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Nicht in einem schmutzigen, nassen Loch, in das die Enden von irgendwelchen Wrmern herabbaumelten und das nach Schlamm und Moder roch. Auch nicht etwa in einer trockenen Kieshhle, die so kahl war, da man sich nicht einmal niedersetzen oder gemtlich frhstcken konnte. Es war eine Hobbithhle, und das bedeutet Behaglichkeit. Diese Hhle hatte eine kreisrunde Tr wie ein Bullauge. Sie war grn gestrichen, und in der Mitte sa ein glnzend gelber Messingknopf. Die Tr fhrte zu einer rhrenfrmig langen Halle, zu einer Art Tunnel, einem Tunnel mit getfelten Wnden. Der Boden war mit Fliesen und Teppichen ausgelegt, es gab Sthle da von feinster Politur und an den Wnden Haken in Massen fr Hte und Mntel, denn der Hobbit hatte Besucher sehr gern. Der Tunnel wand und wand sich, fhrte aber nicht tief ins Innere des Berges hinein, den alle Leute viele Meilen weit rund im Lande schlechthin "den Berg" nannten. Zahlreiche kleine, runde Tren ffneten sich zu diesem Tunnel, zunchst auf der einen Seite und dann auch auf der anderen. Treppen zu steigen brauchte der Hobbit nicht : Schlafrume, Badezimmer, Keller, Speisekammern (eine Masse von Speisekammern), Kleiderschrnke (ganze Rume standen ausschlielich fr die Unterbringung seiner Garderobe zur Verfgung), Kchen, Ezimmer - alles lag an demselben langen Korridor. Die besten Zimmer lagen brigens auf der linken Seite (wenn man hereinkommt), denn ausschlielich diese hatten Fenster, tiefgesetzte, runde Fenster, die hinaus auf den Garten blickten und ber die Wiesen, die sich gemchlich hinab bis zum Flu neigten. Dieser Hobbit war ein sehr wohlhabender Hobbit, und sein Name war Beutlin. Die Beutlins hatten seit undenklichen Zeiten in der Nachbarschaft des "Berges" gelebt, und die Leute hielten sie fr auerordentlich achtbar - nicht nur weil die meisten der Beutlins reich, sondern weil sie noch nie in ein Abenteuer verstrickt gewesen waren und nie etwas Unvorhergesehenes getan hatten. Man konnte im voraus sagen, was ein Beutlin auf eine Frage antworten wrde, ohne da man sich die Mhe machen mute, diese Frage wirklich zu stellen. Dies hier aber ist eine Geschichte von einem Beutlin, der trotzdem Abenteuer erlebte und sich selbst ber vllig unvorhergesehene Fragen reden hrte. Vielleicht verlor er bei seinen Nachbarn an Ansehen, aber er gewann - nun, ihr werdet ja sehen, ob er am Ende berhaupt etwas gewann. Die Mutter unseres Hobbits - was ist eigentlich ein Hobbit? Ich glaube, da die Hobbits heutzutage einer Beschreibung bedrfen, da sie selten geworden sind und scheu vor den "Groen Leuten", wie sie uns zu nennen pflegen. Sie sind (oder waren) ungefhr halb so gro wie wir und kleiner als die brtigen Zwerge (sie tragen jedoch keine Brte). Es ist wenig, sozusagen gar nichts von Zauberei an ihnen, ausgenommen die alltgliche Gabe, rasch und lautlos zu verschwinden, wenn groes dummes Volk wie du und ich angetapst kommt und Radau macht wie Elefanten, was sie brigens eine Meile weit hren knnen. Sie neigen dazu, ein bichen fett in der Magengegend zu werden. Sie kleiden sich in leuchtende Farben (hauptschlich in Grn und Gelb). Schuhe kennen sie berhaupt nicht, denn an ihren Fen wachsen natrliche, lederartige Sohlen und dickes, warmes, braunes Haar, ganz hnlich wie das Zeug auf ihrem Kopf (das brigens kraus ist). Die Hobbits haben lange, geschickte, braune Finger, gutmtige Gesichter, und sie lachen ein tiefes, saftiges Lachen (besonders nach den Mahlzeiten; Mittagessen halten sie zweimal am Tag, wenn sie es bekommen knnen). Nun, das sei vorerst genug, und wir wollen fortfahren. Bilbo Beutlin hie unser Hobbit, und seine Mutter war die berhmte Belladonna Tuk, eine der drei ausgezeichneten Tchter des alten Tuk. Der alte Tuk war das Haupt der Hobbits die jenseits des "Wassers" wohnten, des schmalen Flusses am Fu des Berges. Es wurde oft gemunkelt, da vor langer Zeit einmal ein Tuk eine Fee geheiratet htte. Das war natrlich Unsinn. Aber sicherlich war bei ihnen nicht alles hobbitmig. Denn ab und zu ging ein Angehriger der Tuks fort und strzte sich in Abenteuer. Sie verschwanden heimlich, und die Familie vertuschte es. Tatsache ist jedenfalls, da die Tuks nicht ganz so respektabel waren wie die Beutlins, obgleich sie unzweifelhaft reicher waren. Nicht, da Belladonna Tuk jemals in irgendwelche Abenteuer verwickelt gewesen wre, nachdem sie die Frau von Mister Bungo Beutlin geworden war. Bungo, Bilbos Vater, baute (teilweise mit ihrem Geld) fr sie die kostspieligste Hobbithhle, die jemals unterhalb oder oberhalb des Berges oder jenseits des Wassers gebaut worden war. Und dort lebten sie bis an das Ende ihrer Tage. Indessen ist es wahrscheinlich, da Bilbo, ihr einziger Sohn, obgleich er doch aussah und sich genauso benahm wie eine zweite Ausgabe seines grundsoliden und behbigen Vaters, irgend etwas Wunderliches in seinen Anlagen von der Tukseite bernommen hatte. Es war etwas, das nur auf die Chance wartete, um ans Licht zu kommen. Die Chance ergab sich erst, als Bilbo Beutlin etwa 5o Jahre alt geworden war, in der wunderschnen Hobbithhle wohnte, die sein Vater erbaut, und sich augenscheinlich zur Ruhe gesetzt hatte. Eines Morgens, vor langer Zeit, in der groen Stille, als es noch wenig Gerusche und mehr Grn gab, als die Hobbits noch zahlreich und glcklich waren und Bilbo Beutlin nach dem Frhstck vor seiner Tr eine enorm lange Holzpfeife rauchte, die nahezu bis zu seinen wolligen Zehen reichte (die immer sauber gebrstet waren), da ereignete sich ein merkwrdiger Zufall - Gandalf kam vorbei. Gandalf! Wenn ihr auch nur ein Viertel von dem gehrt httet, was ich ber ihn gehrt habe (und ich habe nur sehr wenig gehrt von alldem, was es da zu hren gab), so wrdet ihr bestimmt hchst verwunderliche Geschichten erwarten. Geschichten und Abenteuer schossen nur so auf an allen Wegen, die er jemals gezogen war. Seit sein Freund, der alte Tuk, gestorben, war er nun schon viele Jahre nicht mehr hier im Land unterhalb des Berges gesehen worden. Wirklich, die Hobbits hatten fast vergessen, wie er aussah. Seine Geschfte hatten ihn ber den Berg und ber das Wasser gefhrt, als sie selbst noch kleine Hobbitjungen und Hobbitmdchen waren. Alles, was also der keineswegs mitrauische Bilbo an diesem Morgen sah, war ein kleiner, alter Mann mit einem Stab, hohem, spitzem blauem Hut, einem langen grauen Mantel, mit einer silbernen Schrpe, ber die sein langer weier Bart hing, ein kleiner, alter Mann mit riesigen schwarzen Schuhen. "Guten Morgen", sagte Bilbo, und er meinte es ehrlich. Die Sonne schien, und das Gras war grn. Aber Gandalf schaute ihn scharf unter seinen buschigen Augenbrauen hervor an. "Was meint Ihr damit?" fragte er. "Wnscht Ihr mir einen guten Morgen, oder meint Ihr, da dies ein guter Morgen ist, gleichviel, ob ich es wnsche oder nicht. Meint Ihr, da Euch der Morgen gut bekommt oder da dies ein Morgen ist, an dem man gut sein mu?" "Alles auf einmal", sagte Bilbo, "und ein sehr feiner Morgen fr eine Pfeife Tabak vor der Tr obendrein. Wenn Ihr eine Pfeife bei Euch habt, dann setzt Euch her und bedient Euch! Nichts drngt zur Eile, wir haben noch den ganzen Tag vor uns!" Bilbo setzte sich auf die Bank vor der Tr, kreuzte die Beine und blies einen wundervollen grauen Ring in die Luft, der heil und ohne auseinanderzuwehen ber den Berg schwebte. "Sehr schn", sagte Gandalf. "Aber ich habe heute morgen keine Zeit, Ringe zu blasen. Ich suche jemanden fr ein Abenteuer, das bestanden sein will, und es ist auerordentlich schwierig, jemanden dafr zu finden." "Das kann ich mir denken. In dieser Gegend! Wir sind ruhige Leute hier und suchen keine Abenteuer! Ein rgerlicher, strender, unbehaglicher Zeitvertreib. So etwas versptet nur die Mahlzeiten. Ich kann nicht verstehen, was jemand daran findet", sagte unser Mister Beutlin, schob seinen Daumen hinter die Hosentrger und blies einen noch dickeren Ring in die Luft. Dann holte er seine Morgenzeitung heraus und begann zu lesen, gab einfach vor, keine Notiz mehr von dem alten Mann zu nehmen. Der war offensichtlich nicht von seiner Art. Hoffentlich ging er jetzt. Aber er rhrte sich nicht. Er stand da, sttzte sich auf seinen Stock und betrachtete den Hobbit, ohne ein Wort zu sagen, bis es Bilbo ungemtlich und er sogar ein bichen rgerlich wurde. "Guten Morgen!" sagte Bilbo schlielich. "Wir wollen hier keine Abenteuer, vielen Dank! Ihr knnt es hinter dem Berg oder jenseits des Wassers versuchen!" Damit meinte er, die Unterhaltung wre beendet. "Was Ihr nicht alles unter 'guten Morgen' versteht", sagte Gandalf "Jetzt meint Ihr, da Ihr mich damit loswerden knntet, da es gut wre, wenn ich verschwnde." "Keineswegs, keineswegs, mein bester Herr - wie heit Ihr eigentlich?" "Ja freilich, mein bester Herr! Ich wei sehr gut, wie Ihr heit, Mister Bilbo Beutlin. Und Ihr kennt auch meinen Namen, obgleich Ihr nicht ahnt, da ausgerechnet ich dazu gehre : Ich bin Gandalf, und Gandalf, denkt nur, das bin ich! Reizend, da Belladonnas Sohn mich mit einem 'Guten Morgen' wegscheuchen will, als ob ich Knpfe an der Tr verkaufte!" "Gandalf, Gandalf. Du lieber Himmel, doch nicht der wandernde Zauberer, der dem alten Tuk ein Paar magischer Diamantklammern verehrte, die sich von selbst schlossen und sich niemals ohne Befehl lsten? Keiner verstand es wie er, beim Kaffeetrinken solch wunderbare Geschichten ber Drachen zu erzhlen, ber Kobolde und Riesen, ber gerettete Prinzessinnen und ber das unvorhergesehene Glck von Shnen armer Witwen. Doch nicht Gandalf, der so ausgezeichnete Feuerwerke abzubrennen verstand! Ja, daran erinnere ich mich! Der alte Tuk arrangierte sie zur Sommersonnenwende. Groartig, toll! Sie schossen auf wie mchtige Lilien, wie Lwenmaul und Goldregen aus Feuer. Den ganzen Abend noch hingen sie in der Dmmerung." Ihr werdet schon gemerkt haben, da Mister Beutlin nicht ganz so prosaisch war, wie er es von sich selbst annahm. berdies war er in Blumen geradezu vernarrt. "Meine Gte", fuhr er fort, "doch nicht der Gandalf, der es auf dem Gewissen hat, da so viele brave Burschen und Mdchen einfach ins Blaue gingen, verrckte Abenteuer zu erleben. Beim Bumeklettern angefangen bis zur Reise auf Schiffen, die hinber zur anderen Seite segelten? Der Himmel sei mir gndig, so ein Leben schien aber - ich meine, Ihr habt in dieser Gegend allerhand angerichtet. Ich bitte um Verzeihung, aber ich hatte keine Ahnung, da Ihr noch immer solchen Unfug macht." "Was soll ich denn sonst machen?" sagte der Zauberer. "Und ich bin froh, da Ihr Euch noch an einiges erinnert. Ihr scheint beispielsweise meine Feuerwerke in gutem Andenken behalten zu haben, und das ist gewi nicht ohne Hoffnung. In der Tat, um Eures seligen Grovaters Tuk und der armen Belladonna willen gebe ich Euch gern, um was Ihr mich gebeten habt." "Verzeihung, habe ich denn um .etwas gebeten?" "Natrlich habt Ihr! Zweimal sogar: Um meine Verzeihung habt Ihr gebeten. Die gebe ich Euch. Und auerdem gehe ich sogar noch weiter und schicke Euch in dies besagte Abenteuer. Das ist sehr erheiternd fr mich und ausgezeichnet fr Euch und ntzlich ist es auerdem - das heit, wenn Ihr es wohlbehalten bersteht." "Tut mir leid. Ich wnsche keine Abenteuer. Vielen Dank, und heute schon gar nicht. Guten Morgen, mein Herr! Aber bitte, kommt zum Tee, jederzeit, wie es Euch pat - warum nicht morgen? Auf Wiedersehen!" Damit drehte sich der Hobbit um, verschwand hinter der runden grnen Tr und schlo sie, so schnell er es, ohne unhflich zu erscheinen, wagen konnte, denn Zauberer sind schlielich Zauberer. Warum in aller Welt bat ich ihn blo zum Tee! sagte er vor sich hin, als er in die Speisekammer ging. Zwar hatte er gerade gefrhstckt, aber er dachte, da ein Kuchen oder zwei und ein Schluck dazu ihm guttten nach diesem Schrecken. Gandalf stand inzwischen noch immer vor der Tr und lachte lange und leise. Nach einer Weile trat er nher, und mit der Stockspitze kratzte er ein wunderliches Zeichen auf die' schne grne Haustr. Dann zog er davon, gerade als der Hobbit seinen zweiten Kuchen beendet hatte und erleichtert aufatmete, weil er glaubte, da er nun glcklich alle Abenteuer vermieden htte. Am nchsten Tag hatte er Gandalf fast vergessen. Ein gutes Gedchtnis war nicht seine Strke, es sei denn, er benutzte sein Notizbuch. Dann htte er vielleicht eingetragen: Gandalf, Tee, Mittwoch. Aber gestern war er dazu viel zu verwirrt gewesen. Kurz vor der Teezeit hrte Bilbo ein furchtbares Gebimmel an der Haustr. Da erinnerte er sich! Er rannte zur Kche, setzte den Teekessel auf, holte eine zweite Tasse und Untertasse und einen oder zwei Extrakuchen und lief zur Tr. "Ich bin ganz untrstlich, da ich Euch warten lie" , wollte er sagen, als er sah, da keineswegs Gandalf vor ihm stand. Es war ein Zwerg mit einem blauen Bart, den er hinter den Goldgrtel gesteckt hatte, mit leuchtenden Augen unter seiner dunkelgrnen Kapuze. Kaum war die Tr geffnet, so drngelte er sich auch schon hinein, gerade als ob er erwartet worden wre. Er hing seinen Kapuzenmantel an den nchsten Haken, verbeugte sich und sagte : "Dwalin, zu Euren Diensten!" "Bilbo Beutlin, zu Euren Diensten", antwortete der Hobbit, zu berrascht, um im Augenblick irgendwelche Fragen zu stellen. Als die darauffolgende Pause unangenehm wurde, fgte er hinzu: "Ich wollte gerade meinen Tee nehmen, bitte, trinkt eine Tasse mit." Das war vielleicht ein bichen steif, aber er meinte es ehrlich. Und was wrdet ihr tun, wenn ein uneingeladener Zwerg pltzlich hereingeschneit kme und seine Sachen an eure Garderobe hinge, ohne ein Wort der Erklrung. Sie saen nicht lange am Tisch, genauer gesagt, sie hatten es kaum bis zum dritten Kuchen gebracht, als ein neues, noch lauteres Gebimmel Bilbo aufschreckte. "Entschuldigt mich!" sagte er und ging zur Tr. "Habt Ihr schlielich doch noch hierhergefunden", wollte er diesmal Gandalf fragen. Aber es war nicht Gandalf. Statt Gandalf stand ein sehr ehrwrdig aussehender Zwerg auf der Schwelle, der einen weien Bart und eine purpurrote Kapuze trug. Auch er trappte herein, kaum da die Tr geffnet war, gerade als ob er eingeladen sei. "Wie ich sehe, kommen sie schon an", sagte er, als er Dwalins grne Kapuze am Haken sah. Er hngte seine purpurrote daneben, und: "Balin, zu Euren Diensten! " setzte er hinzu, die Hand auf der Brust. "Schnen Dank!" erwiderte Bilbo, der nach Luft schnappte. Das war zwar nicht korrekt, aber "sie kommen schon - das hatte ihn ernstlich verwirrt. Er hatte gern Besuch, aber lieber war es ihm, wenn er den Besuch kannte, bevor er ankam. Auch zog er es vor, Besucher selbst einzuladen. Es kam ihm der schreckliche Gedanke, da die Kuchen ausgehen knnten, und dann - als Gastgeber kannte er seine Pflichten und erfllte sie sogar in schmerzlichen Fllen -, und dann mute er selbst ohne Kuchen bleiben. "Kommt herein und trinkt einen Tee mit", brachte er dennoch heraus, nachdem er allerdings tief Atem geholt hatte. "Ein kleines Bier wre mir lieber, wenn es Euch nichts ausmacht, mein guter Herr", sagte Balin mit dem weien Bart. "Fr Kuchen wre ich dankbar - Kmmelkuchen, ja, das wre das Richtige, wenn es solchen bei Euch gibt!" "Massenweise!" hrte sich Bilbo zu seiner eigenen berraschung antworten. Er verschwand im Keller, um einen Krug mit Bier zu fllen, und dann in der Speisekammer, wo er zwei wundervolle runde Kmmelkuchen holte, die er erst diesen Nachmittag gebacken hatte als leckere Happen zum Abendbrot. Als er zurckkehrte, unterhielten sich Dwalin und Balin am Tisch wie alte Freunde (tatschlich waren sie Brder). Bilbo setzte das Bier und die Kuchen nicht gerade sacht vor sie hin, da lutete die Glocke schon wieder Sturm, einmal und noch einmal. Ja, diesmal ist es sicher Gandalf, dachte er, als er den Gang entlangschnaufte. Aber es war nicht Gandalf. Es waren zwei weitere Zwerge, beide mit blauen Kapuzen, silbernen Grteln und gelben Brten, und jeder trug einen Sack mit Werkzeugen und einen Spaten. Sie sprangen herein, kaum da die Tr einen Spalt geffnet war. Nun, Bilbo war kaum noch berrascht. "Was kann ich tun fr euch, meine Zwerge?" fragte er. "Kili, zu Euren Diensten", sagte der eine. "Und Fili", fgte der andere hinzu. Damit zogen sie ihre blauen Kapuzenmntel aus und verbeugten sich. "Gleichfalls : zu euren Diensten und den Diensten eurer ganzen Familie!" erwiderte Bilbo. Diesmal erinnerte er sich rechtzeitig an die guten Sitten. "Ich sehe, Dwalin und Balin sind bereits hier", sagte Kili. "Das wird hier ein schnes Gedrnge heute abend geben." Gedrnge! dachte Mister Beutlin. Das ist ja ein scheulicher Gedanke! Ich mu mich eine Minute hinsetzen, mich erst mal sammeln und einen kleinen Schluck nehmen! Nun, er hatte kaum ein Schlckchen getrunken - in der Ecke, whrend die vier Zwerge rund um den Tisch saen und ber Erzbergwerke und Gold sprachen, ber Verdru mit den Orks und die Verwstungen der Drachen und ber eine Menge anderer Unglcksflle, die er nicht verstand und die er auch gar nicht verstehen wollte, denn sie klangen ihm viel zu abenteuerlich -, als, ding-dong-da-ding-dang, seine Glocke schon wieder ging, als ob ein nichtsnutziger Hobbitjunge versuchte, den Griff abzureien. "Da ist wohl einer an der Tr", sagte er blinzelnd. "Einer? Wahrscheinlich vier, dem Gerusch nach zu urteilen", entgegnete Fili. "brigens sahen wir sie hinter uns herkommen." Der arme kleine Hobbit setzte sich in der Halle nieder und nahm seinen Kopf in die Hnde, wunderte sich, was geschehen war und was weiter geschehen wrde und ob die Gesellschaft sich auch noch zum Abendbrot einladen wrde. Dann schellte die Glocke lauter denn je, und er mute zur Tr rennen. Aber es waren nicht vier, es waren fnf Ein anderer war dazugekommen, whrend Bilbo sich noch in der Halle wunderte. Er hatte kaum den Trknopf gedreht, als auch schon alle im Gang standen, sich verbeugten und "zu Euren Diensten" sagten, einer nach dem anderen. Dori, Nori, Ori, Oin und Gloin waren ihre Namen, und sehr schnell hingen zwei purpurrote Kapuzenmntel, ein grauer, ein brauner und ein weier an den Haken, und die Kerle steckten ihre breiten Hnde in die goldenen und silbernen Grtel und gingen los, um sich mit den anderen zu vereinen. Nun war es wirklich beinahe ein Gedrnge geworden. Einige riefen nach Bier, andere nach Porter, einer nach Kaffee und alle nach Kuchen, so da der Hobbit fr eine Weile durchaus beschftigt war. Gerade hatte er einen groen Topf Kaffee in den offenen Kamin gesetzt, die Kuchen waren brigens ausgegangen, und die Zwerge hatten sich auf eine Runde schner mit Butter bestrichener Weizenbrtchen verlegt, da kam ein lautes Pochen. Kein Gebimmel, sondern ein hartes Pattpatt! von der wunderschnen grnen Tr unseres Hobbits. Irgendwer klopfte dort mit einem Stock an! Bilbo rannte den Gang entlang. Er war wtend und wirr zugleich. Dies war der widerwrtigste Mittwoch, den er je erlebt hatte. Mit einem Ruck ri er die Tr auf - da fielen sie alle herein, einer auf den anderen. Noch mehr Zwerge, noch einmal vier! Und da stand auch Gandalf hinter ihnen. Er lehnte sich auf seinen Stock und lachte. Er hatte eine tiefe Delle in die wunderschne Tr geschlagen und auf diese Weise das Geheimzeichen beseitigt, das er einen Morgen zuvor dort angebracht hatte. "Vorsichtig! Vorsichtig!" sagte er. "Das ist doch sonst nicht Eure Art, Bilbo, Freunde warten zu lassen und dann die Tr mit einem Ruck aufzuziehen. Lat mich vorstellen: Bifur, Bofur, Bombur und besonders Thorin!" "Zu Euren Diensten", sagten Bifur, Bofur und Bombur, die sich in einer Reihe aufgestellt hatten. Dann hngten sie zwei gelbe und eine blagrne Kapuze auf, und es war auch eine himmelblaue mit einer langen silbernen Quaste dabei. Sie gehrte Thorin, einem beraus berhmten Zwerg. Es war der groe Thorin Eichenschild selber, und es behagte ihm keineswegs, da er flach auf Bilbos Fumatte hinplumpste und Bifur, Bofur und Bombur auf ihn drauffielen. Denn Bombur war ungewhnlich fett und schwer. Thorin blieb infolgedessen sehr khl und sagte nicht "zu Diensten". Aber der arme Mister Beutlin bat so oft um Entschuldigung, da Thorin schlielich so etwas wie "es macht fast gar nichts" brummte und sogar aufhrte, lnger rgerlich dreinzuschauen. "Jetzt sind wir alle hier", sagte Gandalf, schaute die Reihe der dreizehn Kapuzen entlang - die besten Gesellschaftskapuzen brigens, die zur Verfgung standen - und hngte seinen eigenen Hut an den Haken. "Eine wirklich lustige Versammlung. Ich hoffe, es ist noch etwas zu essen und zu trinken brig fr die Zusptkommer. Wie, Tee? Nein, vielen Dank! Ein bichen Rotwein, das wre das Richtige fr mich." "Auch fr mich", fgte Thorin hinzu. "Und Himbeermarmelade und Apfeltrtchen", sagte Bifur. "Und Rosinenkuchen und Kse", sagte Bofur. "Und schne Pasteten und Salat", ergnzte Bombur. "Und noch ein paar Kuchen - und Bier - und Kaffee, wenn es Euch nichts ausmacht", riefen die anderen Zwerge durch die Tr. "Setzt ein paar Eier auf, Ihr seid wirklich ein groartiger Kerl", rief Gandalf hinter ihm her, als der Hobbit zu seinen Vorratskammern ging. "Und bringt kaltes Hhnchen mit und Essiggurken!" Es scheint, er kennt sich besser in meiner Speisekammer aus als ich selbst, dachte Mister Beutlin, der sich vllig berrumpelt fhlte und sich wunderte, in welch ein elendes Abenteuer er geradewegs in seinem eigenen Haus hineingeraten war. Mit der Zeit hatte er smtliche Flaschen und Schsseln, Messer und Gabeln, Glser und Platten und Lffel hoch auf riesige Tabletts gehuft. Ihm war sehr hei, er sah rot aus, und er war richtig rgerlich. "Zum Teufel mit diesen Zwergen. rief er laut. "Warum helfen sie nicht ein bichen?" Jetzt traue einer seinen Augen! Da standen Balin und Dwalin in der Kchentr und Kili und Fili dahinter, und bevor er noch "alle Wetter!" sagen konnte, hatten sie die Tabletts schon fortgetragen, ein paar kleine Tische ins Empfangszimmer gesetzt, und alles war ordentlich serviert. Gandalf sa obenan, die dreizehn Zwerge saen ihm zur Seite. Bilbo aber hockte auf einem Stuhl am Kamin und knabberte an einem Keks (der Appetit war ihm ziemlich vergangen). Er versuchte ein Gesicht aufzusetzen, als ob dies alles vollkommen in Ordnung sei und in keiner Weise ein Abenteuer fr ihn. Die Zwerge aen und aen und sprachen und sprachen, und die Zeit ging dahin. Schlielich schoben sie ihre Sthle zurck, und Bilbo machte eine Bewegung, als wolle er die Teller und Glser einsammeln. "Ich denke, ihr bleibt noch zum Abendbrot", sagte er in seinem hflichsten und ungezwungensten Ton. "Natrlich!" erwiderte Thorin. "Sogar noch lnger. Es wird spt werden, bis wir alle unsere Geschfte erledigt haben. Aber zuerst brauchen wir ein bichen Musik. Rumt ab!" Daraufhin sprangen zwlf Zwerge auf - ausgenommen Thorin, der eine viel zu hochgestellte Persnlichkeit war. Er blieb zu einem Schwatz mit Gandalf zurck. Die Zwerge stapelten das Geschirr zu hohen Turmbauten aufeinander. Sie warteten nicht lang auf Teebretter, sondern balancierten Trme von Tellern (jeder mit einer Flasche obendrauf) mit einer Hand, whrend der Hobbit quiekend vor Furcht hinter ihnen herlief : "Bitte, seid vorsichtig! Bitte, bemht euch nicht, ich mache das gern allein!" Aber die Zwerge begannen zu singen : "Schmeit mit Tellern, soviel euch pat, biegt die Messer und Gabeln krumm, tut, was Bilbo Beutlin hat, verbrennt die Korken, haut Flaschen um! Pikt ins Tischtuch und tretet ins Fett, giet die Milch auf den Kchenflur! Knochen im Bett sind besonders nett, giet den Wein in die Kuckucksuhr! Jetzt die Glser in den Mll hinein, stampft drauf, stampft und mit Gesang! Sind die Schsseln nicht kurz und klein, kegelt sie munter den Gang entlang! Alles, was Bilbo Beutlin hat! Hrt ihn blo : Vorsichtig angefat!" Natrlich machten sie nichts so Grliches, sondern splten das ganze Geschirr und stellten es sauber weg, schnell wie der Blitz, whrend der Hobbit sich in der Mitte der Kche um sich selbst drehte und versuchte, sie dabei zu beaufsichtigen. Dann kehrten sie zurck und fanden Thorin mit den Fen auf dem Kamingitter eine Pfeife rauchen. Dabei blies er die riesigsten Ringe in die Luft und befahl ihnen zu fliegen, wohin er wollte. Manche stiegen den Kamin hinauf oder hinter die Uhr auf dem Kaminsims, andere krochen unter den Tisch oder zogen unter der Decke immer im Kreis herum. Wohin die Ringe auch schwebten, so waren sie doch nie schnell genug, um Gandalf zu entkommen. Pop! Schon sandte er einen kleineren Rauchring aus seiner kurzen Tonpfeife geradewegs durch jeden von Thorins Ringen. Dann schien sich Gandalfs Rauchring ber den Spa zu freuen. Er kam zurck und schwebte eine Weile ber des Zauberers Haupt. Er hatte schon eine ganze Wolke von solchen Ringen ber sich, und das lie ihn in der Tat sehr zauberisch aussehen. Bilbo stand stumm dabei und sah zu. Er liebte Rauchringe. Aber er errtete bei dem Gedanken, wie stolz er gestern morgen auf jene Rauchringe gewesen war, die er mit dem Wind hinaus und ber den Berg gesandt hatte. "Jetzt ein bichen Musik", sagte Thorin. "Packt eure Instrumente aus!" Kili und Fili liefen zu ihren Ruckscken und brachten kleine Fiedeln. Dori, Nori und Ori holten Flten aus den unergrndlichen Taschen ihrer Kapuzenmntel. Bombur holte eine Trommel aus der Halle. Bifur und Bofur gingen ebenfalls hinaus und kamen mit Klarinetten zurck, die sie bei den Spazierstcken abgestellt hatten. Dwalin und Balin sagten: "Entschuldigung, unsere Instrumente liegen noch vor der Tr." "Dann bringt auch meines mit!" rief Thorin ihnen zu. Sie kamen zurck mit Bratschen, die grer als sie selbst waren, und mit Thorins in grnes Tuch eingeschlagener Harfe. Es war eine wunderbare goldene Harfe, und als Thorin sie schlug, begann die Musik so pltzlich und s, da Bilbo alles andere verga. Er wurde in dunkle Lande hinweggefhrt, unter seltsame Monde, weit fort ber das Wasser, sehr weit von seiner Hobbithhle unter dem Berg entfernt. Das Dunkel drang durch die kleinen Fenster, die in die Flanke des Berges eingelassen waren, in den Raum. Das Feuer flackerte. Es war April. Und noch immer spielten sie, whrend der Schatten von Gandalfs Bart unruhig ber die Wnde geisterte. Die Dunkelheit fllte den ganzen Raum, und das Feuer verlschte. Die Schatten ertranken, und immer noch spielten sie. Pltzlich begann erst einer, dann ein anderer, whrend sie weiterspielten, einen tiefen, kehligen Gesang von Zwergen in den verborgenen Landschaften ihrer alten Heimat. Und dies sind gleichsam Bruchstcke ihres Liedes, wenn es ohne Musik und Reim berhaupt ihrem Gesange gleichen kann : "Weit ber die kalten Nebelberge, zu den tiefen Verliesen und uralten Hhlen mssen wir fort, ehe der Tag anbricht, das bleiche verzauberte Gold suchen. Die Zwerge der grauen Zeiten wuten mchtigen Zauber, whrend die Hmmer wie klingende Glocken erklangen, im Unterirdischen, wo die dunklen Geheimnisse schlafen, in den groen Hhlen unter den kahlen Hgeln. Fr vergessene Knige und Elfenfrsten schufen sie gleiende, gldene Schtze, schmiedeten, schafften, fingen das Licht ein in den Edelsteinen dunkler Schwertgriffe. Auf silberne Halsketten reihten sie glitzernde Sterne auf, in Kronen fingen sie Drachenfeuer ein, in geflochtenen Drhten verstrickten sie das Licht von Mond und Sonne. Weit ber die kalten Nebelberge mssen wir fort, ehe der Tag anbricht, zu den tiefen Verliesen und uralten Hhlen und unser lang vergessenes Gold suchen. Die Kiefern rauschten auf der Hhe, und die Winde sthnten in der Nacht. Das Feuer war rot und barst wie ein Glutball. Die Bume brannten hell wie Fackeln. Dann tosten die Glocken unten im Tal, und die Menschen schauten mit fahlen Gesichtern herauf : der Zorn des Drachen entbrannte noch heller als Feuer, brach die Trme nieder und die zerbrechlichen Huser. Und der Berg rauchte unter dem Mond, und die Zwerge hrten den Schritt des Schicksals. Sie flohen aus ihrer Halle, um sterbend zu fallen, unter Drachentatzen, unter dem Mond. Weit ber die grimmigen Nebelberge, zu den tiefen Verliesen und dsteren Hallen mssen wir fort, ehe der Tag anbricht, und unsere Harfen, unser Gold heimholen." Whrend sie so sangen, versprte der Hobbit in sich die Liebe zu den wunderbaren Schtzen, die mit soviel Mhe und Geschick geschaffen worden waren, und wie durch einen Zauber entstand in ihm ein wtender, gieriger Wunsch, der auch die Herzen der Zwerge erfllte. Gleichzeitig erwachte etwas von der Tukseite in ihm. Er sehnte sich danach, hinauszuziehen und die groen Gebirge zu sehen und die Kiefern und Wasserflle rauschen zu hren, die Hhlen auszukundschaften und ein Schwert zu tragen statt eines Spazierstocks. Er schaute aus dem Fenster. Die Sterne standen an einem schwarzen Himmel hoch ber den Bumen. Er dachte an die Juwelen der Zwerge, die in dunklen Gewlben schimmerten. Pltzlich sprang am Horizont jenseits des Wassers eine groe Flamme auf (vielleicht hatte jemand ein Feuer entzndet), und er mute an plndernde Drachen denken, die sich auf seinem ruhigen Berg niederlieen und alles in Flammen erstickten. Da schauderte es ihn, und sehr schnell war er wieder Mister Beutlin von Beutelsend (Unter dem Berg). Zitternd stand er auf. Gern wollte er die Lampe holen. Aber noch lieber wre er unter diesem Vorwand nur hinausgegangen; dann htte er sich hinter den Bierfssern im Keller versteckt und wre erst hervorgekommen, wenn alle Zwerge auf und davon waren. Pltzlich merkte er, da die Musik und der Gesang aufgehrt hatten und da sie ihn alle anschauten mit Augen, die im Dunkeln schimmerten. "Wohin wollt Ihr?" fragte Thorin in