Aber wenn ich dann die Fremdlinge nicht finde? Und wenn mir etwas zustt? Wer wrde Durc dann beschtzen? Er wre ganz allein, so allein wie ich es war vor Zeiten. Nein, ich kann Durc nicht von hier fortbringen. Er ist ein Kind des Clans, auch wenn etwas von mir in ihm wohnt. Aber ohne Durc knnte ich niemals fortgehen. Lieber will ich mit Broud leben. Ich mu bleiben. Es gibt keinen anderen Ausweg. Ich bleibe und lebe an Brouds Feuer, wenn ich mu. Ayla blickte auf ihren schlafenden Sohn und kmpfte darum, ihr Schicksal anzunehmen. Eine Fliege landete auf Durcs Nase. Sein Gesicht zuckte. Im Schlaf rieb er sich die Nase, dann wurde er wieder ruhig. Ich wei ja gar nicht, wohin ich gehen soll. Im Landesinneren? Welche Richtung soll ich nehmen? Hier, von der Hhle aus, ist berall das Innere des Landes. Es knnte sein, da ich bis ans Ende meiner Tage umherirren und niemanden finden wrde. Und die Fremdlinge knnten so schlecht sein wie Broud. Oda hat erzhlt, da jene Mnner sie mit Gewalt genommen haben. Ayla blickte zum Himmel. Die Sonne steht tief. Ich mu zurck. Sie beugte sich zu ihrem Sohn und weckte Durc. Whrend sie langsam zur Hhle zurckging, versuchte sie, die Gedanken an die Fremdlinge aus ihrem Hirn zu verbannen. Doch wie dnne Nebelfden, die sich nicht auflsen wollten, blieben sie dort hngen und lieen sich nicht verdrngen. "Hast du viel zu tun, Ayla?" fragte Uba mit scheuer Gebrde. Auf ihrem Gesicht lag ein Leuchten, und Ayla glaubte zu wissen warum. "Nein, komm nur", forderte sie Uba aut. "Wo ist Durc?" wollte Uba wissen, whrend Ayla das Feuer schrte und ein paar Kochsteine hineinlegte, um Wasser hei zu machen. "Drauen. Mit Grev. Oga schaut nach ihnen. Die beiden sind immer zusammen", gab sie zur Antwort. "Ja, sie sind wie Brder, beinahe wie zwei, die zusammen geboren sind." "Aber zwei, die zusammen geboren sind", schrnkte Ayla ein, "sehen oftmals gleich aus. Diese beiden nicht. Und zwei zu nhren ist schon schwer. Ich bin froh, da Oga Durc mitnhren konnte." "Ich hoffe, da auch meine Brste Quellen werden", gab Uba mit lebhafter Hand zurck. "Ich glaube, ich werde ein Kind kriegen, Ayla." "Das ahnte ich, Uba. Seit du mit Vorn zusammengegeben wurdest, hat dein Totem nicht mehr gekmpft, ja?" "Nein. Ich glaube, Vorns Totem hat lange schon gewartet. Es mu sehr stark gewesen sein." "Hast du es ihn schon wissen lassen?" "Ich wollte warten, bis ich ganz sicher bin, aber er hat es herausgefunden. Er ist voller Freude", gab Uba mit stolzer Gebrde zu verstehen. "Ist er dir ein guter Gefhrte, Uba?" "Oh, ja, Ayla, das ist er. Als er sah, da ich ein Kind bekomme, hat er mir anvertraut, da er lange auf mich gewartet hat. Er hat schon um mich gefragt, bevor ich zur Frau geworden bin." "Wie schn, Uba", machte Ayla und fgte aber nicht hinzu, da er ja auer der jungen Medizinfrau gar keine andere Frau htte nehmen knnen. Und warum htte er mich nehmen sollen? dachte Ayla. Welcher Mann will schon eine groe, hliche Frau nehmen, wenn er Uba haben kann, die wohlgestaltet ist und von Izas Stamm? Was ist mit mir? Ich hatte nie Lust, Vorns Gefhrtin zu werden. Ich habe wohl noch immer Angst davor, was aus mir werden wird, wenn Creb nicht mehr hier ist. Ich mu ihn gut pflegen, damit er noch lange bei uns bleibt. Aber oft sieht es so aus, als wollte er es gar nicht mehr. Kaum, da er noch die Hhle verlt. Wenn er sich nicht bewegt, wird er sie bald nicht mehr verlassen knnen. "Was denkst du gerade, Ayla? Du bist oft so in dich gekehrt." "Ich war bei Creb. Ich sorge mich um ihn." "Er ist sehr betagt. Er hat mehr Sommer gesehen als Mutter, und sie ist vor ihm fortgegangen. Mein Herz schreit immer noch nach ihr, Ayla. Ich frchte den Tag, an dem Creb in die nchste Welt hinbergeht." "Ich auch, Uba", bedeutete Ayla bedrckt. Ayla war rastlos. Sie ging hufig zur Jagd, und wenn sie in der Hhle blieb, so schaffte und arbeitete sie unermdlich. Unttigkeit konnte sie nicht aushalten. Sie sah den Vorrat an heilenden Kraeutern durch und ordnete ihn neu. Sie durchstreifte die Wlder und Wiesen nach frischen Pflanzen, um den Bestand zu ergnzen. Sie flocht neue Krbe und Matten, fertigte hlzerne Schalen und Platten, Gefe aus Rohhaut oder Birkenrinde, machte neue berwrfe, enthaarte Hute und Felle, die die Jger mitbrachten, und verarbeitete sie zu Ntzlichem fr den Winter. Sie putzte Blasen und Mgen, um sie als Behltnisse zu verwenden. Sie fertigte aus Holzpfhlen und starken Schnren ein neues Kochgestell, an dem Gefe ber das Feuer gehngt werden konnten. In flache Steine, die als Lampen dienen sollten, schlug sie Gruben, so da mehr Fett hineingegeben werden konnte, und sie sammelte Moos und machte neue Dochte. Sie schlug neue Messer, Schaber, Sgen und xte und suchte am Wasser nach brauchbaren Muscheln. Sie zog mit den Jgern aus, um das Fleisch zu drren, sie sammelte Frchte, Samen, Nsse und Grnzeug mit den Frauen, sie worfelte Getreidekrner und zermalmte sie besonders fein, so da Creb und Durc sie leichter kauen konnten. Und noch immer war ihr die Arbeit nicht genug. Sie fing an, Creb zu verwhnen wie nie zuvor, htschelte ihn wie ein Kind. Sie bereitete ihm besondere Speisen, um seinen Gaumen anzureizen, sie braute ihm strkende Getrnke und bestand darauf, da er mit ihr fters in die Sonnenluft ging. Aylas Frsorge schien ihm gutzutun; manches von seiner frheren Kraft und Zuversicht gewann er zurck. Und dennoch fehlte etwas. Die unbefangene Nhe ihrer frheren gemeinsamen Wanderungen war fr immer dahin. Meist schritten sie stumm und ohne irgend etwas zu deuten Seite an Seite am Bach entlang. Nicht nur Creb wurde alt. An dem Tag, als Brun vom Grat aus den Jgern nachblickte, bis sie nur noch winzige Punkte in der weiten Steppe waren, fiel es Ayla pltzlich auf: Wie sehr hatte sich auch der Clan-Fhrer verndert! Sein Bart war nicht mehr grau gesprenkelt, er war wei wie sein Haar, und tiefe Falten durchzogen sein Gesicht. Sein harter, straffer Krper war schwammig und aufgequollen, die Haut war schlaff geworden. Langsam schlurfte Brun zur Hhle zurck und bewegte sich dann den ganzen Tag nicht von seiner Feuersttte weg. Noch einmal zog er bei der nchsten Jagd mit seinen Mnnern aus. Als er danach wieder zurckblieb, verharrte Grod an seiner Seite, noch immer der treue Gefhrte. Eines Tages, als die Luft schon khler wurde, kam Durc in die Hhle gerannt. "Ma-Ma! Ma-Ma! Ein Mann. Es kommt ein Mann." Ayla eilte zusammen mit den anderen zum Hhleneingang, nach ihm Ausschau zu halten, der da den Pfad von der Kste heraufkam. "Ayla, glaubst du, er kommt deinetwegen?" fragte Uba mit aufgeregten Gebrden. "Ich wei es nicht, Uba." Ayla zitterte. Sie hoffte, der Mann kme vom Clan, mit dem Zoug verwandt war und hatte doch wieder Angst davor. Als der Mann die Hhle erreichte, zog er sich mit Brun an dessen Feuersttte zurck. Nicht lange danach sah Ayla die Gefhrtin des Clan-Fhrers auf sich zukommen. "Brun wnscht dich zu sehen, Ayla", bedeutete ihr Ebra. Ayla schlug das Herz bis zum Hals und die Knie zitterten ihr so heftig, da sie frchtete, den kurzen Weg bis zu Bruns Wohnkreis nicht schaffen zu knnen. Erleichtert kauerte sie zu Bruns Fen nieder. Er berhrte ihre Schulter. "Das ist Vond, Ayla", stellte er den Mann vor. "Er ist von weither gekommen, von Norgs Hhle, um dich zu sehen. Seine Mutter ist krank. Die Medizinfrau des Clans kann ihr nicht helfen. Er hat die Hoffnung, da du einen Zauber weit, der hilft." Ayla hatte sich auf dem Miething des Gro-Clans einen Ruf als Medizinfrau von hohem Knnen und Wissen gescharfen. Der Mann war also um ihrer Kunst willen gekommen, nicht um ihrer selbst willen. Aylas Erleichterung bertraf ihre Enttuschung. Vond blieb nur zwei Tage, doch er brachte Neues von seinem Clan. Der junge Jger, der beim Fest des Bren verletzt worden war, hatte bei Norgs Clan berwintert. Und bald nach der Schneeschmelze war er zu seinem eigenen Clan aufgebrochen. Die Wunde an seinem