einem Ton, der anzuzeigen schien, da er unseres Hobbits Absichten erraten hatte. "Wie wre es mit einem bichen Licht?" sagte Bilbo entschuldigend. "Wir lieben die Dunkelheit", antworteten die Zwerge. "Dunkelheit fr die dunklen Geschfte! Bis zur Dmmerung sind es noch viele Stunden." "Natrlich", sagte Bilbo und setzte sich rasch wieder hin. Er verfehlte aber den Stuhl und setzte sich auf das Kamingitter, wobei er mit einem Krach den Schrhaken und die Schaufel umwarf. "Ruhe!" sagte Gandalf. "Hrt jetzt Thorins Rede!" Und Thorin begann: "Gandalf, Zwerge und Mister Beutlin! Wir haben uns im Hause unseres Freundes und Mitverschwrers zusammengefunden, dieses ausgezeichneten und wagemutigen Hobbits - mgen die Haare an seinen Zehen niemals ausfallen! Alles Lob seinem Wein und seinem Bier!" Er machte eine Atempause, um dem Hobbit Gelegenheit zu einer hflichen Bemerkung zu geben. Aber seine Hflichkeit war gnzlich verloren, denn der arme Bilbo Beutlin machte nur protestierend seinen Mund auf und zu. Man hatte ihn wagemutig genannt und noch schlimmer: Mitverschwrer. Aber Bilbo bekam nicht einmal ein Krchzen heraus, so verstrt war er. Also fuhr Thorin fort : "Wir sind zusammengekommen, um unsere Plne, unsere Wege, unsere Mittel, unsere Politik und unsere Listen zu besprechen. Wir wollen bald, noch ehe der Tag anbricht, unsere lange Reise beginnen, eine Reise, von der einige von uns oder vielleicht sogar alle (ausgenommen natrlich unser Freund und Ratgeber, der erfindungsreiche Zauberer Gandalf) nie mehr zurckkehren werden. Es ist ein feierlicher Augenblick. Unsere Absicht, das darf ich annehmen, ist allen wohlbekannt. Fr den hochehrenwerten Mister Beutlin, aber auch fr den einen oder anderen von den jngeren Zwergen (ich denke hier beispielsweise an Kili und Fili) erfordert unsere augenblickliche Lage einige krzere Erluterungen..." Dies war Thorins Stil. Er war eine berhmte Zwergenpersnlichkeit. Htte man es erlaubt, so wre er in diesem Stil vermutlich fortgefahren, bis er die Puste verloren htte - ohne irgendwem irgend etwas zu erzhlen, das er nicht lngst schon wute. Aber er wurde mitleidslos unterbrochen. Der arme Bilbo konnte es nicht lnger ertragen. Bei dem Wort "nie mehr zurckkehren" sprte er einen Schrei in sich aufsteigen, und sehr bald brach er aus wie das Pfeifen einer Lokomotive, die aus einem Tunnel herauskommt. Alle Zwerge sprangen auf und stieen dabei den Tisch um. Gandalf entzndete ein blaues Licht am Ende seines Zauberstabes, und in seinem Gefunkel konnte man den armen Hobbit auf dem Kaminvorleger knien sehen, wabbelig wie Slze, die zu schmelzen beginnt. Dann fiel er platt auf den Boden und rief in einem fort: "Vom Blitz erschlagen, vom Blitz erschlagen!" Und das war alles, was sie fr eine lange Weile aus ihm herausbringen konnten. Sie nahmen ihn auf und brachten ihn hinber ins Wohnzimmer, legten ihn auf das Sofa, stellten ihm etwas zu trinken hin und kehrten zurck zu ihren dunklen Geschften. "Ein erregbarer kleiner Bursche", sagte Gandalf, als sie sich wieder niedergesetzt hatten. "Er bekommt komische, verrckte Anwandlungen. Aber er ist einer der Besten, einer der Besten - wtend wie ein Drache in der Klemme." Wenn ihr jemals einen Drachen in der Klemme gesehen habt, so werdet ihr feststellen, da dies eine hchst poetische bertreibung in bezug auf einen Hobbit war. Das htte selbst auf des alten Tuks Urgroonkel Stierbrller nicht gepat, der (fr einen Hobbit) so gro war, da er ein Pferd besteigen konnte. Der griff die Reihen der Kobolde am Berg Gram in der Schlacht auf den Grnen Feldern an und schlug ihrem Knig Golfimbul mit einer hlzernen Keule glatt den Kopf ab. Der Kopf aber segelte 100 Meter weit durch die Luft und fiel in ein Kaninchenloch. Und auf diese Weise wurde im gleichen Augenblick sowohl die Schlacht gewonnen als auch das Golfspiel erfunden. Wie dem auch immer sei, Stierbrllers zahmerer Abkmmling kam in seinem Wohnzimmer wieder zu sich. Nach einer gewissen Weile und einem kleinen Trunk kroch er aufgeregt zur Tr des Empfangszimmers. Da hrte er Gloin folgendes sagen: "Humph!" (oder ein mehr oder weniger hnliches Ruspern) "Glaubt ihr, da er es schaffen wird. Fr Gandalf ist es leicht zu behaupten, dieser Hobbit sei wtend. Aber ein Schrei wie dieser, wer wei in welchem Augenblick der Erregung, wrde gengen, den Drachen und seine ganze Sippschaft aufzuwecken und uns alle ums Leben zu bringen. Ich meine, es klang viel mehr nach Furcht als nach Erregung! Tatsache, wenn nicht das Zeichen an der Tr gewesen wre, so htte ich bestimmt geglaubt, da ich in ein falsches Haus gekommen bin. Sobald ich einen Blick auf diesen kleinen Burschen geworfen hatte, der auf der Fumatte herumhopste, da hatte ich meine Zweifel. Er sieht mehr nach einem Krmer als nach einem Meisterdieb aus." Da drehte Mister Beutlin den Trknopf und trat ein. Die Tukseite hatte gewonnen. Er sprte, da er ohne Bett und Frhstck losziehen konnte, ja, sie sollten sehen, da er wtend und kampfhungrig war. Und was den kleinen Burschen anging, der auf seiner Fumatte herumhopste, so machte ihn das wirklich wtend. Noch lange spter bedauerte der Beutlin, was er jetzt tat. Und er sagte zu sich: Bilbo, du warst ein Verrckter. Du bist mit offenen Augen in dein Unglck gestolpert! "Verzeiht", sagte er nmlich, "wenn ich einiges mit angehrt habe. Ich verstehe zwar nicht, worber ihr euch unterhalten habt, verstehe auch nicht eure Bemerkung ber Meisterdiebe, aber ich nehme an, da ich richtig vermute (und das nannte er Wrde bewahren) - da ihr mich fr untauglich haltet. Ich werde es euch zeigen. Ich habe keine Zeichen an meiner Tr, sie wurde erst vor einer Woche gestrichen -, und ich bin ganz sicher, da ihr in das falsche Haus gekommen seid. Sobald ich eure merkwrdigen Gesichter auf der Trschwelle sah, hatte ich meine Zweifel. Aber betrachtet es nunmehr als das richtige Haus. Erzhlt mir, was ihr getan haben wollt, und ich werde es versuchen, selbst wenn ich bis zum Ende der Welt marschieren und mit den Lindwrmern in der letzten Wste kmpfen mte. Ich hatte einen Ur-Ur-Ur-Groonkel! Stierbrller Tuk." "Ja, gewi, aber das ist lange her", sagte Gloin. "Ich sprach von Euch. Und ich versichere Euch, da ein Zeichen an der Tr war - das bliche im Geschftsleben: ,Meisterdieb sucht gute Arbeit mit viel Aufregungen und gegen angemessenen Lohn`. So ist dieses Zeichen ja gewhnlich zu verstehen. Ihr knnt auch Bewhrter Schatzjger an Stelle von Meisterdieb sagen, wenn das Euch besser gefllt. Mancher tut es auch, aber fr uns ist es ein und dasselbe. Gandalf erzhlte uns, da es hier in dieser Gegend einen solchen Mann gbe, der gerade einen derartigen Posten sucht, und da er eine Zusammenkunft hier fr diesen Mittwoch nachmittag arrangiert habe." "Natrlich ist das Zeichen da", sagte Gandalf, "ich habe es selbst angebracht. Aus gutem Grund. Ihr batet mich, den vierzehnten Mann fr eure Expedition zu finden, und ich whlte Mister Beutlin. Es soll mir blo einer sagen, ich htte den falschen Mann oder das falsche Haus ausgesucht, und ihr knnt euch mit dreizehn abfinden, knnt eurem Migeschick in die Arme laufen oder zurckgehen und wieder Kohlen kratzen." Er runzelte die Stirn so frchterlich, da Gloin sich rasch in seinen Stuhl drckte, und als Bilbo den Mund ffnen wollte, um eine Frage zu stellen, drehte er sich um, starrte auch ihn an, und seine buschigen Augenbrauen streckten sich so weit vor, da Bilbo den Mund zuschnappen lie. "In Ordnung", sagte Gandalf. "Keine Auseinandersetzungen mehr. Ich habe Mister Beutlin ausgewhlt, und das sollte euch gengen. Wenn ich sage, er ist ein Meisterdieb, dann ist er ein Meisterdieb oder wird einer sein, wenn die Zeit dazu kommt. Es steckt eine Menge mehr in ihm, als ihr meint, und eine Menge mehr, als er selbst es ahnt. Wahrscheinlich werdet ihr mir alle noch einmal dankbar dafr sein. Nun, Bilbo, mein Junge, holt die Lampe und lat ein bichen Licht darauf fallen." Im Schein der Lampe mit dem roten Schirm breitete er auf dem Tisch ein Stck Pergament aus, das wie eine Karte aussah. "Dies hat Euer Grovater angefertigt, Thorin", entgegnete er auf die aufgeregten Fragen der Zwerge. "Es ist ein Plan des Berges." "Mir scheint, das wird uns nicht viel helfen", sagte Thorin enttuscht nach einem kurzen Blick auf das Pergament. "Ich erinnere mich gut genug an den Berg und die Lnder in seiner Umgebung, und ich wei, wo der Nachtwald ist und die Verwitterte Heide, wo die groen Drachen hausen." "Da ist oben auf dem Berg rot ein Drache eingezeichnet" , meinte Balin, "aber es drfte nicht schwerfallen, ihn auch ohne diesen Plan zu finden, wenn wir jemals dort oben ankommen." "Da ist jedoch ein Punkt, den Ihr nicht bemerkt habt", sagte Gandalf, "und das ist der geheime Eingang: Seht Ihr diese Rune auf der Westseite und die Hand, die von den anderen Runen her darauf hinzeigt? Das bedeutet einen verborgenen Zugang zu den unteren Gewlben." "Kann sein, da dieser Zugang irgendwann einmal geheim war", entgegnete Thorin, "aber wie knnen wir wissen, ob er noch immer geheim ist? Der alte Smaug hat dort lange genug gelebt, um alles herauszufinden, was es ber diese Gewlbe herauszufinden gibt." "Mglich - aber er kann seit Jahr und Tag mit diesem Zugang nichts anfangen." "Warum?" "Weil der Eingang zu klein ist. Fnf Fu hoch die Tr, und drei passen nebeneinander, sagen die Runen. Aber Smaug konnte in ein solches Loch nicht hineinkriechen, selbst nicht, als er noch ein Jungdrache war, gewi aber nicht, nachdem er so viele Zwerge und Menschen aus dem Tal gefressen hat." "Mir scheint es aber doch ein sehr groes, mchtiges Loch zu sein", quiekte Bilbo, der keine Erfahrung mit Drachen hatte und sich nur auf Hobbithhlen verstand. Er war schon wieder aufgeregt und sehr interessiert, so da er vllig verga, den Mund zu halten. Landkarten mochte er sehr gern. In seiner Halle hing eine groe Karte von der Umgebung, in die mit roter Tinte all seine Lieblingswege eingezeichnet waren. "Wie sollte, sehen wir einmal vom Drachen ab, eine solch groe Tr drauen unbemerkt geblieben sein?" fragte er. Er war nur ein kleiner Hobbit, verget das nicht. "Da gibt es Mglichkeiten genug", sagte Gandalf. "Aber auf welche Weise gerade dieser Zugang verborgen gehalten wurde, das werden wir, ohne an Ort und Stelle nachzuschauen, nicht herausfinden. Der Karte nach zu urteilen, gibt es dort eine verschlossene Tr, die so angefertigt wurde, da sie genau wie der Berg selbst aussieht. So macht man das doch bei den Zwergen, nicht wahr?" "Genauso", antwortete Thorin. "Auch verga ich zu erwhnen", fuhr Gandalf fort, "da mit der Karte ein Schlssel auf uns kam, ein alter und merkwrdiger Schlssel. Hier ist er", sagte er und hndigte Thorin einen silbernen Schlssel mit einem langen Stiel und einem komplizierten Bart aus. "Verwahrt ihn sicher!" "Das werde ich", erwiderte Thorin und befestigte ihn an einer dicken Kette, die unter dem Rock um seinen Hals hing. "Jetzt sieht alles schon hoffnungsvoller aus. Bisher hatte ich keine klare Vorstellung, was zu tun ist. Wir wollten, so schnell und vorsichtig wie mglich, nach Osten bis zum Langen See ziehen. Danach wrden die Schwierigkeiten beginnen. ... " "Schon eine ganze Zeit vorher, wenn ich ber die Wege recht unterrichtet bin", unterbrach ihn Gandalf. "Wir knnten von dort aufwrts dem Eiligen Wasser folgen", fuhr Thorin fort, der von Gandalfs Bemerkung keine Notiz nahm, "bis zu den Ruinen von Dal, der alten Stadt im Tal am Fue des Berges. Aber keiner von uns denkt gern an das Haupttor. Der Flu kommt unmittelbar aus ihm heraus und schiet durch die groen Klippen sdlich des Berges. Aber aus diesem Haupttor kommt auch der Drache heraus, viel zu oft, wenn er nicht seine Gewohnheiten gendert hat." "Das wrde zu keinem guten Ende fhren", sagte der Zauberer, "jedenfalls nicht ohne einen mchtigen Krieger oder einen richtigen Helden. Ich versuchte, einen zu finden, aber die Krieger bekmpfen sich eifrig untereinander, und in unserer Gegend sind Helden selten geworden, oder es gibt sie berhaupt nicht mehr. Die Schwerter sind bei uns gewhnlich voller Scharten, die xte braucht man zum Bumefllen, die Schilde als Suglingswiegen und Topfdeckel, und die Drachen sind angenehm weit weg (und deshalb nur noch Fabeltiere). Darum habe ich mich auf die Meisterdieberei verlegt, besonders, weil ich mich an das Seitentor erinnerte. Und hier ist unser kleiner Bilbo Beutlin, der Meisterdieb, der auserwhlte und berufene Meisterdieb. Jetzt weiter, lat uns Plne machen." "Gut also", sagte Thorin, "ich vermute, da der Meisterdieb uns einige seiner Ideen und Vorschlge unterbreiten will." Er wandte sich mit spttischer Hflichkeit an Bilbo Beutlin. "Zunchst wte ich gern ein bichen mehr ber die ganze Angelegenheit", sagte Bilbo und war sehr verwirrt und innerlich ein bichen unsicher. Aber immer noch bestimmte ihn die Tukseite dazu, sich weiter mit der Angelegenheit zu befassen. "Ich meine, ber das Gold und den Drachen und wie er das bekommen hat und wem es gehrt." "Donnerwetter sagte Thorin. "Habt Ihr Euch nicht die Karte angesehen? Und habt Ihr nicht unser Lied gehrt? Und haben wir nicht seit Stunden darber diskutiert?" "Trotzdem wrde ich es gern klar und deutlich hren" , sagte er eigensinnig und setzte seine Geschftsmiene auf (sonst nur fr Leute bestimmt, die Geld von ihm leihen wollten). Er tat sein Bestes, um klug und berufstchtig zu erscheinen und um Gandalfs Empfehlung gerecht zu werden. "Auerdem mte ich Bescheid wissen ber das Risiko, ber die Nebenausgaben, die bentigte Zeit, die Belohnung usw.!" - womit er meinte: Was bekomme ich selbst dafr, und kehre ich berhaupt lebendig zurck?. "Oh, sehr gut", erwiderte Thorin. "Sehr lange ist es her, da in den Tagen meines Grovaters unsere Familie aus dem fernen Norden vertrieben wurde. Sie kam mit all ihren Reichtmern und ihren Werkzeugen zu diesem Berge hier auf der Karte. Dann gruben meine Vorfahren und trieben Stollen vor und machten hohe Gewlbe und groe Werksttten - und ich glaube, da sie auch eine ganze Menge Gold und viele Edelsteine dabei fanden. Jedenfalls wurden sie ungewhnlich reich und berhmt, und mein Grovater wurde Knig unter dem Berge. Ja, er wurde mit groer Hochachtung von den Menschen behandelt, die im Sden lebten und sich allmhlich das Eilige Wasser hinauf bis dorthin ausbreiteten, wo das Tal vom Berge berschattet war. Sie bauten dort in jenen Tagen die frhliche Stadt Dal. Knige riefen unsere Schmiede an ihre Hfe, und selbst fr die weniger Geschickten war die Belohnung berreich. Vter baten uns, ihre Shne als Lehrlinge einzustellen, und bezahlten uns ordentlich, besonders mit Lebensmitteln. Wir brauchten uns daher nicht mehr damit abzumhen, das Gemse selbst anzubauen. Alles zusammengenommen : Es waren gute Tage fr uns, und selbst der rmste hatte Geld genug auszugeben und zu verleihen, hatte Mue, wunderbare Arbeiten rein zum Spa herzustellen, gar nicht zu reden von den hbschen Zauberspielzeugen, die bis auf den heutigen Tag nirgendwo anders auf der Welt mehr zu finden sind. So wurden die Gewlbe meines Grovaters mit Rstungen und Edelsteinen gefllt, mit Schnitzereien und Bechern, und die Spielzeuglden von Dal waren ein Anblick, den man nicht mehr verga. Zweifellos lockte gerade das den Drachen an. Drachen stehlen Gold und Edelsteine, wie Ihr wit, bestehlen Menschen und Elben und Zwerge, wo auch immer sie etwas finden knnen. Und sie hten ihren Raub, solange sie leben (und das ist praktisch ewig, wenn sie nicht umgebracht werden). Dabei erfreuen sie sich nicht einmal an einem Messingring. Es ist schon so : Sie knnen kaum ein gutes Werkstck von einem schlechten unterscheiden, obwohl sie gewhnlich eine sehr gute Nase fr seinen Verkaufspreis haben. Aber sie knnen nichts selbst machen, nicht einmal eine lose Schuppe an ihrem Schuppenpanzer befestigen. Nun, in jenen Tagen gab es eine Menge Drachen im Norden. Wahrscheinlich wurde das Gold dabei knapp. Die Zwerge flohen nach Sden oder wurden gettet, und die allgemeine Verwstung und Verheerung, die die Drachen anrichteten, wandte alles vom Schlechten zum Schlechteren. Unter ihnen gab es einen besonders gierigen, starken und verschlagenen Drachen, Smaug genannt. Eines Tages flog er auf und kam nach Sden. Das erste, was wir von ihm hrten, war ein Lrm wie von einem wilden Sturm, der aus dem Norden heranwirbelte. Die Bergkiefern krachten und zerbrachen im Sturm. Einige Zwerge, die das Glck hatten, drauen zu sein (und ich war einer von den glcklichen, ein prchtiger draufgngerischer Bursche in jenen Tagen, immerzu auf Wanderschaft, und das rettete mir an diesem Tage das Leben) - gut also, aus angemessener Entfernung sahen wir, wie der Drache sich auf unserem Berg in einer riesigen Flamme niederlie. Dann kam er den Hang herab, und als er die Wlder erreichte, da gingen sie in Flammen auf. In dieser Stunde luteten alle Glocken in Dal. Die Krieger rsteten sich, die Zwerge strzten aus dem groen Tor - aber dort wartete der Drache auf sie. Auf diesem Weg entkam keiner. Der Flu zerkochte in weiem Dampf, ein dichter Nebel senkte sich auf Dal herab, und da fiel auch schon der Drache ber die Krieger her und vernichtete die meisten - es war das bliche unglckselige Geschick, nur zu blich in jenen Tagen. Dann ging Smaug zurck und kroch durch das Haupttor und stberte in allen Hallen und Gngen, in Stollen und Gchen, in Kellern, Wohnungen und Durchgngen umher. Danach war im Berginnern kein Zwerg mehr am Leben, und er nahm all ihre Reichtmer in Besitz. Wahrscheinlich, denn das ist Drachengewohnheit, hat Smaug alles tief in der Erde auf einen groen Haufen gestapelt und schlft darauf wie auf einem Bett. Spter kroch er oft aus dem groen Tor heraus, kam bei Nacht nach Dal und schleppte Leute weg, besonders Jungfrauen, um sie aufzufressen - bis Dal zerstrt und alles Volk tot oder geflohen war. Was jetzt dort vorgeht, wei ich nicht. Aber ich vermute, da heutzutage niemand nher am Berge wohnt als am uersten Ende des Langen Sees. Die wenigen von uns, die drauen waren, verbargen sich und weinten und verfluchten Smaug. Pltzlich stieen eines Tages mein Vater und mein Grovater mit versengten Brten zu uns. Sie sahen sehr grimmig aus, sagten aber sehr wenig. Wenn ich sie fragte, wie sie herausgekommen wren, bedeuteten sie mir, ich solle meine Zunge hten, und sie sagten, da ich eines Tages zur rechten Zeit alles wissen wrde. Danach zogen wir fort. Wir muten unser Leben fristen, so gut wir konnten, da und dort in den Lndern. Oft genug sanken wir bis zum Hufschmied hinab, oder wir muten sogar in die Kohlenbergwerke gehen. Aber niemals haben wir unseren gestohlenen Schatz vergessen. Und gerade jetzt, da ich mir erlauben darf zu sagen, da wir eine ganz schne Menge beiseite gelegt haben und da es uns durchaus nicht schlecht geht" Thorin strich ber die goldene Kette, die um seinen Hals hing, "hoffen wir noch immer, ihn zurckzuerhalten und unsere Flche ber Smaug zu bringen - falls es uns verstattet ist. Ich habe mich oft ber die Flucht meines Vaters und meines Grovaters gewundert. Jetzt sehe ich, da sie eine Nebentr benutzten, die nur ihnen allein bekannt war. Augenscheinlich zeichneten sie auch eine Karte. Doch jetzt mchte ich wissen, wie Gandalf sich ihrer bemchtigte und warum sie nicht auf mich, den rechtmigen Erben, gekommen ist." "Ich habe mich nicht ihrer bemchtigt", sagte Gandalf. "Sie wurde mir gegeben. Euer Grovater wurde gettet, wie Ihr Euch erinnert, von einem Ork in den Bergwerken von Moria." "Verflucht sei der Ork", warf Thorin ein. "Und Euer Vater ging am 21. April, am letzten Donnerstag vor hundert Jahren, fort, und Ihr habt ihn seitdem nicht mehr gesehen." "Wahr, wahr", sagte Thorin. "Gut. Euer Vater gab mir fr Euch dies. Und wenn ich meine eigene Zeit und meine eigene Weise dazu whlte, so knnt Ihr mir kaum am Zeug flicken. Bedenkt die Schwierigkeiten, die ich hatte, um Euch zu finden! Euer Vater konnte sich nicht einmal an seinen eigenen Namen erinnern, als er mir das Pergament bergab, und Euren Namen konnte er mir auch nicht sagen. Richtig betrachtet, denke ich, da man mich loben und da man mir danken mte! Hier ist die Karte." Damit hndigte er sie Thorin aus. "Ich verstehe das nicht", sagte Thorin, und Bilbo htte am liebsten dasselbe gesagt, denn die Erklrung schien nichts zu erklren. "Euer Grovater", fuhr der Zauberer verrgert fort, "gab die Karte aus Sicherheitsgrnden seinem Sohn, bevor er in die Bergwerke von Moria ging. Nachdem Euer Grovater gettet worden war, ging Euer Vater fort, denn er wollte sein Glck mit der Karte versuchen. Er hatte eine Menge von hchst unerfreulichen Abenteuern, aber niemals kam er an den Berg heran. Wie er schlielich in das Verlies des Geisterbeschwrers gekommen ist, wo ich ihn gefangen fand, das wei ich nicht." "Was habt Ihr denn dort getan?" fragte Thorin mit einem Schauder, und alle Zwerge bekamen eine Gnsehaut. "Das braucht Ihr nicht zu wissen. Ich mute etwas auskundschaften, wie gewhnlich, und es war ein widerwrtiges, gefhrliches Geschft. Selbst ich, Gandalf, bin gerade noch mit heiler Haut davongekommen. Ich wollte Euren Vater retten. Aber es war zu spt. Er war ohne Verstand, redete irre und hatte fast alles vergessen, ausgenommen die Karte und den Schlssel." "Wir haben es vor langer Zeit den Orks von Moria heimgezahlt", sagte Thorin. "Jetzt wre es an der Zeit, dem Geisterbeschwrer eine Lehre zu erteilen." "Redet kein dummes Zeug! Das ist ein Geschft, das die Krfte aller Zwerge weit berschreitet, selbst wenn sie einer aus allen vier Enden der Welt zusammenrufen wrde. Das einzige, was Euer Vater wnschte, war, da Ihr die Karte lesen und den Schlssel benutzen sollt. Drache und Berg sind mehr als groe Aufgaben fr Euch!" "Hrt. Hrt!" warf Bilbo ein, und zufllig sagte er es laut. "Hrt was?" fragten sie alle und wandten sich Bilbo pltzlich zu. Er wurde darber so verwirrt, da er sagte: "Hrt, was ich euch zu sagen habe!" "Gern. Und was wre das?" fragten sie. "Also, pat auf, ich wrde sagen, da ihr nach Osten gehen und euch einmal dort umschauen solltet. Schlielich gibt es da eine Nebentr, und Drachen sollen manchmal schlafen, vermute ich. Wenn ihr lange genug dort auf der Trschwelle sitzt, so mchte ich annehmen, da euch etwas einfllt. Und nun gut, meint ihr nicht auch, da wir fr eine Nacht lange genug gesprochen haben, wenn ihr versteht, was ich damit meine? Was haltet ihr von einem Bett und von einem frhen Aufbruch? Ich werde euch ein gutes Frhstck geben, bevor ihr auszieht." "Bevor wir ausziehen, das meint Ihr doch sicher", sagte Thorin. "Seid Ihr nicht der Meisterdieb? Und ist das Sitzen auf der Trschwelle dort nicht Euer Geschft, gar nicht vom Hineingehen zu sprechen? Aber was Bett und Frhstck betrifft, so stimme ich zu. Ich habe sechs Eier mit Schinken gern, wenn ich eine Reise beginne - aber fein gebraten, keine gerhrten Eier! Und lat sie blo nicht auslaufen!" Nachdem auch alle anderen ihr Frhstck ohne das geringste "Bitteschn" bestellt hatten (was Bilbo sehr verrgerte), standen sie auf. Der Hobbit mute Platz fr alle schaffen, und er fllte seine Gastzimmer und machte Betten auf Sthlen und Sofas, bis er jeden verstaut hatte. Dann legte er sich in sein eigenes kleines Bett und war sehr mde und nicht gerade glcklich. Eines stand jedoch fr ihn fest - mit dem Aufstehen und mit der Zubereitung des lumpigen Frhstcks wollte er sich nicht allzusehr beeilen. Die Tukseite brauchte sich auf, und er war jetzt gar nicht mehr sicher, da er am nchsten Morgen auf Reisen gehen wrde. Wie er so in seinem Bett lag, konnte er Thorin nebenan im besten Schlafzimmer still vor sich hin summen hren: "Weit ber die kalten Nebelberge, zu den tiefen Verliesen und uralten Hhlen mssen wir fort, ehe der Tag anbricht, unser lang vergessenes Gold suchen." Dies in den Ohren, schlief Bilbo ein, und es bescherte ihm recht unangenehme Trume. Es war lang nach Tagesanbruch, als er aufwachte. ~Gebratenes Hammelfleisch Bilbo sprang auf, zog seinen Morgenrock an und ging in das Speisezimmer. Dort sah er niemand, fand jedoch alle Zeichen eines ausgedehnten, aber eiligen Frhstcks. In dem Zimmer war ein Durcheinander zum Frchten, und Haufen von ungespltem Geschirr standen in der Kche; fast alle Tpfe und Pfannen, die er besa, schienen gebraucht zu sein. Der Aufwasch war traurige Tatsache. Bilbo mute einsehen, da die Gesellschaft der Nacht zuvor keineswegs einem Alptraum entsprungen war, wie er fast gehofft hatte. Nach allem war er sogar erleichtert bei dem Gedanken, da die ungebetenen Gste ohne ihn fortgegangen waren und ihn nicht einmal geweckt hatten (aber ohne ein Dankeschn, dachte Bilbo). Er fhlte sich ein bichen enttuscht. Und dies Gefhl berraschte ihn. Sei kein Narr, Bilbo Beutlin! sagte er zu sich selbst. In deinem Alter an Drachen und all den auslndischen Unsinn zu denken! So band er sich eine Schrze um, machte Feuer, lie Wasser kochen und wusch auf. Dann verzehrte er ein hbsches kleines Frhstck in der Kche, bevor er das Speisezimmer auskehrte. Die Sonne schien, die Haustr stand offen und lie eine warme Frhlingsbrise herein. Bilbo begann laut zu pfeifen und die vergangene Nacht zu vergessen. Gerade hatte er sich im Speisezimmer am offenen Fenster zu einem kleinen zweiten Frhstck niedergesetzt, als Gandalf hereinkam. "Mein lieber Junge", sagte er, "wann gedenkt Ihr eigentlich zu kommen? Wie war das mit dem frhen Aufbruch? Und hier sitzt Ihr nun beim Frhstck, oder wie Ihr es nennt, um halb elf! Sie haben Euch doch eine Nachricht hinterlassen, weil sie nicht warten konnten." "Eine Nachricht?" fragte der arme Mister Beutlin ganz verwirrt. "Du lieber Himmel!" antwortete Gandalf. "Ich kenne Euch nicht wieder. Habt Ihr denn den Kaminsims noch nicht abgestaubt?" "Was hat das damit zu tun? Ich habe genug mit dem Abwasch fr vierzehn zu schaffen gehabt!" "Httet Ihr den Kaminsims abgestaubt, so httet Ihr dies hier unter der Uhr gefunden", sagte Gandalf und bergab Bilbo einen Brief (der natrlich auf Bilbos eigenem Briefpapier geschrieben war). Da war folgendes zu lesen: "Thorin & Companie gren den Meisterdieb Bilbo! Fr Eure Gastfreundschaft unseren aufrichtigen Dank, und fr Euer Angebot beruflicher Hilfeleistung unsere freundliche Annahme. Bedingungen: Auszahlung bei Ablieferung. Der Betrag darf den 14. Teil des Gesamtgewinns, wenn es berhaupt welchen geben sollte, erreichen, darf ihn aber keinesfalls berschreiten, alle Reisekosten in jedem Falle garantiert; Begrbniskosten werden von uns oder unseren Vertretern getragen, falls sich die Notwendigkeit ergeben sollte und die Angelegenheit nicht auf andere Weise geregelt werden kann. Da wir es nicht fr notwendig erachten, Eure hochgeschtzte Ruhe zu stren, sind wir vorausgegangen, um unsere Vorbereitungen zu treffen, und werden Eure geachtete Persnlichkeit beim Gasthaus, Zum grnen Drachen` zu Wassernach Punkt elf erwarten. Hoffend, da Ihr pnktlich sein werdet, haben wir die Ehre zu verbleiben Eure sehr verbundene Thorin & Co." "Das lt Euch gerade noch zehn Minuten. Ihr mt laufen", bemerkte Gandalf. "Aber -", sagte Bilbo. "Keine Zeit dafr", sagte der Zauberer. "Aber ich -", fing Bilbo noch einmal an. "Auch dafr keine Zeit! Ihr mt losgehen." Bis zum Ende seiner Tage konnte Bilbo sich nicht erinnern, wie er herausgekommen war, ohne Hut, ohne Spazierstock und ohne Geld, ohne irgend etwas, das er gewhnlich mit sich nahm, wenn er ausging. Sein zweites Frhstck lie er halb beendet und das Geschirr ungesplt. Die Schlssel drckte er Gandalf in die Hand, und dann rannte er, so schnell wie seine bepelzten Fe ihn den Weg hinuntertrugen, an der groen Mhle vorbei ber das Wasser und dann eine ganze Meile weiter oder mehr. Er schnaufte mchtig, als er Wassernach genau auf den Glockenschlag elf erreichte. Und dabei entdeckte er, da er ohne Taschentuch unterwegs war! "Bravo!" sagte Balin, der an der Wirtshaustr nach ihm Ausschau gehalten hatte. Gerade in diesem Augenblick kamen die anderen um die Wegkehre vom Dorf her. Sie saen auf Ponys, und jedes Pony war bepackt mit allen mglichen Gepckstcken, Paketen, Bndeln und Ausrstungsgegenstnden. Es war auch ein sehr kleines Pony dabei, augenscheinlich fr Bilbo. "Auf, ihr zwei, und los geht's!" sagte Thorin. "Es tut mir schrecklich leid, entgegnete Bilbo, "aber ich bin ohne Hut gekommen, habe mein Taschentuch vergessen und kein Geld eingesteckt. Um genau zu sein: Ich habe euren Brief erst nach 10.45 Uhr bekommen." "Ihr braucht nicht genau zu sein", sagte Dwalin, "und sorgt Euch nicht deshalb! Ihr werdet auch ohne Taschentcher und ohne manches andere zurechtkommen, bevor das Ende der Reise erreicht ist. Und was den Hut angeht, so habe ich einen berzhligen Kapuzenmantel in meinem Gepck." So nahm die Reise ihren Anfang. Sie trotteten mit ihren beladenen Ponys an einem schnen Morgen kurz vor dem 1. Mai vom Wirtshaus los. Bilbo trug eine dunkelgrne Kapuze (sie war ein bichen verschossen) und einen dunkelgrnen Mantel, den Dwalin ihm geliehen hatte. Beides war ein bichen weit fr ihn, und er sah ziemlich komisch darin aus. Was htte sein Vater Bungo gesagt - ich wage nicht, es auszudenken. Bilbos einzige Beruhigung war, da er nicht mit einem Zwerg verwechselt werden konnte, denn er trug keinen Bart. Sie waren noch nicht sehr lang geritten, als Gandalf auf einem prchtigen weien Pferd erschien. Er hatte eine Masse Taschentcher mitgebracht und Bilbos Pfeife und Tabak dazu. So ritt die Gesellschaft in bester Stimmung weiter. Man erzhlte einander Geschichten und sang Lieder. Den ganzen Tag ber wurde geritten, ausgenommen natrlich, wenn man der Mahlzeiten wegen anhielt. Diese jedoch gab es durchaus nicht so oft, wie Bilbo es gern gesehen htte. Aber immerhin kam es ihm vor, als ob Abenteuer schlielich doch nicht so schlimm wren, wie er angenommen hatte. So ging es eine ganze Weile. Ein ausgedehnter Landstrich mute durchquert werden, der von einem achtbaren Volk bewohnt wurde, von Menschen, Hobbits, Elben und was wei ich von wem sonst noch. Die Wege waren gut, es gab auch ein paar Gasthuser, und hin und wieder traf man einen Zwerg, einen Kesselflicker oder einen Bauern, die ihren Geschften nachgingen. Aber nach einer gewissen Zeit gelangten sie in eine Gegend, wo die Leute sonderbar sprachen und Lieder sangen, die Bilbo nie zuvor gehrt hatte. Die Gasthuser wurden rar und waren gar nicht gut, und die Wege wurden immer schlechter. Hher und hher erhoben sich die Berge. Auf einigen standen Burgen, denen man ansah, da sie zu bsen Zwecken erbaut worden waren. Auch das Wetter, das bisher so schn gewesen war, wie es der Mai sonst nur in frhlichen Geschichten ist, schlug um, und es wurde geradezu scheulich. "Dabei haben wir morgen den ersten Juni", brummte Bilbo, whrend er hinter den anderen in einer sehr schmutzigen Spur einherpatschte. Teezeit war vorber. Es go in Strmen, und es hatte den ganzen Tag ber schon so gegossen. Von der Kapuze tropfte es ihm in die Augen, der Mantel hatte sich voll Wasser gesogen, das Pony war mde und stolperte ber die Steine, und die anderen waren viel zu brummig, um zu sprechen. Ich bin sicher, da der Regen bis in die Kleider gegangen ist und in die Verpflegungstaschen, dachte Bilbo. Verflixte Meisterdieberei und alles, was damit zu tun hat! Ich wnschte, ich wre zu Hause in meiner hbschen Hhle beim Kaminfeuer, wenn gerade der Kessel anfngt zu summen! Es war nicht das letzte Mal, da er sich das wnschte. Die Zwerge trotteten weiter, keiner drehte sich um, keiner nahm vom Hobbit Notiz. Hinter den grauen Bergen mute die Sonne untergegangen sein, denn es wurde dunkel. Wind kam auf, und die Weiden am Fluufer beugten sich und seufzten. Ich wei nicht, was fr ein Flu es war. Er flo sehr rasch und war erdigrot; die Regengsse der letzten Tage hatten ihn stark anschwellen lassen. Er kam herab aus dem Gebirge, das vor ihnen lag. Es war beinahe Nacht. Der Wind ri die grauen Wolken auf, und zwischen den fliegenden Wolkenfetzen erschien der Mond ber den Bergen. Sie hielten an, und Thorin brummte etwas von Abendessen und "wo sollen wir einen trockenen Fleck zum Schlafen finden?" Bisher hatten sie nicht bemerkt, da Gandalf verschwunden war. Er war den ganzen Weg bei ihnen gewesen. Kein Wort hatte er darber verlauten lassen, ob er am Abenteuer teilzunehmen gedachte oder ob er ihnen nur fr eine Weile Gesellschaft leisten wollte. Er hatte am meisten gegessen, am meisten erzhlt und am meisten gelacht. Und nun war er einfach nicht mehr da. "Ausgerechnet wenn ein Zauberer am ntzlichsten sein knnte", maulten Dori und Nori (die des Hobbits Ansichten ber regelmige, zahlreiche und ausfhrliche Mahlzeiten teilten). Endlich beschlossen sie, da sie ihr Lager hier an Ort und Stelle errichten wollten. Sie zogen zu einer Baumgruppe, unter der es zwar ein bichen trockener war, aber der Wind schttelte den Regen von den Blttern, und das Dripp-dripp war hchst strend und unerfreulich. Auch schien das Unglck ins Feuer q. gefahren zu sein. Zwerge knnen berall und aus allem Feuer machen, mit Wind oder ohne Wind. Aber in dieser Nacht gelang es ihnen nicht. Selbst Oin und Gloin nicht, die darin besonders gut waren. Dann bekam eines der Ponys vor einem Nichts einen Schreck und ging durch. Es sprang in den Flu, bevor sie es fangen konnten. Und bevor sie es wieder herausholen konnten, waren Fili und Kili beinahe ertrunken, und das ganze Gepck, das das Pony getragen hatte, wurde vom Strom weggerissen. Ausgerechnet ihre Verpflegung war darin; es blieb ihnen sehr wenig fr das Abendessen und noch weniger fr das Frhstck brig. Da saen sie klamm und na und laut brummend, whrend Oin und Gloin es noch einmal mit dem Feuer versuchten und sich dabei in die Haare gerieten. Bilbo dachte gerade traurig darber nach, da Abenteuer durchaus nicht nur Spazierritte auf dem Pony im Maisonnenschein waren, als Balin, der stets den Ausguck bernahm, herberrief: "Da droben ist ein Licht!" Sie lagerten nicht weit von einem Berg, der teilweise dicht bewaldet war. Zwischen den dunklen Stmmen konnte man ein Licht scheinen sehen, ein rtliches, sehr angenehm aussehendes Licht, vielleicht ein Feuer oder eine flackernde Fackel. Nachdem sie eine Weile hingeschaut hatten, begannen sie zu streiten. Einige sagten nein, und andere sagten ja. Einige sagten, wer wollte, knnte ja gehen und nachschauen, und das wre am Ende besser als wenig Abendbrot und noch weniger Frhstck und nasse Kleider die ganze Nacht. Wieder andere sagten: "Diese Landstriche sind nicht genug erforscht. Sie liegen zu nahe am Gebirge. Reisende kommen nicht so weit, die alten Karten taugen nichts, und die Strae ist unbewacht. Man hat auch noch gar nichts von dem Knig hierherum gehrt, und je weniger genau einer hinschaut, wenn er hier durchzieht, desto weniger Verdru wird er haben." Einige sagten: "Schlielich sind wir vierzehn." Andere fragten: "Wohin ist Gandalf verschwunden?" Diese Bemerkung wurde von allen wiederholt. Dann begann der Regen herabzurauschen, schlimmer denn je, und Oin und Gloin gerieten sich abermals in die Wolle. Das gab den Ausschlag. "Wie es auch sei : Wir haben einen Meisterdieb bei uns", sagten sie. Und so machten sie sich auf und fhrten ihre Ponys (mit aller gebhrenden Vorsicht) auf den Lichtschein zu. Sie kamen an den Fu des Berges und waren bald im Wald. Sie gingen den Berg hinauf, aber es war kein ordentlicher Pfad zu sehen, der vielleicht zu einem Haus oder zu einem Bauernhof htte fhren knnen. Sie taten, was sie konnten, und machten doch allerhand Krach, Geraschel und Geknarre, als sie zwischen den Bumen in pechschwarzer Nacht dahinzogen (und ein gut Teil Murren und Fluchen kam auch dazu). Pltzlich schimmerte das rote Licht ganz hell und gar nicht weit vor ihnen durch die Bume. "Jetzt ist unser Meisterdieb an der Reihe" sprachen sie und schauten Bilbo an. "Geht los und kundschaftet dieses Licht aus, seht zu, warum es leuchtet und ob dort alles sicher und ohne Gefahr ist", sagte Thorin zu dem Hobbit. "Geht jetzt und kommt rasch zurck, falls alles in Ordnung ist. Wenn nicht, dann kommt zurck, falls Ihr knnt! Falls es aber nicht geht, dann heult zweimal lang wie eine Schleiereule und einmal kurz wie eine Baumeule, und dann wollen wir tun, was wir knnen." Bilbo mute losgehen, bevor er erklren konnte, da er berhaupt wie keine einzige Eulensorte zu heulen verstand. Ebensogut htte man verlangen knnen, er solle wie eine Fledermaus fliegen. Aber wie dem auch sei, Hobbite knnen sich lautlos in den Wldern vorwrts bewegen. Sie sind stolz darauf. Mehr als einmal hatte Bilbo schon verchtlich ber das geschnauft, was er den "Zwergenspektakel" nannte, wenn die Kerle so dahertapsten - obgleich weder ihr noch ich in einer solch strmischen Nacht irgend etwas vernommen httet, nicht einmal, wenn die ganze Gesellschaft in zwei Schritt Entfernung vorbergerumpelt wre. Bilbo pirschte sich also an den roten Lichtschein heran, und nicht einmal einem Wiesel zuckte ein Schnurrbarthaar. Bilbo ging geradewegs auf das Feuer zu - denn ein Feuer war es -, ohne irgendwen aufzustren. Und dies sah unser Hobbit: Drei mchtig groe Kerle saen rund um ein gewaltiges Feuer aus Buchenstmmen. Sie brieten Hammelfleisch an langen hlzernen Bratspieen und leckten das Fett von ihren Fingern. Ein auerordentlich wohltuender Duft stach ihm in die Nase. Auch stand ein Fa mit einem guten Tropfen neben ihnen, und die Kerle tranken aus Krgen. Es waren augenscheinlich Trolle. Selbst Bilbo, trotz seines bisher wohlgeordneten Lebens, konnte das sehen: an den groben Gesichtern, an ihrer Gre, an der Lnge ihrer Beine - nicht zu erwhnen ihre Sprache, die keineswegs gepflegt war. Keineswegs. "Hammelfleisch gestern, Hammelfleisch heute, und verdammich, wenn es nicht morgen auch nach Hammelfleisch riecht", sagte einer von den Trollen. "Seit langem haben wir nicht einen winzigen Fetzen Menschenfleisch gegessen", sagte der zweite. "Was zur Hlle hat Bill sich dabei gedacht, als er Uns in diese Gegend brachte. Und noch schlimmer: Das Gesff wird auch schon alle." Dabei stie er Bill, der gerade einen tiefen Zug aus dem Krug tat, am Ellbogen an. Bill verschluckte sich. "Halt dein Maul!" sagte er, sobald er die Sprache wiederfand. "Ihr knnt doch nicht erwarten, da die Leute hierbleiben und von dir und Bert gefressen werden wollen. Mittlerweile habt ihr zusammen eineinhalb Drfer gefressen, seit wir aus dem Gebirge herunterkamen. Wieviel wollt ihr denn noch fressen? Es wre lngst an der Zeit gewesen, fr einen solch netten fetten Hammelbrocken, wie dies einer war, danke schn zu sagen!" Dabei ri er einen ordentlichen Fetzen von der Hammelkeule, die er gerade rstete, und wischte sich den Mund am rmel ab. Ja, es ist schlimm, Trolle benehmen sich nun einmal so, selbst diejenigen, die nur einen Kopf haben. Nachdem Bilbo das erlauscht hatte, htte er eigentlich sofort etwas ur1ternehmen mssen. Entweder htte er geruschlos zurckgehen und seine Freunde warnen mssen, da hier drei ausgewachsene Trolle in unangenehmer Laune saen, Burschen, die gewi gern einmal gebratene Zwerge oder zur Abwechslung wenigstens Ponys versuchen wrden. Oder er htte rasch eine vernnftige Dieberei ausfhren mssen. Ein wirklich erstklassiger und berhmter Meisterdieb htte an seiner Stelle wohl etwas aus den Trolltaschen herausstibitzt - das lohnt sich fast immer - oder das Hammelfleisch von den Bratspieen gestohlen, das Bier entwendet und sich dann unbemerkt zurckgezogen. Andere, mehr praktisch denkende, aber weniger berufsstolze Leute wrden jedem der Kerle vielleicht einen Dolch zwischen die Rippen gesetzt haben - ehe sie berhaupt etwas merkten. Und dann htte man die Nacht angenehm verbringen knnen. Bilbo wute es. Er hatte eine Menge Dinge gelesen, die er niemals gesehen oder selbst getan hatte. Jetzt aber war er sehr beunruhigt und ebenso entrstet. Er wnschte sich hundert Meilen fort. Und doch - irgendwie brachte er es nicht bers Herz, stracks mit leeren Hnden zu Thorin und seinen Gesellen zurckzugehen. So stand er im Schatten und zgerte. Da ihm von den verschiedenen Diebesgeschften, von denen er gehrt hatte, das Ausnehmen von Trolltaschen das am wenigsten schwierige schien, kroch er zuletzt hinter den Baum, vor dem Bill sa. Bert und Tom gingen ans Fa. Und Bill tat einen neuen krftigen Zug. Da nahm Bilbo all seinen Mut zusammen und steckte seine kleine Hand in Bills riesige Tasche. Es war eine Geldbrse darin, fr Bilbo so gro wie ein Sack. Ha! dachte er, als er die Brse vorsichtig herausholte - und seine neue Arbeit gefiel ihm dabei schon bedeutend besser -, das ist ein schner Anfang. Und das war er auch! Trollbrsen sind nmlich ein Unglck , und diese war keine Ausnahme. "Hier bin ich, wer seid Ihr?" quiekte sie, als sie aus der Tasche herausgezogen wurde, und Bill drehte sich sofort um und griff Bilbo beim Nacken. "Teufel, Bert, sieh dir an, was ich gegriffen habe. rief Bill. "Was ist es denn?" fragten die anderen und kamen heran. "Na, wenn ich s selbst wte. He, wer bist du?" "Bilbo Beutlin, ein Meister - ein Hobbit", sagte der arme Bilbo, klapperte mit den Zhnen und berlegte, wie er einen Eulenruf ausstoen konnte, bevor sie ihn erdrosselten. "Ein Meisterhobbit?" fragten sie, ein bichen erschrocken. Trolle sind schwer von Begriff und sehr mitrauisch allem Neuen gegenber. "Was zum Teufel hat aber ein Meisterhobbit mit meiner Tasche zu tun?" fragte Bill. "Kann man den wohl kochen?" meinte Tom. "Du kannst es ja versuchen", entgegnete Bert und nahm einen kleinen Bratspie auf. "Er wird kaum einen Mundvoll geben", beschwichtigte Bill, der sich bereits ein ausgezeichnetes Abendessen einverleibt hatte. "Jedenfalls nicht, wenn Haut und Grten weg sind." "Vielleicht luft noch mehr von dem Zeug hier herum, und wir knnen Gehacktes machen", sagte Bert. "He, du, kriechen da noch mehr von deiner Sorte in den Wldern herum, du schmutziges kleines Kaninchen?" fragte er und schaute auf die braunen Pelzfe des Hobbits. Er griff ihn bei den Zehen und schttelte ihn. "Ja, massenweise, schrie Bilbo, bevor er sich daran erinnerte, da man seine Freunde nicht preisgeben darf. "Nein, kein einziger, nicht ein einziger", sagte er sofort hinterher. "Was meinst du eigentlich?" drohte Bert und hob ihn diesmal an den Haaren hoch. "Genau was ich sage", entgegnete Bilbo keuchend. "Und bitte, kocht mich nicht, meine werten Herren! Ich bin selber ein guter Koch und koche bestimmt besser, als wenn ihr mich kocht. Hoffentlich versteht ihr, wie ich das meine. Ich will wunderbar fr euch kochen, ihr sollt ein ganz groartiges Frhstck haben, wenn ihr mich blo nicht jetzt zum Abendessen verspeist." "Arme Krte", sagte Bill (ich berichtete schon, da er bereits so viel Abendbrot gegessen hatte, wie sein Magen es gerade noch vertrug; auerdem hatte er sich eine Riesenmenge Bier einverleibt). "Arme Krte! Lat sie hopsen." "Nicht eher, als bis er sagt, was er mit ,massenweise und nicht ein einziger` meint", erwiderte Bert. "Ich lege keinen Wert darauf, da mir jemand im Schlaf die Kehle durchschneidet. Halt seine Zehen ins Feuer, bis er spricht." "Das will ich nicht", sagte Bill. "Ich hab ihn gegriffen!" "Du bist ein dicker Esel, Bill", entgegnete Bert, "das hab ich heute abend schon einmal gesagt." "Und du bist ein Lmmel." "Und das la ich mir von dir nicht gefallen, Bill Huggins", schrie Bert und schlug Bill mit der Faust ins Auge. Dann gab es eine prchtige Keilerei. Bilbo hatte gerade noch so viel Verstand, da er, als sie ihn auf die Erde fallen lieen, aus dem Bereich ihrer Fe kroch. Und dann verbissen sich die beiden wie Hunde ineinander und warfen einander alle mglichen durchaus zutrefFenden Schimpfnamen an den Kopf. Bald hatten sie sich gegenseitig im Schwitzkasten und rollten beinahe ins Feuer. Sie traten und schlugen um sich, whrend Tom mit einem Ast auf sie losprgelte, um sie wieder zu Verstand zu bringen. Aber das machte sie natrlich nur noch verrckter. Jetzt wre es fr Bilbo an der Zeit gewesen, endgltig zu verschwinden. Aber sein armer kleiner Fu war in Berts Pranke sehr gequetscht worden, auch hatte er keine Luft mehr, und in seinem Kopf drehte sich alles um und um. Japsend blieb Bilbo auerhalb des vom Feuer beleuchteten Kreises liegen. Mitten whrend des Kampfes erschien Balin. Die Zwerge hatten aus der Entfernung den Lrm gehrt, und nachdem sie eine Weile auf Bilbo oder auf einen Eulenruf gewartet hatten, kroch einer nach dem anderen, so leise er es vermochte, auf das Licht zu. Kaum sah Tom den heranschleichenden Balin in den Lichtkreis treten, als er ein schreckliches Geheul von sich gab. Trolle verabscheuen ganz einfach den Anblick von Zwergen (ungekochten). Bert und Bill hrten sofort auf zu kmpfen und schrien: "Ein Sack, Tom, rasch!" Bevor Balin, der sich wunderte, wo Bilbo bei all diesem Durcheinander steckte, begriff, was geschah, hatte er schon einen Sack berm Kopf und lag auf dem Boden. "Da wird leicht noch mehr kommen", rief Tom, "oder ich mu mich mchtig tuschen. Massenweise und nicht ein einziger: Das ist es sagte er. "Keine Meisterhobbits aber eine ganze Masse von diesen Zwergen hier. So also ist das zu verstehen!" "Ich schtze, du hast recht", entgegnete Bert. "Am besten, wir gehen aus dem Licht." Und das taten sie auch. Mit Scken in den Hnden, die sie sonst dazu brauchten, Hammel und anderen Raub wegzuschleppen, warteten sie im Schatten. Jedesmal, wenn ein Zwerg herankam und berrascht das Feuer anschaute; die umgeschtteten Krge und das angenagte Hammelfleisch - hopp! da hatte er einen hlichen, belriechenden Sack ber dem Kopf und lag auf der Erde. Bald lag Dwalin neben Balin und Fili neben Kili, und Dori, Nori und Ori lagen auf einem Haufen, und Oin und Gloin, Bifur, Bofur und Bombur stapelten sich verhngnisvoll nahe beim Feuer. "Das wird ihnen eine Lehre sein", sagte Tom, denn Bifur und Bombur hatten eine Menge Mhe gemacht. Sie hatten gefochten wie die Irren, wie Zwerge es tun, wenn sie in die Enge getrieben werden. Thorin kam zuletzt - aber er lie sich nicht ahnungslos berrumpeln. Er hatte schon ein Unglck vorausgeahnt und brauchte nicht erst die Beine seiner Freunde aus den Scken ragen zu sehen, da begriff er schon, da nicht alles zum besten stand. Er blieb im Schatten und fragte: "Was ist hier los? Wer hat meine Leute niedergeschlagen?" "Das sind die Trolle!" erwiderte Bilbo hinter einem Baum. Die Kerle hatten ihn ganz vergessen. "Mit Scken lauern sie in den Struchern", fgte er hinzu. "Oh! Tatsache?" sagte Thorin, und schon sprang er vorwrts zum Feuer, bevor sie ihn erwischen konnten. Er griff einen dicken, an seinem Ende hellodernden Ast, und Bert bekam dieses Ende ins Auge, ehe er wegspringen konnte. Das setzte ihn fr eine Weile auer Gefecht. Auch Bilbo tat sein Bestes. Er bekam Toms Bein zu fassen so gut das ging, denn es war so dick wie ein junger Baumstamm. Aber er wurde auf ein Gebsch hinaufgewirbelt, und Tom trat Thorin Funken ins Gesicht. Dafr bekam Tom den Ast in die Zhne und verlor einen von den vorderen. Er heulte ganz schn auf, das kann ich euch erzhlen. Aber gerade in diesem Augenblick kam Bill von hinten heran und warf einen Sack genau auf Thorins Kopf und herunter bis zu seinen Zehen. Damit war der Kampf zu Ende. Sie saen nun ganz hbsch in der Falle. Sauber in Scke gebunden, mit drei wtenden Trollen, die daneben hockten (zwei davon mit Brandblasen und Beulen) und stritten, ob sie die Gesellschaft nun langsam rsten sollten oder kleinhacken und kochen oder ob sie sich nur der Reihe nach draufsetzen und sie zu Slze zerquetschen sollten. Und Bilbo hing oben im Gestruch, Kleider und Haut zerrissen, und wagte sich nicht zu bewegen, aus Furcht, da sie ihn hren knnten. Gerade in diesem Augenblick kam Gandalf zurck. Aber niemand sah ihn. Die Trolle hatten inzwischen beschlossen, die Zwerge sofort zu rsten und erst spter zu essen. brigens war dies Berts Gedanke. Nach vielem Gerede hatten sie ihm zugestimmt. "Zu bld, die Burschen jetzt zu rsten. Das wrde die ganze Nacht dauern", sagte eine Stimme. Bert nahm an, es wre Bill. "Fang blo nicht wieder mit der Streiterei an, Bill! " sagte er, "oder es wird tatschlich die ganze Nacht dauern." "Wer streitet?" fragte Bill, denn er dachte, Bert htte gesprochen. "Du, wer denn sonst", antwortete Bert. "Du bist ein Lgner", sagte Bill. Und schon begann der Streit von neuem. Am Ende beschlossen sie, die Zwerge fein zu hacken und sie zu kochen. Sie holten also einen groen schwarzen Topf herbei und zogen ihre Messer heraus. "Zu bld, die Burschen zu kochen! Wir haben kein Wasser da, und es ist ein ganz schner Weg bis hinunter zur Quelle", sagte eine Stimme. Bert und Bill dachten, es wre Tom. "Halt's Maul!" schrien sie. "Oder wir schaffen es nie. Und du kannst das Wasser selbst holen, wenn du noch ein Wort sagst." "Halt du geflligst dein Maul!" rief Tom, der annahm, er htte Bills Stimme gehrt. "Ich mchte blo wissen, warum du dauernd nrgeln mut." "Du bist ein Dmlack", sagte Bill. "Ein Dmlack bist du selbst!" schrie Tom wtend zurck. Und so begann die Streiterei schon wieder und wurde hitziger denn je, bis sie schlielich bereinkamen, sich auf einen Sack nach dem anderen zu setzen, die Zwerge zu zerquetschen und sie morgen zu kochen. "Auf welchen Sack wollen wir uns zuerst setzen?" fragte die Stimme. Am besten setzen wir uns auf den letzten zuerst", antwortete Bert, dessen Auge von Thorin ganz schn beschdigt worden war. Er dachte, Tom htte gesprochen. "Red' nicht mit dir selbst! " rief Tom. "Aber wenn du gern auf dem letzten sitzen willst, setz dich doch drauf Welcher ist es denn?" "Der mit den gelben Strmpfen", sagte Bert. "Unsinn, der mit den grauen Strmpfen", widersprach eine Stimme, die Bills hnelte. "Ich bin aber sicher, da sie gelb waren", behauptete Bert. "Klar, sie waren gelb", sagte Bill. "Warum hast du dann aber gesagt, da sie grau waren?" fragte Bert. "Ich? Niemals. Tom hat es gesagt." "Das hab ich nie gesagt!" rief Tom wtend. "Du warst es!" "Zwei zu eins, und jetzt halt dein Maul!" sagte Bert. "Mit wem sprichst du eigentlich?" fragte Bill. "Mach endlich Schlu!" riefen Tom und Bert gleichzeitig. "Die Nacht geht vorbei, und die Dmmerung kommt frh. Fangen wir endlich an." "Die Dmmerung hol euch alle, und zu Stein sollt ihr werden!" sagte eine Stimme, die klang, als ob es Bills Stimme wre. Aber das war sie keineswegs. Denn gerade in diesem Augenblick wurde es hell ber dem Hgel, und ein mchtiges Zittern lief durch die Zweige. Bill machte seinen Mund nicht mehr auf, denn er hatte sich in einen Stein verwandelt, als er sich bckte. Und Bert und Tom wurden zu Felsen, als sie sich nach ihm umschauten. Und so stehen sie noch bis auf den heutigen Tag. Ganz einsam, wenn sich nicht gerade ein Vogel auf sie setzt. Denn Trolle, wie ihr wahrscheinlich wit, mssen vor der Dmmerung unter der Erde sein - oder sie werden wieder zu Gebirgsgestein, aus dem sie gemacht sind, und rhren sich nie mehr. Und so geschah es mit Bert, Tom und Bill. "Ausgezeichnet", sagte Gandalf, als er hinter dem Gestruch hervortrat und Bilbo half, aus dem Dornbusch herabzuklettern. Da begriff der gute Bilbo. Es war des Zauberers Stimme gewesen, die die Trolle so lange nrgeln und streiten lie, bis das Licht kam und ein Ende mit ihnen machte. Das nchste war, die Scke aufzubinden und die Zwerge herauszulassen. Sie waren nahezu erstickt und sehr bel gelaunt. Nun, es war ja auch wirklich keine Freude, dazuliegen und den Plnen der Trolle zuzuhren, die sie rsten, zerquetschen und zerhacken wollten. Bilbo mute zweimal berichten, wie es ihm ergangen war, bis die Zwerge wirklich zufrieden waren. "Eine bldsinnige Gelegenheit, sich in der Meister- und der Taschendieberei zu ben" ,bemerkte Bombur, "was wir brauchten, war ein Feuer und etwas zu essen!" "Und gerade das httet ihr von diesen Burschen ohne einen Kampf nun einmal nicht erhalten", sagte Gandalf. "Jedenfalls vergeudet jetzt nicht eure Zeit. Knnt ihr euch nicht vorstellen, da die Trolle hier in der Nhe eine Hhle oder ein Loch haben mssen, wo sie sich vor der Sonne versteckten? Wir mssen uns umschauen!" Sie suchten die Umgebung ab, und bald fanden sie die Spuren der Steinschuhe ihrer Trolle, die fort in den Wald fhrten. Sie folgten ihnen bergauf, bis sie, durch Gebsch verborgen, ein starkes Felstor entdeckten, das zu einer Hhle fhrte. Aber sie konnten es nicht ffnen, selbst als sie sich alle dagegenstemmten. Gandalf versuchte inzwischen einige Zauberformeln. "Knnte uns das vielleicht helfen fragte Bilbo, nachdem sie mde und rgerlich geworden waren. "Ich fand es auf dem Platz, wo die Trolle sich herumgeschlagen haben." Er hielt einen groen Schlssel in der Hand, den Bill ohne Zweifel fr sehr klein und geheim gehalten hatte. Er mute ihm aus der Tasche gefallen sein, bevor er zu Stein wurde. "Warum in aller Welt habt Ihr das nicht vorher gesagt?" riefen sie. Gandalf ergriff den Schlssel und steckte ihn in das Schlsselloch. Das Felstor drehte sich mit krftigem Schwung nach innen, und sie stolperten hinein. Da lagen Knochen auf dem Boden, und ein scheulicher Geruch stand in der Luft. Aber es gab hier eine ganze Menge an Ebarem, achtlos auf Brettern und dem Erdboden aufgestapelt. Darunter befand sich ein unordentlicher Haufen von geraubtem Zeug, angefangen mit Messingknpfen bis zu Tpfen voller Goldstcke, die in einer Ecke standen. Eine Menge Kleider baumelte an den Wnden - aber sie waren zu klein fr Trolle, und ich frchte, sie gehrten einmal ihren Opfern. Zwischen ihnen hingen Schwerter verschiedener Form, Art und Gre. Besonders zwei nahmen ihre Blicke wegen der wunderbaren Schwertscheiden und der mit Juwelen besetzten Griffe gefangen. Gandalf und Thorin ergriffen jeder eines, und Bilbo nahm ein Messer, das in einer Lederscheide stak. Fr einen Troll wre es hchstens ein winziges Taschenmesser gewesen. Aber fr einen Hobbit war es geradezu ein Kurzschwert. "Das sieht nach guten Klingen aus", sagte der Zauberer, der sie halb herauszog und aufmerksam betrachtete. "Sie sind von keinem Troll gemacht, auch nicht von einem Menschenschmied dieser Gegend und unserer Tage. Aber wenn wir die Runen darauf lesen knnen, werden wir mehr darber wissen." "Verschwinden wir mglichst schnell aus diesem grlichen Gestank!" sagte Fili. So trugen sie also die Tpfe mit den Goldmnzen hinaus und die Lebensmittel, die noch unberhrt waren und ebar aussahen, auch ein noch fast volles Bierfa. Sie sehnten sich schon nach einem Frhstck, und da sie sehr hungrig waren, verschmhten sie keineswegs, was sie aus der Speisekammer der Trolle herausgeholt hatten. Ihre eigenen Vorrte waren sehr knapp. Aber jetzt hatten sie Brot und Kse und Bier genug und Speck zum Rsten in der glhenden Asche. Danach schliefen sie, denn schlielich hatten sie eine bewegte Nacht hinter sich, und so unternahmen sie bis zum Nachmittag nichts weiter. Dann aber sattelten sie ihre Ponys, trugen die Tpfe mit Gold weg und gruben sie insgeheim nicht weit von dem Pfad am Flu ein. Sie sprachen viele und mchtige Zauberformeln ber ihnen aus, damit sie, falls sie das Glck haben sollten, jemals zurckzukehren, den Schatz wiederfinden konnten. Als dies getan war, stiegen sie auf und trotteten auf dem Pfad weiter nach Osten. "Wo seid Ihr gewesen, wenn ich fragen darf?" sagte Thorin zu Gandalf im Reiten. "Nach vorn schauen", antwortete er. "Und was brachte Euch gerade zur rechten Zeit zurck?" "Nach hinten schauen", sagte er. "Sehr richtig. " meinte Thorin. "Aber knntet Ihr nicht ein bichen genauer berichten?" "Ich ging los, um unseren Weg auszukundschaften. Der wird bald sehr gefhrlich und schwierig werden. Auch sorgte ich mich um unsere wirklich nicht sehr groen Vorrte. Immerhin, ich war noch nicht weit gekommen, als ich ein paar von meinen Freunden aus Rivendell traf." "Wo ist das, Rivendell?" fragte Bilbo. "Unterbrecht mich nicht!" erwiderte Gandalf. "Ihr seid in wenigen Tagen dort, wenn wir Glck haben, und dann seht Ihr selbst. Wie ich also sagte, traf ich zwei von Elronds Leuten. Sie hatten es sehr eilig, aus Furcht vor den Trollen. Die beiden haben mir erzhlt, da drei Trolle aus dem Gebirge gekommen wren und sich dicht beim Wege in den Wldern niedergelassen htten. Die Trolle htten jedermann aus der Gegend vertrieben und wrden Fremden auflauern. Da hatte ich pltzlich das Gefhl, da ich zurckkehren mte. Als ich zurckblickte, sah ich in der Ferne ein Feuer und ging darauf zu. So, jetzt wit Ihr es. Bitte, seid vorsichtiger beim nchsten Mal, oder wir kommen niemals an unser Ziel." "Vielen Dank fr die Belehrung", sagte Thorin. ~Eine kurze Rast Sie sangen nicht und erzhlten auch keine Geschichten an diesem Tag, obgleich das Wetter sich besserte. Sie taten es auch am nchsten Tag nicht und auch nicht am Tag danach, denn sie ahnten, da ringsum Gefahren drohten. Sie bernachteten unter den Sternen, und fr ihre Pferde war der Tisch besser gedeckt als fr sie selbst. Gras gab es genug, aber es gab nicht viel in ihren Vorratsscken, selbst nicht mit dem, was sie bei den Trollen herausgeholt hatten. An einem Morgen durchquerten sie den Flu an einer breiten, seichten Stelle, in der das Wasser zwischen den Steinen brauste und rauschte. Das andere Ufer war steil und glitschig. Sie fhrten ihre Ponys hinauf, und von der Uferhhe aus sahen sie, da das Gebirge dicht an sie herangekommen war. Fast schien es, als brchte sie eines einzigen Tages leichte Reise zum Fu des ersten Berges. Dunkel und dster sah er aus, obgleich Sonnenstreifen auf seinen braunen Hngen lagen und hinter seinem Gipfel die Spitzen der Schneehupter glnzten. "Ist das der Berg?" fragte Bilbo mit feierlicher Stimme und betrachtete ihn mit groen runden Augen. Nie hatte er etwas so Gewaltiges gesehen. "Keineswegs!" antwortete Balin. "Dies ist nur der Anfang der Nebelberge. Und wir mssen hindurch oder hinber oder drunter durch, ganz gleich, wie, ehe wir in das Eindland jenseits kommen. Und es ist noch ein schner Weg auf der anderen Seite zum Einsamen Berg im Osten, wo Smaug auf unserem Schatz liegt." "Oh!" sagte Bilbo. Und in diesem Augenblick fhlte er sich mder, als er jemals in seinem Leben gewesen war. Er dachte abermals an seinen bequemen Stuhl vor dem Kaminfeuer, an sein geliebtes Wohnzimmer in der Hobbithhle und an der singenden Teekessel. Und dies nicht zum letzten Male! Nun fhrte Gandalf. "Wir drfen den Pfad nicht verlieren, oder es ist um uns geschehen", sagte er. "Auerdem brauchen wir Lebensmittel und Ruhe und sichere Rast. Auch mssen wir die Nebelberge auf dem richtigen Pfad berqueren, sonst geht ihr ganz in die Irre, mt zurckkehren und von vorn anfangen (wenn ihr berhaupt jemals zurckkehrt)." Sie fragten ihn, was er vorhabe, und er antwortete : "Ihr seid nun an die Grenze zur Wildnis gelangt, wie einige von euch vielleicht wissen. Irgendwo verborgen vor uns liegt das schne Tal von Rivendell, wo Elrond in seinem Anwesen lebt. Ich schickte Botschaft durch meine Freunde, und wir werden erwartet." Das klang hbsch und angenehm, aber sie waren noch nicht dort, und wie es aussah, war es gar nicht so einfach, dieses Anwesen