Bein war gut verheilt; nur ein leichtes Hinken war zurckgeblieben. Seine Gefhrtin hatte ihm einen heilen Sohn geboren, der den Namen Creb bekommen hatte. Ayla stellte dem Mann vielerlei Fragen ber die Krankheit seiner Mutter und packte dann einen Beutel mit verschiedenen Zaubermitteln zusammen. Sie trug Vond auf, es der Medizinfrau seines Clans zu bergeben und dieser genau ihre Anweisungen zu bermitteln. Sie wute nicht, ob sie mehr Wirkung zeigen wrden, aber da er nun einmal von so weit hergekommen war, wrde sie ihr Bestes versuchen. Nachdem Vond wieder fortgezogen war, konnte Brun nicht umhin, sich Aylas wegen Gedanken zu machen. Bisher hatte er jeden Entscheid aufgeschoben, weil er noch immer gehofft hatte, ein anderer Clan knnte sich bereit zeigen, sie aufzunehmen. Doch wenn Norgs Lufer ihre Hhle finden konnte, dann htten das auch andere fertig gebracht, wenn sie es gewollt htten. Nach so langer Zeit war nichts mehr zu erwarten. Er mute also zusehen, da Ayla in ihrem eigenen Clan einen Gefhrten fand, der sie beschtzte, wenn Creb nicht mehr war. Aber bald wrde Broud die Fhrung des Clans bernehmen. Und als Clan-Fhrer wre es dann an ihm, Ayla aufzunehmen. Doch solange der Mog-ur noch lebte, brauchte nichts berstrzt zu werden. Brun beschlo, Broud selbst den Entscheid in dieser Frage zu berlassen. Es sieht so aus, als htte er seine hitzkpfige Abneigung gegen sie endlich bezwungen, dachte Brun. Er lt sie seit langem in Ruhe. Es sieht so aus, als wre er endlich fhig, die Fhrung zu bernehmen. Dennoch blieb ein Schatten von Zweifel in seinem Herzen. Die warmen Tage gingen zu Ende, und der Clan schickte sich allmhlich in die ruhigere, aber kltere Jahreszeit. Ubas Trchtigkeit war bisher ganz ohne Beschwerden verlaufen. Doch pltzlich sprte sie kein Leben mehr in ihrem Leib. Und als sie sah, da sie blutete, lief sie zu Ayla. "Wie lange sprst du schon, da sich nichts mehr in dir regt, Uba?" fragte Ayla besorgt. "Seit vielen Tagen schon, Ayla. Was soll ich tun? Vorn war so voller Freude. Ich will mein Kind doch nicht verlieren. Was kann geschehen sein? Der Geburtstag ist so nahe. Bald kommt die Schneeschmelze." "Ich wei es nicht, Uba. Bist du gefallen? Hast du etwas Schweres getragen?" "Ich glaube nicht." "Geh wieder an dein Feuer, Uba, und leg dich hin. Ich bringe dir einen Trank. Ich wnschte, es wre noch nicht so kalt. Dann wrde ich die wundersame Wurzel suchen, die Iza mir brachte, als ich auf Durc warten mute. Aber der Schnee liegt zu hoch. Da komme ich nicht mehr weit. Ich will sehen, ob ich auf ein Mittel komme. Denk auch du noch nach, Uba. Du weit beinahe alles, was Iza wute." "Ich habe bereits nachgedacht, Ayla, aber ich wei nichts, was ein Kind wieder weckt, wenn es aufgehrt hat, sich zu rhren." In den folgenden Tagen lag Uba niedergedrckt auf ihrem T aoror nnri wartete, die Hnde auf ihren Leib gepret, verzwei felt darauf, da sich das Kind wieder rhren wurde. Doch im Innersten ihres Herzens wute sie, da alles umsonst sei. Ovra wachte stndig bei Uba. Sie hatte diese Qualen selbst schon oft erlebt, so da sie besser als jede andere Ubas Schmerz und Kummer fhlen konnte. Goovs Gefhrtin hatte niemals ein Kind ganz austragen knnen und war mit den Jahren der Kinderlosigkeit immer stiller und verschlossener geworden. Mancher Mann htte eine solche Gefhrtin verstoen oder sich eine zweite Frau genommen. Doch Goov war seiner Gefhrtin in tiefer Neigung verbunden. Er wollte ihren Gram nicht noch vertiefen und sich eine zweite Gefhrtin nehmen, die ihm Kinder gebren konnte. Seit einiger Zeit gab Ayla Ovra den geheimen Trank, der ihr Totem so strkte, da es nicht mehr bezwungen werden konnte. Es war allzu kummervoll fr eine Frau, immer wieder trchtig zu werden und dann ihr ungeborenes Kind verlieren zu mssen. Ayla enthllte Ovra nicht, was es mit dem Mittel auf sich hatte, doch diese ahnte es, als sie sah, da sie pltzlich nicht mehr trchtig wurde. Doch war es besser so. An einem kalten, trben Morgen in jener Zeit, als die Tage schon wieder lnger wurden, schaute sich Ayla Izas Tochter an und traf einen Entscheid. "Uba", rief sie leise. Die junge Frau schlug die von dunklen Ringen umschatteten Augen auf. "Du mut jetzt das Mutterkorn nehmen, damit dein Leib sich zusammenzieht und das Kind ausstt. Es gibt kein Mittel, das dein Kind retten kann, Uba. Und wenn es nicht abgetrieben wird, mut auch du sterben. Du bist jung. Du kannst wieder ein Kind kriegen." Uba blickte auf Ayla, dann auf Ovra und wieder zurck zu Ayla. "Ja, ich habe es geahnt", gab sie mit mutloser Gebrde zurck. "Mein Kind ist tot." Als endlich alles vorbei war, wickelte Ayla die Totgeburt hastig in die Felldecke, auf der Uba gelegen hatte. "Es war ein Junge", bedeutete sie Uba. "Kann ich ihn sehen?" bat die erschpfte junge Frau. "Es ist besser, du siehst ihn nicht, Uba. Das macht den Schmerz nur schlimmer. Ruh dich aus. Ich bringe ihn fort. Du bist zu schwach zum Aufstehen." Auch Brun erklrte Ayla, da Uba zu schwach war und da sie selbst das tote Kind fortbringen wrde. Sie enthllte ihm nicht, da Uba nicht einen, sondern zwei Shne geboren hatte, deren Krper miteinander verwachsen waren. Nur Ovra hatte das jammervolle Miratene gesehen, das kaum als Erdling zu erkennen war. ~Kapitel 27 "Willst du heute nacht bei Uba schlafen, Durc?" "Nein!" gab der Junge mit heftiger Gebrde zurck. "Durc schlft bei Ma-Ma." "Das ist gut so, Ayla. Ich habe es geahnt. Er war ja den ganzen Tag bei mir", bedeutete Uba. "Woher hat er diesen Namen, mit dem er dich nennt?" "Es ist ein Name, den er nur fr mich hat", gab Ayla zurck und wandte den Kopf ab. Vom ersten Tag ihres Zusammenlebens mit dem Clan hatte sich ihr das Mifallen der Leute an Lauten und Tnen, die sie als berflssig empfanden, so fest eingeprgt, da sie fast immer das Gefhl hatte, etwas Verbotenes zu tun, wenn sie mit ihrem Sohn das Lautspiel spielte. Uba drngte sie nicht, obwohl sie sprte, da Ayla etwas verbarg. Ayla schaute Izas Tochter an. "Manchmal, wenn ich mit Durc allein ausziehe, machen wir zusammen Tne mit dem Mund", bekannte Ayla. "Er hat diese Laute fr mich ausgesucht. Er kann viele Laute von sich geben." "Daran ist doch nichts Schlechtes", bedeutete Uba. "Unsere Sprache kann er ja deuten. Ach, wenn diese Wurzeln doch nicht so bel verfault wren", fgte sie verdrielich hinzu. "Das wird ein karger Festverzehr. Nur Drrfleisch und Rauchfisch und halb verfaultes Grnzeug. Wenn Brun ein wenig lnger warten wrde, gbe es wenigstens noch ein paar frische Triebe und Krauter." "Brun allein hat das nicht so bestimmt", klrte Ayla sie auf. "Creb hat ihn wissen lassen, da die beste Zeit dann ist, wenn nach dem Tag, an dem Tag und Nacht gleich lang sind, wieder ein volles Mondgesicht am Himmel steht." "Wie wei er denn, wann Tag und Nacht gleich sind?" fragte Uba verwundert. "Diese verregneten, trben Tage sehen mir alle gleich kurz aus." "Ich glaube, er schaut genau, wann die Sonne aufgeht und wann sie untergeht. Sogar wenn es regnet, ist das oft gut zu sehen, und wir haben genug klare Nchte gehabt, wo das Mondgesicht sich zeigte. Creb wei solche Dinge." "Ich wnschte, Creb wrde Goov nicht zum Mog-ur machen", bedeutete Uba seufzend. "Mir geht es ebenso", gab Ayla mit bekmmerter Geste zu-rck.