westlich des Gebirges zu finden. Scheinbar gab es keine Bume, keine Tler und keine Hgel, die die Landschaft vor ihnen belebten, nur ein riesig breiter, flacher Hang, der langsam vor ihnen bis zum Fu des nchsten Berges anstieg, ein weites, heidefarbenes Land mit verwitterten Felsen, grasigen und moosgrnen Flecken und Streifen, die wahrscheinlich Wasser anzeigten. Die Nachmittagssonne stand niedrig, aber in all der groen Einsamkeit gab es kein Zeichen, da hier jemand hauste. Sie wurden allmhlich ngstlich, denn sie erkannten, da das Haus irgendwo zwischen ihnen und den Bergen gnzlich verborgen liegen mute. Unerwartet stieen sie auf enge Tler mit steil abfallenden Seiten, die sich pltzlich zu ihren Fen ffneten, und sie sahen berrascht auf Bume hinab und flieendes Wasser im Grund. Da gab es Einschnitte, ber die sie fast hinwegspringen konnten, aber sie waren sehr tief, und unten rauschten Wasserflle. Da gab es dstere Schluchten, die man nicht berspringen, ja, in die man nicht einmal hinabklettern konnte. Da gab es Moore - einige schauten wie freundliche Ebenen mit hohen, leuchtenden Blumen aus. Aber wenn ein Pony mit seiner Last hineingeraten wre, wrde es nie wieder herausgekommen sein. Der Landstrich zwischen der Furt und den Bergen war also in der Tat viel breiter, als einer vermutet htte. Bilbo wunderte sich sehr. Der einzige Pfad war mit weien Steinen gekennzeichnet. Einige waren klein, andere halb bedeckt mit Moos oder Heidekraut. Immerhin war es sehr langweilig, der Spur zu folgen, selbst wenn Gandalf fhrte, der seinen Weg einigermaen kannte. Sie glaubten, kaum ein Stck vorangekommen zu sein, als die Dmmerung anbrach. Sie folgten dem Zauberer, dessen Haupt und Bart sich unruhig bald da -, bald dorthin drehte, denn er suchte den Pfad. Teezeit war lange vorber, und es schien, als ob auch die Abendessenszeit vorberginge. Nachtfalter flatterten umher. Das Licht wurde sehr schwach, denn der Mond war noch nicht aufgegangen. Bilbos Pony stolperte ber Wurzeln und Steine. Da gelangten sie so pltzlich an den Rand eines steilen Abfalles, da Gandalfs Pferd beinahe den Hang hinunterrutschte. "Hier ist es endlich!" rief er. Tief unter ihnen sahen sie ein Tal. Sie hrten das Rauschen rasch flieenden Wassers auf felsigem Grund, sie sprten den Duft von Bumen, und von der anderen Seite blinkte ein Licht herber. Niemals verga Bilbo den Weg, den sie in der Dmmerung hinabrutschten und - schlitterten, den steilen Zickzackpfad in das verborgene Tal von Rivendell. Je tiefer sie hinabkamen, desto wrmer wurde die Luft, und der Duft der Kiefern machte Bilbo so schlfrig, da er gelegentlich einnickte und beinahe vom Pony fiel oder mit der Nase pltzlich auf der Mhne lag. Ihre Lebensgeister erwachten jedoch, als sie tiefer hinabstiegen. Den Kiefern folgten Buchen und Eichen, und sie fhlten sich hier unten im Zwielicht sicher und geborgen. Schon war das letzte Grn in den Wiesen verblat, als sie eine offene Lichtung am Ufer des Flusses erreichten. Hm! Es riecht nach Elben! dachte Bilbo und blickte auf zu den Sternen. Sie leuchteten hell und blulich. In diesem Augenblick setzte in den Bumen ein Singen ein, das wie ein Lachen klang : "Ich wei ein paar Reiter, die ritten gern weiter. Doch lat heut die Fhrte und beschlagt erst die Pferde. Wohin geht's, ihr Reiter? Wir sagen's nicht weiter. Ein Hobbit auf Reisen wird ein Nachtlager preisen. Auf Balin folgt Dwalin - der Weg ist so lang hin. Singt mit uns, seid heiter und reitet nicht weiter! Im Haus raucht das Reisig, da backen Sie fleiig. Doch die wehenden Brte kitzeln die Pferde. Seid endlich gescheiter und reitet nicht weiter!" So lachten und sangen sie in den Bumen. Es war ein ganz schner Unsinn, das kann man wohl behaupten, nicht wahr? Aber sie wrden nur noch mehr gelacht haben, wenn man es ihnen gesagt htte. Es waren eben Elben. Bald konnte Bilbo sie auch ersphen, whrend die Dmmerung immer tiefer herabfiel. Er mochte Elben gut leiden, obgleich er selten welche traf. Aber er frchtete sich auch ein bichen vor ihnen. Zwerge dagegen verstehen sich nicht recht mit ihnen. Selbst umgngliche Zwerge wie Thorin und seine Freunde halten Elben fr ein bichen verrckt (was, genau bedacht, ebenfalls ein bichen verrckt ist), oder sie rgern sich sogar ber sie, denn es gibt Elben genug, die sie foppen und sogar auslachen, meistens wegen ihrer Brte. "Prchtig", sagte eine Stimme, "schaut nur her: Bilbo, der Hobbit, auf einem Pony! Das ist kstlich!" "Hchst erstaunlich und wunderbar!" Dann begannen sie mit einem neuen Lied, das genauso lcherlich war wie das erste, das ich aufgeschrieben habe. Schlielich kam ein groer, junger Bursche aus den Bumen herab und verbeugte sich etwas spttisch vor Gandalf und Thorin. "Willkommen in unserem Tal!" sagte er. "Schnen Dank!" antwortete Thorin ein bichen schroff. Aber Gandalf sprang schon von seinem Pferd, stand zwischen den Elben und sprach lustig mit ihnen. "Ihr seid ein bichen vom Weg abgekommen", sagte der Elb. "Das heit, wenn ihr den einzigen Pfad gehen wollt, der ber den Flu und zum Haus hin fhrt. Wir wollen euch den richtigen Weg weisen - aber am besten, ihr geht zu Fu, bis ihr ber die Brcke gekommen seid. Wollt ihr nicht ein bichen bleiben und mit uns singen, oder wollt ihr wirklich gleich weiterziehen? Drben wird das Abendessen vorbereitet", sagte er. "Ich kann die Holzfeuer bis hierher riechen." Mde wie er war, wre Bilbo gern eine Weile geblieben. Elbengesang, noch dazu im Juni unterm klaren Sternenhimmel, sollte niemand versumen, der Musik liebt. Auch htte Bilbo gern ein paar Worte mit diesen Leuten gesprochen, die anscheinend seinen Namen und vieles von ihm wuten, obgleich er sie niemals vorher gesehen hatte. Er dachte, ihre Meinung ber sein Abenteuer knnte interessant sein. Elben wissen sehr viel und erfahren alle Neuigkeiten. Sie hren schnell, was bei den Leuten im Land vorgeht - so schnell wie Wasser im Gebirgsflu dahinschiet, vielleicht sogar noch ein bichen schneller. Aber die Zwerge hielten mehr vom Abendessen. Sie wollten keinesfalls bleiben, zogen also weiter und fhrten ihre Ponys, bis sie auf einen ordentlichen Pfad gebracht worden waren und endlich an das Ufer des Flusses gelangten. Er flo schnell und laut rauschend dahin, wie Gebirgsflsse an einem Sommerabend, wenn die Sonne weit oben den ganzen Tag auf dem Schnee gestanden hat. Es gab nur eine ganz schmale Steinbrcke ohne Gelnder, so schmal, da gerade ein Pony hinbertrotten konnte. Langsam und vorsichtig betraten sie den Steg, einer nach dem anderen, und jeder fhrte sein Pony am Halfter. Die Elben hatten schimmernde Laternen ans Ufer gebracht und sangen ein lustiges Lied, als die Gesellschaft hinberzog. "Lat Euren Bart nicht ins Wasser hngen, Vater!" riefen sie Thorin zu, der fast auf allen vieren ging. "Er ist lang genug und braucht nicht begossen zu werden." "Pat auf, da Bilbo nicht alle Kuchen aufit." riefen sie. "Er ist jetzt schon zu fett, um durch Schlssellcher zu kriechen!" "Still, still jetzt Freunde und gute Nacht", sagte Gandalf, der als letzter ging. "Tler haben Ohren, und einige von euch Elben haben eine viel zu lustige Zunge. Gute Nacht!" Und so kamen sie schlielich zum Haus an der Eindgrenze und fanden seine Tren weit offen. Nun, es ist merkwrdig, aber von einem Ereignis, das gut abluft, und von Tagen, die man angenehm verbringt, ist rasch berichtet, und da gibt's auch nicht viel drber zu hren. Indessen lt sich ber unbequeme und aufregende, ja sogar schreckliche Ereignisse eine gute Geschichte erzhlen, jedenfalls ist eine Menge drber zu sagen. Die Zwerge blieben eine lange Zeit, vierzehn Tage, in dem guten Haus, und es fiel ihnen schwer, es zu verlassen. Bilbo wre am liebsten fr alle Zeiten hiergeblieben, selbst dann, wenn ein Wunsch ihn ohne Zwischenflle htte unmittelbar zurck in seine Hobbithhle bringen knnen. Aber - es gibt doch noch etwas ber den Aufenthalt zu berichten. Der Herr des Hauses war ein Elbenfreund - einer von jenen Leuten, deren Vorvter schon in den merkwrdigen Erzhlungen vor dem eigentlichen Beginn der Weltgeschichte vorkamen, vor den Kriegen der Elben mit den Orks und vor den ersten Menschen im Norden. In den Tagen unserer Erzhlung gab es noch immer Leute, die sowohl Elben als auch Helden aus den Lndern des Nordens als Ahnen hatten. Und Elrond, der Herr des Hauses, war ihr Oberhaupt. Er besa ein so edles und schnes Gesicht wie ein Elbenfrst, war so stark wie ein Krieger, so weise wie ein Zauberer, so ehrwrdig wie ein Zwergenknig und so freundlich wie der Sommer. Er kommt in vielen Geschichten vor, aber sein Anteil an der Erzhlung von Bilbos ,groem Abenteuer ist nur gering, obgleich wichtig, wie ihr sehen werdet, wenn wir jemals bis zu Ende kommen. Sein Haus war schlechthin vollkommen ob ihr an das Essen denkt oder an den Schlaf, an die Arbeit oder an das Geschichtenerzhlen, an das Singen oder auch nur an das einfache Dasitzen und Nachdenken, oder ob ihr an eine angenehme Mischung von allem dem denkt. Unfriede kann nicht in dieses Tal. Ich wnschte, ich htte Zeit, um euch nur einige von diesen Geschichten oder das eine oder andere von den Liedern zu erzhlen, die die Zwerge in diesem Haus hrten. Alle, und nicht zuletzt die Ponys, wurden in den wenigen Tagen dort wieder frisch und unternehmungslustig. Die Kleider wurden geflickt, die Verwundungen heilten, Stimmung und Hoffnung waren zuversichtlicher denn je. Die Taschen wurden mit Lebensmitteln und Vorrten gefllt, die leicht zu tragen, aber krftig und strkend waren, damit die Reisenden gut die Gebirgspsse berqueren konnten. Ihre Plne wurden aufs beste beraten. So kam der Vorabend zur Sonnenwende heran, und mit dem frhen Licht des Mittsommermorgens wollten sie weiterziehen. Elrond, der sich auf alle Arten von Runen verstand, betrachtete an diesem Tag die Schwerter, die sie aus der Trollhhle mitgebracht hatten, und sagte : "Sie sind nicht von den Trollen gemacht. Es sind alte Elbenschwerter, die in Gondolin fr die Orkkriege geschmiedet wurden. Sie mssen aus einem Drachenschatz oder aus dem Raub von Orks stammen, denn Drachen und Orks zerstrten diese Stadt vor vielen, vielen Jahren. Auf diesem, Thorin, ist aus den Runen der Name Orkrist zu lesen, der Orkspalter in der alten Sprache von Gondolin. Es war eine berhmte Klinge. Dies hier, Gandalf, ist Glamdring, der Feindhammer, den der Knig von Gondolin vor Zeiten trug. Haltet sie gut!" "Woher, meint Ihr, haben die Trolle sie?" fragte Thorin und blickte mit neuer Anteilnahme auf sein Schwert. "Ich kann es nicht sagen", entgegnete Elrond, "aber man knnte vermuten, da die Trolle andere Plnderer geplndert haben oder auf die Reste alten Raubes in irgendeiner Gebirgshhle gestoen sind. Ich hrte, da man seit dem Krieg der Zwerge mit den Orks noch immer vergessene Schtze in den verlassenen Gewlben der Bergwerke von Moria finden kann." Thorin dachte ber die Worte nach. "Ich will dies Schwert in Ehren halten", sagte er. "Mge es bald aufs neue Orks zerspalten!" "Ein Wunsch, der in den Bergen leicht genug erfllt werden kann!" erwiderte Elrond. "Aber nun zeigt mir die Karte!" Er nahm sie und schaute sie lange an. Dann schttelte er den Kopf. Denn obgleich er Zwerge und ihre Liebe zum Gold nicht allzusehr schtzte, hate er doch die Drachen mit ihrer grausamen Verschlagenheit, und es schmerzte ihn, wenn er an die Ruinen der Stadt Dal und ihre frhlichen Glocken dachte und an die verbrannten Ufer des klaren Eiligen Wassers. Die Silbersichel des Mondes leuchtete hell. Er hielt die Karte hoch, und das weie Licht schien hindurch. "Was ist das?" sagte er. "Es sind Mondbuchstaben darauf, dicht neben den gewhnlichen Runen, die da sagen ,fnf Fu hoch die Tr, und drei knnen nebeneinander gehen`." "Was ist das: Mondbuchstaben?" fragte der Hobbit aufgeregt. Er mochte Karten gern, wie ich euch schon gesagt habe. Und er hatte auch Runen gern und Briefe und verzwickte Handschriften, obgleich er selbst ein wenig dnn und spinnenhaft schrieb. "Mondbuchstaben sind Runen", sagte Elrond. "Aber Ihr knnt sie nicht sehen, wenn Ihr einfach draufschaut. Sie knnen nur gelesen werden, wenn der Mond hinter ihnen steht. Bei den verzwickten jedoch mu der Mond von der gleichen Form und es mu die gleiche Zeit sein wie an dem Tag, an dem sie geschrieben wurden. Die Zwerge erfanden die Mondbuchstaben und schrieben sie mit silbernen Federn, wie Eure Freunde es Euch erzhlen knnten. Diese hier mssen vor langer Zeit an einem Mittsommervorabend bei zunehmendem Mond geschrieben worden sein." "Und was sagen sie?" fragten Gandalf und Thorin zugleich, ein bichen verrgert, weil ausgerechnet Elrond sie zuerst gefunden hatte, obgleich es in Wirklichkeit vorher gar nicht mglich war und obgleich es wer wei wann erst wieder eine neue Gelegenheit dazu geben wrde. "Steht bei dem grauen Stein, wenn die Drossel schlgt", las Elrond, "und der letzte Sonnenstrahl am Durinstag auf das Schlsselloch fllt." "Durin, Durin", sagte Thorin. "Er war der Vater der Vter des ltesten Zwergenstammes, der Langbrte, und mein Vorfahr. Ich bin sein Erbe." "Aber was ist der Durinstag?" fragte Elrond. "Der erste Tag vom neuen Zwergenjahr", erklrte Thorin, "ist, wie jedermann wei, der erste Tag des letzten Herbstmondes am Beginn des Winters. Noch immer nennen wir ihn den Durinstag, wenn der letzte Herbstvollmond und die Sonne zugleich am Himmel stehen. Aber dies wird uns nicht viel helfen, frchte ich, denn es berschreitet heutzutage unsere Fhigkeit, herauszufinden, wann eine solche Gelegenheit wiederkommen wird." "Das bleibt abzuwarten", sagte Gandalf "Steht da noch mehr geschrieben?" "Nichts, was bei diesem Mond zu sehen wre", sagte Elrond, und er gab die Karte an Thorin zurck. Dann gingen sie zum Flu hinunter, denn sie wollten die Elben am Mittsommervorabend tanzen und singen hren. Der nchste Morgen war ein Mittsommermorgen, so klar und frisch, wie man sich ihn nur wnschen konnte : blauer Himmel und keine einzige Wolke, und die Sonne tanzte auf dem Wasser. Unter vielen guten Wnschen und manchem "Auf Wiedersehen!" ritten sie davon. Ihre Herzen waren bereit fr neue Abenteuer, und sie kannten den Weg, dem sie ber die Nebelberge in das dahinterliegende Land folgen muten. ~ber den Berg und unter den Berg Es gab viele Wege, die hinauf in das Gebirge fhrten, und viele Psse berquerten es. Aber die meisten Pfade fhrten in die Irre oder an unwegsame Stellen, und die meisten Psse waren voll bser und schrecklicher Gefahren. Die Zwerge und der Hobbit, denen Gandalfs Kenntnisse und Elronds weiser Rat halfen, schlugen den richtigen Weg zum richtigen Pa ein. Viele lange Tage, nachdem sie aus dem Tal herausgestiegen waren und das Haus an der Eindgrenze Meilen hinter sich gelassen hatten, fhrte der Weg noch immer aufwrts und nahm kein Ende. Es war ein beschwerlicher und ein gefhrlicher Weg, ein krummer, verschlungener Pfad, einsam und lang dazu. Jetzt konnten sie zurck ber jene Lnder schauen, die sie hinter sich gelassen hatten. Weit ausgebreitet lagen sie unter ihnen. Weit in der Ferne, da, wo alles in blassem Blau verschwamm, dort, so wute Bilbo, lag seine Heimat, ein Land voll Sicherheit und Bequemlichkeit, und dort befand sich seine kleine Hobbithhle. Ihn fror. Es war kalt geworden hier oben, und der Wind pfiff schrill um die Felsen. Auch rollten zuweilen mchtige Blcke, die sich in der Mittagssonne aus dem Schnee gelst hatten, die Berghnge herab. Sie sausten zwischen der Gesellschaft durch (was ein Glck war) oder ber ihre Kpfe hinweg (was sehr aufregend war). Die Nchte waren klamm und eisig. Die Gesellschaft wagte nicht, zu singen oder laut zu sprechen, denn das Echo warf jedes Gerusch doppelt stark zurck. Sie hatten den Eindruck, da die Stille nur vom Tosen des Wassers, dem Klagen des Windes und dem Krachen der Steine unterbrochen werden durfte. Dort unten geht der Sommer weiter, dachte Bilbo, und die Heuernte und auch die Picknicks im Freien gehen weiter. Sie werden ernten und sogar in die Blaubeeren gehen, ehe wir den Abstieg auf der anderen Seite beginnen knnen. Und auch die anderen hatten hnliche trbe Gedanken, obgleich sie aufgerumt von der berquerung des Gebirges und von einem raschen Ritt durch die Lnder auf der anderen Seite gesprochen hatten. Aber das war an einem hofFnungsvollen Mittsommermorgen gewesen, als sie von Elrond Abschied nahmen. In ihren Gedanken waren sie schon an der Geheimtr am Einsamen Berg angekommen. "Vielleicht langen wir schon beim nchsten Herbstmond an", hatten sie gesagt, "und wer wei, am Ende ist es dann gerade der Durinstag. Nur Gandalf hatte den Kopf geschttelt und nichts darauf erwidert, denn die Zwerge waren seit vielen Jahren diesen Weg nicht mehr gegangen. Gandalf aber kannte ihn, und er wute, wie die schlimmen berraschungen und Gefahren im Eindland bedrohlich gewachsen waren, seitdem die Drachen die Menschen dort vertrieben und die Orks nach der Schlacht um die Bergwerke von Moria sich im geheimen ausgebreitet hatten. Selbst die guten Plne weiser Zauberer wie Gandalf und rechter Freunde wie Elrond werden zuweilen zunichte gemacht, wenn man jenseits der Grenze des Eindlandes auf gefhrliche Abenteuer auszieht. Gandalf war ein Zauberer, der klug genug war, das zu wissen. Er wute, da etwas Unerwartetes geschehen konnte, und er wagte kaum zu hoffen, da sie ohne Schrecken und Abenteuer ber dieses riesengroe Gebirge gelangen wrden, ein Niemandsland mit einsamen Gipfeln und Tlern, in denen keine Knige regierten. Und in der Tat, es gelang ihnen nicht. Alles war gut, bis sie eines Tages in ein Gewitter gerieten - in mehr als ein Gewitter: in eine Schlacht von Gewittern. Ihr wit, wie entsetzlich ein groes Gewitter im flachen Land oder in einem Flutal sein kann, besonders, wenn zwei Gewitter mit mchtigem Getse aufeinanderkrachen. Noch schlimmer aber sind Donner und Blitz nachts in den Bergen, wenn Strme von Ost und West herantosen und die Schlacht in den Lften beginnt. Die Blitze zersplittern auf den Gipfeln, und die Felsen erzittern, ein riesiges Getse zerreit die Luft und dringt grollend und drhnend in jede Hhle und in jedes Loch. Die Finsternis ist erfllt von berwltigendem Lrm und pltzlichen Lichtflammen. Niemals hatte Bilbo so etwas gesehen, niemals hatte er sich so etwas vorgestellt. Sie waren hoch an einer engen Stelle mit einem schrecklichen seitlichen Abfall tief hinab in ein dsteres Tal. Dort hatten sie unter einem berhngenden Felsen fr die Nacht Schutz gesucht. Bilbo lag unter seiner Decke und zitterte von Kopf bis Fu. Wenn er whrend eines Blitzes drunter hervorlugte, sah er jenseits des Tales die Steinriesen, die herausgekommen waren und sich zum Spa Felsblcke zuschleuderten. Die Riesen fingen die Felsen auf und warfen sie in die Finsternis, wo sie tief unten Bume zerschmetterten oder krachend in tausend Stcke zersprangen. Dann rauschten die Winde, dann peitschten Regen und Hagel in jedwede Richtung, so da der berhngende Fels keineswegs ein Schutz genannt werden konnte. Bald waren sie gnzlich durchnt. Ihre Ponys standen mit hngenden Kpfen, die Schwnze zwischen die Beine geklemmt, und einige wieherten aus Furcht. Sie konnten gut hren, wie die Riesen drben im Gebirge in schallendes Gelchter und Gebrll ausbrachen. "Wir sind hier nicht gut untergebracht", sagte Thorin. "Wenn wir nicht weggeblasen oder ersuft oder vom Blitz erschlagen werden, so greift uns gewi einer von diesen Riesen auf und tritt uns wie einen Fuball in den Himmel." "Richtig, aber wenn Ihr einen besseren Platz wit, so fhrt uns doch hin", sagte Gandalf, der mrrisch war und auch seinerseits keineswegs erbaut ber die Riesen dort drben. Das Ende der Streiterei war, da sie Kili und Fili ausschickten, einen besseren Schutz zu suchen. Die beiden hatten sehr scharfe Augen, und da sie, um etwa fnfzig Jahre jnger als die anderen, die jngsten unter den Zwergen waren, wurden sie fr gewhnlich mit solchen Aufgaben betraut (nachdem jeder eingesehen hatte, da es auch nicht den geringsten Zweck hatte, Bilbo loszuschicken). "Es geht nichts ber das Suchen, wenn man etwas finden will", so oder hnlich uerte sich Thorin den jungen Zwergen gegenber. "Zwar findet man bestimmt etwas, aber gewhnlich ist es durchaus nicht das, was man gesucht hat." Und das war auch hier der Fall. Bald kamen Kili und Fili zurckgekrochen. Sie klammerten sich vor dem Sturm am Felsen fest. "Wir haben eine trockene Hhle gefunden", sagten sie, "nicht weit hinter der nchsten Felsnase. Auch die Ponys passen hinein." "Habt ihr die Hhle durch und durch erforscht?" fragte der Zauberer. Er wute, da Gebirgshhlen selten unbewohnt waren. "Ja, ja!" antworteten sie, obgleich jeder wute, da ihnen dazu gar keine Zeit geblieben sein konnte. "Die Hhle ist nicht allzugro und geht auch nicht allzutief in den Berg." Das ist natrlich die gefhrliche Seite an Hhlen. Man wei nicht, wie weit sie reichen, wo ihre Gnge hinfhren und was darinnen auf einen wartet. Aber jetzt schien Kilis und Filis Bericht zu gengen. Sie standen auf und bereiteten ihren Umzug vor. Der Sturm heulte noch immer, der Donner grollte, und sie hatten Mhe, sich und die Ponys berhaupt voranzubringen. Indessen war es wirklich nicht weit zu gehen, und bald kamen sie an einen mchtigen Fels, der in den Pfad hereinragte. Als sie ihn umgangen hatten, fanden sie einen niedrigen Torbogen in der Bergseite. Es blieb gerade Platz genug, da die Ponys, nachdem man sie abgepackt und abgesattelt hatte, sich durchquetschen konnten. Als sie den Eingangsbogen passiert hatten, war es drinnen angenehm, sie hrten drauen Wind und Regen toben, anstatt beides auf der eigenen Haut zu spren. Sie fhlten sich sicher vor den Riesen und den Felsblcken. Aber der Zauberer wollte nichts aufs Spiel setzen. Er zndete seinen Zauberstab an, wie er es damals in Bilbos Speisezimmer getan hatte (wenn ihr euch erinnert - wie lange war das nun schon her!), und untersuchte die ganze Hhle von einem Ende zum andern. Sie schien brauchbar zu sein, nicht zu gro und nicht zu unheimlich. Sie hatte einen trockenen Boden und einige gemtliche Nischen, an einem Ende war Raum fr die Ponys, und dort standen sie, sehr erfreut ber den Wechsel, dampften und schnauften in ihre Futterbeutel. Oin und Gloin wollten am Eingang ein Feuer anznden, um die Kleider zu trocknen, aber davon wollte Gandalf nichts wissen. So breiteten sie ihre nassen Sachen auf dem Boden aus und holten trockene aus den Bndeln hervor. Dann legten sie ihre Decken aus, machten es sich bequem, holten ihre Pfeifen hervor und bliesen Rauchringe in die Luft. Gandalf verwandelte sie in verschiedenfarbige, die er unter der Gewlbedecke tanzen lie, um die Gesellschaft zu erheitern. Sie erzhlten und erzhlten, vergaen den Sturm und stritten darber, was jeder mit seinem Anteil am Schatz unternehmen wrde (wenn sie ihn erst htten, und das schien in diesem Augenblick gar nicht so unmglich). Dann fiel einer nach dem anderen in Schlaf. Und dies war das letzte Mal, da sie ihre Ponys besaen, das Gepck, die Vorrte, die Werkzeuge und all den anderen Kram, den sie mitgenommen hatten. In dieser Nacht zeigte es sich, wie gut es war, da sie den kleinen Bilbo dabei hatten, denn aus irgendeinem Grund konnte er erst nach langer Zeit einschlafen. Und als er endlich einschlief, hatte er scheuliche Trume. Er trumte, da ein Spalt in der hinteren Felsmauer der Hhle immer grer und grer wurde und da er immer weiter und weiter sich ffnete. Und die Angst packte ihn. Aber er konnte weder rufen noch etwas anderes tun. Er lag nur und sah., Dann trumte er, da der Boden der Hhle zu sinken und zu rutschen anfing - tief zu fallen, immer tiefer, Gott wei wohin. Darber wachte er mit einem entsetzlichen Ruck auf und fand einen Teil seines Traumes wahr. Ein Spalt hatte sich an der Hhlenrckwand geffnet und bildete mittlerweile einen breiten Durchgang. Bilbo konnte gerade noch den letzten Ponyschwanz darin verschwinden sehen. Natrlich stie er einen schrecklich lauten Schrei aus, so laut ein Hobbit eben schreien kann, und das ist, mit seiner Gre verglichen, immerhin ganz erstaunlich. Heraus sprangen Orks, gewaltige koboldartige Wesen, groe, bel aussehende Orks, Massen von Orks, noch ehe einer einen Mucks sagen konnte. Sechs kamen auf jeden Zwerg und zwei sogar auf Bilbo, und alle wurden gegriffen und durch den Spalt weggeschleppt, ehe sie "Mucks" oder "Hoppla" sagen konnten. Nur Gandalf nicht. Soviel hatte Bilbos Schrei wenigstens erreicht. Gandalf war im Bruchteil einer Sekunde hellwach geworden, und als die Orks ihn greifen wollten, erhellte ein entsetzlicher Strahl die Hhle wie ein Blitz. Pulvergestank verbreitete sich, und mehrere Orks blieben tot auf der Strecke. Schnappend schlo sich der Spalt. Bilbo und die Zwerge waren auf der falschen Seite. Wo aber blieb Gandalf? Das wuten weder sie noch die Orks, und die warteten nicht darauf, bis sie es herausgefunden hatten. Sie schnappten Bilbo und die Zwerge und hasteten weiter. Das geschah in vlliger Dunkelheit, in einer Finsternis, durch die nur Orks, die im Herzen der Gebirge hausen, hindurchsehen knnen. Kreuzungen und Gabelungen liefen nach allen Richtungen, aber die Orks kannten ihren Weg ebenso gut, wie ihr euren Weg zum nchsten Postamt kennt. Immer tiefer fhrte der Weg hinab, und es war scheulich stumpf und stickig. Wste Burschen waren diese Orks, und sie kniffen Bilbo und die Zwerge unbarmherzig. Sie grunzten und lachten mit ihren schrecklichen, versteinerten Stimmen, und der Hobbit war noch viel unglcklicher als damals, als der Troll ihn bei den Zehen hochgehoben hatte. Er wnschte sich immerzu fort in seine hbsche, saubere Hobbithhle, und das nicht zum letzten Male. Jetzt schimmerte ein rotes Licht auf Die Orks begannen zu singen (besser : zu krchzen) und klopften mit ihren Fen den Takt, wobei sie ihre Gefangenen krftig schttelten. "Klapp! Schnapp! Ins Finstre hinab! Gripp! Grapp! Schneid ihm die Ohren ab! Ab in den Orkturm schrei nur, du Wurm! Klatsch! Ratsch! Peitscht sie, und patsch! Knppel und Leder - wimmerst du? Watsch! Eisen und Zangen im Orkturm quietscht noch ein Wurm? Zisch! Zasch! Schneller und rasch! Gejammer, Gewinsel - weh, wird einer lasch! Drunten grabt ihr die Ngel wund murrt noch ein Hund?" Das klang entsetzlich. Die Wnde warfen das Echo von "Klapp!", "Schnapp!", Klatsch!", "Patsch!" und das scheuliche Gelchter ihres "Schrei nur, du Wurm!" vielfltig zurck. Die Bedeutung dieses "Gesanges" war allzu klar. Denn jetzt holten die Orks ihre Peitschen heraus und knallten sie mit Sausen und Pfeifen auf die Rcken der Unglcklichen. Das brachte sie zum Laufen, so schnell sie nur konnten. Und mehr als einer von den Zwergen blkte und jammerte steinerweichend, als sie endlich in ein weites Gewlbe hineinstolperten. Das Gewlbe war in der Mitte durch ein groes rotes Feuer erleuchtet und rings an der Wand durch Fackeln. Es wimmelte von Orks. Sie lachten und stampften und klatschten in die Hnde, als die Zwerge hereingerannt kamen (als letzter der arme kleine Bilbo, der dadurch den Peitschenschlgen am nchsten war), whrend die Treiber hinter ihnen her brllten und mit den Peitschen knallten. Die Ponys hatte man vorher in einer Ecke zusammengetrieben, und da lagen auch alle Gepckstcke aufgebrochen herum, von Orks durchstbert, von Orks angerochen, von Orks befingert, und die Orks hatten sich schon krftig um sie gestritten. Es war wirklich das letzte Mal, da sie diese ausgezeichneten kleinen Ponys sahen und den krftigen weien Kerl, den E1rond dem Zauberer geliehen hatte, da sein Pferd fr die Gebirgspfade nicht tauglich war. Orks fressen nmlich Pferde und Ponys und Esel (und noch anderes, viel Schlimmeres), trotzdem sind sie allzeit hungrig. Jetzt aber konnten die Gefangenen nur an sich selbst denken. Die Orks ketteten ihnen die Hnde auf den Rcken, schlossen sie zusammen zu einer langen Reihe und stieen sie in die letzte Ecke des Gewlbes (der kleine Bilbo schleppte sich am Ende der erbrmlichen Reihe hin). Dort im Schatten sa auf einem flachen Stein ein riesenhafter Ork mit einem gewaltigen Kopf. Bewaffnete Kerle standen rund um ihn und trugen xte und gebogene Schwerter, wie man sie bei diesen Wesen zu tragen pflegt. Nun sind Orks grausam, verschlagen und schlecht. Sie stellen keine schnen Gegenstnde her, aber sie sind keineswegs ungeschickt. Sie knnen Stollen graben, knnen minieren wie die geschicktesten Zwerge - wenn sie sich Mhe geben, aber fr gewhnlich sind sie unordentlich und schmutzig. Hmmer und xte, Schwerter, Dolche und Picken, Zangen und Marterwerkzeuge, das machen sie gut - oder zwingen andere dazu, sie nach ihren Plnen herzustellen, Gefangene und Sklaven, die arbeiten mssen, bis sie aus Mangel an Luft und Licht sterben. Es ist nicht unwahrscheinlich, da sie einige von jenen Maschinen erfunden haben, die seither die Welt verheeren, besonders jene ausgeklgelten Vorrichtungen, die Massen von Lebewesen auf einen Schlag vernichten, denn Rder, Maschinen und Explosionen erfreuten sie schon immer. Mit eigenen Hnden arbeiteten sie nur, wenn es nicht anders ging. Aber in jenen wsten Gegenden waren sie damals noch nicht so weit fortgeschritten (wie man das wohl nennt). Zwerge haten sie nicht aus besonderen Grnden, nicht mehr, als sie alle und jeden haten, und besonders die Ordentlichen und Tchtigen. Da und dort waren verschlagene Zwerge Bndnisse mit ihnen eingegangen. Gegen Thorins Volk jedoch hegten sie wegen des Krieges, von dem ihr schon gehrt habt, einen besonderen Groll. Sonst ist es den Orks gleich, wen sie fangen - solange es gerissen geschieht und geheim bleibt und solange die Gefangenen nicht fhig sind, sich zu verteidigen. "Wer sind diese elenden Gestalten?" fragte der Groe Ork. "Zwerge und dieser Wurm dazu", sagte einer von den Treibern, ri an der Kette, so da Bilbo nach vorn auf die Knie fiel. "Wir fanden sie schlafend in der groen Eingangshalle." "Was hattet Ihr vor?" fragte der Groe Ork, wobei er sich an Thorin wandte. "Todsicher nichts Gutes! Spioniert Ihr meine Leute aus? Ich wre nicht berrascht. Diebe, Mrder und Elbenfreunde - was denn sonst! Los, was habt Ihr zu sagen?" "Zwerg Thorin, zu Euren Diensten!" antwortete er - doch es war nicht mehr als eine nichtssagende Hflichkeitsformel. "Von alldem, was Ihr vermutet und Euch vorstellt, entspricht nichts den Tatsachen. Wir suchten nur in einer brauchbaren und unbewohnten Hhle Schutz vor dem Sturm. Nichts lag uns ferner, als Orks zu belstigen." Und das entsprach wirklich den Tatsachen. "Hm!", sagte der Groe Ork, "Gerede! Darf ich fragen, was Ihr berhaupt im Gebirge zu schaffen habt und wo Ihr herkommt und wohin Ihr wollt? Ich mchte alles ber Euch wissen. Zwar - es wird Euch nichts helfen, Thorin Eichenschild, ich wei schon viel zuviel ber Euer Volk - aber sagt die Wahrheit, oder ich werde etwas ganz besonders Unangenehmes mit Euch anstellen!" "Wir machen eine Reise, um unsere Verwandten zu besuchen, unsere Neffen und Nichten und Kusinen ersten, zweiten und sogar dritten Grades und all die anderen Nachkommen unseres Grovaters, die auf der Ostseite dieses wirklich gastfreundlichen Gebirges wohnen", sagte Thorin der im Augenblick nicht wute, was er antworten sollte, zumal die Wahrheit offensichtlich nichts genutzt htte. "Er ist ein Lgner, oh, ein unwahrscheinlicher Lgner!" sagte einer der Treiber. "Mehrere von unseren Leuten wurden in der Hhle durch einen Blitz erschlagen, als wir diese Kreaturen einluden, herunterzukommen. Nun sind sie so tot wie ein Stein. Das hat er noch nicht erklrt!" Er zeigte das Schwert, das Thorin getragen und das aus dem Trollschatz stammte. Kaum hatte der Groe Ork das Schwert erblickt, als er ein schauerliches Geheul ausstie. Alle seine Soldaten knirschten mit den Zhnen, schlugen an ihre Schilde und stampften mit den Fen. Sie kannten das Schwert sofort wieder. Zu jener Zeit, als die Elben von Gondolin die Orks in den Bergen jagten oder vor ihren Befestigungen schlugen, hatte es Hunderte von Orks gettet. Die Elben hatten es Orkrist genannt, Orkspalter, aber die Orks nannten es einfach "Beier". Sie haten es, und den, der es trug, haten sie noch mehr. "Mrder und Elbenknechte". brllte der Groe Ork. "Zerschmettert sie, zerschlagt sie, zerbeit sie, werft sie ins finstere Schlangenloch und lat sie nie wieder das Tageslicht sehen!" Er war in einer solchen Wut, da er vom Sitz aufsprang und mit offenem Maul auf Thorin zustrzte. Gerade in diesem Augenblick verlschten in der Hhle die Lichter, und das groe Feuer ging mit einem Puff in eine Sule von blau glhendem Rauch auf, die hoch bis unters Gewlbe reichte und weie, beiende Funken auf die Orks herabsprhte. Geschrei und Gejammer brachen aus, Kreischen, Zhneklappern und Schnattern, Geheul und Gesthn, Geklage, Toben und Brllen; nicht zu beschreiben. Mehrere hundert wilde Katzen und Wlfe wrden, lebendig gerstet, diesen Spektakel nicht bertroffen haben. Die Funken brannten den Orks in die Haut, und der Rauch, der vom Gewlbe herabfiel, machte die Luft so dick, da selbst ihre Augen nicht hindurchsehen konnten. Da fielen sie bereinander her und rollten zusammen ber den Boden, beiend und tretend und fechtend, als ob sie verrckt geworden wren. Pltzlich flammte in seinem eigenen Licht ein Schwert auf. Bilbo sah, wie es von Kopf bis Fu durch den Groen Ork fuhr. Tot fiel er nieder, und die Orksoldaten flohen schreiend vor diesem Schwert in die Finsternis. Das Schwert kehrte zurck in seine Scheide. "Folgt mir rasch", sagte eine zornige leise Stimme. Und ehe Bilbo verstand, was geschehen war, rannte er los, so schnell er nur konnte am Ende der Kette, hinunter in noch dunklere Gnge, und hinter ihnen wurden die Schreie aus der Orkhalle immer leiser und leiser. Ein fahles Licht fhrte sie. "Schneller, schneller forderte die Stimme. "Die Fackeln sind rasch wieder angezndet." "Nur eine halbe Minute!" sagte Dori, ein prchtiger Bursche, der dicht vor Bilbo am Kettenende rannte. Er lie den Hobbit auf seine Schultern krabbeln, so gut es mit gebundenen Hnden ging, und dann fingen sie wieder an zu rennen unter dem Klink-klink der Ketten und mit viel Gestolper, denn sie hatten ja keine Hand frei, um sich zu sttzen. Es dauerte eine Weile, dann erst hielten sie an. Sie muten tief im Herzen des Gebirges sein. Da zndete Gandalf seinen Stab an. Natrlich, es war Gandalf. Aber jetzt hatten sie anderes zu tun, als ihn zu fragen, wie er hierhergekommen war. Er nahm sein Schwert heraus, und wieder erglhte es im Dunkeln. Jedesmal, wenn Orks in der Nhe waren, brannte es vor Wut. Nun aber war es eine leuchtend blaue Flamme aus Freude darber, da es den groen Frsten der Hhle gettet hatte. Es machte ihm gar nichts aus, die Orkketten durchzuschneiden und die Gefangenen, so schnell es ging, in Freiheit zu setzen. Der Name dieses Schwertes war Glamdring, der Feindhammer, wenn ihr euch erinnert. Die Orks nannten es blo "Schlger" und haten es beinahe noch mehr als "Beier". Auch "Orkrist" war gerettet worden; Gandalf hatte es einem der entsetzten Wachen aus der Hand gerissen. Gandalf dachte auch an alles. Obgleich er nicht allmchtig war, konnte er doch fr Freunde, die in der Klemme saen, eine Menge erreichen. "Sind wir alle da?" fragte er und gab Thorin das Schwert mit einer Verbeugung zurck. "Lat sehen: eins - das ist Thorin; zwei, drei, vier, fnf, sechs, sieben, acht, neun, zehn, elf. Wo sind Kili und Fili? Aha, hier sind sie! Zwlf, dreizehn und da ist auch Mister Beutlin: vierzehn! Gut, sehr gut! Es htte schlimmer sein knnen. Aber es htte auch ein gut Teil besser sein knnen. Keine Ponys, nichts zu essen, keiner wei, wo wir sind, und Horden von wtenden Orks hinter uns! Los, es geht weiter!" Und es ging weiter. Gandalf hatte ganz recht: Sie hrten Geschrei und schreckliches Gelrm weit hinten in den Durchgngen, die sie passiert hatten. Das lie sie rascher laufen denn je. Und da der arme Bilbo wahrscheinlich kaum halb so schnell htte rennen knnen, Zwerge sind riesig schnell, wenn es sein mu, das kann ich euch erzhlen, nahmen sie ihn abwechselnd huckepack. Indessen laufen Orks noch schneller als Zwerge, und vor allem: Diese Orks kannten den Weg besser (sie hatten die Wege schlielich selbst gebaut), und schrecklich wtend waren sie auerdem. So konnten die Zwerge laufen, wie sie wollten sie hrten das Schreien und Heulen immer nher herankommen. Bald konnten sie sogar das Patschen der Orkfe hren, vieler, vieler Fe, die anscheinend schon die letzte Kehre erreicht hatten. Roter Fackelschein tanzte hinter ihnen im Tunnel - sterbensmde waren unsere Zwerge. "Warum habe ich nur meine Hobbithhle verlassen!" sagte der arme Mister Beutlin und bumste auf Bomburs Rcken auf und nieder. "Warum habe ich nur einen verrckten Hobbit auf die Schatzjgerei mitgenommen!" sagte der arme Bombur, der so fett war, und er taumelte weiter, whrend ihm der Schwei vor Hitze und Entsetzen die Nase heruntertropfte. In diesem Augenblick blieb Gandalf zurck und Thorin mit ihm. Sie stellten sich hinter eine scharfe Biegung. "Kehrt!" rief Gandalf "Zieht Euer Schwert, Thorin Etwas anderes blieb ihnen auch nicht brig. Die Orks allerdings waren nicht darauf vorbereitet. Sie rasten mit vollem Geschrei um die Kehre - und fanden Orkspalter und Feindhammer kalt und leuchtend gleich vor ihren erstaunten Augen schimmern. Die an der Spitze lieen ihre Fackeln fallen und schrien auf, ehe sie niedergestreckt wurden. Die hinter ihnen schrien noch mehr, sprangen zurck und stieen mit denen zusammen, die ihnen nachgerannt kamen. "Beier und Schlger!" brllten sie. Und bald herrschte ein schlimmes Durcheinander, die meisten hasteten den Weg zurck, den sie gekommen waren. Es dauerte eine ganz schne Zeit, bevor einer es wagte, seine Nase um diese Kehre zu stecken. Unterdessen waren die Zwerge natrlich weitergelaufen, ein langes, langes Stck in die dunklen Gnge des Orkreiches hinein. Als die Orks das merkten, lschten sie ihre Fackeln und schlichen ihnen auf leisen Sohlen nach. Sie suchten ihre schnellsten Renner mit den schrfsten Augen und Ohren aus. Sie rannten los, flink wie Wiesel im Dunkeln, und machten kaum mehr Gerusch als eine Fledermaus. So hrten weder Bilbo noch die Zwerge noch Gandalf sie kommen. Und sehen konnten sie die Verfolger auch nicht. Aber die Flchtenden wurden von den Orks, die lautlos hinter ihnen herrannten, gesehen, denn Gandalf lie seinen Zauberstab ein schwaches Licht ausstrahlen, um den Zwergen bei ihrem Lauf zu helfen. Ganz pltzlich wurde Dori, der jetzt am Ende lief und Bilbo trug, von hinten aus dem Dunkel ergriffen. Er schrie und fiel auf die Nase, und der Hobbit rollte von Doris Schultern in die Finsternis, schlug mit dem Kopf auf harten Fels auf und erinnerte sich an nichts mehr. ~Rtsel in der Finsternis Als Bilbo seine Augen ffnete, fragte er sich, ob er sie wirklich offen hatte, denn es war genauso dunkel, als htte er sie noch geschlossen gehalten. Niemand war bei ihm. Stellt euch seine Angst vor! Er konnte nichts hren, nichts sehen, und er konnte nichts fhlen auer den Steinen auf dem Boden. Er erhob sich langsam und kroch auf allen vieren umher, bis er die Wand des Stollens berhrte. Aber dort konnte er nichts finden: gar nichts, keine Spur von Orks, keine Spur von Zwergen. Sein Kopf schwamm vor Benommenheit, und er hatte keine Ahnung, in welcher Richtung sie gelaufen waren, als er seinen Sturz tat. Auf gut Glck kroch er ein ordentliches Stck weiter, bis seine Hand pltzlich auf dem Boden des Stollens etwas liegen fand - etwas, das sich wie ein dnner Ring aus einem kalten Metall anfhlte. Und das war ein Wendepunkt in seinem Leben. Aber er wute es nicht. Er steckte den Ring in seine Tasche, ohne sich Gedanken zu machen. Sicherlich, im Augenblick schien dieses Etwas zu nichts ntze zu sein. Er ging auch nicht viel weiter, setzte sich auf den kalten Boden und gab sich vllig seinem grenzenlosen Elend hin. Wie schn knnte ich jetzt zu Hause Eier und Schinken in meiner Kche backen, dachte Bilbo, denn sein Magen sagte ihm, da es hchste Zeit fr eine Mahlzeit wre. Aber das machte ihn nur noch elender. Er konnte sich weder ausdenken, was er jetzt htte unternehmen sollen, noch konnte er sich zusammenreimen, was geschehen war oder warum sie ihn allein zurckgelassen hatten oder warum, wenn er nun einmal allein zurckgelassen worden war, die Orks ihn nicht erwischt hatten. Er konnte sich nicht einmal erklren, warum sein Kopf so weh tat. Die Wahrheit war, da er lange Zeit ohne einen Mucks in einer dunklen Nische gelegen hatte (aus dem Auge - aus dem Sinn). Nach einiger Zeit fhlte er nach seiner Tabakpfeife. Sie war nicht zerbrochen, und das war immerhin etwas. Er fhlte nach dem Tabakbeutel - da war auch noch etwas darin. Und das war immerhin noch etwas mehr. Dann suchte er nach Streichhlzern und konnte nicht ein einziges finden, und das zerstrte seine Hoffnungen vllig. Aber es war eigentlich ganz gut, wie er schlielich feststellte, als er allmhlich wieder zu Verstand kam. Wei der Himmel, was ihm noch in den dunklen Lchern an. diesem schrecklichen Ort passiert wre, wenn er Streichhlzer angezndet und geraucht htte. Indessen fhlte er sich noch immer sehr bedrckt. Aber whrend er alle Taschen untersuchte und berall nach Streichhlzern forschte, stie er mit der Hand an den Griff des kleinen Schwertes, das er bei den Trollen gefunden und das er gnzlich vergessen hatte. Auch die Orks schienen es glcklicherweise nicht bemerkt zu haben, denn er trug es in der Hosentasche. Nun zog er den Dolch heraus. Er glnzte bleich und dster vor seinen Augen. Es ist also ebenfalls eine Elbenklinge, dachte er, und die Orks sind nicht allzunah - aber auch nicht weit genug weg. Immerhin fhlte er sich nun ein wenig sicherer. Es war nahezu groartig, eine Klinge zu tragen, die in Gondolin fr die viel besungenen Orkkriege geschmiedet worden war. Auch hatte Bilbo festgestellt, da solche Waffen groen Eindruck auf Orks machten, wenn sie unerwartet drauf stieen. Zurckgehen? dachte er. Keinesfalls! Einen Seitenweg gehen? Unmglich! Vorwrts gehen? Das einzig Richtige! Auf also, vorwrts! Er erhob sich, trottete weiter und hielt sein kleines Schwert vor sich hin. Mit einer Hand fhlte er die Wnde ab, und sein Herz pochte und zitterte. Nun war Bilbo sicherlich genau in dem, was man eine Klemme nennt. Aber ihr mt euch daran erinnern, da eine solche Klemme fr ihn nicht so eng war, wie sie es etwa fr mich oder fr euch gewesen wre. Hobbits sind nicht wie gewhnliche Leute beschaffen. Und schlielich, wenn auch ihre Hhlen niedliche, angenehme und gut gelftete Wohnungen sind, gnzlich verschieden von den Stollengngen der Orks, so sind die Hobbits doch viel mehr an das Tunnelgraben gewhnt als wir, und sie verlieren nicht so leicht die Richtung unter der Erde. Jedenfalls nicht, wenn ihre Kpfe sich von einem krftigen Aufbumsen wieder erholt haben. Auch knnen sie sich vllig lautlos bewegen, leicht verbergen und wunderbar von Strzen und Verletzungen erholen, und sie haben einen Schatz an Weisheit und gescheiten Sprichwrtern, von denen wir Menschen meist niemals etwas gehrt oder die wir seit langem vergessen haben. Wie dem auch sei - ich wre nicht gern an Mister Beutlins Stelle gewesen. Der Stollen schien kein Ende zu nehmen. A1les, was Bilbo wute, war, da es hbsch langsam und in derselben Richtung abwrts ging, obwohl der Stollen sich wand und mehrere Biegungen hatte. Von Zeit zu Zeit fhrten Seitengnge ab, was er im Schein seines Schwertes bemerkte oder an der Stollenwand ertasten konnte. Er lie sich jedoch nicht beirren und eilte schnell an ihnen vorber, weil er frchtete, da Orks oder andere dunkle Gestalten aus ihnen hervorstrzen knnten. Immer weiter ging er und immer tiefer, und noch immer hrte er kein Gerusch, auer dem gelegentlichen Flgelschwirren einer Fledermaus, die seine Ohren streifte - das erschreckte ihn anfangs, dann geschah das so hufig, da er sich darber nicht mehr aufregte. Ich wei nicht, wie lange er noch weiter so dahintrottete. Er hate es, weiterzugehen, aber er wagte nicht anzuhalten; weiter, weiter, bis er mder als mde geworden war. Es schien wie der Weg ins Morgen oder ins bermorgen und in noch fernere Tage. Pltzlich, ohne eine Warnung, patschte er in Wasser. Uff! Es war eisig kalt. Das lie ihn schnell zur Besinnung kommen. Er wute nicht, ob es nur eine Pftze auf seinem Weg war oder das Ufer eines unterirdischen Flusses, der seinen Weg kreuzte, oder der Rand eines tiefen unterirdischen Sees. Das Schwert schimmerte kaum noch. Er hielt an, und wenn er angestrengt lauschte, konnte er hren, da Tropfen - drip, drip, drip - von einer unsichtbaren Decke in das Wasser vor ihm fielen. Aber ein anderes Gerusch war nicht zu hren. Wahrscheinlich ist es eine Pftze oder ein See und kein unterirdischer Flu, dachte er. Indessen wagte er nicht, hinaus in die Finsternis zu waten. Er konnte nicht schwimmen, und auerdem dachte er an ungemtliche, schleimige Tiere mit groen, hervorstehenden, blinden Augen, die sich im Wasser schlngelten. Es leben seltsame Wesen in den Teichen und Seen im Herzen der Gebirge, Fische, deren Vter hereinschwammen - keiner wei, vor wie vielen Jahren - und die niemals wieder hinausschwammen. Ihre Augen wurden dicker und dicker und immer dicker, weil sie versuchten, in der vlligen Schwrze etwas zu erkennen. Auch gibt es da noch andere Wesen, die schleimiger als Fische sind. Selbst in den Stollen und Gewlben, die die Orks gebaut haben, leben Wesen, die ihnen unbekannt sind und die einstmals von auen hereingekrochen waren, um in der Finsternis zu ruhen. Auerdem gehen einige von diesen Gewlben in Zeiten zurck, die weit vor den Orks liegen. Die Orks haben diese Urgewlbe nur ausgebaut und mit Verbindungsgngen versehen, und die ursprnglichen Eigentmer hausen noch immer in abseitigen Nischen, schleichen und schnffeln umher. Tief unten an dem dunklen Wasser lebte der alte Gollum. Ich wei nicht, woher er kam, nicht, wer oder was er war. Er war Gollum - und er war so dunkel wie die Finsternis, ausgenommen seine beiden dicken, runden, bleichen Augen. Er besa ein Boot, und damit ruderte er nahezu lautlos auf dem See, denn ein See war es, breit und tief und tdlich kalt. Gollum paddelte mit seinen langen Fen, die ber die Bordwand baumelten. Aber das Wasser kruselte sich nicht einmal, kein bichen. Er sphte mit seinen bleichen Augen nach blinden Fischen aus, die er mit seinen langen Fingern schneller als ein Gedanke ergriff. Fleisch mochte er auch, ja, er hielt Orkfleisch fr einen Leckerbissen - wenn er es bekommen konnte. Aber er war so vorsichtig, da ihn die Orks nie dabei erwischten. Er erdrosselte sie von hinten, wenn jemals einer allein hier herunter an das Ufer des Wassers kam. Sie taten es sehr selten, denn sie sprten, da etwas Unerfreuliches hier unten, tief an den Wurzeln des Gebirges, auf sie lauerte. Sie waren bis zum See gekommen, als sie vor langer Zeit ihre Stollen gruben, und sie hatten festgestellt, da sie hier nicht weiterkamen. So hrten also ihre Wege in dieser Richtung auf. Und wenn der Groe Ork sie nicht aussandte, so gab es berhaupt keinen Grund, diesen Weg zu nehmen. Zuweilen hatte er aber Lust auf einen Fisch aus diesem See, und dann kamen manchmal weder Fische noch Orks zurck. Tatschlich lebte Gollum auf einer glitschigen Felsinsel in der Mitte des Sees. Mit seinen bleichen Teleskopaugen beobachtete er Bilbo aus guter Entfernung. Bilbo konnte ihn nicht sehen, aber Gollum wunderte sich auerordentlich ber Bilbo, denn er konnte erkennen, da es sich keinesfalls um einen Ork handelte. Gollum stieg in sein Boot und stie von der Insel ab, whrend Bilbo vllig benommen am Ufer sa, am Ende seines Weges und seines Witzes. Pltzlich kam Gollum heran, wisperte und zischte: "Wasss fr ein Gespritzzz, mein Schatzzz, ich schtze, dasss issst ein mchtigesss Fessstessen, zumindessst ein sssaftiger Happsss, gollum!" Und als er "gollum" sagte, machte er ein schreckliches, schlingendes Gerusch (das hatte ihm auch seinen Namen eingebracht; sich selbst nannte er stets "mein Schatz"). Der Hobbit fiel vor Schreck beinahe auf den Rcken, als sich das Zischen in seine Ohren bohrte, und pltzlich sah er die bleichen Augen auf sich gerichtet. "Wer seid Ihr?" fragte er und streckte den Dolch vor. "Was issst das blo, mein Schatzzz?" wisperte Gollum (der immer nur zu sich selbst sprach, da er niemals jemanden hatte, zu dem er htte sprechen knnen). Er htte gern herausgefunden, was da vor ihm sa, denn er war im Augenblick nicht richtig hungrig, nur neugierig. Andernfalls htte er gleich zugegriffen und dann erst gewispert. "Ich bin Mister Bilbo Beutlin. Ich habe die Zwerge verloren, und ich habe den Zauberer verloren, und ich wei nicht, wo ich bin, und ich mchte es auch gar nicht erst wissen, wenn ich nur von hier wegkommen kann." "Wasss hat das Ding blo in ssseinen Hnden?" fragte Gollum und blickte auf das Schwert, das ihm nicht sehr gefiel. "Ein Schwert, eine Klinge, die aus Gondolin stammt." "Sssss", sagte Gollum und wurde ungewhnlich hflich. "Vielleicht setzt er sich dazu und schwatzt ein bichen, mein Schatzzz? Vielleicht mag das da Rtsel, was wei man?" Er bemhte sich, sehr freundlich zu erscheinen, jedenfalls im Augenblick und bis er mehr ber das Schwert und den Hobbit herausbekommen hatte, ob er wirklich ganz allein war, ob er gut schmeckte und ob er selbst wirklichen Hunger hatte. Rtsel waren das einzige, ber das er nachzudenken verstand. Rtsel zu fragen und sie zuweilen auch zu lsen war das einzige Spiel, das er jemals mit anderen seltsamen Hhlenbewohnern gespielt hatte - vor langer, langer Zeit, bevor er all seine Freunde verloren hatte und vertrieben worden war, bevor er einsam tief, tief in die Finsternis unter das Gebirge kriechen mute. "Sehr gut", sagte Bilbo, der sogleich zustimmte, um mehr ber dieses Wesen herauszufinden - ob es allein, ob es wtend oder hungrig und ob es ein Freund der Orks war. "Ihr fragt zuerst", sagte er, denn er hatte noch keine Zeit gefunden, ein Rtsel auszudenken. So zischte Gollum: "Was hat Wurzeln, die keiner sieht, ragt hher als Bume und Wipfelsume, wchst nie und treibt nicht und reicht doch ins Licht?" "Leicht!" sagte Bilbo. "Berg vermutlich." "Leicht zu raten? Das Ding da mu einen Wettkampf mit uns machen, mein Schatzzz! Wenn mein Schatzzz fragt, und es antwortet nicht, dann fressen wir es, mein Schatzzz. Wenn es uns fragt, und wir antworten nicht, dann tun wir, was das Ding will, he? Wir zeigen ihm den Weg hinaus, gewi!" "In Ordnung!" sagte Bilbo, der nicht zu widersprechen wagte und sich den Kopf zermarterte, denn er mute auf Rtsel kommen, die ihn vor dem Gefressenwerden bewahrten. "Zweiunddreiig Schimmel auf einem roten Hang erst malmen sie, dann stampfen sie und warten wieder lang." Das war alles, was er sich ausdenken konnte - der Gedanke ans Fressen beschftigte ihn sehr. Auerdem war es ein ziemlich altes Rtsel, das auch Gollum kannte, genauso wie ihr es kennt. "Alter Mist!" zischte Gollum, "Zhne. Ha, zweiunddreiig Zhne, mein Schatzzz! Aber wir haben nur sechs!" Dann fragte er sein zweites Rtsel: "Schreit ohne Stimme, fliegt ohne Schwinge, beit ohne Zahn, murmelt und pfeift kein Mund hat's getan." "Einen halben Augenblick", rief Bilbo, den noch immer der peinliche Gedanke plagte, gefressen zu werden. Glcklicherweise hatte er einmal etwas hnliches gehrt. Nachdem er sich gesammelt hatte, fiel ihm die Antwort ein. "Wind. Wind natrlich", sagte er und war so zufrieden, da er auf der Stelle ein neues Rtsel ersann. Das wird diesem hlichen kleinen Untergrundwesen ganz schn zu schaffen machen, dachte er. "Das Auge im blauen Gesicht sah ein Auge im grnen Gesicht. ,Sieht genau aus wie mein Auge`, sagte das erste Auge. ,Doch so tief unten blinzle ich nicht. Ich stehe droben im blauen Gesicht' " "Ss, ss, ss", sagte Gollum. Er war nun schon eine so lange Zeit unter der Erde, da er die Welt oben beinahe vergessen hatte. Aber gerade als Bilbo anfing zu hoffen, da der Kerl nicht wrde antworten knnen, kamen diesem Erinnerungen an lngst vergangene Zeiten, als er noch mit seiner Gromutter in einem Loch in der Bschung eines Flusses gehaust hatte. "Ss, ss, ss, mein Schatz", sagte er, "Sonne auf Gnseblmchen, jawohl, das bedeutet es." Aber diese ganz gewhnlichen oberirdischen Alltagsrtsel langweilten Gollum. Auch erinnerten sie ihn an Tage, da er noch nicht so einsam und schleimig und hlich war, und das verdarb ihm die Laune. Noch schlimmer - sie machten ihn hungrig. Deshalb versuchte er es diesmal mit einem schwierigeren und ungemtlicheren Rtsel: "Man kann es nicht sehen, kann's nicht aufstren, kann es nicht fressen und kann's auch nicht hren, liegt hinter den Sternen und unterm Gestein, rieselt in alle Hhlen hinein, kommt zuerst und folgt auch zuletzt, lscht alles Leben, bis keiner mehr schwtzt." Unglcklicherweise fr Gollum hatte Bilbo dieses Rtsel vorher schon einmal gehrt, und so war die Antwort ihm gelufig. "Das Dunkel!" sagte er und mute sich nicht einmal den Kopf kratzen oder die Stirn runzeln. "Der Schrein ohne Deckel, Schlssel, Scharnier birgt einen goldenen Schatz, glaub es mir!" sagte er, um Zeit zu gewinnen, damit er sich eine wirklich harte Nu ausdenken konnte. Er glaubte, dies sei ein furchtbar leichtes Rtsel, obgleich er nicht in den blichen Worten gefragt hatte. Aber fr Gollum war es unerwartet schwer. Er zischte vor sich hin, und doch konnte er nicht antworten; er wisperte nur und gurgelte. Nach einer Weile wurde Bilbo ungeduldig. "Nun, was ist es?" fragte er. "Und die Antwort ist nicht etwa ein berkochender Kessel, wie Ihr vielleicht denkt. Jedenfalls mu ich das aus dem Gerusch schlieen, das Ihr da eben von Euch gebt." "Gebt uns eine Chance, gebt uns blo eine Chance, mein Schatz - ss - ss!" "Nun", fragte Bilbo, nachdem er lange genug gewartet hatte, "wie steht es mit Eurer Antwort?" Aber pltzlich erinnerte sich Gollum an Nestdiebereien vor langer Zeit, und wie er am Fluufer sa und seine Gromutter ihn das Aussaugen lehrte. "Eier sind's", zischte er, "Eier sind's!" Gleich fragte er weiter: "Atemlos lebt es, kalt wie der Tod schwebt es, fhlt keinen Durst, und doch trinkt es, trgt ein Kettenhemd, und nie klingt es." Auch Gollum glaubte seinerseits, da dies ein furchtbar leichtes Rtsel wre, da er selbst immerzu an die Antwort dachte. Aber er konnte sich in diesem Augenblick an nichts Besseres erinnern, das Eierrtsel hatte ihn zu sehr aufgeregt. Trotzdem war es eine schwer zu knackende Nu fr den armen Bilbo, der nie, wenn er es eben vermeiden konnte, etwas mit Wasser zu schaffen haben wollte. Ich kann mir vorstellen, da ihr die Antwort wit oder da ihr sie leicht erraten knnt. Denn ihr sitzt jetzt gemtlich zu Hause und schwebt nicht in der schrecklichen Gefahr, gefressen zu werden, was immerhin das Denken strt. Bilbo sa und rusperte sich ein- oder zweimal. Aber die Antwort fiel ihm nicht ein. Nach einer Weile begann Gollum vergngt sich selbst zuzuzischen. "Ist es hbsch, mein Schatzzz? Ist es sssaftig? Knirrrscht es nicht kstlich?" Und dann begann er Bilbo aus der Finsternis anzustarren. "Einen halben Augenblick", sagte der Hobbit zitternd. "Ich gab Euch eben auch eine sehr lange Chance." "Rasch , rasch!" sagte Gollum und fing an, aus seinem Boot ans Ufer zu klettern, um sich an Bilbo heranzumachen. Aber als er seinen groen Fu mit den Schwimmhuten ins Wasser setzte, sprang vor Angst ein Fisch heraus und fiel Bilbo auf die Zehen. "Uff", sagte Bilbo, "das ist ja kalt und klamm Und da hatte er die Lsung des Rtsels. "Ein Fisch! Ein Fisch!" rief er. "Es ist ein Fisch!" Gollum war schrecklich enttuscht, aber Bilbo Beutlin platzte mit einem anderen Rtsel heraus, so schnell er nur konnte, und Gollum mute in sein Boot zurcksteigen, um besser nachdenken zu knnen. "Keinbein lag auf Einbein, Zweibein sa auf Dreibein, Vierbein ging auch nicht leer aus." Es war wirklich nicht die rechte Zeit fr ein solches Rtsel, aber Bilbo war in Eile. Falls er es zu einer anderen Zeit gestellt htte, dann, ja dann htte Gollum vielleicht einige Schwierigkeiten gehabt, es zu raten. Aber da sie gerade von Fisch gesprochen hatten, war "Keinbein" wirklich nicht schwer - und folglich war auch der Rest leicht. "Fisch auf einem kleinen Tisch, ein Mensch vor dem Tisch auf einem Stuhl, und die Katze hat die Grten" - so lautet natrlich die Antwort, und Gollum lie damit nicht lange auf sich warten. Aber jetzt ist es Zeit, dachte er, etwas furchtbar Schweres zu fragen. Und dies war sein Rtsel: "Etwas, das alles und jeden verschlingt: Baum, der rauscht, Vogel, der singt, frit Eisen, zermalmt den hrtesten Stein, zerbeit jedes Schwert, zerbricht jeden Schrein, schlgt Knige nieder, schleift ihren Palast, trgt mchtigen Fels fort als leichte Last." Der arme Bilbo sa im Dunkeln und dachte an all die schrecklichen Riesen und Ungeheuer, von denen er jemals in alten Sagen gehrt hatte - aber nicht einer von ihnen hatte all diese furchtbaren Taten vollbracht. Er hatte das Gefhl, da die Antwort ganz anders lauten und da er sie eigentlich wissen mte, aber er konnte nicht daraufkommen. Bilbo begann sich zu frchten, und das ist schlecht frs Nachdenken. Schon kroch Gollum wieder aus seinem Boot, platschte ins Wasser und schob sich aufs Ufer. Bilbo konnte die Augen auf sich zukommen sehen. Seine Zunge schien ihm am Gaumen zu kleben. Er wollte schreien: "Gebt mir mehr Zeit! Gebt mir mehr Zeit!" Aber alles, was mit einem pltzlichen Quieken dabei herauskam, war: "Zeit. Zeit!" Durch einen Glcksfall war Bilbo gerettet. Denn "Zeit" war des Rtsels Lsung. Gollum war wieder einmal enttuscht, und jetzt wurde er bse, und das Spiel wurde ihm langweilig. Es hatte ihn richtig hungrig gemacht, und diesmal ging er nicht zurck in das Boot. Er setzte sich im Dunkeln neben Bilbo nieder. Das war fr den Hobbit schrecklich ungemtlich und brachte ihn schier um den Verstand. "Es mu noch eine Frage sein, mein Schatz, gewi, gewi, gewi. Noch eine Frage, gewi, gewi", sagte Gollum. Aber Bilbo gelang es nicht, eine Frage auszudenken, denn das schmutzige, nasse, kalte Wesen hockte neben ihm, betatschelte und beknuffte ihn. Er kratzte sich, er kniff sich, und noch immer fiel ihm nichts ein. "Wass soll's ssein, wass soll's ssein?" sagte Gollum. Bilbo kniff sich und schlug sich vor den Kopf. Er langte nach seinem kleinen Schwert. Dann griff er sogar mit der anderen Hand in die Tasche. Und dort fand er den Ring, den er im Gang aufgehoben und ganz vergessen hatte. "Was habe ich da in meiner Tasche?" fragte er laut. Er sprach eigentlich zu sich selbst, aber Gollum dachte, es sei ein Rtsel, und war schrecklich aufgeregt. "Das ist nicht fair!" zischte er. "Das ist nicht fair, nicht wahr, mein Schatz? Zu fragen, was das da in seiner garsstigen kleinen Taschsche hat?" Als Bilbo merkte, da Gollum diese Frage fr ein Rtsel hielt, und weil er im Augenblick nichts Besseres wute, blieb er dabei. "Was habe ich da in meiner Tasche?" sagte er noch lauter. "S-s-s-s-s", zischte Gollum. "Es mu uns dreimal raten lassen, mein Schatz, dreimal!" "Gut, schiet