*"Auch so sitzt er oft viel zu lange unttig herum. Was will er tun, wenn er keine Feiern mehr abhalten kann? Dieser Festverzehr wird mir gewi nicht schmecken." "Ja, es wird mich schon hart ankommen, wenn Brun nicht mehr der Clan-Fhrer ist und Creb nicht mehr der Mog-ur. Aber Vorn sagt, es ist Zeit, da die jngeren Mnner die Fhrung bernehmen. Er findet, Broud hat lange genug gewartet." "Sicher ist es so, wie er sagt", stimmte Ayla zu. "Vom hat Broud immer mit Bewunderung angesehen." "Er ist gut zu mir, Ayla. Er zrnte mir nicht, als ich das Kind verlor. Und er scheint auch dich zu mgen. Er trug mir auf, dich zu bitten, Durc bei uns schlafen zu lassen. Ich glaube, er sprt, wie gern ich ihn bei mir habe", berichtete Uba mit eifrigen Hnden. "Selbst Broud hat sich dir gegenber nicht mehr so zornig und finster gezeigt wie in frheren Jahren." "Ja, er hat mich in Ruhe gelassen", nickte Ayla. Von der Bangnis, die sich jedesmal in ihr Herz schlich, wenn Broud sie anblickte, sprach sie nicht. Lange blieb Creb in jener Nacht mit Goov zusammen in der Wohnsttte der Geister. Ayla, die schon am Morgen mit einem Gefhl der Beklommenheit erwacht war, sprte, wie die Angst ihr das Herz immer fester zusammenprete. Ihr war, als rckten die Wnde der Hhle immer enger zusammen, und ihr Mund war wie ausgedrrt. Vom Nachtverzehr wrgte sie nur ein paar Bissen hinunter, dann sprang sie pltzlich auf und strzte zum Eingang der Hhle. Sie blickte hinauf zum tiefhngenden, dsteren Wolkenhimmel, aus dem prasselnd der Regen fiel, der kleine Kuhlen in die schlammige Erde hhlte. Durc kroch zu ihrem Lager und schlief schon, als sie ans Feuer zurckkehrte. Ayla nahm ihn in die Arme und sprte den Schlag seines kleinen mutigen Herzens, doch zu ihr wollte der Schlaf nicht kommen. Mit wachen Augen lag sie da und starrte auf die schattenhaften Gebilde der grauen Felswand. Sie war noch nicht eingeschlafen, als Creb kam, doch sie rhrte sich nicht, lauschte reglos dem mden Schlurfen seiner Fe und glitt in einen Traum. Schreiend fuhr sie hoch. "Ayla! Ayla!" rief Creb, und schttelte sie, um sie aus ihrem Traum zu reien. "Was ist, Kind?" ngstliche Besorgnis lag in seiner Gebrde. "Ach, Creb", stie Ayla schluchzend hervor und schlang die Arme um seinen Hals. "Ich hatte diesen Traum, diesen Traum, der mir schon lange nicht mehr erschienen ist." Creb legte seinen Arm um sie und sprte das Zittern in ihrem Krper. "Was ist, Ma-Ma?" Mit furchtsam aufgerissenen Augen setzte Durc sich auf. Nie zuvor hatte er seine Mutter schreien gehrt. Ayla nahm ihn in den Arm. "Was war es fr ein Traum?" fragte Creb. "Der von dem Hhlenlwen?" "Nein, der andere! Der Traum, den ich immer nur ganz undeutlich vor mir habe, wenn ich erwache. Der Traum vor dem Hhlenlwen." Sie begann, wieder zu zittern. "Creb, warum kommt der Traum gerade jetzt? Ich glaubte, ich wrde nie wieder bse Trume haben." Creb nahm sie wieder in den Arm und trstete sie. Ayla schmiegte sich an ihn. Beiden wurde pltzlich bewut, wie lange es her war, seit sie solche Nhe gesprt hatten, und Durc zwischen sich hielten sie einander fest. "Ach, Creb, wie oft wollte ich meine Arme um dich legen. Ich glaubte, du wolltest mich nicht in deiner Nhe haben; ich frchtete, du wrdest mich wegstoen wie frher, wenn ich aufsssig war. Immer wollte ich es dich wissen lassen, Creb, wie nahe du meinem Herzen bist." "Ayla, selbst in jenen Tagen mute ich mich zwingen, dich wegzustoen. Ich mute etwas tun, sonst htte Brun eingegriffen. Niemals konnte ich dir zrnen, weil mein Herz immer bei dir war. Ich glaubte, du wrst voll Kummer darber, da deine Brste sich Durc verweigerten. Ich glaubte, du httest dich von mir abgewendet, weil es meine Schuld war." "Es war nicht deine Schuld, Creb. Es war meine eigene." "Aber ich htte wissen mssen, da ein Kind bei seiner Mutter saugen mu, wenn ihre Milch nicht versiegen soll. Doch alles sah mir danach aus, als wolltest du mit deinem Schmerz alleine bleiben." "Wie httest du es denn wissen sollen? Keiner der Mnner wei es. Und es hat ihm nichts geschadet. Er ist gro und krftig." "Aber es hat dir weh getan, Ayla." "Ma-Ma!" klagte Durc. "Wie kommt es, da er dich bei diesem Namen nennt, Ayla?" fragte Creb. Sie,errtete. "Durc und ich machen manchmal im Spiel Tne und Laute. Er hat sie einfach fr mich ausgesucht." Creb verstand und wandte sich dann voll zu Ayla. "Die anderen Frauen nennt er Mutter. Er brauchte wohl einen besonderen Namen fr dich. Du hast auch viele Laute gemacht, frher, als du zu uns kamst, Ayla. Ich glaube, deine Leute sprechen in Lauten." "Meine Leute sind die Clan-Leute, Creb. Ich bin eine Frau des Clans." "Nein, Ayla", gab Creb betont zurck. "Du gehrst nicht zum Clan. Du bist eine Frau der Fremdlinge." "Das sagte mir auch Iza in der Nacht, als sie von uns ging." Crebs Gesicht zeigte berraschung. "Iza war eine scharrblickende Frau, Ayla. Ich sah das erst in der Nacht, als du uns in die Hhle folgtest." "Ich wollte gar nicht in die Hhle, Creb. Ich wei nicht, wie ich dorthin gekommen bin. Ich wei nicht, was dich so tief verletzt hat, aber ich glaubte, du httest dich von mir abgewandt, weil ich in die Hhle gekommen bin." "Nein, Ayla, ich habe mich nicht von dir abgewandt. Niemals." Creb blickte Ayla nach, als sie zum Feuer ging und fr Durc, der Hunger hatte, etwas holte. Warum sie uns wohl geschickt wurde, dachte er. Sie wurde den Fremdlingen geboren, und der Hhlenlwe hat sie immer beschtzt. Warum hat er sie hierher gefhrt? Warum nicht zurck zu den Fremdlingen? Und warum lie er es zu, da er bezwungen wurde, so da sie ein Kind bekam, wenn er dann zulie, da sich ihre Brust verweigerte? Alle glauben, es wre ein Zeichen dafr, da Unheil ber dem Jungen liegt, aber er ist gesund und krftig, und alle bringen ihm Zuneigung entgegen. Mag sein, da Dorv es richtig sah. Mag sein, da die Totems aller Mnner sich mit ihrem Hhlenlwen vermischten. Es ist ja so, wie sie von Anfang an gesagt hat, er ist nicht migestaltet. Er ist eine Mischung. Er kann sogar Laute hervorbringen wie sie, die Fremdlinge. Er ist ein Teil von Ayla und ein Teil vom Clan. Creb wurde es pltzlich eiskalt, und die Haare strubten sich ihm. Ein Teil von Ayla und ein Teil vom Clan! Wurde sie uns darum geschickt? Um ihres Sohnes willen? Der Clan ist dem Untergang geweiht. Er wird vergehen. Nur die Leute ihrer Art werden weiterleben. Ich wei es. Ich spre es. Aber was ist mit Durc? Er hat etwas von den Fremdlingen. Er wird fortleben, aber er hat auch etwas vom Clan. Und Ura sieht aus wie Durc, und sie wurde nicht lange nach dem Zusammensto mit den Fremdlingen geboren. Sind ihre Toteins so mchtig, da sie das Totem einer Frau in so kurzer Zeit bezwingen knnen? Es knnte wohl sein. Wenn ihre Frauen das Totem des Hhlenlwen haben, dann mssen sie auch so mchtig sein. Ist auch Ura eine Mischung? Und wenn es Durc und Ura gibt, dann mu es auch andere geben. Kinder aus der Vermischung der Geister. Kinder, die das Feuer des Clans weitergeben werden. Nicht viele vielleicht, aber genug. Mag sein, da unterzugehen dem Clan schon bestimmt war, ehe Ayla die heilige Feier sah. Mag sein, da sie nur dorthin gefhrt wurde, um es mir zu zeigen. Wir werden nicht mehr sein, aber solange es Kinder wie Durc und Ura gibt, werden wir nicht sterben. Ist wohl Durc das Vermgen mitgegeben, sich zu erinnern? Wre er nur lter, alt genug fr eine Feier. Aber sei's drum. Durc hat mehr als die Erinnerung, er hat den Clan. Ayla, mein Kind, Kind meines Herzens, das Glck ist mit dir, und du hast es uns gebracht. Jetzt wei ich, warum du gekommen bist -nicht um uns den Tod zu bringen, sondern um uns ein berleben zu ermglichen. In anderer Gestalt werden wir weiterleben. Ayla brachte ihrem Sohn ein Stck kaltes Fleisch. Creb schien tief versunken, doch er blickte sie an, ah sie sich setzte. "Creb", begann sie versonnen, "manchmal glaube ich, da Durc nicht allein mein Sohn ist. Seit er von Feuer zu Feuer wanderte, it er in jedem Wohnkreis. Jeder fttert ihn. Er ist wie ein junger Hhlenbr, als wre er der Sohn des ganzen Clans." Ayla sprte die Welle tiefer Traurigkeit, die Creb erfat hatte. Er blickte sie an. "Durc ist der Sohn des ganzen Clans, Ayla. Er ist der einzige Sohn des Clans." Das erste Licht des neuen Tags schimmerte durch den Eingang der Hhle. Ayla lag wach und blickte auf ihren Sohn, der neben ihr schlief, whrend es drauen langsam heller wurde. Sie konnte Creb auf seinem Lager sehen, und sein regelmiges Atmen verriet ihr, da er noch schlief. Seit sie sich mit Creb ausgesprochen hatte, war ihr, als wre eine schwere Last von ihrem Herzen genommen worden. Doch die Beklommenheit, das ngstliche Flattern in der Magengrube, das sie den ganzen ver-(Tflnwnen Tae eeault hatte, war in der Nacht noch schlimmer geworden. Sie hatte das Gefhl, als mte sie ersticken, wenn sie noch einen Herzschlag lnger in der Hhle blieb. Leise stand sie auf, zog sich etwas ber und huschte lautlos zum Eingang. Sobald sie im Freien stand, holte sie tief Luft. Ihre Erleichterung war so gro, da nicht einmal der eisige Regen, der ihr den Umhang durchnte, ihr etwas ausmachte. Mhsam qulte sie sich durch den Schlamm vor der Hhle zum Bach. Mit ihren Fuhllen hatte sie wenig Halt in dem rotbraunen Morast. Halb rutschte, halb fiel sie zu dem Gewsser hinunter. Das Haar klebte ihr in Strhnen am Kopf. Lange Zeit stand sie am Ufer des Baches, der sich gurgelnd aus der eisigen Umklammerung des Winters zu befreien suchte, und starrte in die dunklen Wirbel, die so lange an Eisschollen rissen, bis sie sich lsten und von der Strmung fortgesplt wurden. Die Zhne klapperten ihr, als sie sich den glitschigen Hang wieder emporschaffte. Und wie sie hochsah, bemerkte sie, da der graue Himmel sich jenseits des Grats ein wenig aufhellte. Und als sie den Hhleneingang erreichte, war ihr, als mte sie eine unsichtbare Sperre berwinden, einzutreten, und kaum war sie drinnen, da drckte ihr schon wieder diese merkwrdige Beklommenheit das Herz zusammen. "Ayla, du bist na bis auf die Haut. Warum bist du bei diesem Regen hinausgegangen?" machte Creb vorwurfsvoll. Er nahm einen Holzscheit und legte ihn ins Feuer. "Nimm den Umhang ab und setz dich hierher." Sie zog sich etwas anderes an und hockte sich neben Creb an die wrmenden Flammen. Mit Erleichterung sprte sie, da die Stille zwischen ihnen nichts Drckendes mehr hatte. "Es hat mir so wohlgetan, da wir in der Nacht miteinander gesprochen haben, Creb. Ich war unten am Bach. Das Eis bricht. Die Sonne kommt. Bald knnen wir wieder unsere Wanderungen machen." "Ja, Ayla, die Sonne kommt. Wenn du willst, machen wir wieder Wanderungen. Wenn der Sommer da ist." Ayla sprte, wie ein kalter Hauch sie streifte. Sie hatte das herzzerbrechende Gefhl, da es nie wieder zu einer Wanderung mit Creb kommen wrde, und sie sprte, da auch Creb dies wute. Sie streckte die Arme nach ihm aus, und sie hielten einander fest, als wre es zum letzten Mal. Zu Mitte des Vormittags hin fiel der Regen dnner, und am Nachmittag versiegte er ganz. Eine bleiche, matte Sonne brach durch die Wolkendecke, doch sie war zu schwach und konnte die Erde weder trocknen noch wrmen. Trotz des bedrckenden Wetters und des Wissens, da der Festverzehr krglich ausfallen wrde, waren die Clan-Leute voll erwartungsvoller Erregung, als die Zeit fr die Feierlichkeit nherrckte. Ein Wechsel an der Spitze des Clans kam selten genug vor. Zur gleichen Zeit sollten sie aber auch einen neuen Mog-ur bekommen. Das war noch nie dagewesen. Oga, fr die die Feier genau wie fr Ebra und Brac, den zuknftigen Nachfolger Brouds, besondere Bedeutung besa, war rastlos und angespannt. Jeden Augenblick sprang sie auf und lief zum Feuer, um nach dem Verzehr zu sehen. Ebra mhte sich, sie zu beruhigen, doch die Gefhrtin des Clan-Fhrers war selbst aufgeregt. Aylas einzige Aufgabe bei der Feier war, den Daturatrank fr die Mnner zu bereiten; doch Creb hatte sie angewiesen, den Trank nicht aus den Wurzeln zu machen. Als es dunkel wurde, schwebten nur noch einige Wolkenfetzen am Himmel, die hin und wieder das volle Mondgesicht verschleierten, das die kahle, leblose Landschaft erhellte. Drinnen in der Hhle hatten die Leute in dem Raum hinter der letzten Feuersttte mit Fackeln einen Kreis ausgesteckt, in dessen Mitte ein hohes Feuer loderte. Ayla hockte allein auf ihrem Fell und starrte in die Flammen, die in der kleinen Feuersttte neben ihr zngelten. Immer noch fhlte sie sich von der merkwrdigen Beklommenheit bedrngt. Sie stand auf, um nach drauen zu gehen, bis die Feierlichkeiten begannen, doch da sah sie Bruns Zeichen und blieb. Als jeder seinen Platz eingenommen hatte, trat der Mog-ur, gefolgt von Goov, aus der Zaubersttte. Als der heilige Mann zum letzten Mal die Geister beschwor, sich zu ihnen zu gesellen, war es, als entzndete sich am Abend seines Lebens noch einmal das alte Feuer in ihm. In den althergebrachten Handformeln und Gebrden lag eine Kraft und eine mchtige Eindringlichkeit wie seit langem nicht mehr. So wie jener Zauberer auf dem Miething seiner magischen Flte die wundersamen Tne entlockt hatte, so entlockte Creb den Herzen jener, die um ihn geschart waren, Gefhle von selten empfundener Tiefe und Kraft. Goov wirkte bleich neben ihm. Der junge Mann war ein guter Mog-ur, aber mit dem Groen Mog-ur konnte er es nicht aufnehmen. Der mchtigste Zauberer, den der Gro-Clanje gekannt hatte, leitete seine letzte Feier. Als er an Goov bergab, war Ayla nicht die einzige, die weinte. Die Clan-Leute, denen Trnen nicht gegeben waren, weinten auch - mit ihren Herzen. Aylas Gedanken begannen zu wandern, als Goov mit klarer Gebrde Brun die Macht als Clan-Fhrer aus den Hnden nahm und sie an Broud weitergab. Ihre Augen ruhten auf Creb, und sie sah sich wieder als kleines Mdchen auf seinem Scho sitzen. Sie erinnerte sich, mit welcher Geduld er sich bemht hatte, sie die Handsprache des Clans zu lehren, und versprte noch einmal einen Nachhall der jauchzenden Freude, die sie empfunden hatte, als sie endlich begriffen hatte. Ayla griff an ihr Amulett und fhlte die winzige Narbe an ihrem Hals, die er ihr bei jener besonderen Feier eingeritzt hatte, als die Ahn-Geister aus tiefster Vergangenheit ihr gestattet hatten, auf die Jagd zu gehen. Und sie verging fast vor Schmerz bei der Erinnerung an ihr verbotenes Tun whrend des Miethings tief unten im Berg. Dann sah sie wieder Crebs Blick voller Wrme und Traurigkeit am Abend zuvor und sah die Hand, die Zeichen formte, die ihr bekannt erschienen, und deren Bedeutung ihr dennoch verborgen geblieben war. Ayla konnte bei dem Festverzehr kaum etwas essen. Die Mnner begaben sich danach in die kleine Hhle, um das heilige Fest zu beschlieen, und Ayla reichte den Daturatrank herum, den sie von Goov, dem neuen Mog-ur, entgegennahm. Doch als der Frauentanz folgte, war sie nicht mit dem Herzen dabei. Und sie nahm so wenig von dem Zaubertrank, da die Wirkung in ihrem Kopfe rasch verflog. Frh kehrte sie in Crebs Wohnsttte zurck und schlief schon, als der frhere Mog-ur aus der kleinen Hhle kam. Ein kleines Weilchen blieb er an Aylas Lager stehen und betrachtete sie und ihren Sohn, ehe er zu seiner eigenen Schlaf statt hinkte. "Ma-Ma, gehst du jagen? Ich will mit." Durc weckte Ayla am anderen Morgen. Kaum jemand in der Hhle regte sich, nur ihr Sohn war richtig wach. "Nach dem Morgenverzehr, Durc. Bleib hier", bedeutete ihm Ayla. Doch nach dem Morgenverzehr entdeckte Durc, da auch Grev schon auf war. Er verga die Jagd und rannte zu Brouds Feuersttte hinber. Voll zrtlicher Wrme sah Ayla ihm nach, und ein Lcheln erhellte ihr Gesicht. Es erlosch jedoch, als sie gewahrte, wie Broud ihren Sohn anblickte. Das Herz zog sich in ihr zusammen. Die beiden Jungen strmten hinaus ins Freie. Pltzlich sprte sie diese merkwrdige Beklommenheit mit solcher Macht, da sie meinte, der Magen wrde sich ihr umdrehen, wenn sie nicht augenblicklich die Hhle verlie. Sie sprang auf und strzte zum Eingang. Mit hmmerndem Herzen holte sie wieder und wieder Luft. "Ayla!" Sie fuhr zusammen. Dann drehte sie sich um, senkte den Kopf und blickte auf den neuen Clan-Fhrer hinunter. "Ich gre den Clan-Fhrer", machte sie, wie es sich gehrte. Selten kam es vor, da sie Broud von Angesicht zu Angesicht gegenberstand. Sie war viel hher gewachsen als selbst der grte Mann im Clan, und Broud gehrte nicht zu den grten. Er reichte ihr kaum bis zur Schulter. Sie wute, da es ihn wurmte, zu ihr aurblicken zu mssen. "Bleib in der Nhe, Ayla. Wir