los", erwiderte Bilbo. "Seine Hnde!" sagte Gollum. "Falsch", rief Bilbo, der glcklicherweise gerade seine Hand herausgezogen hatte. "Ratet weiter!" "S-s-s-s-s", sagte Gollum und war aufgeregter denn je. Er dachte an alles, was er in seinen eigenen Taschen hatte: Fischgrten, Orkzhne, nasse Muscheln, ein Stckchen Fledermausflgel, einen scharfen Stein, mir dem er seine Krallen wetzte, und anderes ekliges Zeug. Er berlegte angestrengt, was andere Leute wohl in ihren Taschen haben knnten. "Ein Messer!" sagte er schlielich. "Falsch", antwortete Bilbo, der sein Messer vor einiger Zeit verloren hatte. "Letztes Mal!" Jetzt war Gollum viel aufgeregter als bei der Eierfrage. Er zischte und gurgelte und schaukelte vorwrts und rckwrts, patschte mit den Fen auf den Boden, wand und krmmte sich. Aber er wagte nicht, die letzte Chance aufs Spiel zu setzen. "Los", sagte Bilbo. "Ich warte!" Es sollte khn und munter klingen, aber er war gar nicht sicher, wie dieses Spiel enden wrde, ob Gollum richtig riet oder nicht. "Die Zeit ist vorbei!" sagte Bilbo. "Schnur - oder gar nichts", schrie Gollum, der nun nicht fair blieb, denn er versuchte es mit zwei Lsungen zugleich. "Beides falsch!" rief Bilbo sehr erleichtert. Und er sprang sogleich auf die Fe, lehnte den Rcken an die nchste Wand und zog sein kleines Schwert heraus. Er wute natrlich, da das Rtselspiel heilig und auch sehr alt war und da selbst verschlagene Wesen sich hteten, beim Spiel zu betrgen. Aber er sprte, da er diesem schleimigen Kerl nicht trauen konnte, denn wrde er auch im Notfall sein Versprechen halten? Bestimmt wre ihm jede Entschuldigung recht, wenn er sich drum herumdrcken knnte. Und schlielich war die letzte Frage kein echtes Rtsel im Sinne der alten Regeln. Aber wie dem auch sei, Gollum griff ihn nicht sofort an. Er konnte das Schwert in Bilbos Hand sehen. Er sa still, zitterte und flsterte. Endlich konnte Bilbo nicht lnger warten. "Nun", sagte er. "Wie ist das mit Eurem Versprechen? Ich mchte jetzt gehen. Ihr mt mir den Weg zeigen." "Haben wir das gesagt, mein Schatz? Diesem hlichen kleinen Beutlin den Weg hinaus zeigen, gewi, gewi. Aber was hat er in seinen Taschen, he? Keine Schnur, Schatz, aber nichts auch nicht. O nein, gollum!" "Das braucht Euch jetzt nicht mehr zu kmmern", sagte Bilbo. "Ein Versprechen ist ein Versprechen." "Verdrielich ist der Kleine, Schatz, ist ungeduldig", zischte Gollum. "Aber er mu warten, ja, das mu er. Wir knnen nicht so schnell die Gnge hinauf Wir mssen uns erst etwas holen, ja, erst etwas, das uns helfen kann." "Gut, aber schnell!" sagte Bilbo, erleichtert bei dem Gedanken, da Gollum fortgehen wollte. Er nahm an, da er nur eine Entschuldigung vorbrachte und gar nicht zurckkehren wrde. Wovon hatte Gollum doch gesprochen? Was konnte er dort drauen auf dem dunklen See so Ntzliches haben? Aber er irrte sich. Gollum beabsichtigte durchaus, zurckzukehren. Er war jetzt wtend und hungrig. Und er war ein elendes, verschlagenes Wesen, und seinen Plan hatte er lngst. Nicht weit weg lag seine Insel, von der Bilbo nichts wute. Dort hatte er wertlosen Kram versteckt, darunter aber etwas ganz Wunderbares, eine Kostbarkeit : Es war ein Ring, ein goldener Ring, ein kostbarer Ring. "Mein Geburtstagsgeschenk!" wisperte er sich selbst zu, wie so oft schon in den endlosen finsteren Tagen. "Das brauchen wir jetzt, ja, das brauchen wir jetzt." Er wollte den Ring holen, denn der Ring war ein Kleinod von besonderer Macht. Wer ihn auf den Finger steckte, wurde unsichtbar. Nur im vollen Sonnenlicht konnte er gesehen werden, und dann auch nur durch den Schatten, der obendrein unsicher und schwach war. "Mein Geburtstagsgeschenk Ach, was fr ein schner Geburtstag, mein Schatz." So hatte er es sich selbst immer wieder erzhlt. Wer wei, wie Gollum zu diesem Geschenk gekommen war, damals, vor vielen, vielen Jahren, als solche Ringe noch hufiger waren in der Welt? Vielleicht htte selbst der Meister, der ber diese Ringe verfgte, es nicht sagen knnen. Anfangs trug Gollum den Ring - bis es ihn ermdete. Und dann bewahrte er ihn an seinem Krper in einer Tasche auf - bis diese ihn wund rieb. Und jetzt verbarg er ihn gewhnlich in einem Loch auf seiner Felseninsel, und immerzu kam er und schaute ihn an. Doch manchmal, wenn er es nicht lnger ertragen mochte, von ihm getrennt zu sein, oder wenn er sehr hungrig war und Fisch ihn anekelte, setzte er den Ring auf. Dann kroch er die dunklen Gnge entlang und sphte nach Orks aus, die sich verlaufen hatten. Mit dem Ring wagte er sich sogar dorthin, wo Fackeln brannten, obwohl von ihrem Schein seine Augen blinzelten und schmerzten, denn er fhlte sich sicher. O gewi, ganz sicher. Keiner wrde ihn sehen, keiner wrde ihn bemerken, bevor er nicht seine Finger an der Kehle sprte. Nur wenige Stunden zuvor hatte er ihn noch getragen und einen kleinen Orksprling gefangen. Wie er gequiekt hatte! Gollum hatte noch ein paar Knochen zum Knabbern zurckgelegt. Aber jetzt wollte Gollum etwas Zarteres. "Ganz sicher, gewi", wisperte er sich selbst zu. "Das hier wird uns nicht sehen, nicht wahr, mein Schatz? Nein. Es wird uns nicht sehen, und sein hliches kleines Schwert wird ihm nichts ntzen, ganz gewi nichts." Dieser heimtckische Gedanke ging ihm durch den Kopf, als er pltzlich von Bilbos Seite glitt, zurck in das Boot patschte und fort in das Dunkel fuhr. Bilbo dachte, er htte das letzte Mal etwas von ihm gehrt. Er wartete jedoch noch eine Weile, denn er hatte keine Ahnung, wie er allein hier hinausfinden sollte. Pltzlich hrte er einen schrillen Schrei. Der jagte Bilbo einen Schauder den Rcken hinunter. Im Dunkel fluchte und klagte Gollum. Dem Gerusch nach zu urteilen, konnte er nicht weit weg sein - er befand sich ja auf seiner Insel, scharrte hier und scharrte dort, fingerte und suchte vergeblich. "Wo ist er? Wo issst er?" hrte der Hobbit ihn schreien. "Verschwunden ist er, mein Schatz, verschwunden, verschwunden! Donner und Blitz, mein Schatz ist verschwunden!" "Was ist los?" rief Bilbo. "Was habt Ihr verloren?" "Niemand soll uns fragen", schrie Gollum. "Nicht seine Sache, nein, gollum! Oh, er ist verschwunden, gollum, gollum, gollum!" "Nun gut", rief Bilbo. "Aber ich will nicht fr immer hier unter der Erde verschwinden. Und ich habe das Spiel gewonnen, und Ihr habt versprochen, mir zu helfen. Kommt also her! Fhrt mich hinaus, und dann sucht meinetwegen weiter!" So klglich Gollum auch jammerte, konnte Bilbo doch nicht viel Mitleid in seinem Herzen spren, und er hatte ein Gefhl, als wenn etwas, das Gollum sich so sehr wnschte, schwerlich etwas Gutes sein konnte. "Kommt schon!" schrie der Hobbit. "Nein, nicht jetzt Schatz", antwortete Gollum. "Wir mssen ihn suchen, er ist verschwunden, gollum." "Aber Ihr habt mein letztes Rtsel nicht erraten, und Ihr habt es mir versprochen", sagte Bilbo. "Nicht erraten!" schrie Gollum. Und dann kam pltzlich ein scharfes Zischen aus der Finsternis. "Was hat das da in seiner Tasche? Das mu es uns sagen. Das mu es uns zuerst einmal sagen." Bilbo sah keinen besonderen Grund, warum er es nicht htte sagen sollen. Gollums Verstand war schneller als seiner auf die Lsung gekommen. Natrlich, denn er hatte viele Jahre lang diesen einen einzigen Gegenstand bewacht und behtet, denn er hatte immer gefrchtet, da der Ring gestohlen werden knnte. Aber Bilbo war ber die Verzgerung verrgert. Schlielich hatte er das Spiel gewonnen, ziemlich fair, und zu einem sehr gefhrlichen Preis. "Antworten werden geraten und nicht gegeben", sagte er. "Aber es war keine anstndige Frage", sagte Gollum. "Kein richtiges Rtsel, Schatz, nein." "O ja. Und wenn es jetzt um eine gewhnliche Frage geht" , erwiderte Bilbo, "so habe ich zuerst gefragt. Also : Was habt Ihr verloren? Antwortet Ihr zuerst!" "Was ist in der Tasche?" Das zischende Gerusch klang nher und schrfer, und als Bilbo hinschaute, sah er zu seinem Schrecken, da zwei kleine, helle Punkte ihn anstarrten. Verdacht war in Gollum aufgestiegen, und deshalb brannte das Licht in seinen Augen mit fahler Flamme. "Was habt Ihr verloren?" drang Bilbo in ihn. Aber jetzt war das Licht in Gollums Augen zu grnem Feuer geworden und kam sehr rasch nher. Gollum sa wieder in seinem Boot. Wild paddelte er an das dunkle Ufer zurck. Und in ihm kochte eine solche Wut, aus Verlust und Verdacht genhrt, da selbst das Schwert kein Schrecken mehr fr ihn war. Bilbo konnte nicht wissen, was dieses sonderbare Wesen so erzrnt hatte, aber er sah, da Gollum ihn, koste es, was es wolle, ermorden wollte. Gerade noch zur rechten Zeit drehte er sich um und rannte blindlings die dunklen Gnge hinauf, die er gekommen war. Er hielt sich dicht an der Wand und tastete sich mit der linken Hand weiter. "Was hat das da in seinen Taschen?" hrte er es laut hinter sich zischen, und dann hrte er das Patschen, als Gollum aus seinem Boot sprang. Was habe ich denn blo? sagte Bilbo zu sich selbst, als er so daherkeuchte und weiterstolperte. Er steckte seine linke Hand in die Tasche. Der Ring fhlte sich sehr kalt an, als er auf seinen tastenden Zeigefinger glitt. Das Zischen war dicht hinter ihm. Bilbo drehte sich um und sah Gollums Augen wie kleine grne Lampen den Gang heraufkommen. Entsetzt versuchte Bilbo schneller zu laufen, aber pltzlich stieen seine Zehen gegen eine Unebenheit des Bodens, und patsch, fiel er lngelang hin und begrub sein kleines Schwert unter sich. Im nchsten Augenblick hatte Gollum ihn eingeholt. Doch bevor Bilbo etwas tun konnte, Atem holen, sich aufrichten oder sein Schwert schwingen, war Gollum vorbeigelaufen, ohne ihn zu bemerken, wobei er mchtig fluchte und wisperte. Was sollte das bedeuten? Gollum konnte doch im Finstern sehen! Bilbo bemerkte selbst von hinten den bleichen Lichtschimmer von Gollums Augen. Mhsam erhob er sich und zog sein Schwert, das jetzt wieder schwcher leuchtete. Dann folgte er vorsichtig, denn nichts anderes konnte man jetzt tun. Es wre unsinnig gewesen, zu Gollums See hinabzusteigen. Wenn er Gollum folgte, so wrde ihm dieser vielleicht, ohne es zu beabsichtigen, einen Weg zum Entwischen zeigen. "Verflucht soll's sein, verflucht soll's sein!" zischte Gollum. "Verflucht sei dieser Beutlin! Er ist fort! Was hat er in seinen Taschen? Oh, wir wissen's, wir wissen's, mein Schatz! Er hat's gewi, er mu es haben, mein Geburtstagsgeschenk!" Bilbo spitzte die Ohren. Ihm dmmerte des Rtsels Lsung. Er beeilte sich ein bichen und kam so nahe an Gollum heran, wie er es gerade noch wagen konnte. Gollum lief sehr rasch weiter und schaute nicht zurck, aber er drehte seinen Kopf nach allen Seiten, wie Bilbo an dem schwachen Schimmer an den Wnden erkennen konnte. "Mein Geburtstagsgeschenk! Verflucht, wie konnten wir es blo verlieren, mein Schatz? Ja, so ist es: Als wir diesen Weg zuletzt entlangkamen, als wir dem hlichen jungen Quieker den Hals herumdrehten. So war es. Verflucht, es fiel herunter, nach all den Jahren! Es ist weg, gollum." Auf einmal setzte Gollum sich hin und fing an zu weinen, ein pfeifendes, gurgelndes Gerusch, das schrecklich anzuhren war. Bilbo blieb stehen und drckte sich ganz dicht an die Stollenwand. Nach einer Weile hrte Gollum auf zu weinen und begann zu sprechen. Er schien mit sich selbst zu streiten. "Es ist Unsinn, zurckzugehen und zu suchen. Nein. Wir erinnern uns nicht mehr an alle Stellen, an denen wir gewesen sind. Und das hat keinen Zweck. Der Beutlin hat ihn in der Tasche. Der hliche Schnffler hat ihn gefunden, das wissen wir jetzt. Wir denken es, mein Schatz, aber wir denken es blo. Wir knnen es nicht wissen, wenn wir nicht dieses hliche Geschpf finden und ausquetschen. Aber es wei nicht, was mit dem Geschenk los ist, nicht wahr? Es hat es nur in der Tasche. Es wei es nicht, und es kann damit nicht weit kommen. Es verirrt sich, das hliche, neugierige Ding. Es wei den Weg nicht hinaus. Das hat es doch selbst gesagt. Es hat das gesagt, ja. Aber es ist tckisch. Es sagt nicht, was es meint. Es wollte nicht sagen, was es in seiner Tasche hat. Es wei es. Es wei einen Weg herein, es mu auch einen Weg hinaus wissen, ja. Es ist auf dem Weg zur Hintertr. Zur Hintertr, das ist es. Dann werden es die Orks erwischen. Den Weg kann es nicht hinaus, Schatz. Sss, ss, gollum! Orks! Aber, wenn es unser Geschenk hat, unser kostbares Geschenk, dann werden die Orks es bekommen, gollum! Sie werden es finden, sie werden auch herausfinden, was mit ihm los ist. Wir werden nie wieder sicher sein, nie wieder, gollum! Einer der Orks wird ihn anstecken, und dann wird ihn niemand sehen. Er wird da sein - aber man wird ihn nicht sehen. Nicht einmal unsere klugen Augen werden ihn bemerken. Und heimlich und tckisch wird er ankommen und uns fangen, gollum, gollum! Dann Schlu mit den Reden, Schatz, wir mssen uns beeilen. Wenn Beutlin den Weg genommen hat, mssen wir schnell sein und nachschauen. Los! Er kann nicht weit sein. Mach schnell!" Mit einem Sprung kam Gollum auf die Beine und rannte schlotternd mit groer Geschwindigkeit los. Bilbo rannte hinter ihm her, noch immer vorsichtig, obgleich er jetzt am meisten frchtete, ber eine andere Unebenheit zu stolpern und mit einem Krach hinzufallen. In seinem Kopf wirbelten Hoffnung und Staunen wild durcheinander. Anscheinend war der Ring, den er besa, ein Zauberring : Er machte unsichtbar! Natrlich hatte er in sehr alten Geschichten von solchen Ringen schon gehrt. Aber es war schwer zu glauben, da er wirklich einen gefunden hatte, durch Zufall. Immerhin, dies war geschehen: Gollum mit seinen leuchtenden Augen war vorbeigelaufen, nur eine Armbreite an ihm vorbei. Weiter ging's, Gollum pitschte und patschte voran, zischend und fluchend, und Bilbo folgte ihm so leise, wie es nur ein Hobbit kann. Bald kamen sie an Stellen, an denen Bilbo auf seinem Wege herab festgestellt hatte, da sich zu beiden Seiten Gnge ffneten. Gollum begann sie sogleich abzuzhlen. "Einer links, ja. Einer rechts, ja. Zwei rechts, ja, ja. Zwei links, ja, ja." Und so immer weiter. Als die Zahlen wuchsen, wurde er langsamer und fing an, unsicher und weinerlich zu werden, denn er lie seinen See immer weiter und weiter hinter sich zurck. Er bekam es mit der Angst zu tun. Orks konnten in der Nhe sein, und er hatte seinen Zauberring verloren. Endlich blieb er bei einer niedrigen ffnung stehen. "Sieben rechts, sechs links, ja!" wisperte er. "Hier ist es. Hier ist der Weg zur Hintertr, gewi. Hier ist der Durchgang!" Er schaute hinein und fuhr zurck. "Aber wir drfen nicht weitergehen, Schatz, wir drfen nicht. Da unten sind Orks. Massenweise Orks. Wir riechen sie. Sss! Was sollen wir tun? Verdammt und verflucht! Wir mssen hier warten, Schatz, ein bichen warten und aufpassen." So kamen sie an einen toten Punkt. Gollum hatte zwar Bilbo zum Weg hinausgefhrt, aber Bilbo konnte nicht hinein! Da sa Gollum wie ein dicker Haufen mitten in der ffnung, und seine Augen glommen kalt, whrend er zwischen den Knien von einer Seite zur anderen schaukelte. Bilbo kroch leiser als eine Maus weg von der Wand, aber Gollum richtete sich pltzlich auf, schnffelte, und seine Augen wurden grn. Er zischte leise, aber gefhrlich. Er konnte den Hobbit nicht sehen, aber jetzt war er auf der Hut, und er hatte andere Sinne, die die Finsternis geschrft hatte : Hren und Riechen. Er spreizte seine flachen Hnde auf dem Boden, er schien sich zu ducken, sein Kopf streckte sich vor, und seine Nase berhrte fast den Felsboden. Obgleich Gollum im Schimmer seiner Augen nur ein schwarzer Schatten war, konnte Bilbo doch sehen (oder fhlen), da er gespannt war wie eine Bogensehne, gesammelt zum Sprung. Bilbo hrte fast auf zu atmen und machte sich steif. Er war verzweifelt. Fort mute er, weg aus der grlichen Finsternis, solange ihm noch ein bichen Kraft blieb. Er mute kmpfen. Er mute das widerliche Wesen erdolchen, seine Augen auslschen, er mute es tten, sonst wurde er selbst von ihm gettet. Aber ein fairer Kampf war es nicht. Bilbo war unsichtbar, und Gollum hatte kein Schwert. Genaugenommen hatte Gollum noch gar keinen ernsthaften Mordversuch gemacht. Aber Bilbo fhlte sich elend, allein und verloren. Ein pltzliches Verstehen, ein Mitleid, mit Entsetzen gemischt, stieg in seinem Herzen auf : ein Widerschein von endlos gleichfrmigen Tagen ohne Licht und Hoffnung auf nderung, harter Stein, kalter Fisch, Kriechen und Flstern. Alle diese Gedanken flogen in Sekundenschnelle an Bilbo vorber. Er zitterte. Und dann, ganz pltzlich in einem anderen Sekundenblitz, gleichsam von neuer Kraft gepackt, sprang er vorwrts. Es war kein groer Sprung fr einen Mann. Aber es war ein Sprung im Dunkeln. Genau ber Gollums Kopf hinweg sprang er, sieben Fu vor und drei in die Hhe. In der Tat, ein gefhrlicher Sprung, denn er htte sich um ein Haar den Schdel an der niedrigen Stollendecke eingerannt. Gollum warf sich zurck und schnappte zu, als der Hobbit ber ihn hinwegflog - aber zu spt. Seine Hnde grapschten in dnne Luft, und Bilbo, der genau auf seine stmmigen Fe fiel, rannte davon, den neuen Gang hinab. Er wandte sich nicht einmal um, um zu sehen, was Gollum tat. Er hrte anfangs das Zischen und Fluchen dicht hinter seinen Fersen. Dann hrte es auf. Und pltzlich erreichte ihn ein Schrei, der das Blut gerinnen machte, ein Schrei voller Ha und Verzweiflung. Gollum war besiegt. Er wagte nicht, weiterzugehen. Er hatte verloren : seinen Raub und das einzige, das er jemals geliebt hatte, seinen Schatz. Der Schrei lie Bilbos Herz zum Zerspringen schlagen, doch er setzte seinen Weg fort. Da erreichte ihn die Stimme, schwach wie ein Echo, aber voll schrecklicher Drohung, "Dieb, Dieb, Dieb! Beutlin! Wir hassen den Dieb, wir hassen ihn, wir hassen ihn fr alle Ewigkeit!" Dann herrschte Schweigen. Aber auch das Schweigen schien Bilbo voll schrecklicher Drohung. Ob die Orks schon so nahe sind, da er sie gerochen hat? dachte er. Dann haben sie auch sein Schreien und Fluchen gehrt. Vorsicht jetzt, Bilbo Beutlin, oder dieser Weg wird zu Schlimmerem fhren! Der Durchgang war niedrig und schlecht gebaut. Aber fr einen Hobbit war es nicht allzu schwierig, abgesehen davon, da er trotz aller Vorsicht mit seinen armen Zehen mehrfach an scheuliche, zackige Steine stie. Ein bichen niedrig fr Orks, wenigstens fr die groen, dachte Bilbo, der nicht wute, da selbst die groen, die Orks des Gebirges, mit grter Geschwindigkeit tief gebckt, die Hnde fast auf dem Boden, daherrennen knnen. Bald fhrte der Gang, der anfangs leicht abgefallen war, wieder aufwrts, und nach einer Weile stieg er sogar steil an. Das hemmte Bilbos Eile. Aber schlielich hatte auch dieser Anstieg ein Ende. Der Gang wand sich um eine Ecke und stieg ab, und dort unten sah Bilbo an der Auenwand einer Biegung endlich einen Lichtschimmer. Es war kein roter, wie von einem Feuer oder von einer Laterne, sondern fahles Tageslicht. Da begann Bilbo zu rennen. So schnell wie seine Beine ihn trugen, lief er um die letzte Biegung und gelangte pltzlich in einen offenen Raum, in dem das Licht nach all den schrecklichen Stunden in der Finsternis ihn mit seiner Helligkeit blendete. In Wirklichkeit war es allerdings nur ein schmaler Sonnenstreif, der durch den Torweg fiel, denn das groe steinerne Tor stand offen. Bilbo zwinkerte - und dann sah er pltzlich die Orks: Orks in voller Bewaffnung, die mit gezogenen Schwertern im Torweg saen und Eingang und Ausgang mit weit aufgerissenen Augen bewachten. Die Aufregung war unverkennbar. Die Wachen waren in Alarmbereitschaft. Sie sahen ihn schneller, als er sie sah. Entweder war es ein Zufall oder ein letzter Trick des Ringes, ehe er seinen neuen Herrn anerkannte - er stak nicht mehr an Bilbos Finger. Mit Freudengeheul strzten sich die Orks auf ihn. Wie das Echo von Gollums Jammer lieen Angst und Verlassenheit Bilbos Herz erbeben. Er verga, sein Schwert zu ziehen, fuhr nur mit beiden Hnden in die Taschen - und da lag der Ring noch in der linken Tasche, und er glitt auf Bilbos Finger. Die Orks hielten erschrocken an. Sie konnten keine Spur von Bilbo sehen. Er hatte sich verflchtigt. Sie schrien ein paarmal ebenso laut wie vorhin, aber es klang nicht mehr so freudig. "Wo ist er?" schrien sie. "Lauft den Gang hinauf!" riefen mehrere. "Diesen Weg!" brllten die einen. "Nein, den Weg!" brllten andere. "Pat auf das Tor auf!" bellte der Hauptmann. Trillerpfeifen gellten, Waffen schlugen aneinander, Schwerter rasselten, Orks fluchten und schimpften, rannten hierhin und dorthin, einer fiel ber den anderen, und dabei wurden sie furchtbar wtend. Es war eine schreckliche Schreierei und Verwirrung. Bilbo war es angst und bange, aber da er begriff, was geschehen war, kroch er rasch hinter ein dickes Fa, das Trinkwasser fr die Orkwache enthielt. Nun war er aus dem Weg und wurde weder angerempelt noch erwischt, noch zu Tode getrampelt. Ich mu an das Tor heran! sagte er immer wieder zu sich selbst. Aber es dauerte eine ganze Weile, bis er den verzweifelten Versuch wagte und sich auf ein haarstrubendes Blindekuhspiel einlie. Der Platz wimmelte von Orks. Der arme kleine Hobbit wich einmal da, einmal dort aus. Er wurde von einem Ork ber den Haufen geworfen, der aber nicht ergrnden konnte, womit er da blo zusammengerasselt war. Bilbo kroch auf allen vieren weg, schlpfte gerade noch zur rechten Zeit zwischen den Beinen des Hauptmanns durch, erhob sich und rannte zum Tor. Es stand zwar noch immer einen Spalt offen, aber ein Ork hatte es in dem Durcheinander fast zugeschlagen. Bilbo versuchte, sich durch den Spalt zu quetschen. Er quetschte sich und quetschte sich und kam keinen Zoll voran. Es war entsetzlich, zwischen Torkante und Torpfosten waren seine Knpfe steckengeblieben. Er konnte nach drauen ins Freie sehen : Da fhrten ein paar Stufen hinab in ein enges Tal zwischen hohen Bergen. Die Sonne kam hinter einer Wolke hervor und schien leuchtend auf den Torplatz - aber Bilbo hing fest. Pltzlich schrie drinnen einer der Orks: "Da ist ein Schatten an der Tr. Da steht jemand drauen!" Bilbos Herz rutschte in die Hose. Er wand sich mit letzter Kraft wie ein Aal. Abgeplatzte Knpfe sprangen in alle Richtungen. Endlich war er drauen, mit zerrissenem Mantel und zerrissener Jacke, und schon hpfte er wie eine Ziege die Stufen hinab, whrend die verdutzten Orks seine hbschen Messingknpfe von der Torschwelle auflasen. Natrlich kamen sie bald hinter ihm drein, brllten und grlten und jagten zwischen den Bumen umher. Aber sie mgen die Sonne nicht: Sie macht ihre Knie weich und ihre Kpfe schwindlig. Bilbo sprang hinein und heraus aus dem Schatten der Bume, er rannte schnell und lautlos und hielt sich aus der Sonne. Sie konnten ihn nicht erwischen, zumal er ja den Ring trug. Da kehrten sie murrend und schimpfend zurck, um das Tor zu bewachen. Bilbo war entkommen. ~Raus aus der Bratpfanne, rein ins Feuer Bilbo war den Orks entwischt, aber er wute nicht, wo er war. Er hatte Kapuze, Mantel, Verpflegung und Pony verloren, seine Knpfe waren weg und seine Freunde auch. Er marschierte und marschierte, bis die Sonne im Westen unterging hinter den Bergen. Ihre Schatten fielen ber Bilbos Weg, und er schaute zurck. Dann schaute er vorwrts und sah nur noch Bergketten und Hnge, die sich zu den Tlern neigten, und gelegentlich sah er auch fern weite Ebenen durch die Bume schimmern. "Donnerwetter!" rief er aus. "Mir scheint, ich bin schon auf der anderen Seite der Nebelberge! Wo in aller Welt mgen Gandalf und die Zwerge jetzt sein? Ich kann nur hoffen, da sie sich nicht mehr dahinten in den Klauen der Orks befinden!" Er marschierte weiter, aus dem kleinen Hochtal heraus, ber den Bergrand hinweg und den jenseitigen Hang hinab. Aber whrend der ganzen Zeit wurde ein sehr unangenehmer Gedanke immer strker in ihm. Er berlegte, ob er nicht als Besitzer des Zauberringes in die furchtbaren Stollen und Gnge zurckkehren msse, um seine Freunde zu suchen. Gerade hatte er sich zu der Ansicht durchgekmpft, da dies seine unumgngliche Pflicht sei - er fhlte sich ganz elend bei diesem Gedanken -, da hrte er Stimmen. Bilbo hielt an und lauschte. Es klang nicht nach Orks. Also kroch er vorsichtig weiter. Er befand sich auf einem steinigen Pfad, der sich in das Tal hinabschlngelte und der linker Hand von einer Felswand flankiert war. Auf der anderen Seite fiel der Boden ab, und es gab unterhalb des Pfades kleine Schluchten, ber deren Rand Bsche und niedrige Bume hingen. In einer dieser Schluchten hrte er unter dem Gebsch jemand reden. Lautlos kroch Bilbo nher, und pltzlich sah er zwischen zwei groen Felsbrocken einen Kopf mit einer roten Kapuze darber: Es war Balin auf Ausguck. Am liebsten htte unser Hobbit in die Hnde geklatscht und vor Freude losgeschrien, aber er tat es nicht. Noch immer trug er den Ring am Finger, denn er frchtete sich, auf etwas Unerwartetes oder Unerfreuliches zu stoen. Und nun sah er, da Balin ihn geradewegs anschaute - und ihn nicht bemerkte. Die werden ganz schn berrascht sein, dachte er, als er in die Bsche am Rand der Schlucht kroch. Unten stritt Gandalf mit den Zwergen. Sie besprachen alles, was in den Stollen mit ihnen geschehen war, stritten und berlegten, was nun geschehen mte. Die Zwerge brummten, und Gandalf sagte, da sie keinesfalls ihre Reise fortsetzen und Mister Beutlin in den Hnden der Kobolde lassen knnten. Sie mten herausfinden, ob er noch lebte oder tot war, und sie mten unbedingt versuchen, ihn zu retten. "Schlielich ist er mein Freund", sagte der Zauberer, "und gewi kein schlechter Kerl. Ich fhle mich verantwortlich fr ihn. Ach, wenn ihr ihn nur nicht verloren httet!" Die Zwerge brummten, warum Gandalf den Hobbit berhaupt mitgenommen htte, warum er nicht bei ihnen geblieben und seinen Freunden ordentlich gefolgt wre und warum der Zauberer nicht jemand mit mehr Verstand ausgesucht htte. "Bisher hat er uns mehr Verdru als Nutzen gebracht", sagte einer. "Wenn wir jetzt noch einmal in diese scheulichen Stollen hinein mssen, um ihn zu suchen, dann zum Henker mit ihm! Das ist meine Meinung." Gandalf antwortete rgerlich : "Ich war es, der ihn mitnahm, und ich bringe keine Leute mit, die nichts taugen. Entweder helft ihr mir, ihn zu suchen, oder ich gehe und lasse euch in der Klemme sitzen, und ihr knnt zusehen, wie ihr wieder herauskommt. Wenn wir ihn wiederfinden, werdet ihr danke schn sagen, noch ehe das Unternehmen zu Ende ist. Warum blo habt ihr ihn fallen lassen, Dori?" "Ihr httet ihn auch fallen lassen", sagte Dori, "wenn pltzlich ein Ork von hinten aus der Finsternis Eure Knie geschnappt, Euch ein Bein gestellt und in den Hintern getreten htte!" "Aber, warum habt Ihr ihn dann nicht wieder aufgepackt?" "Lieber Himmel! Ihr knnt fragen! berall fochten und bissen die Orks im Dunkeln, jeder fiel ber irgendwen und irgendwas. Beinahe httet Ihr meinen Kopf mit Glamdring abgehauen, und Thorin stach hier und dort und berall mit Orkrist herum. Dann liet Ihr auf einmal einen Blitzstrahl dazwischenfahren, und wir sahen die Orks brllend zurckrennen. Ihr rieft: ,Folgt mir alle nach!`, und verflixt, es htten Euch auch alle folgen sollen. Wir dachten das jedenfalls. Zum Abzhlen blieb keine Zeit, wie Ihr ganz gut wit, oder wolltet Ihr abzhlen, als wir zwischen den Torwachen hindurchpreschten, raus aus dem unteren Tor und kopfber, kopfunter bis hierher? Und hier sind wir jetzt - und ohne den Meisterdieb, verwnscht noch einmal!" "Und hier ist auch der Meisterdieb!" sagte Bilbo und kam in ihre Mitte heruntergestapft, wobei er den Ring vom Finger gleiten lie. Donnerwetter, wie sie da aufsprangen! Sie schrien vor berraschung und schlielich auch vor Erleichterung alle durcheinander. Gandalf war ebenso erstaunt, aber wahrscheinlich mehr erfreut als die anderen. Er rief Balin und sagte ihm, was er von einem Ausguckmann hielt, der die Leute ohne Warnung gleich zu ihnen heranspazieren lie. Indessen stieg die Achtung der Zwerge vor Bilbo durch diese Geschichte ganz auerordentlich. Wenn sie bisher noch immer gezweifelt hatten, da er wirklich ein Meisterdieb erster Klasse war (Gandalfs Worten zum Trotz), so zweifelten sie nun nicht lnger daran. Am meisten war Balin berrascht; aber nicht nur Balin, jeder sagte, da es ein ausnehmend geschickter Streich war. Bilbo war sehr zufrieden, da man ihn so lobte. Innerlich lachte er, sagte aber nichts ber den Ring. Und als sie ihn fragten, wie er es geschafft habe, antwortete er: "Oh, ich bin nur vorwrts gekrochen, wit ihr - sehr vorsichtig natrlich und ganz lautlos." "Wirklich gut, denn bisher ist nicht mal eine vorsichtige und leise Maus unter meiner Nase weggehuscht, ohne da ich sie bemerkt htte, sagte Balin. "Ich ziehe meine Kapuze vor Euch." Und das tat er dann auch. "Balin, zu Euren Diensten", sagte er. "Euer Diener: Mister Beutlin", entgegnete Bilbo. Dann wollten sie alles ber seine Abenteuer hren, alles, seit sie ihn verloren hatten, und er setzte sich nieder und erzhlte seine Erlebnisse von hinten bis vorn - ausgenommen die Geschichte von dem Ring. (Nicht gerade jetzt, dachte er.) Sie waren besonders an dem Rtselkampf interessiert und schauderten bei der Beschreibung Gollums. "Und dann fiel mir keine andere Frage ein, als er so dicht neben mir sa", endete Bilbo, "und ich sagte: ,Was ist in meiner Tasche?` Und das konnte er dreimal nicht erraten. Da sagte ich: ,Wie steht's mit Eurem Versprechen? Zeigt mir den Weg hinaus!