alle werden uns in Krze hier drauen versammeln." Ayla neigte gehorsam den Kopf. Es dauerte eine Weile, bis alle Clan-Leute sich eingefunden hatten. Die Sonne schien vom Himmel, und sie waren froh, da Broud trotz des durchweichten Bodens bestimmt hatte, die Versammlung im Freien abzuhalten. Sie muten warten, ehe Broud, seiner neuen Wrde voll bewut, an den Platz schritt, den frher Brun eingenommen hatte. "Ihr alle wit, da ich ab heute euer neuer Clan-Fhrer bin", hob Broud mit stolzer Geste an. "Da nun der Clan einen neuen Fhrer und einen neuen Mog-ur hat, ist die Zeit gekommen, noch andere Vernderungen vorzunehmen. Ihr sollt wissen, da von diesem Tag an Vorn der Stammeszweite ist." Die Leute nahmen es gelassen auf. Sie hatten es erwartet. Brun fand, Broud htte warten sollen, bis Vorn ein wenig reifer war, ehe er ihn in einen Rang erhob, der Vorn ber erfahrenere Jger stellte, aber alle hatten ja gewut, da es so kommen wrde. Mag sein, da es gut ist, es gleich zu tun, dachte Brun. "Und es gibt noch anderes, was zu ndern ist", fuhr Broud fort. "Es gibt eine Frau in diesem Clan, die keinen Gefhrten hat." Ayla sprte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. "Sie braucht einen Ernhrer. Ich will keinem meiner Jger die Last aufbrden. Ich bin jetzt der Clan-Fhrer. Mir obliegt es, fr sie Sorge zu tragen. Ich werde Ayla an mein Feuer nehmen, als zweite Frau." Ayla hatte es erwartet, jedoch kam es wie ein Keulenschlag fr sie. Es wird sie nicht froh machen, dachte Brun, aber Broud tut das Rechte. Stolz blickte Brun auf den Sohn seiner Gefhrtin. Broud ist reif, die Fhrung zu bernehmen. "Diese Frau hat auch ein migestaltetes Kind", machte Broud und zeigte auf Durc. "Ihr alle sollt wissen, da von diesem Tage an keine migestalteten Kinder mehr in diesem Clan aufgenommen werden. Keiner soll glauben, es sei Feindseligkeit von meiner Seite, wenn das nchste migestaltete Kind nicht aufgenommen wird. Bringt sie aber ein heiles, wohlgestaltetes Kind zur Welt, so werden wir es annehmen." Creb stand nicht weit vom Eingang der Hhle und sah, wie Ayla erbleichte und den Kopf senkte, um ihr Gesicht zu verbergen. Du kannst sicher sein, da ich keine Kinder mehr haben werde, Broud, dachte sie. Nicht, wenn Izas Zauber auch bei mir seine Wirkung tut. Dein Geschlecht wirst du nicht mehr in meinen Leib versenken und dort keinen Lebenskeim mehr pflanzen. Ich werde keine Kinder gebren, die sterben mssen, nur weil du sie als migestaltet ansiehst. "Ich habe es zuvor schon kundgetan", fuhr Broud fort, "und darum sollte es keinen berraschen: An meiner Feuersttte dulde ich kein migeburtiges Kind." Aylas Kopf fuhr hoch. Was sollte das bedeuten? Wenn sie in seinen Wohnkreis zge, dann kme doch auch Durc mit ihr? "Vorn ist bereit, Durc an seinem Feuer aufzunehmen", gab Broud weiterhin bekannt. "Seine Gefhrtin ist dem Jungen zugetan trotz seiner Migestalt. Er wird gut versorgt werden." Dieser Erffnung folgten bestrztes Brummen und verwirrte Gebrden. Gewhnlich gehrten Kinder zu ihren Mttern, bis sie erwachsen waren. Wie konnte Broud Ayla aufnehmen und ihren Sohn ablehnen? Ayla lief zu Broud und warf sich ihm zu Fen. Er tippte ihr auf die Schulter. "Ich bin noch nicht am Ende, Frau. Es zeigt Miachtung, den Clan-Fhrer zu unterbrechen, aber diesmal will ich es bersehen. Du magst sprechen." "Broud, du kannst mir Durc doch nicht fortnehmen. Er ist mein Sohn. Dort, wo eine Mutter hingeht, gehen auch ihre Kinder hin", beschwor sie ihn mit riehenden Hnden. Bruns Miene war finster. Fort war aller Stolz auf den neuen Clan-Fhrer. "Willst du, Frau, mir befehlen, was ich tun kann und was nicht?" schalt Broud mit hhnischem Gesicht. Er war zufrieden mit sich. Lange hatte er dies vorbereitet, und Ayla verhielt sich genau, wie er erwartet hatte. "Du bist keine Mutter. Oga ist Durc mehr Mutter als du. Wer hat ihn denn genhrt? Du nicht. Er wei nicht einmal, wer seine Mutter ist. Jede Frau des Clans ist ihm mehr Mutter als du. Kann es da von Gewicht sein, wessen Feuer er teilt? Es liegt doch klar auf der Hand, da ihm ein Wohnkreis soviel bedeutet wie der andere. Er nhrt sich an jedermanns Feuer", machte Broud abschtzig weiter. Ayla hob bittend die Hnde. "Gewi, ich konnte ihn nicht nhren, aber du weit, da er mein Sohn ist, Broud. Jede Nacht schlft er bei mir." "Nun, er wird nicht mehr jede Nacht mit dir schlafen. Kannst du bestreiten, da Vorns Gefhrtin ihm Mutter ist? Ich habe Goov - dem Mog-ur - schon aufgetragen, die Feier der Zusammengabe nach dieser Versammlung abzuhalten. Wozu warten? Du wirst dich bei Sonnenuntergang an meine Feuersttte begeben. Und Durc wird sich an Vorns Feuer begeben. Kehre jetzt an deinen Platz zurck." Broud lie den Blick ber die Gesichter der Clan-Leute schweifen und sah Creb, der unweit der Hhle auf seinen Stab gesttzt stand. Der alte Mann schaute finster drein. Doch noch finsterer war Bruns Gesicht, als er sah, wie Ayla an ihren Platz wankte. Mit Macht bekmpfte er einen schwarzen Zorn. Er wollte und durfte nicht eingreifen. Aber nicht nur Zorn spiegelte sich in Bruns Augen; auch Schmerz, der sein Herz aufwhlte, zeigte sich in ihnen. Der Sohn meiner Gefhrtin, dachte er, den ich grogezogen und zum Fhrer dieses Clans erhoben habe, er mibraucht den Rang, um Rache zu ben. Rache an einer Frau fr eine Schmach, die sie ihm nie angetan hat, ihm nur als Bild im Kopf erscheint. Wie kommt es nur, da ich das frher nicht gesehen habe? Wie kommt es nur, da ich so blind ihm gegenber war? Jetzt sehe ich klar, warum er Vorn so bald schon zum Zweiten im Clan erhoben hat. Broud hat das alles mit ihm vorbereitet. Er hat sich das seit langem vorgenommen, Ayla dieses Weh anzutun. Broud! Wie kann es dir Freude bringen, eine Mutter von ihrem Kind zu trennen? Ist dein Herz aus Stein, Sohn meiner Gefhrtin? Nichts ist Ayla von ihrem Sohn geblieben, als da sie des Nachts ihr Lager mit ihm teilen kann. Und auch das willst du ihr nehmen? "Ich bin noch nicht am Ende", verkndete Broud mit groer Geste, um das Augenmerk der bestrzten Leute wieder auf sich zu ziehen. "Ich bin nicht der einzige, der in einen neuen Rang erhoben wurde. Wir haben auch einen anderen Mog-ur. Und es sollte fr jeden klar sein, da mit dieser Stellung auch ein besonderes Recht verbunden ist. Ich habe beschlossen, da Goov von heute an seine Feuersttte an jenem Platz haben wird, die dem Mog-ur des Clans zusteht. Creb wird weiter hinten in die Hhle ziehen." Brun warf einen Blick auf Goov. Hatte er auch dazu seine Hand gegeben? Doch Goovs Gesicht zeigte nur Verwirrung. "Ich will nicht den Wohnkreis von Creb bernehmen", wehrte dieser ab. "Dort ist er, seit wir in diese Hhle eingezogen sind." Das Unbehagen der Clan-Leute nahm zu. "Ich habe beschlossen, da du dich dort niederlassen wirst", entgegnete Broud, zornig ber Goovs ablehnendes Verhalten. Als er nmlich den finsteren Blick des alten Mannes gesehen hatte, der dort vor der Hhle auf seinen Stab gesttzt stand, war ihm pltzlich klar geworden, da Creb nicht mehr der Groe Mog-ur war. Was hatte er von diesem migestalteten, alten Krppel noch zu frchten? Blitzartig war ihm der Einfall gekommen, Goov dieses Angebot zu machen, und eigentlich hatte er erwartet, da Goov genauso eifrig zugreifen wrde wie Vorn zugegriffen hatte, als ihm mit einem hheren Rang gewunken wurde. Er hatte geglaubt, damit wrde er sich des neuen Mog-urs versichern. Goovs Ergebenheit und Achtung seinem alten Lehrer gegenber hatte er jedoch nicht in Betracht gezogen. Brun gelang es nicht mehr, sich lnger zurckzuhalten. Gerade wollte er mit mchtiger Hand dazwischenfahren, als Ayla ihm zuvorkam. "Broud!" schrie sie von ihrem Platz aus. Und mit einem Ruck fuhr dessen Kopf herum zu der Frau, die es wagte, sich gegen ihn zu stellen. "Das kannst du nicht tun", klagte sie ihn erregt an. "Du kannst doch Creb nicht von seiner Feuersttte vertreiben!" Voller Zorn ging sie auf Broud zu. "Er braucht einen geschtzten Platz. Hinten in der Hhle blst der Wind viel zu scharf. Und du weit, wie sehr er leidet, wenn es kalt wird." Ayla hatte vllig vergessen, da sie eine fgsame, dem Manne ergebene Clan-Frau zu sein hatte. Jetzt war sie nur noch die Medizinfrau, die das Wohl eines Kranken im Auge hatte. "Du machst das nur, um mich zu treffen. Und du willst Creb weh tun, weil er mich in Schutz genommen hat. Mit mir kannst du tun, was du willst, Broud, aber la Creb in Ruhe!" Sie stand jetzt unmittelbar vor dem neuen Clan-Fhrer und berragte ihn um mehr als eine Haupteslnge, als sie mit ihren Hnden vor seinem Gesicht herumwtete. "Wer hat dir berhaupt erlaubt zu sprechen, Frau!" tobte Broud. Seine wildgewordene Faust holte zum Schlag aus. Doch Ayla sah sie heransausen und duckte sich zur Seite. Einen Augenblick lang war Broud vllig verdutzt, als er merkte, da die strafende Hand ohne Wirkung blieb. Doch dann wich die Verblffung blinder Wut. "Broud!" Bruns Gebrll lie ihn innehalten. Zu sehr war er daran gewhnt, dieser Stimme zu gehorchen. "Das hier ist die Feuersttte des Mog-urs, Broud, und sie wird seine Feuersttte bleiben bis ans Ende seiner Tage. Er hat diesem Clan lange und gut gedient. Dieser Platz steht ihm zu. Was bist du nur fr ein Clan-Fhrer? Was bist du nur fr ein Mann? Was bist du fr einer, da du deine Stellung mibrauchst, um an einer Frau dich zu rchen? An einer Frau, die dir niemals etwas angetan hat, Broud, die dir nichts antun konnte, selbst wenn sie es gewollt htte! Du bist kein Clan-Fhrer!" donnerte Brun. Broud zog den Kopf ein, wie er es immer tat, wenn ihn Brun zurechtwies, doch dann ri er den Kopf hoch und warf sich in die Brust. "Du bist jetzt nicht mehr Clan-Fhrer, Brun! Nein, du hast hier nichts mehr zu befehlen!" Broud hatte sich gefat und aus dem Einflu befreit, den Brun auf ihn ausgebt hatte. "Ich bin jetzt der Clan-Fhrer. Merke dir das. Ich treffe die Entscheidungen. Stets hast du dich auf ihre Seite gestellt, sie stets geschtzt. Aber jetzt ist Schlu damit!" Brouds Gesicht brannte vor Wut. "Sie wird das tun, was ich befehle, sonst verfluche ich sie. Du hast mit eigenen Augen ihre Aufsssigkeit gesehen. Und dennoch trittst du fr sie ein. Ich habe es satt mit ihr. Man sollte sie verfluchen. Und ich werde sie verfluchen. Na, was tust du jetzt, Brun?" Mit einer drohenden Gebrde wandte sich Broud an den neuen Mog-ur. "Goov! Verfluche sie! Verfluche sie auf der Stelle! Belege sie mit dem Todesfluch! Keiner wird diesem eu-rem Clan-Fhrer befehlen knnen, was er zu tun hat, und schon berhaupt nicht diese hliche Frau." berlegen lchelnd machte Broud zu Brun: "Siehst du nun?" und wies Goov an: "Geh und verfluche sie, Mog-ur!" Von dem Augenblick an, wo Ayla sich in den Angriff auf Broud gestrzt hatte, hatte Creb versucht, ihr Augenmerk auf sich zu ziehen, und wollte sie warnen. Ihm war es gleich, wo er seine Feuersttte hatte, ob vorn oder hinten in der Hhle. DunkJe Ahnungen hatten sich in ihm schon geregt, als Broud verkndete, er wrde Ayla als zweite Frau in seinen Wohnkreis nehmen. So wie Creb diesen Hinterhltling kannte, war nicht zu glauben, da dieser damit eine Wohltat im Sinne haben wrde. Doch auf den wahnwitzigen Befehl danach war er nicht vorbereitet gewesen, und als er sah, wie Broud den neuen Mog-ur hie, Ayla zum Tode zu verfluchen, war aller Kampfeswille aus ihm gewichen. Er wollte einfach nichts mehr sehen. So oder so. Bald wrde ja alles zu Ende gehen. Creb wandte sich ab und humpelte zerbrochen in die Hhle. Ayla sah ihm nach, wie er im Innern des Berges verschwand. Doch nicht nur Creb war tief betroffen. Der ganze Clan war uerst aufgewhlt. Einige hatten es nicht ausgehalten und wie betubt den Kopf gesenkt, andere wie gebannt und ohne Glauben auf die Auseinandersetzung gestarrt, die sich niemand htte trumen lassen. Brouds Entscheid, Ayla von ihrem Sohn zu trennen, war als sehr befremdlich aufgenommen worden. Auch waren sie bestrzt gewesen, da Broud verfgte, Creb von seiner Feuersttte zu vertreiben, aber auch ber Aylas Angriff auf den neuen Clan-Fhrer. Aber wie vom Donner waren sie gerhrt, als Brun gegen den Mann gewettert hatte, den er noch kurz vorher zum Fhrer gemacht, und einfach nicht zu glauben war schlielich Brouds Befehl gewesen, Ayla zum Tode zu verfluchen. Ayla zitterte so heftig, da sie auf das Beben der Erde unter ihren Fen erst aufmerksam wurde, als sie sah, wie den Umstehenden die Fe weggerissen wurden und sie zu Boden strzten. In ihrem Gesicht stand die gleiche berraschung wie auf den Gesichtern der anderen. Doch sie wurde rasch zu Furcht und dann zu nacktem Entsetzen. Und dann hrte auch sie das ferne, wtende Grollen aus den Tiefen der Erde. "Durc!" schrie sie und sah, wie Uba ihn packte, dann ber ihn strzte, als wollte sie seinen kleinen Krper mit ihrem eigenen schtzen. Ayla rannte auf sie zu. Doch pltzlich machte sie kehrt und schrie mit schrecklicher Stimme: "Creb! Er ist noch in der Hhle." Stolpernd und kriechend mhte sie sich den schwankenden Hang hinauf zur groen keilfrmigen ffnung. Ein riesiger Stein sprang die Steilwand hinunter, in der sich der Eingang befand und schlug, von einem Baum behindert, donnernd neben Ayla zu Boden, die nichts hrte und nichts sah, nur blindlings nach oben strebte. Der Boden unter ihren Fen sackte pltzlich ab und bumte sich gleich wieder auf. Ayla strzte, rappelte sich hoch und sah, wie die Hhlendecke zerbrach. Scharfgezackte Felsbrocken regneten herunter und zersprangen, als sie aufschlugen. Rings um Ayla herum kollerten und sausten Steine und Felsbrocken die Wand herunter, rollten weiter ber den Hang und klatschten mit tdlicher Wucht in den eisigen Bach. Wie ein Blitz durchzuckte ein riesiger Ri den Felsgrat; das mchtige Gestein brkkelte, zerbrselte, schwankte und versank in der Tiefe. Drinnen in der Hhle hagelte es felsige Splitter, Steine und Schmutz, und die Wnde und die Decke drhnten unter dem gewaltigen Weh der Erde. Drauen schwankten die himmelhohen Bume wie ungelenke Riesen in einem rauschhaften Tanz und splitternackte Bume wurden vom Beben geschttelt. Der Einri in der Wand barst ohrenbetubend zu einem ghnenden Spalt auseinander, aus dem sich ein wilder Gesteinsschwall ergo. Das entsetzliche Donnern aus den Tiefen der Erde und das Schrappen und Krachen von Fels und Stein zertnten alles Schreien nach Hilfe. Doch schlielich verebbte das Beben. Noch ein paar Steine kollerten hurtig den Hang herab, sprangen, hpften, rollten aus. Noch zitternd vor Angst und Erregung begannen die Clan-Leute, sich abzutasten, standen vorsichtig auf und irrten wie benommen umher. Dann schauten sie sich um, sahen Brun und versammelten sich um ihn. Er war ihr Fhrer gewesen, der Fels, der unerschtterlich stand. Er war ihre einzige Sicherheit. Er sollte die Fhrung wieder bernehmen. Doch Brun tat nichts dergleichen. Niemals in der langen Zeit, da er den Clan gefhrt hatte, glaubte er, so wenig Scharfblick gezeigt zu haben wie an dem Tag, an dem er Broud zum neuen Oberhaupt des Clans gemacht hatte. Jetzt aber sah er, wie blind er gegen die Schwchen seines Sohnes gewesen war. Selbst dessen Strken, seine Unerschrockenheit und sein Wagemut, entsprangen doch mehr jener Klte des Herzens und jener mangelnden Selbstbeherrschung. Doch das war es nicht, weshalb Brun sich weigerte zu handeln. Broud war jetzt der Clan-Fhrer; fr Brun war es zu spt, hier einzuspringen und einen anderen Mann auf die Fhrung vorzubereiten, obwohl er wute, da der Clan es ihm gestattet htte. Broud hatte verkndet, da er der Fhrer wre. Gut, Broud. Dann fhre, dachte Brun. Ganz gleich, was dieser von nun an entscheiden wrde oder nicht, Brun wrde nichts mehr dagegensetzen. Al die Clan-Leute merkten, da Brun nicht bereit war, sie zu friren, wandten sie sich schlielich Broud zu. Denn sie waren einen starken Mann gewhnt, und Brun war ein starker Mann gewesen. Auf seine