` Aber er kam an und wollte mich tten, und ich rannte weg und fiel hin, und er verlor mich im Dunkeln. Dann folgte ich ihm, denn ich hrte ihn mit sich selbst reden. Er dachte, in Wirklichkeit wrde ich den Weg doch kennen, und so ging er den richtigen Weg entlang. Und dann setzte er sich in den Eingang, und ich konnte nicht vorbei. Da sprang ich ber ihn hinweg und entkam und rannte zum Tor hinunter." "Und die Wachen?" fragten sie. "Waren keine Wachen da?" "O ja! Massenweise. Aber ich legte sie herein. Dann blieb ich in der Tr hngen, die nur einen Spalt offen war, und verlor Dutzende von Knpfen dabei", sagte er und blickte traurig an seinen zerrissenen Kleidern herab. "Aber ich habe mich richtig durchgequetscht - und hier bin ich nun." Die Zwerge betrachteten ihn mit einem ganz neuen Respekt, als er davon sprach, wie er die Wachen hereingelegt hatte, wie er ber Gollum hinweggesprungen war und sich durchgequetscht hatte, als ob das gar nicht sehr schwer und aufregend gewesen wre. "Was habe ich euch gesagt?" meinte Gandalf lachend. "An Mister Beutlin ist mehr daran, als ihr denkt." Unter seinen buschigen Augenbrauen jedoch sandte er Bilbo einen seltsamen Blick zu, whrend er dies sagte, und der Hobbit berlegte, ob Gandalf erraten habe, was er wohlweislich ausgelassen hatte. Dann mute Bilbo selbst einige Fragen stellen, denn obgleich den Zwergen gerade alles von Gandalf erklrt worden war, hatte der Hobbit es doch nicht mit angehrt. Er wollte wissen, auf welche Weise der Zauberer wieder aufgetaucht und wo sie nun alle waren. Dem Zauberer, um die Wahrheit zu sagen, kam es durchaus nicht ungelegen, seine Gescheitheit noch einmal zu beweisen. Und so berichtete er Bilbo, da ihm sowohl als auch Elrond die Gegenwart bler Orks in diesen Teilen des Gebirges durchaus bekannt gewesen wre. Aber ihr Haupttor befand sich frher an einem ganz anderen Pa, an einem Pa, ber den zu reisen viel leichter war, so da die Orks oft genug Leute auf griffen, die in der Nhe ihrer Tren bernachteten. Offensichtlich hatte man deshalb diesen Weg aufgegeben, und die Orks muten den neuen Eingang gerade auf jener Pahhe angelegt haben, ber die die Zwerge gekommen waren - krzlich erst, denn dieser Pa war bisher ganz sicher gewesen. "Ich mu einmal sehen, ob ich nicht einen mehr oder weniger netten Riesen finde, der den Sack dort wieder zumacht", sagte Gandalf, "oder es gibt bald berhaupt keinen Weg mehr ber das Gebirge." Kaum hatte Gandalf Bilbos Schrei gehrt, als er auch schon begriff, was da vor sich ging. Mit dem Blitz, der die nach ihm greifenden Orks niederstreckte, hatte er sich in den Spalt gezwngt, gerade als er zuschnappte. Er folgte den Treibern und ihren Gefangenen bis zur groen Halle, und dort setzte er sich nieder und zauberte so gut, wie er es in der Finsternis berhaupt konnte. "Es war ein heikles Geschft", sagte er. "Anznden - und nichts wie weg!" Aber Gandalf hatte sich natrlich ganz besonders mit Feuer und Lichtzaubereien beschftigt (selbst der Hobbit hatte niemals die zauberhaften Feuerwerke auf den Mittsommergesellschaften des alten Tuk vergessen, wie ihr euch erinnert). Den Rest wissen wir schon - ausgenommen, da Gandalf ber die Hintertr genau Bescheid wute, jenen unteren Ausgang, an dem Bilbo seine Knpfe verlor. Dieses untere Tor war brigens jedermann wohlbekannt, der mit diesen Gegenden des Gebirges vertraut war. Aber es bedurfte eines Zauberers, damit man in den unterirdischen Gngen den Kopf nicht verlor und die rechte Richtung fand. "Dieses Tor bauten sie vor vielen Jahren", sagte er, "einesteils, um einen Fluchtweg zu besitzen, falls einmal einer gebraucht wurde. Andernteils benutzten sie es als Ausfalltor in die Lnder auf der andern Seite, in die sie nachts noch immer einfallen und wo sie groes Unheil stiften. Niemals ist es unbewacht, und niemand ist es bisher gelungen, dieses Tor ein fr allemal zu sperren. Jetzt werden sie es doppelt bewachen", bemerkte Gandalf lachend. Auch die anderen lachten. Recht betrachtet, hatten sie zwar viel verloren, aber sie hatten den Groen Ork gettet und viele andere Kerle auch, und schlielich waren sie entkommen. Man konnte also sagen, da sie doch das Bestmgliche erreicht hatten. Aber der Zauberer rief sie zu vernnftigen berlegungen zurck. "Jetzt, da wir ein wenig ausgeruht sind, mssen wir sofort aufbrechen", sagte er. "Sie werden zu Hunderten hinter uns her sein, wenn erst die Nacht kommt. Und die Schatten werden schon lnger. Sie knnen unsere Fhrten noch nach Stunden riechen. Wir mssen also etliche Meilen hinter uns bringen, ehe es dmmert. Wenn das Wetter gut bleibt, haben wir ein wenig Mondlicht, und das kann man Glck nennen. Nicht, da die Orks das Mondlicht scheuen. Aber es wird uns helfen, uns besser zurechtzufinden. "O ja!" antwortete der Zauberer auf einige weitere Fragen des Hobbits. "Drinnen in den Orkgngen verliert man den Sinn fr die Zeit. Heute ist Donnerstag, und es war Montag nacht oder Dienstag morgen, als wir gefangen wurden. Wir sind viele Meilen gelaufen und mitten durch das Herz des Gebirges gekommen, und jetzt sind wir auf der anderen Seite - ein schnes Stck haben wir dabei abgeschnitten. Aber wir sind nun nicht an jener Stelle, an die unser Paweg uns gebracht htte. Wir sind zu weit nrdlich herausgekommen und haben eine nicht sehr angenehme Gegend vor der Nase. Auerdem sind wir hier noch sehr hoch oben. Los, jetzt mssen wir weiter!" "Ich bin so schrecklich hungrig", klagte Bilbo, der pltzlich gewahr wurde, da er seit der vorvorigen Nacht nichts mehr gegessen hatte. Denkt blo, was das fr einen Hobbit heit! Sein Magen fhlte sich ganz leer und schlaff an, und seine Beine waren richtig weich, jetzt, da die Aufregung vorber war. "Ich kann es nicht ndern", sagte Gandalf, "es sei denn, Ihr fragt die Orks hflich, ob sie Euch das Pony und Euren Verpflegungssack zurckgeben wollen." "Nein, vielen Dank", entgegnete der Hobbit. "Gut also, wir mssen uns den Grtel enger schnallen und weitertrotten - oder wir werden zu Hackfleisch gemacht, und das drfte in jedem Fall schlimmer sein als selbst keines haben." Als sie so marschierten, blickte Bilbo nach allen Seiten, ob nicht etwas Ebares zu finden wre. Aber die Heidelbeeren standen gerade erst in der Blte. Nsse gab es natrlich auch nicht, nicht einmal Weidornbeeren. Er knabberte ein bichen am Sauerampfer, trank aus einem kleinen Gebirgsflu und a drei wilde Stachelbeeren, die er am Ufer fand. Aber das half nicht viel. Sie marschierten und marschierten. Der holprige Pfad verschwand. Die Bsche und das hohe Gras zwischen den Felsbrocken, die von Kaninchen abgefressenen Rasenflecke, der Thymian, die Salbei, der Majoran und die gelben Felsenrosen, alles blieb zurck, und pltzlich standen sie hoch oben an einem breiten, steilen Hang aus losem Gerll, dem berbleibsel eines Erdrutsches. Als sie mit dem Abstieg begannen, rollten Schutt und Kiesel unter ihren Fen weg. Bald kamen krachend die greren Gesteinsbrocken hinterher und rissen andere Stcke mit. berall unter ihnen glitt und rollte es. Felskltze wurden angestoen und auf die Reise geschickt; sie krachten mit wehenden Staubfahnen und tosendem Lrm hinunter. Es dauerte nicht lange, und der ganze Hang ber ihnen und unter ihnen schien in Bewegung geraten zu sein. Sie rutschten mit, fielen aufeinander, und das alles geschah in einem furchtbaren Tohuwabohu von scheppernden, rutschenden, krachenden Steinen, Schutt und Gerll. Die Bume unten retteten sie. Sie schlitterten nmlich bis zum Rand eines Kiefernwaldes, der von den tief unten gelegenen, dunklen Talwldern bis zum Steilabfall hinaufreichte. Einige fanden Halt an den Stmmen und schwangen sich in die unteren Zweige, andere (wie der kleine Hobbit) fanden hinter einem Baum Schutz gegen den Steinschlag. Bald war die Gefahr vorbei, der Bergrutsch hatte aufgehrt, und es war nur noch ein letztes, schwaches Aufkrachen zu vernehmen, wenn die schwersten Brocken des aufgestrten Gesteins durch das Farnkraut und ber die Kiefernwurzeln tief unten bumsten und wirbelten. "Schn, das hat uns ein gutes Stck weitergebracht", sagte Gandalf. "Und selbst Orks, die hinter uns her sind, drften Mhe haben, hier leise herunterzukommen." "Das nehme ich auch an", brummte Bombur. "Aber sie werden es nicht schwer finden, uns ein paar Bumser auf den Kopf fallen zu lassen." Die Zwerge (und mit ihnen Bilbo) fhlten sich keineswegs wohl. Sie rieben ihre zerschundenen und zerschlagenen Beine und Fe. "Unsinn! Wir mssen uns sofort seitwrts wenden, weg vom Steinschlag, und wir mssen uns beeilen." Die Sonne war lngst hinter den Bergen verschwunden. Schon wurden die Schatten tief, obgleich man durch die Bume und ber die Wipfel der tiefer stehenden Kiefern hinweg weit in der Ferne den Abendschein auf den Ebenen jenseits sehen konnte. So rasch es ihnen mglich war, humpelten sie die sanften Hnge eines Kiefernwaldes hinunter, einen schrglaufenden Pfad entlang, der geradewegs nach Sden fhrte. Zuweilen durchquerten sie ein richtiges Meer von Farnkrutern, deren hohe Wedel bis ber Bilbos Kopf ragten, zuweilen wanderten sie vllig lautlos ber einen dicken Teppich von Kiefernnadeln. Und whrend der ganzen Zeit wurde die Waldesdmmerung immer schwerer und die Waldesstille immer tiefer. An diesem Abend wehte kein Lftchen, so da nicht mal das leiseste Seufzen in den Baumkronen zu hren war. "Mssen wir immer noch weiter?" fragte Bilbo, als es so dunkel geworden war, da er gerade noch Thorins Bart neben sich fliegen sah, und so still, da ihm das Atmen der Zwerge wie ein lautes Blasen vorkam. "Meine Zehen sind wund und krumm, meine Beine tun weh, und mein Magen beutelt sich wie ein leerer Sack." "Noch ein bichen weiter", sagte Gandalf Das bichen kam ihnen wie ein halbes Weltalter vor, aber dann gelangten sie pltzlich an einen offenen Fleck, wo keine Bume wuchsen. Der Mond war aufgegangen und schien auf die Lichtung herab. Irgendwie kam es allen vor, als ob es kein guter Platz wre, obgleich nichts Verdchtiges zu sehen war. Pltzlich hrten sie unten am Hgel ein Heulen, ein langes, schauerliches Heulen. Es wurde von einem andern Geheul an ihrer rechten Seite beantwortet, ihnen schon ein gutes Stck nher gerckt, und dann von einem, das von links und ganz aus der Nhe kam. Es waren Wlfe, die den Mond anheulten, Wlfe, die sich versammelten! Zu Hause, in der Nhe von Mister Beutlins Hhle, gab es keine Wlfe. Aber Bilbo kannte das Heulen. Er hatte es oft genug in Geschichten beschrieben gefunden. Einer seiner lteren Vettern (einer von der Tukseite), der ein groer Weltreisender war, ahmte es zuweilen nach, um ihn zu erschrecken. Es aber aus dem finsteren Wald unter dem weien Mondlicht zu hren - das war zuviel fr Bilbo. Selbst Zauberringe ntzen nicht viel bei Wlfen, besonders nicht bei jenem blen Pack, das im Schatten des von Orks besetzten Gebirges lebte, jenseits der Eindgrenze an den Ufern des Unbekannten. Wlfe dieser Art wittern schrfer als Orks. Um euch zu fangen, brauchen sie euch nicht erst zu sehen! "Was sollen wir machen, was sollen wir blo machen!" schrie Bilbo. "Den Orks entwischt, um von den Wlfen geschnappt zu werden!" rief er, und es wurde zu einem Sprichwort, obgleich wir heute bei hnlich unangenehmen Situationen sagen: Raus aus der Bratpfanne, rein ins Feuer! "Hinauf in die Bume, rasch befahl Gandalf, und sie rannten zu jenen Bumen am Rand der Lichtung, die niedrige ste besaen oder so schlank waren, da man sie leicht erklettern konnte. Sie fanden sie schneller als jemals sonst, das knnt ihr euch vorstellen, und sie kletterten so hoch hinauf, wie sie es den sten gerade noch zumuten konnten. Ihr wrdet laut gelacht haben (aus sicherer Entfernung), wenn ihr die Zwerge mit ihren herabbaumelnden Brten in den Bumen httet hocken sehen, wie alte bergeschnappte Herren, die Schulbuben spielten. Fili und Kili saen in der Krone einer hohen Lrche, die wie ein enormer Weihnachtsbaum aussah. Dori, Nori, Ori, Oin und Gloin saen ein wenig bequemer in einer stmmigen Kiefer mit regelmigen, in Zwischenrumen wie Speichen herausragenden sten. Bifur, Bofur, Bombur und Thorin saen in einer anderen Kiefer. Dwalin und Balin hatten eine hohe Fichte erklettert, die nur wenige ste besa, und nun versuchten sie, einen Sitzplatz im Grn des Wipfels zu finden. Gandalf, der ein gutes Stck grer war als alle anderen, hatte einen Baum gefunden, in den keiner htte klettern knnen, eine mchtige Kiefer, die genau am Rand der Lichtung stand. Er war fast ganz verborgen im Astwerk. Aber als er nun heraussphte, httet ihr sehen knnen, wie seine Augen im Mondlicht schimmerten. Und Bilbo? Er konnte berhaupt auf keinen Baum hinauf und hpfte von Stamm zu Stamm wie ein Kaninchen, das sein Loch verloren hat und hinter dem ein Hund her ist. "Ihr habt schon wieder den Meisterdieb verloren", sagte Nori zu Dori und schaute hinab. "Auf meinem Rcken kann ich nicht immer Meisterdiebe spazierentragen", erwiderte Dori. "Stollen hinunter und Bume hinauf! Fr wen haltet Ihr mich eigentlich? Bin ich Gepcktrger?" "Er wird gefressen, wenn wir nichts unternehmen", sagte Thorin, denn das Heulen kam jetzt von allen Seiten nher und nher. "Dori rief er, denn Dori sa zuunterst in dem besten Kletterbaum, rasch gebt Mister Beutlin die Hand." In Wirklichkeit war Dori trotz seiner Brummerei ein prchtiger Bursche. Doch der arme Bilbo konnte seine Hand nicht erreichen, selbst als Dori bis zum untersten Ast geklettert war und seinen Arm, so weit es nur irgend ging, hinunterstreckte. Dori kletterte also ganz vom Baum herunter und lie Bilbo sich auf seine Schultern stellen. Gerade in diesem Augenblick jagten die Wlfe heulend auf die Lichtung. Hunderte von Augen starrten unsere. Gesellschaft mit einem Mal an. Aber Dori lie Bilbo nicht im Stich. Er wartete, bis der Hobbit von seinen Schultern in die Zweige geklettert war, und dann sprang er hinterher. Gerade zur rechten Zeit! Ein Wolf schnappte nach seinem Mantel, als er sich aufschwang, und beinahe htte er ihn erwischt. Es verging keine Minute, da lungerte auch schon das ganze Pack jaulend um den Baum, sprang am Stamm hoch, die Augen glhten, und die Zungen hingen heraus. Aber selbst die wilden Warge (so wurden die blen Wlfe an dieser Seite der Einde genannt) knnen nicht auf Bume klettern. Eine Zeitlang war man in Sicherheit. Glcklicherweise war es warm und nicht windig. Es ist nicht sehr angenehm, wenn man lngere Zeit in einem Baum sitzen mu. Aber in Klte und Wind erst, mit Wlfen, die unten rund herum auf einen warten, sind Bume eine ganz besonders unangenehme Sitzgelegenheit. Diese Lichtung war augenscheinlich ein Versammlungsplatz der Wlfe. Immer noch kamen neue an. Sie lieen Wachen am Fu des Baumes zurck, in dem Dori und Bilbo saen. Dann schnffelten sie umher, bis sie alle anderen Baumverstecke ausgemacht hatten. Diese bewachten sie ebenfalls, whrend der Rest (Hunderte und Hunderte Wlfe schienen es zu sein) abzog und sich zu einem groen Kreis in der Lichtung niederkauerte. Genau in der Mitte des Kreises lag ein mchtiger Grauwolf Er sprach zu ihnen in der furchtbaren Sprache der Warge. Gandalf verstand sie. Bilbo verstand nichts, aber es schauderte ihn, denn es klang, als ob es sich um nichts als tckische Grausamkeiten handelte - was es in Wirklichkeit ja auch war. Dann und wann antworteten im Kreis alle Warge ihrem grauen Anfhrer, und ihr schreckliches Geschrei lie den Hobbit fast aus seiner Kiefer fallen. Obgleich Bilbo kein Wort verstand, mchte ich euch doch berichten, was Gandalf hrte. Warge und Orks halfen oft einander bei ihren blen Vorhaben. Zwar wagen sich Orks gewhnlich nicht weit aus ihren Bergen heraus, auer wenn sie vertrieben worden sind und sich einen neuen Unterschlupf suchen mssen oder wenn sie in den Krieg ziehen (glcklicherweise war das seit langer Zeit nicht mehr geschehen). Aber in jenen Tagen unternahmen sie allerlei Streifzge, um Nahrungsmittel zu rauben oder Sklaven, die fr sie arbeiten muten. Dann nahmen sie oft die Warge als Kumpane und teilten den Raub mit ihnen. Manchmal ritten sie auf Wargen wie Menschen auf Pferden. Nun schien es, da gerade fr diese Nacht ein groer Orkstreifzug geplant war. Die Warge waren gekommen, um die Orks zu treffen, aber die Orks hatten sich versptet. Der Grund war zweifellos der Tod des Groen Ork und die Aufregung, die von den Zwergen, Bilbo und dem Zauberer verursacht worden war. Wahrscheinlich jagten sie noch immer hinter ihnen her. Trotz der Gefahren dieses abgelegenen Landes waren khne Menschen krzlich von Sden her zurckgekehrt. Sie fllten Bume, um sich feste Pltze in den lichteren Wldern im Tal und entlang den Fluufern zu bauen. Sie waren zahlreich und tapfer und vorzglich ausgerstet, und selbst die Warge wagten es nicht, sie am hellichten Tag anzugreifen, besonders, wenn mehrere Menschen beisammen waren. Aber nun hatten die Warge verabredet, mit Hilfe der Orks bei Nacht einige der dem Gebirge am nchsten liegenden Ansiedlungen zu berfallen. Wre ihr Plan gelungen, dann htte niemand den nchsten Tag gesehen, alle wren gettet worden - bis auf die wenigen, die die Orks als Gefangene in ihre Hhlen geschleppt htten. Das war eine schreckliche Geschichte, was Gandalf da hrte, nicht nur wegen der tapferen Waldmenschen und ihrer Frauen und Kinder, sondern auch wegen der Gefahr, in die er und seine Freunde geraten waren. Die Warge waren rgerlich und verblfft, da sie sie ausgerechnet auf ihrem Versammlungsplatz vorfanden. Sie muten sie fr Freunde der Waldmenschen halten, die zum Spionieren gekommen waren und Nachricht ber die Absichten der Warge hinunter in die Tler bringen wollten. Das aber htte Wlfe und Orks in eine furchtbare Schlacht verwickelt, anstatt ihnen Gefangene einzubringen und Menschen, die, pltzlich aus dem Schlaf geweckt, mhelos verschlungen werden konnten. Die Warge hatten, also keineswegs die Absicht, abzuziehen und die Gesellschaft da oben in den Bumen entkommen zu lassen, jedenfalls nicht vor dem nchsten Morgen. Vorher aber, sagten sie, wrden die Orksoldaten aus den Bergen eintreffen. Und Orks knnen auf Bume klettern, oder sie fllen sie ganz einfach. Nun knnt ihr verstehen, warum Gandalf, whrend er ihrem Heulen und Klffen zuhrte, sich zu frchten begann. Wenn er auch ein Zauberer war, so sprte er doch, da er mit seinen Freunden auf einem ausnehmend schlechten Platz sa und, recht betrachtet, noch lange nicht entkommen war. Aber er gab die Hoffnung nicht auf, obgleich er von seinem luftigen Sitz aus, der noch dazu von Wlfen umringt war, nicht viel unternehmen konnte. Gandalf sammelte groe Kiefernzapfen von den Zweigen seines Baumes. Dann brannte er einen mit heller, blauer Flamme an und warf ihn zischend in den Kreis der Wlfe hinunter. Der Kienzapfen traf einen auf den Rcken, und sofort fing sein zottiges Fell Feuer. Entsetzlich klffend, sprang der Warg hin und her. Dann folgte ein neuer Wurf und wieder einer, einer in blauen Flammen, einer in roten und einer in grnen. Die Kiefernzapfen zersprangen auf der Erde mitten im Kreis und zerstoben in bunten Funken und Rauch. Ein besonders groer traf den Anfhrer der Wlfe auf die Nase. Er sprang zehn Fu hoch in die Luft. Dann raste er im Kreis herum, raste und bi, und in Angst und Entsetzen schnappte er sogar nach den anderen Wlfen. Die Zwerge und Bilbo schrien und jubelten. In maloser Wut heulten die Wlfe und hetzten hin und her. Wlfe frchten seit jeher das Feuer, und dies war das schrecklichste und unheimlichste, das ihnen je begegnet war. Wenn ein Funke in ihr Fell scho, setzte er sich fest und brannte sich ein, und wenn sie sich nicht schnell auf der Erde wlzten, standen sie bald in Flammen. berall auf der Lichtung wlzten sich Wlfe, die die Funken auf ihren Rcken zu lschen versuchten, whrend diejenigen, die bereits brannten, heulend umherrasten und andere in Brand setzten - bis ihre eigenen Freunde sie wegjagten. Schreiend und jammernd flohen sie die Hnge hinunter, um Wasser zu suchen. "Was ist das blo fr ein Aufruhr heut nacht im Wald?" fragte der Frst der Adler. Schwarz sa er im Mondlicht auf der Spitze eines einsamen Gipfels in den Felsen des stlichen Gebirgsrandes. "Ich hre die Stimme der Wlfe! Sind die Orks wieder einmal auf Unheil aus in den Wldern?" Er erhob sich in die Luft, und sogleich erhoben sich von den Felsen auf beiden Seiten zwei Wachen und folgten ihm. Sie kreisten hinauf in den Himmel und schauten hinab auf den Ring der Wlfe: ein winziger Fleck, tief unten. Aber Adler haben scharfe Augen und knnen winzige Dinge auf groe Entfernung erkennen. Der Frst der Adler aus den Nebelbergen hatte Augen, mit denen er, ohne zu zwinkern, in die Sonne blicken und mit denen er ein Kaninchen, das sich eine Meile tief unten auf der Erde bewegte, selbst im Mondlicht ausmachen konnte. Obgleich er die Gesellschaft in den Bumen nicht bemerkte, konnte er doch das Hinundherrennen der Wlfe und die winzigen Feuerblitze erkennen. Schwach drangen das Heulen und Klagen aus der groen Tiefe bis zu ihm hinauf. Auch konnte er den Schimmer des Mondes auf den Speeren und Helmen der Orks sehen, als lange Zge dieses verschlagenen Volkes aus ihrem Ausfalltor den Berg herabkrochen und sich in den Wald ergossen. Adler sind keine freundlichen Vgel. Manche sind feige und grausam. Aber die alte Rasse der nrdlichen Gebirge, die mchtigsten aller Vgel, war stolz und stark und edelherzig. Diese Vgel mochten die Orks nicht und frchteten sie auch nicht. Wenn sie berhaupt Notiz von ihnen nahmen (selten nur, denn solche Geschpfe fraen sie nicht), dann schwangen sie sich ber sie und trieben sie kreischend in ihre Hhlen zurck. Oft genug vereitelten sie so die blen Taten der Orks. Die Orks ihrerseits haten die Adler und frchteten sie. Aber sie konnten weder ihre luftigen Horste erreichen noch sie auf andere Art aus den Bergen vertreiben. In dieser Nacht war der Frst der Adler sehr neugierig, was dort unten vor sich ging. Er befahl zahlreiche andere Adler zu sich. Sie flogen sogleich von den Bergen fort, flogen langsam kreisend immer tiefer zum Ring der Wlfe und Treffplatz der Orks hinab. Das war eine glckliche Wendung, denn schrecklich genug ging es dort unten zu. Die Wlfe, die Feuer gefangen hatten und in den Wald gerannt waren, hatten ihn an mehreren Stellen in Brand gesetzt. Es war Hochsommer. Und auf der Ostseite des Gebirges hatte es lange Zeit nicht mehr geregnet. Vergilbte Farnkruter, drre Zweige, der dichte Nadelteppich und abgestorbene Bume standen bald in Flammen. Rund um die Lichtung der Warge loderte das Feuer. Doch die Wolfswachen verlieen die Bume nicht. Verrckt und rasend geworden, sprangen sie heulend um die Stmme, verwnschten die Zwerge in ihrer schrecklichen Sprache; die Zungen hingen ihnen aus dem Maul, und ihre Augen leuchteten rot und feurig wie die Flammen. Dann kamen pltzlich laut schreiend die Orks angerannt. Sie dachten, es sei eine Schlacht mit den Waldmenschen im Gange. Aber als sie erfuhren, was in Wirklichkeit vorging, setzten sie sich vor Lachen auf den Boden oder schwangen ihre Speere und schlugen mit den Schften gegen die Schilde. Orks frchten das Feuer nicht, und bald hatten sie einen Plan gemacht, der ihnen sehr spaig vorkam. Einige versammelten alle Wlfe auf einen Haufen. Andere stapelten Farn und Strauchwerk um die Baumstmme. Wieder andere liefen umher und stampften und traten und schlugen, bis nahezu alle Flammen gelscht waren. Aber bei den Bumen, in denen die Zwerge saen, machten sie das Feuer nicht aus, ja, sie nhrten es mit Laub, drren sten und Farnkraut. Bald hatten sie einen Ring von Feuer und Rauch um die Zwerge gelegt. Nach auen lieen sie den Ring nicht weiterfressen, aber allmhlich schlo er sich so eng, da die zngelnden Flammen die Scheiterhaufen unter den Bumen erreichten. Rauch bi Bilbo in die Augen. Er konnte die Hitze der Flammen spren. Und durch den Rauch sah er die Orks immer rundherum im Kreis wie Menschen um ein Mittsommer-Freudenfeuer tanzen. Auerhalb des Ringes der mit ihren Speeren und xten tanzenden Krieger standen die Wlfe in respektvoller Entfernung, lauerten und warteten. Bilbo konnte hren, wie die Orks ein schreckliches Lied anstimmten : "Fnfzehn Vgel in fnf hohen Fhren, singt und lat euch vom Feuer nicht stren! Doch diesen Vgeln fehlen die Schwingen. Sagt, was soll man mit ihnen beginnen? Sind sie am Ende zu mager geraten, holt schnell das Fett, um sie lecker zu braten! " Dann hielten sie inne und riefen : "Fliegt weg, kleine Vgel! Fliegt weg, wenn ihr knnt! Kommt herunter, kleine Vgel, oder ihr werdet in euren Nestern gebraten! Singt, singt, kleine Vgel! Warum singt ihr denn nicht?" "Trollt euch, Kinderchen!" rief Gandalf als Antwort. "Es ist verboten, Vogelnester auszunehmen. Kleine Jungen werden bestraft, wenn sie mit Feuer spielen." Er sagte das, um sie wtend zu machen und ihnen zu zeigen, da er sich nicht einschchtern lie, obgleich er natrlich Angst hatte, und das, obwohl er ein Zauberer war. Aber sie kehrten sich nicht daran, fuhren fort zu singen, und bald hatten die Flammen Gandalfs Baum erfat, und die anderen Bume brauchten auch nicht mehr zu warten. Die Borke fate Feuer, in den unteren sten begann es zu krachen. Da kletterte Gandalf in die Spitze seiner Kiefer. Im Wipfel angekommen, lie er pltzlich seinen Zauberstab furchtbare Blitze speien; Gandalf war fertig zum Sprung hinab von der Hhe, mitten in die Speere der Orks hinein. Das wre sein Ende gewesen. Gewi, er htte viele von ihnen niedergestreckt, wenn er sich wie ein Donnerschlag auf sie heruntergestrzt htte aber er sprang nicht, denn in diesem Augenblick glitt der Frst der Adler herab, griff ihn mit seinen Klauen, und weg war er. Die Orks schrien vor Wut und berraschung auf. Laut kreischte der Frst der Adler: Gandalf hatte ihn bewogen, die groen Vgel, die ihn begleiteten, erneut zurckfliegen zu lassen. Sie kamen wie riesige schwarze Schatten herab. Die Wlfe jaulten und knirschten mit den Zhnen. Die Orks schrien und stampften vor Wut und schleuderten ihre schweren Speere vergeblich in die Luft. ber ihnen rauschten die Adler. Das dunkle Sausen ihrer schlagenden Schwingen warf sie zu Boden oder trieb sie davon. Mit ihren Klauen zerrissen sie den Orks das Gesicht. Andere Vgel flogen in die Baumwipfel und ergriffen die Zwerge, die so hoch hinaufgekrabbelt waren, wie sie es nur wagen konnten. Aber der arme kleine Bilbo wurde wieder einmal beinahe vergessen! Er schaffte es gerade noch, Doris Bein zu schnappen, als Dori als letzter von allen weggetragen wurde. Und so stiegen sie aus dem Tumult und den Flammen auf. Bilbo baumelte in der Luft, und seine Arme drohten zu zerreien. Tief unter ihnen irrten Wlfe und Orks berall in den Wldern umher. Einige wenige Adler kreisten noch immer ber dem Schlachtfeld. Die Flammen in den Bumen sprangen pltzlich hoch ber die uersten Wipfelzweige hinaus. Prasselnd gingen sie in Feuer auf. Bilbo war wirklich zur rechten Zeit entkommen! Bald wurde der Brandschein unter ihnen schwcher, erstarb zu einem roten Glhen auf schwarzem Grund. Die Adler flogen mit Gandalf, den Zwergen und dem Hobbit hoch in den Himmel hinauf, stiegen whrend der ganzen Zeit in mchtig weiten Kreisen. Diese Flucht verga Bilbo nie. Er baumelte an Doris Fersen und jammerte: "Meine Arme, meine Arme." Aber Dori sthnte: "Meine Beine, meine Beine." Das schnste war, da die Hhenluft Bilbo schwindlig machte. Gewhnlich wurde es ihm schon merkwrdig zumute, wenn er ber den Rand einer kleinen Klippe schaute, und Leitern hatte er niemals gemocht, geschweige denn Bume (da er bisher noch nicht in die Verlegenheit gekommen war, vor Wlfen fliehen zu mssen). So knnt ihr euch vorstellen, wie ihm zumute war, wenn er zwischen seinen baumelnden Zehen hindurch nach unten blickte, die dunklen Lnder tief unter sich, und hier und da eine Felswand oder einen Strom in den Ebenen im Mondlicht aufleuchten sah. Die bleichen Spitzen des Gebirges kamen nher: mondhelle Felszacken, die aus schwarzen Schatten herausstachen. Ob Sommer oder nicht - es kam Bilbo eisig kalt vor. Er schlo die Augen und berlegte, ob er sich noch lnger festhalten konnte. Dann stellte er sich vor, was geschehen wrde, wenn er es nicht mehr tte. Er fhlte sich sterbenskrank. Die Flucht endete gerade zur rechten Zeit, kurz bevor seine Arme nachgaben. Er lie Doris Fersen los und fiel auf die rauhe Plattform eines Adlerhorstes. Da lag er nun, ohne ein Wort zu sagen, und in seinen Gedanken mischten sich Staunen und Furcht - Staunen, da er aus dem Feuer errettet worden war, und Furcht, da er von diesem engen Fleck in die tiefen Schatten ringsum hinabstrzen knnte. Sein Kopf brummte nach all den entsetzlichen Abenteuern der letzten drei Tage, in denen es nahezu nichts zu essen gegeben hatte. Und er hrte sich selbst laut sagen: "Jetzt wei ich, wie es einem Stck Speck zumute ist, wenn es pltzlich mit einer Gabel aus der Pfanne gepickt und zurck in die Speisekammer gelegt wird." "Nein, das wit Ihr nicht hrte er antworten. "Der Speck wei, da er frher oder spter zurck in die Pfanne wandert. Wir hoffentlich nicht. Auerdem sind Adler keine Gabeln!" "O nein, kein bichen wie Gabeln", sagte Bilbo, setzte sich auf und betrachtete ngstlich den Adler, der dicht neben ihm kauerte. Er wunderte sich, was fr einen Unsinn er noch geredet hatte und ob es der Adler vielleicht krummgenommen habe. Einem solchen Vogel sollte man nicht rauhbeinig kommen, wenn man nur so gro wie ein Hobbit ist und noch dazu nachts in einem Adlerhorst sitzt. Der Adler wetzte nur seinen Schnabel an einem Stein, strich seine Federn glatt und nahm keine Notiz. Bald kam ein anderer Vogel herangeflogen. "Der Frst der Adler bittet