unerschtterliche Ruhe und seinen klaren Blick war sicher Verla gewesen. Sie waren nicht fhig, selbst zu handeln und selbst zu entscheiden. Sogar Broud erwartete, da Brun die Fhrung wieder bernehmen wrde. Auch er brauchte jemanden, auf den er sich sttzen konnte. Doch als er schlielich sah, da nun die Last auf seinen Schultern liegen wrde, mhte er sich ab, sie ohne Straucheln auch zu tragen. "Wer fehlt? Wer ist verletzt? Seid ihr alle heil?" fragte er mit besorgter Hand die Leute. Ein Seufzer der Erleichterung ging durch die kleine Schar. Familien fanden sich zusammen, und es schien, als fehlte keiner. Kaum einer war verletzt. Manche hatten Schrammen und Kratzer. Das Beben der Erde war noch glimpflich abgegangen. "Wo ist Ayla?" fragte Uba angsterfllt. "Hier", rief die junge Frau, die eben den Hang herunterrutschte. "Ma-Ma!" schrie Durc und ri sich von Uba los. Ayla rannte ihm entgegen, schlo ihn fest in ihre Arme und trug ihn zurck zu den anderen. "Bist du verletzt, Uba?" fragte sie besorgt. "Nein, nein, nichts Schlimmes." "Und wo ist Creb?" Da fiel es Ayla wieder ein. Hastig drckte sie ihren Sohn Uba in die Arme und flog schon wieder den Hang hinauf. "Ayla! Wo willst du hin? Geh nicht in die Hhle! Es kann von neuem kommen!" Doch Ayla sah die Warnung nicht und htte ihrer auch nicht geachtet. Sie strzte in die Hhle und rannte zu Crebs Feuersttte. Noch immer rutschte Gerll nach, und Steine und Staub flssen aus armdicken Rissen aus den Felswnden und von der Decke herab. Crebs Feuersttte hatte kaum Schaden genommen, doch er selbst war nicht dort. Ayla hastete um groe Felsbrocken herum von Wohnkreis zu Wohnkreis. Manche waren gnzlich zerstrt, bei anderen schien noch einiges zu retten. Creb war nirgends. An dem schmalen Spalt, der in die Zaubersttte fhrte, zgerte sie. Dann ging sie hinein. Doch man sah nichts. Ein Kienspan wre ntig. Doch vorher wollte sie noch hinten in der Hhle suchen. Ein dnner Regen staubiger Kiesel rieselte auf Ayla herab, und schnell sprang sie zur Seite. Zackige Felsbrocken sausten herunter, bohrten sich neben Ayla in den Boden. Sie suchte in den Nischen der Wnde, lief tastend durch den Raum und sphte in die tiefen Schatten hinter Vorratsgefen und Felsbrocken. Sie fand Creb neben Izas Grab. Er lag seitlich da, die Beine angezogen. Ein schwerer Felsen hatte sein weies Haupt zermalmt. Ayla schrie auf und kniete neben ihm nieder, und ihre Augen begannen berzuflieen. "Creb, ach Creb. Warum bist du in die Hhle gegangen?" fragten ihre Hnde und klagten. Auf ihren Knien wiegte sie sich und rief immer wieder seinen Namen. Dann stand sie auf. Trnen rannen ihr ber das Gesicht und machten sie blind, als Ayla in der zerstrten Hhle stand und den Tod des alten Zauberers beklagte, der ihr wie ein Vater gewesen war. "Er ist tot", bedeutete Ayla, als sie aus der Hhle trat. Broud starrte sie so fassungslos an wie die anderen, und ihn packte dann eine tiefe Furcht. Sie war es doch gewesen, die die Hhle entdeckte; sie war es doch gewesen, die das Wohlwollen der Geister besessen hatte. Und als er sie verfluchte, hatten die Geister die Erde erzittern lassen und die Hhle zerstrt. Zrnten sie ihm dafr, da er ihre Verfluchung befohlen hatte? Was wrde geschehen, wenn der Clan vermeinte, da er dieses Unglck heraufbeschworen hatte? Bis ins Innerste erzitterte er angesichts dieses bsen Vorzeichens und bebte vor dem Zorn der Geister, den er entfacht hatte. Er wollte nicht der Schuldige sein. Und wlzte die Schuld auf Ayla, als knnte er dadurch den Unmut der Clan-Leute und den Zorn der Geister von sich abwenden. "Sie hat es getan! Ihre Schuld ist es!" zeigte er mit heftiger Hand auf Ayla. "Sie hat die Geister erzrnt. Sie hat sich gegen Brauch und berlieferung gestellt. Ihr alle habt es gesehen. Sie war aufsssig und miachtete den Clan-Fhrer. Dafr mu sie verflucht werden. Dann erst wird uns die Gunst der Geister wieder gehren. Dann erst werden sie uns wieder zu einer neuen Hhle rhren, die noch besser ist. Ja, das werden sie tun. Ich wei es. Verfluche sie, Goov! Verfluche sie zum Tode! Jetzt, auf der Stelle!" Die Kpfe aller wandten sich zu Brun. Doch der blickte noch immer stur vor sich hin, das Gesicht verschlossen, die Fuste geballt. Jir wollte nichts tun, er wollte nicht eingreifen, so viel Kraft es ihn auch kostete, sich da rauszuhalten. Unsicher blickten die Clan-Leute einander an. Dann wanderten ihre Blicke zu Goov und schlielich zu Broud. Goovs Augen konnten nicht glauben und sahen fragend zu Broud. Wie konnte er Ayla die Schuld geben? Wenn jemand schuldig war, dann Broud. "Ich bin der Clan-Fhrer, Goov. Du bist der Mog-ur. Ich befehle dir, sie zu verfluchen. Verfluche sie zum Tode." Langsam, als mte er seine Fe aus dem Boden reien, wandte Goov sich ab. Von dem Feuer, das man angezndet hatte, als Ayla noch in der Hhle war, nahm er einen harzigen Fichtenzweig, stieg langsam den Hang hinauf und trat durch den halbverschtteten Eingang in die Hhle. Vorsichtig bahnte er sich einen Weg zwischen Felsbrocken und Gerll und wute wohl, da ein weiteres Beben der Erde ihn verschlingen knnte, und wnschte, es mge geschehen, ehe er das tat, was zu tun ihm befohlen worden war. Er tappte im unruhigen Feuerschein in die kleine Hhle hinein, ordnete die heiligen Gebeine des Hhlenbren in zwei gleichlaufenden Reihen an. Den letzten Knochen steckte er so durch den offenen Schdel des Hhlenbren, da er die linke Augenhhle durchdrang. Dann beschwor er jene Namen, die nur die Mog-urs kannten, die schrecklichen Namen der bsen Geister, denen so die Macht gegeben wurde, ihr bses Treiben zu beginnen. Ayla stand noch immer vor der Hhle, als er mit Augen, die sie nicht sahen, an ihr vorberschritt. "Ich bin der Mog-ur. Du bist der Clan-Fhrer. Du hast befohlen, Ayla zum Tode zu verfluchen. Es ist getan", bedeutete Goov. Dann wandte er Broud den Rcken. Zuerst wollte es keiner glauben. Zu schnell war alles gegangen. So durfte man doch nicht verfahren! Brun htte sich erst mit den Mnnern beraten, htte den Clan auf das Ganze vorbereitet. Aber Brun, der htte das niemals getan, sie jetzt zum Tode zu verfluchen. Was hatte sie verschuldet? Gewi, sie war dem Clan-Fhrer entgegengetreten, und das war nicht recht. Doch gengte das, sie zum Tode zu verfluchen? Sie hatte sich nur um Creb gesorgt. Und was hatte Broud ihr angetan? Erst hatte er Ayla das Kind genommen und dann den alten Zauberer aus dem Wohnkreis gejagt, nur um sich an ihr zu rchen. Und jetzt - nach dem Beben - jetzt war kein Wohnkreis mehr heil. Warum hatte Broud das getan? Warum war Ayla verflucht? Die Geister hatten sie stets mit Wohlwollen betrachtet. Sie hatte ihnen allen das Glck gebracht, bis Broud verkndete, da sie zu verfluchen sei, bis er dem Mog-ur befahl, dies auf der Stelle zu tun. Broud hatte Unglck ber alle gebracht. Was wrde jetzt aus ihnen werden? Erst hatte Broud die Totems erzrnt und dann die bsen Geister freigesetzt. Und der alte Mog-ur war tot, er konnte ihnen jetzt nicht mehr helfen. Ayla war so versunken in ihren Schmerz, da sie den Widerstreit der Gefhle im Herzen der Erdlinge, die sie umstrudelten, nicht wahrnahm. Sie sah, wie Broud den Befehl gab, sie zu verfluchen. Sie sah, wie Goov ihm mitteilte, da es getan war. Doch ihr Hirn, von Schmerz betubt, nahm nichts von all dem auf. Als Ayla endlich das Ganze begriff, war ihr, als bebte die Erde von neuem. Verflucht? Zum Tode verflucht? Was habe ich denn getan? zitterte ihr Hirn. Und was ist eigentlich geschehen? Wie aus weiter Ferne betrachtete Ayla die Clan-Leute und sah, da deren Augen ein Schleier umhllte, der sie blind machte, Ayla wiederzuerkennen. Ayla stand wie erstarrt, bis auch Ubas Augen sich verschleierten, und sie laut um die Mutter des Jungen zu klagen begann, den sie in ihren Armen hielt. Durc! Mein Kind, mein Sohn! Ich bin verflucht, erkannte Ayla. Ich werde ihn nie wiedersehen. Was wird nur aus ihm. Nur Uba ist noch da. Sie wird ihn zu sich nehmen, aber was kann sie ausrichten gegen Broud? Broud ist voller Ha gegen ihn, weil er mein Sohn ist. Verzweifelt sah Ayla sich um, und ihr Blick fiel auf Brun. Brun! Nur Brun kann ihn beschtzen. Ayla strzte zu dem, der bis zum Vortag den Clan gefhrt hatte. Sie warf sich Brun zu Fen und senkte den Kopf. Doch dann begriff sie, da auch er ihr niemals auf die Schulter tippen wrde. Und als sie aufsah, blickte er ber ihren Kopf hinweg auf das Feuer, das hinter ihr brannte. Wenn er nur wollte, konnten seine Augen sie sehen. Er kann mich ja sehen, dachte Ayla. Ich wei es doch. Creb wute noch alles, was ich gesagt hatte. Und Iza auch. "Brun, du glaubst, ich wre tot, eine Hlle, in die der bse Geist gefahren ist. Sieh bitte nicht weg. Ich flehe dich an. Es ging mir alles viel zu schnell. Ich werde gehen, Brun, ich gelobe es, ahpr irri hahp Anest um Durc. Broud hat ihn, wie du weit. Was wird jetzt aus ihm werden, wo Broud der Clan-Fhrer ist? Durc gehrt zum Clan, Brun. Du hast ihn angenommen. Ich bitte dich, Brun, beschtze Durc. Nur du vermagst es. La nicht zu, da Broud ihm Bses tut." Langsam wandte Brun der bettelnden Frau den Rcken zu, wandte den Blick ab. Doch sie sah einen Schimmer des Einverstndnisses in seinen Augen und ein kaum wahrnehmbares Neigen seines Kopfes. Das reichte ihr. Er wrde Durc beschtzen. Er hatte es dem Geist der Mutter des Jungen gelobt. Ayla stand auf und eilte zur Hhle. Erst als sie Brun gelobt hatte fortzugehen, war ihr dieser Entschlu gekommen. Der Schmerz ber Crebs Tod mute noch etwas warten, sie wrde ihn spter herauslassen, wenn es nicht mehr um ihr berleben ging. Vielleicht wrde sie in die Welt der Geister gehen, vielleicht aber auch nicht. Wer wrde es wissen knnen. Keinesfalls aber wrde sie unvorbereitet sein. Als sie vorher voller Angst um Creb in die Hhle gestrzt war, hatte sie keine Augen fr die Spuren der Zerstrung gehabt. Jetzt aber, als sie stehenblieb und sich umsah, schien ihr pltzlich alles fremd. Wie gut, da die Clan-Leute alle im Freien gewesen waren, als die Erde gebebt hatte. Sie holte noch einmal tief Luft und lief zu Crebs Wohnkreis hinber. Ayla wlzte einen Felsbrocken von ihrem Lager, schttelte ihren Fellumhang aus und begann, ihre Sachen zu richten. Ihre Medizintasche, die Schleuder, Fuhllen, Wadenwickel, Handhllen, einen pelzgeftterten Umhang, eine Mtze; dazu ihren Trinkbecher, ihre Schale, einen kleinen Wasserbehlter, Werkzeug. Hinten in der Hhle holte sie sich etliche Teigfladen, Drrfleisch, Frchte und Fett. Sie whlte alles durch und fand in Birkenrinde verpackte Ahornse, Nsse, getrocknete Frchte, zerstampfte Getreidekrner, Rauchfisch und einige getrocknete Gemsepflanzen. Dann schttelte sie Staub und Steine aus ihrem Sammelkorb und machte sich ans Packen. Als sie Durcs Tragfell entdeckte, drckte sie es an ihr Gesicht, und die Trnen rannen ihr aus den Augen. Sie brauchte es eigentlich nicht. Dennoch packte sie das Tragfell ein. Ganz zuletzt beschlo sie, den Unterschlupf aus Tierhaut mitzunehmen, den sie stets bei sich hatte, wenn sie die Mnner auf die Jagd begleitete. Es war nicht ihrer, er hatte Creb gehrt. Aber Creb war tot, und er hatte den Unterschlupf nie gebraucht. Sie glaubte nicht, da er ihr grollen wrde, wenn sie die Tierhaut und die Stangen mitnahm. Ayla legte den Unterschlupf obenauf in ihren Korb und schulterte dann die schwere Brde und verschnrte die Riemen, die den Korb fest an ihrem Krper hielten. Wieder sprangen ihr die Trnen in die Augen, als sie in der Mitte des Wohnkreises stand, der so lange ihr Heim gewesen war. Sie wrde ihn nie wiedersehen. Bilder der Erinnerung flogen ihr durch den Kopf, und zuletzt dachte sie noch einmal an Creb. Ich wnschte, ich wte, was dir so tiefen Schmerz bereitet hat, Creb. Mag sein, da ich es eines Tages erkennen werde. Es war gut, da wir noch miteinander gesprochen haben, ehe du fortgegangen bist. Du wirst immer bei mir sein, genau wie Iza, genau wie der Clan des Bren. Dann schritt Ayla aus der Hhle. Keiner sah sie an, aber alle wuten es, als sie wieder auftauchte. An dem Teich vor der Hhle machte Ayla halt, um ihr Wasserbehltnis zu fllen. Und wieder erinnerte sie ein Bild. Und bevor sie das Gef eintauchte und damit den stillen Spiegel krusehe, lehnte sich Ayla ber das Wasser und sah sich an. So hlich war sie eigentlich nicht. Doch ihr Augenmerk galt nicht ihrem eigenen Gesicht, vielmehr wollte sie wissen, wie die aussahen, zu denen sie zu gehen hatte, die Fremdlinge. Als sie aufstand, sah sie Durc, der strampelnd und schlagend versuchte, sich aus Ubas Armen zu befreien. Mit einem Ruck ri er sich los und rannte hinber zu Ayla. Ayla zgerte einen Herzschlag lang, dann breitete sie ihre Arme aus, hob ihn hoch und drckte ihn fest an sich und kmpfte gegen die Trnen. Dann setzte sie ihn wieder ab und hockte sich vor ihn nieder. "Lieber Durc", bedeutete sie und sah ihm in die dunklen Augen, "ich gehe nun fort. Man hat es mich geheien." Doch da kam Uba auf sie zu. Sie mute Durc dem Geist entreien. Noch einmal drckte Ayla ihren Sohn an sich. "Mein Herz gehrt dir, Durc. Fr immer." Dann hob sie ihn hoch und gab ihn Uba. "Gib acht auf meinen Sohn, Uba", flehte sie. Broud sah das alles und wurde immer wilder. Die Frau war tot, sie war ein Geist. Warum benahm sie sich nicht so wie ein Geist? Wie kam es, da manche seiner Leute sie nicht so behandelten wie einen Geist? "Dort ist ein Geist", verkndete er mit zornigen Hnden. "Sie ist tot. Wit ihr nicht, da sie fr uns gestorben ist?" Ayla ging geradewegs auf Broud zu und pflanzte sich vor ihm auf. Auch ihm machte es Mhe, sie nicht zu sehen. Er versuchte, so zu tun, als wre sie nicht vorhanden, doch sie blickte ihm geradewegs ins Gesicht und hockte nicht zu seinen Fen, wie '"ich das fr eine Frau gehrte. "Ich bin nicht tot, Broud", gab sie trotzig zurck. "Und ich werde auch nicht sterben. Du kannst nicht machen, da ich sterbe. Du kannst mich zwingen fortzugehen, du kannst mir meinen Sohn nehmen, aber du kannst nicht machen, da ich sterbe." Wut und Furcht stritten in Broud. Er schwang die Faust hoch und hielt erschrocken inne. Es ist eine schlimme List, dachte er. Es ist eine List dieses Geistes. Denn sie ist tot. Sie wurde verflucht. "Schlag mich doch, Broud! Schlag mich und nimm Kenntnis von diesem Geist. Schlag mich und sieh, da ich nicht gestorben bin." Broud wandte sich Brun zu, um den hartnckigen Geist nicht lnger ertragen zu mssen. Er senkte den schlagbereiten Arm, doch gelang es ihm nicht, die Bewegung natrlich aussehen zu lassen. Broud hatte sie nicht angerhrt, doch er befrchtete, da schon durch sein Schlagenwollen ihre Krperhaftigkeit besttigt worden sei und wollte das Unheil auf Brun abwlzen. "Glaube ja nicht, da es mir verborgen war, Brun. Du hast diesem Geist Erwiderung getan, als er mit dir sprach, ehe er in die Hhle ging. Es ist ein Geist. Du wirst Unheil ber uns bringen, Brun", erklrte er mit anklagender Gebrde. "Nur ber mich selbst, Broud", gab Brun zurck. "Doch wann hast du gesehen, da sie mit mir sprach? Wie kommt es, da du einen Geist schlagen wolltest? Du bist noch immer blind, Broud. Du selbst hast ihre Wesenhaftigkeit besttigt. Sie ist noch da, Broud. Und sie hat dich bezwungen. Sie war mehr Mann als du." Bruns Lob berraschte Ayla, die pltzlich gewahr wurde, wie Durc schon wieder mit Uba kmpfte und sich losreien wollte. Sie konnte es nicht lnger mit ansehen. Schnell machte sich Ayla auf den Weg. Als sie an Brun vorberkam, neigte sie den Kopf und hob die Hand zum Dank. Oben am zersplitterten Grat drehte sie sich langsam um und blickte noch einmal zurck. Sie sah, wie Brun die Hand hob, als wollte er sich das Auge reiben; doch war es wohl eher ein Zeichen, jenes Zeichen, das Norg ihnen nachgesandt hatte, als sie nach dem Miething sich auf den Heimweg machten. ~Ende von: Ayla und der Clan des Bren von Jean M.Auel