Euch, die Gefangenen zur groen Felsplatte zu bringen", schrie er und strich wieder ab. Der schweigsame Vogel nahm Dori sogleich in seine Klauen, flog fort mit ihm in die Nacht und lie Bilbo allein. Der Hobbit hatte kaum noch Kraft, darber nachzudenken, was der Bote mit den Gefangenen gemeint hatte. Und als er sich gerade vorstellte, wie er, einem Kaninchen gleich, zum Nachtmahl zerrissen wurde, kam auch die Reihe an ihn. Der Adler kehrte zurck, griff mit seinen Klauen von hinten Bilbos Jacke und schwang sich in die Luft. Diesmal flog er nur einen kurzen Weg. Bilbo, zitternd vor Angst, wurde auf einer breiten Felsplatte an einer Gebirgswand niedergelegt. Hier herauf fhrte kein Weg, es sei denn, man konnte fliegen. Und einen Weg hinab gab es auch nicht, es sei denn, man sprang ber einen Abgrund. Bilbo fand all die anderen mit dem Rcken zur Bergwand sitzen. Der Frst der Adler war ebenfalls da und sprach mit Gandalf. Es schien, als ob Bilbo nach allem doch nicht verspeist werden sollte. Der Zauberer und der Adlerfrst kannten einander. Offenbar standen sie auf freundschaftlichem Fu. Tatschlich hatte Gandalf, der oft im Gebirge gewesen war, den Adlern einst einen Dienst erwiesen und ihren Frsten von einer Pfeilwunde geheilt. Wie ihr also seht, bedeutete "Gefangene" nichts anderes als Gefangene, die aus den Hnden der Orks errettet worden waren, und nicht Gefangene der Adler. Als Bilbo der Rede Gandalfs lauschte, erfuhr er, da sie nun endlich wirklich und wahrhaftig aus den schrecklichen Bergen entkommen wrden. Der Zauberer besprach mit dem Groen Adler den Plan, wie man die Zwerge, ihn selbst und Bilbo weit forttragen und unten auf ihrem Weg durch die Ebenen absetzen konnte. Der Frst der Adler wollte sie keinesfalls dorthin bringen, wo Menschen lebten. "Mit ihren groen Eibenbogen schieen sie auf uns", sagte er, "denn sie glauben, wir wren hinter ihren Schafen her. Und wenn es ein andermal wre, htten sie sogar recht. Nein! Wir sind froh, da wir den Orks ihr Spiel verdorben haben und Euch unseren Dank abstatten konnten. Aber wir wollen unsere Haut nicht fr Zwerge zu Markte tragen." "Sehr richtig", bemerkte Gandalf. "Bringt uns, wohin und so weit Ihr wollt! Wir sind Euch schon genug zu Dank verpflichtet. Aber inzwischen sterben wir vor Hunger." "Ich bin schon beinahe tot", sagte Bilbo mit weicher, leiser Stimme, die niemand hrte: "Dem kann vielleicht abgeholfen werden", erwiderte der Frst der Adler. Spter httet ihr ein leuchtendes Feuer auf der Felsplatte sehen knnen und rundherum die Gestalten der Zwerge, die da kochten und brutzelten, und ein feiner Bratengeruch breitete sich aus. Die Adler hatten trockenes Holz heraufgebracht, Kaninchen, Hasen und ein kleines Schaf. Die Zwerge dagegen hatten alle anderen Vorbereitungen bernommen. Bilbo aber fhlte sich viel zu weich in den Knien, um zu helfen. brigens war es auch nicht das Richtige fr ihn, Kaninchen das Fell ber die Ohren zu ziehen oder Fleisch zu zerlegen, denn er war es gewohnt, da sein Fleischer ihm alles fertig ins Haus lieferte. Oin und Gloin hatten Zunder und Flint verloren (Zwerge benutzen selbst heute noch keine Streichhlzer). Nachdem Gandalf das Feuer in Gang gesetzt hatte, legte er sich ebenfalls nieder. So endeten die Abenteuer in den Nebelbergen. Bald war Bilbos Magen wieder voll. Er fhlte sich wohl und sprte, da er zufrieden einschlafen wrde, obgleich er in Wirklichkeit Brot und Butter den an den Stcken gersteten Fleischstcken vorgezogen htte. Er rollte sich ein und schlief auf den harten Felsen besser als jemals in seinem Federbett daheim. Aber whrend der ganzen Nacht trumte er von seinem Haus, wanderte im Schlaf durch die verschiedenen Zimmer und suchte etwas, das er nicht finden konnte. Ja, er konnte sich nicht einmal entsinnen, wie es aussah. ~Ein sonderbares Quartier Am nchsten Morgen wachte Bilbo mit der frhen Sonne auf. Sie leuchtete ihm mitten ins Gesicht. Er sprang auf die Beine, um auf die Uhr zu sehen und den Teekessel aufzusetzen - und fand, da er keineswegs zu Hause war. So setzte er sich also wieder und sehnte sich vergeblich nach Waschlappen und Brste. Keins von beiden war zu haben, und zum Frhstck gab es weder Tee noch gerstete Brotscheiben, noch gebratenen Speck, es gab nichts als kaltes Hammelfleisch und Kaninchen. Und danach mute er sich fr einen neuen Flug fertigmachen. Diesmal durfte er auf den Rcken des Adlers klettern und zwischen den Schwingen Halt suchen. Der Flugwind rauschte ber ihn hinweg, und er schlo die Augen. Die Zwerge schrien gerade "Auf Wiedersehen!" und versprachen, den Frsten der Adler zu belohnen (wenn sie es jemals knnten), als fnfzehn groe Vgel sich von der Felsplatte erhoben. Die Sonne stand noch ganz niedrig im Osten. Der Morgen war khl, und Nebel lagen in den Tlern und Schluchten und wehten da und dort um die Gipfel und Kuppen der Berge. Bilbo ffnete vorsichtig ein Auge, und da sah er, da die Vgel schon sehr hoch flogen, die Welt weit fort war und die Berge hinter ihnen in der Ferne zurckblieben. Er schlo die Augen wieder und klammerte sich fester. "Kneif mich nicht!" sagte der Adler. "Du brauchst dich nicht wie ein Kaninchen zu frchten, auch wenn du aussiehst, als wrst du eins. Wir haben einen schnen Morgen und angenehmen Wind. Was ist besser als Fliegen?" Bilbo htte am liebsten gesagt: "Ein warmes Bad und danach ein sptes Frhstck im Garten." Aber er dachte, es sei besser, berhaupt nichts zu sagen, und so lste er seinen Klammergriff ein bichen. Nach einer guten Weile muten die Adler wohl den Punkt erspht haben, auf den sie zusteuerten, denn obgleich sie in gewaltiger Hhe flogen, schwenkten sie ein und glitten in groen Spiralen tiefer. So flogen sie lange Zeit, und schlielich ffnete der Hobbit abermals seine Augen. Die Erde lag schon viel nher, und unter ihnen gab es Bume, die nach Eichen und Ulmen aussahen, und weites Grasland, das ein Flu durcheilte. Aber mitten aus dem Lauf des Flusses, der sich links und rechts vorbeiwinden mute, erhob sich ein mchtiger Fels, ja geradezu ein Felsenberg, wie ein letzter Auenposten des fernen Gebirges, den ein Riese unter den Riesen Meilen hinaus in die Ebene geschleudert haben mute. Rasch schwangen sich die Adler nacheinander auf die Kuppe dieses Felsens und setzten dort ihre Passagiere ab. "Fahrt wohl", riefen sie, "wo auch immer ihr hinfahrt, bis ihr am Ende eurer Reise wieder wohlbehalten in euren Horsten landet!" Unter Adlern ist dies das bliche hfliche Abschiedswort. "Mge der Wind unter euren Schwingen euch dorthin tragen, wo die Sonne zieht und der Mond wandert", antwortete Gandalf, der die korrekte Antwort kannte. So nahmen sie Abschied. Und obgleich der Frst der Adler in spteren Tagen Knig aller Vgel wurde, obgleich er eine goldene Krone trug und seine Huptlinge goldene Halsketten (aus dem Gold geschmiedet, das ihnen die Zwerge gaben)sah Bilbo sie niemals wieder, ausgenommen hoch in der Luft und weit weg in der Schlacht der fnf Heere. Aber da dies erst ans Ende dieser Geschichte gehrt, wollen wir jetzt nichts mehr darber sagen. Auf der Kuppe des Felsenberges gab es eine ebene Flche. Ein gut erhaltener Pfad fhrte mit zahlreichen Stufen hinunter zum Flu, den eine Furt aus mchtigen, flachen Steinen bis hinber zum jenseitigen Grasland durchquerte. Am Fu der Stufen lag gleich bei der steinernen Furt eine kleine Hhle (eine sehr ordentliche Hhle mit feinem Kiesgrund). Hier versammelte sich die Gesellschaft und beredete, was nunmehr getan werden mute. "Es hat mir sehr am Herzen gelegen, euch alle (wenn mglich) heil und sicher ber das Gebirge zu bringen", sagte der Zauberer, "und nun habe ich es mit Geschick und Glck auch wirklich geschafft. In der Tat sind wir jetzt viel weiter nach Osten gekommen, als ich jemals euch begleiten wollte. Denn schlielich ist dieses Abenteuer nicht meine eigene Sache. Ehe es zu Ende geht, werde ich mich noch einmal bei euch blicken lassen, aber in der Zwischenzeit habe ich mich noch um einige andere dringende, unaufschiebbare Geschfte zu kmmern." Die Zwerge seufzten und schauten ganz verzweifelt drein, und Bilbo weinte sogar. Sie hatten sich schon an den Gedanken gewhnt, da Gandalf den ganzen Weg bei ihnen bleiben und ihnen aus allen Schwierigkeiten helfen wrde. "Ich will jetzt nicht gleich in diesem Augenblick verschwinden", sagte er. "Ich kann einen oder zwei Tage zugeben. Wahrscheinlich kann ich euch auch aus eurer jetzigen heiklen Lage helfen, und ich brauche selbst ein bichen Hilfe. Wir haben nichts zu essen, kein Gepck, keine Ponys zum Reiten, und ihr wit nicht einmal, wo ihr seid. Nun, das kann ich euch immerhin sagen. Ihr seid noch immer ein paar Meilen nrdlich von dem Pfad, dem wir weiter gefolgt wren, wenn wir den Bergpa nicht in wilder Eile verlassen htten. Sehr wenig Leute leben hier in dieser Gegend - wenn sich nichts gendert hat, seit ich das letzte Mal hier vorbeigekommen bin, und das ist einige Jahre her. Aber es gibt jemand hier, den ich kenne und der nicht weit weg von diesem Felsen wohnt. Dieser Jemand schlug auch die Stufen in den groen Fels - in den Carrock, so nennt er ihn, glaube ich. Er kommt nicht oft hierher, jedenfalls nicht am Tage, und es wre auch nicht gut, hier auf ihn zu warten. Genaugenommen wrde es sogar sehr gefhrlich sein. Wir mssen ihn aufsuchen. Und wenn alles gut geht bei unserer Begegnung, dann werde ich weiterziehen und euch wie die Adler ein ,Fahrt wohl, wohin auch immer ihr fahrt!` zurufen." Sie baten ihn, sie nicht zu verlassen. Sie boten ihm Drachengold und Silber und Juwelen an, aber er wollte seine Absicht nicht ndern. "Wir werden sehen", sagte er, "und ich denke, ich habe schon jetzt etwas von eurem Drachengold verdient vorausgesetzt, ihr knnt es berhaupt bekommen." Da hrten sie auf, in ihn zu dringen. Sie zogen ihre Kleider aus und badeten im Flu, der an der Furt nicht sehr tief war, aber klar und steinig. Als die Sonne, die jetzt stark und warm herabschien, sie getrocknet hatte, waren sie erfrischt, aber immer noch wund und zerschlagen und ein bichen hungrig. Bald berquerten sie die Furt (wobei sie den Hobbit trugen), und dann begann der Marsch durch das lange grne Gras und entlang den Baumzeilen der breitarmigen Eichen und der hohen Ulmen. "Und warum wird er der ,Carrock` genannt?" wollte Bilbo wissen, als er neben Gandalf hertrottete. "Er nannte ihn den ,Carrock' weil Carrock eben sein Wort dafr ist. Solche Felsen nennt er eben Carrocks, und dieser eine ist schlechterdings der Carrock, weil er der einzige in der Nhe seiner Wohnung ist und er ihn gut kennt." "Wer nennt ihn so? Wer kennt ihn gut?" "Der Jemand, von dem ich sprach - eine wirklich groe Persnlichkeit. Ihr mt sehr hflich sein, wenn ich euch ihm vorstelle. Ich werde euch brigens nur ganz allmhlich vorstellen, immer nur paarweise. Und ihr mt vorsichtig sein, ihn nicht verrgern, oder wer wei, was sonst geschieht. Er kann schrecklich sein, wenn er bse wird, aber er ist prachtvoll, wenn er gute L,aune hat. Trotzdem warne ich euch: Es ist schnell geschehen, da er bse wird." Die Zwerge kamen alle heran, als sie den Zauberer so zu Bilbo sprechen hrten. "Ist das die Persnlichkeit, zu der Ihr uns jetzt hinfhrt?" fragten sie. "Konntet Ihr nicht jemand finden, der ein bichen sanftmtiger ist? Knntet Ihr das alles nicht ein bichen deutlicher erklren?" - und so fort. "Ja, gewi. Nein, das konnte ich nicht. Und ich habe schon sehr sorgfltig erklrt", antwortete der Zauberer rgerlich. "Wenn ihr mehr wissen mt - sein Name ist Beorn. Er ist sehr stark, und auerdem ist er ein Pelzwechsler." "Was, ein Krschner und Fellhndler, ein Mann, der Kaninchen Angoras und Seidenhasen nennt, wenn er nicht gar ihre Felle unter der Hand in Feh verwandelt?" "Guter Gott im Himmel, nein, nein, nein", sagte Gandalf. "Seid kein Narr, Mister Beutlin, wenn Ihr es verhindern knnt. Und im Namen aller guten Geister, erwhnt nie das Wort Krschner oder Pelzhndler, solang Ihr hundert Meilen im Umkreis seines Hauses seid, noch Bettvorleger, Pelzumhang, Pelzkragen, Muff oder andere solch unglckseligen Wrter! Er ist ein Pelzwechsler. Er wechselt seinen Pelz: Manchmal ist er ein mchtiger, schwarzer Br, manchmal ist er ein groer, starker, schwarzhaariger Mensch mit gewaltigen Armen und langem Bart. Ich kann euch nicht viel mehr erzhlen, und es sollte auch genug sein. Einige behaupten, er sei ein Br, der von den groen, alten Bren des Gebirges abstammt, die dort oben lebten, ehe die Riesen kamen. Andere wiederum meinen, er sei ein Mann, der von jenen ersten Menschen abstammt, die noch lebten, ehe Smaug oder die anderen Drachen in diesen Teil der Welt kamen und ehe die Orks aus dem Norden in die Berge eindrangen. Ich kann es nicht sagen, obgleich ich glaube, da das letzte wahr ist. Ihm selbst stellt man besser keine Fragen. Jedenfalls, er steht unter keinem anderen Zauber als unter seinem eigenen. Er lebt in einem Eichenwald und bewohnt ein mchtiges Holzhaus. Und als Mensch hlt er Rinder und Pferde, die beinahe ebenso wunderbar sind wie er selbst. Sie arbeiten fr ihn und sprechen zu ihm. Er ernhrt sich nicht von ihnen, jagt und it auch keine wildlebenden Tiere. Er besitzt Bienenstcke ber Bienenstcke mit groen, grimmigen Bienen, und meist lebt er von Sahne und Honig. Als Br streift er weit umher. Einmal sah ich ihn nachts ganz allein auf der Kuppe des Carrocks sitzen. Er schaute dem Mond zu, der in den Nebelbergen unterging. Und da hrte ich ihn in der Sprache der Bren brummen: ,Der Tag wird kommen, da werden sie verderben, und ich werde zurckkehren!` Deshalb also glaube ich, da er einmal aus dem Gebirge kam." Bilbo und die Zwerge hatten nun genug, worber sie nachdenken konnten, und sie fragten nicht weiter. Sie hatten noch immer einen langen Weg vor sich. Hgelauf und hgelab stolperten sie. Es wurde sehr hei. Manchmal rasteten sie unter den .Bumen, und dann fhlte Bilbo sich so hungrig, da er Eicheln gegessen htte, wenn sie reif genug gewesen und schon auf den Boden gefallen wren. Es war Nachmittag, als sie bemerkten, da groe blhende Flchen rund um sie auftauchten und da es immer dieselben Pflanzen waren, die beieinander wuchsen, als ob jemand sie angepflanzt htte. Insbesondere gab es Klee, im Wind wehende Flchen von rotem Fuchsklee und Purpurklee und weite Strecken von kurzem, weiem und s nach Honig duftendem Steinklee. Ein Brummen und Schwirren und Drhnen erfllte die Luft. berall summten Bienen umher. Und was fr Bienen! Nie hatte Bilbo hnliche gesehen. Wenn eine mich stechen sollte, dann schwelle ich an, bis ich noch einmal so dick bin, dachte er. Sie waren grer als Hornissen, und die Drohnen ein gut Teil dicker als euer Daumen, und die gelben Streifen auf ihren tiefschwarzen Krpern schimmerten wie glhendes Gold. "Wir kommen nher", sagte Gandalf. "Wir haben den Rand seiner Bienenweiden erreicht." Nach einer Weile gelangten sie zu einem Grtel von hohen und sehr alten Eichen und hinter ihnen zu einer stattlichen Dornhecke, durch die man weder hindurchschauen noch hindurchkriechen konnte. "Am besten, ihr wartet hier", sagte der Zauberer zu den Zwergen. "Und wenn ich rufe oder pfeife, so kommt hinterher - ihr werdet sehen, welchen Weg ich gehe -, aber immer nur in Paaren, denkt daran, etwa mit fnf Minuten Abstand. Bombur ist der dickste und kann fr zwei zhlen. Er kommt am besten allein und zuletzt. Los, Mister Beutlin! Irgendwo dahinten ist ein Gatter." Und damit ging er die Hecke entlang und nahm den erschrockenen Hobbit mit. Sie kamen bald zu einem hohen, breiten Holzgatter, hinter dem sie Grten und eine Gruppe niedriger Holzhuser sehen konnten. Einige waren mit Stroh gedeckt und aus roh behauenen Baumstmmen errichtet : Scheunen, Stlle, Schuppen und ein langes, niedriges Holzhaus. Innen, an der Sdseite der groen Hecke, standen unglaublich viele Bienenkrbe in Reihen, deren oberer Teil glockenfrmig aus Stroh gefertigt war. Die ganze Luft war vom Lrm der fort- und zufliegenden und der ein- und auskriechenden Bienen erfllt. Der Zauberer und der Hobbit drckten das schwere, knarrende Gatter auf und gingen einen breiten Pfad hinunter zum Haus. Einige glatte, glnzende, wohlgepflegte Pferde trabten ber den Rasen heran und betrachteten sie aufmerksam mit klugen Gesichtern. Dann galoppierten sie zu den Gebuden davon. "Sie berichten ihm von der Ankunft Fremder", sagte Gandalf. Bald erreichten sie einen Innenhof, der an drei Seiten von dem Holzhaus und seinen beiden langen Flgeln umschlossen war. Mitten im Hof lag ein groer Eichenstamm, daneben zahlreiche gekappte ste. Dicht dabei stand ein gewaltig groer Mann mit dichtem schwarzem Bart und schwarzem Haar; die bloen Arme und Beine waren mit dicken Muskeln bepackt. Er trug einen wollenen berwurf hinab bis zu den Knien und lehnte sich auf eine groe Axt. Die Pferde standen bei ihm und hatten ihre Nasen auf seine Schultern gelegt. "Uff, da sind sie!" sagte er zu den Pferden. "Gefhrlich sehen sie nicht aus. Mit den beiden knnt ihr mich allein lassen." Er lachte ein gewaltig rollendes Lachen, legte seine Axt nieder und kam heran. "Wer seid Ihr, und was wnscht Ihr? " fragte er barsch, als er vor ihnen stand und Gandalf wie ein Turm berragte. Was Bilbo anging, so htte dieser bequem zwischen seinen Beinen hindurchspazieren knnen und wrde, ohne den Kopf einzuziehen, nicht einmal den Saum des braunen berwurfs berhrt haben. "Ich bin Gandalf ", sagte der Zauberer. "Namen nie gehrt", knurrte der Mann. "Und wer ist dieser kleine Bursche?" fragte er, bckte sich herab und warf unter seinen buschig schwarzen Augenbrauen hervor einen Blick auf Bilbo. "Dies ist Mister Beutlin, ein Hobbit aus guter Familie und von untadeligem Ruf ", antwortete Gandalf Bilbo verbeugte sich. Er hatte keinen Hut, den er abnehmen konnte, und die vielen fehlenden Knpfe waren ihm sehr peinlich. "Ich bin ein Zauberer", fuhr Gandalf fort. "Falls Ihr noch nichts von mir gehrt habt, so habe ich doch von Euch gehrt. Aber vielleicht habt Ihr von meinem guten Vetter Radagast gehrt, der dicht. am Sdrand des Nachtwaldes wohnt." "Ja, habe ich. Fr einen Zauberer kein schlechter Bursche. Fr gewhnlich sehe ich ihn dann und wann", sagte Beorn. "Gut, jetzt wei ich, wer Ihr seid oder wer Ihr angeblich seid. Was wnscht Ihr?" "Um Euch die Wahrheit zu gestehen: Wir haben unser Gepck verloren und beinahe sogar den Weg, und wir brauchen dringend Hilfe oder wenigstens Rat. Ich kann wohl sagen, da es uns bei den Orks im Gebirge ziemlich schlecht ergangen ist." "Orks?" fragte der groe Mann schon weniger schroff. "Oho, so ist das, Ihr hattet rger mit den Orks. Warum seid Ihr ihnen denn in die Quere gelaufen?" "Es lag keineswegs in unserer Absicht. Sie berraschten uns bei Nacht auf einem Pa, den wir berqueren muten. Wir kamen aus dem Land drben im Westen - aber das ist eine lange Geschichte." "Dann kommt herein und erzhlt sie mir, falls es nicht den ganzen Tag dauern soll", sagte der Mann und fhrte sie durch ein dunkles Tor, durch das man aus dem Hof ins Haus gelangte. Sie gelangten in eine weite Halle, in deren Mitte sich ein offener Herd befand. Obgleich es Sommer war, brannte hier ein Holzfeuer, und der Rauch stieg auf zum rugeschwrzten Geblk, wo er sich seinen Weg durch eine ffnung im Dach hinaus ins Freie suchte. Sie gingen durch die dstere Halle, die nur durch das Feuer und das Rauchloch erhellt war, und kamen durch eine kleinere Tr in eine Art Vorbau, der auf Pfosten aus einzelnen Baumstmmen ruhte. Der Vorbau lag nach Sden. Drinnen war es warm. Noch erfllten die schrg einfallenden Strahlen der untergehenden Sonne den Raum und vergoldeten drauen mit ihrem Glanz den Garten. Dieser Garten war voll von Blumen, die bis zu den Stufen heraufdrngten. Hier setzten sie sich auf Holzbnke nieder, whrend Gandalf seinen Bericht begann. Bilbo lie die Beine baumeln und betrachtete inzwischen die Blumen, wobei er rtselte, was fr Namen sie wohl haben mochten, denn er hatte kaum die Hlfte von ihnen jemals zuvor gesehen. "Ich kam ber das Gebirge mit einem oder zwei meiner Freunde", sagte der Zauberer. "Oder zwei? Ich kann blo einen sehen, zudem nur einen sehr kleinen", entgegnete Beorn. "Schn, um die Wahrheit zu sagen, ich wollte Euch nicht mit einer ganzen Schar von uns behelligen, ehe ich nicht herausgefunden hatte, ob Ihr beschftigt wart. Ich werde einmal rufen, wenn es erlaubt ist." "Los, ruft nur!" Also pfiff Gandalf einen langen, schrillen Pfiff, und sogleich kamen Thorin und Dori um die Hausecke ber den Gartenweg und stellten sich mit vielen Verbeugungen vor ihnen auf. "Mit einem oder drei Freunden, meintet Ihr also!" bemerkte Beorn. "Aber das sind keine Hobbits, das sind Zwerge!" "Thorin Eichenschild, zu Euren Diensten! Dori, zu Euren Diensten!" sagten die beiden Zwerge und verbeugten sich aufs neue. "Ich brauche eure Dienste nicht, schnen Dank", sagte Beorn, "aber ich nehme an, ihr braucht meine. Ich bin nicht sehr erbaut von Zwergen. Aber wenn es wahr ist, da Ihr Thorin seid (Sohn des Thrain, Sohn des Thror, so nehme ich an) und da Euer Freund ein vernnftiger Kerl ist und ihr Feinde der Orks seid und in meinem Land nicht auf Unfug aus seid brigens, worauf seid ihr berhaupt aus?" "Sie sind unterwegs, um das Land ihrer Vter zu besuchen, drben, ostwrts des Nachtwaldes", warf Gandalf ein, "und es ist reines Migeschick, da wir berhaupt in Euer Land geraten sind. Wir berquerten den Hochpa, der uns zu dem Weg sdlich von Eurem Land gefhrt haben wrde, wenn uns nicht diese blen Orks angegriffen htten - wie ich Euch gerade erzhlen wollte." "Dann los, fahrt fort!" sagte Beorn, der wirklich nicht sehr hflich war. "Es war ein schrecklicher Sturm. Die Steinriesen waren drauen und warfen Felsbrocken, und oben auf dem Scheitel des Passes suchten wir Schutz in einer Hhle, der Hobbit und ich und einige unserer Gefhrten. ... " "Nennt Ihr zwei einige?" "Gut, nein. In der Tat, mehr als zwei waren dabei." "Wo sind sie? Gettet, gefressen, heimgezogen?" "Nein, keineswegs. Sie sind offenbar noch nicht alle auf mein Pfeifen gekommen. Vermutlich Schchternheit. Ihr seht, wir sind sehr besorgt, es knnte Euch zuviel werden, uns alle gastfrei aufzunehmen." "Los, pfeift! Ich mu wohl eine Gesellschaft freihalten, scheint mir, und auf einen oder zwei mehr kommt es dabei nicht an", knurrte Beorn. Gandalf pfiff, aber Nori und Ori waren schon da, ehe er aufhrte, denn Gandalf, wie ihr euch erinnert, hatte ihnen befohlen, zu Paaren alle fnf Minuten zu erscheinen. "Hallo!" sagte Beorn. "Ihr kamt ganz schn rasch - wo hattet ihr euch versteckt? Kommt her, meine Stehaufmnnchen!" "Nori, zu Euren Diensten, Ori, zu ... ", fingen sie an. Aber Beorn unterbrach sie. "Schnen Dank. Wenn ich eure Hilfe brauche, frage ich schon danach. Setzt euch und fahrt mit der Geschichte fort, sonst ist es frs Abendbrot Zeit, ehe sie zu Ende ist." "Kaum waren wir eingeschlafen", fuhr Gandalf fort, "da ffnete sich eine Spalte im Hhlengrund - Orks kmen heraus, griffen den Hobbit und die Zwerge und unsere ganze Ponytruppe. . . " "Die ganze Ponytruppe? Was wart ihr denn - ein Wanderzirkus? Oder habt ihr Gter in Massen transportiert? Oder nennt ihr sechs gewhnlich schon eine Truppe?" "O nein! Es waren in der Tat mehr als sechs Ponys, denn auch wir waren mehr als sechs - und, nun - da sind noch zwei weitere!" Gerade in diesem Augenblick erschienen Balin und Dwalin und verbeugten sich so tief, da ihre Brte den Steinboden fegten. Zuerst starrte der groe Mann sie recht finster an, aber sie taten wirklich ihr Bestes, furchtbar nett und hflich zu sein. Unaufhrlich nickten sie, bckten, verbeugten sich und schwenkten ihre Kapuzen vor den Knien (in typischer Zwergenmanier), bis er aufhrte, sie finster anzublicken und in ein gewaltiges Gelchter ausbrach. Sie sahen zu komisch aus. "Truppe, ja, das stimmt", sagte er. "Eine komische Truppe. Kommt herein, ihr lustigen Kerle, und wie heit ihr? Ich brauche eure Dienste nicht, ich brauche jetzt nur eure Namen. Und dann setzt euch und hrt mit der Wackelei auf." "Balin und Dwalin", sagten sie und wagten es nicht, sich beleidigt zu fhlen. Plumps, saen sie auf dem Boden und schauten ziemlich berrascht dabei aus. "Nun also weiter", sagte Beorn zu dem Zauberer. "Wo war ich? O ja - ich wurde nicht gegriffen. Ich erschlug einen oder zwei Orks mit einem Blitz. ... " "Gut", knurrte Beorn. "In einem solchen Fall ist es ausgezeichnet, ein Zauberer zu sein." "... und schlpfte durch den Spalt, bevor er sich schlo. Ich folgte ihnen hinunter bis zur Haupthalle, die von Orks nur so wimmelte. Der Groe Ork war da mit dreiig oder vierzig bewaffneten Wachen, und ich sagte mir: Selbst wenn sie nicht mit Eisen aneinandergekettet wren - was knnte ein Dutzend Leute gegen so viele Orks ausrichten?" "Ein Dutzend! Das ist das erste Mal in meinem Leben, da ich acht ein Dutzend nennen hre! Oder habt Ihr noch ein paar Stehaufmnnchen mehr, die bis jetzt nicht aus ihrer Kiste gehopst sind?" "Ja, gewi, hier scheint gerade noch ein Prchen angekommen zu sein - Fili und Kili glaube ich", sagte Gandalf, als diese beiden jetzt auftauchten, lchelten und sich verbeugten. "Genug", sagte Beorn. "Setzt euch und seid still. Weiter, Gandalf!" So fuhr Gandalf mit seiner Geschichte fort, bis er zum Kampf in der Finsternis kam, zur Entdeckung des unteren Ausgangs und ihrem Schrecken, als sie merkten, da Mister Beutlin verlorengegangen war. "Wir zhlten uns und fanden, da kein Hobbit mehr bei uns war. Wir waren nur noch vierzehn!" "Vierzehn! Das ist das erstemal, da ich hre, zehn weniger eins sei vierzehn. Ihr meint neun, oder Ihr habt mir noch nicht alle Namen genannt." "Gut, natrlich, Ihr habt ja Oin und Gloin noch nicht gesehen. Und - wirklich, da sind sie ja! Ich hofFe, Ihr verzeiht ihnen, da sie Euch behelligen." "Oh, lat sie nur alle kommen! Los, ran! Kommt her, ihr beiden, und setzt euch. Aber, schaut her, Gandalf, selbst jetzt haben wir nur Euch selbst, zehn Zwerge und den Hobbit, der verlorenging. Das macht elf (plus ein Abhandengekommener) und nicht vierzehn - es sei denn, da Zauberer anders zhlen als andere Leute. Aber jetzt, bitte, fahrt fort." Beorn versuchte, so gut es ging, sich nichts anmerken zu lassen, aber in Wirklichkeit war er schon sehr gespannt. In alten Tagen hatte er gerade den Teil des Gebirges, den Gandalf beschrieb, sehr gut gekannt. Er nickte und brummte, als er vom Wiederauftauchen des Hobbits hrte, von ihrem Herunterkrabbeln am Gerllhang und dem Wolfsring in den Wldern. Als Gandalf zu der Baumkletterei kam (mit all den Wlfen unten zu ihren Fen), stand er auf und murmelte : "Ich wnschte blo, ich wre dabeigewesen! Ich htte ihnen mehr als Feuerwerk gegeben!" "Gewi", sagte Gandalf und war sehr froh, da seine Geschichte Eindruck machte, "ich tat, was ich konnte. Da hingen wir, unter uns wurden die Wlfe verrckt, da und dort ging der Wald in Flammen auf - und gerade jetzt kamen die Orks aus den Bergen und entdeckten uns. Sie brllten vor Entzcken und sangen Spottlieder auf uns: ,Fnfzehn Vgel in fnf hohen Fhren.'" "Du meine Gte! " brummte Beorn. "Glaubt blo nicht, da Orks nicht zhlen knnen. Sie knnen es. Zwlf sind nicht fnfzehn, und das wissen sie auch." "Und ich auch. Da waren auch Bifur und Bofur dabei. Ich habe bisher nicht gewagt, sie Euch vorzustellen, aber da sind sie schon." Bifur und Bofur kamen heran. "Und ich", keuchte Bombur, der hinter ihnen herschnaufte. Er war fett und rgerlich dazu, da man ihn als letzten zurckgelassen hatte. Deshalb hatte er sich geweigert, fnf Minuten lnger zu warten, und war den anderen beiden unmittelbar gefolgt. "Gut, jetzt sind wirklich fnfzehn von euch da. Und weil Orks zhlen knnen, vermute ich, da dies alles war, was da in den Bumen hing. Vielleicht knnen wir jetzt die Geschichte ohne weitere Unterbrechung zu Ende hren." Mister Beutlin sah ein, wie klug Gandalf gewesen war. Die Unterbrechungen hatten Beorn in Wirklichkeit nur noch gespannter gemacht auf die Geschichte, und die Geschichte hatte ihn davon abgehalten, gleich die Zwerge wie verdchtige Bettler zum Teufel zu jagen. Wenn er es irgend einrichten konnte, lud Beorn nie Besuch in sein Haus. Er hatte nur sehr wenige Freunde, und diese lebten ein gutes Stck weiter weg. Auch lud er nie mehr als zwei gleichzeitig ein. Jetzt aber hatte er fnfzehn Fremde auf seiner Veranda sitzen! Mit der Zeit hatte Gandalf seinen Bericht beendet, von der Rettung durch die Adler erzhlt und wie sie alle zum Carrock gebracht worden waren. Die Sonne war inzwischen hinter den Gipfeln der Nebelberge versunken, und die Schatten in Beorns Garten waren lang geworden. "Eine ausgezeichnete Geschichte!" sagte er. "Die beste, die ich seit langer Zeit gehrt habe. Wenn alle Bettler eine solch gute zu erzhlen htten, wrden sie mich umgnglicher finden. Ihr mgt sie vielleicht nur erfunden haben - ein Abendbrot habt ihr in jedem Fall verdient. So. Jetzt wollen wir etwas zu essen heranschaffen!" "Ja, bitte!" sagten alle miteinander. "Und vielen Dank!" Im Innern der Halle war es jetzt fast ganz dunkel geworden. Beorn klatschte in die Hnde, und herein trabten vier wunderschne weie Ponys und mehrere groe langgliedrige graue Hunde. Beorn sagte etwas zu ihnen in einer seltsamen Sprache. Es war, als ob Tierlaute zu Stzen gefgt wren. Sie liefen wieder hinaus und kamen bald mit Fackeln im Maul zurck, die sie am Feuer entzndeten und in niedrigen Klammern an die Sulen der Halle steckten, die um den mittleren Kamin standen. Die Hunde konnten auf ihren Hinterbeinen laufen und Gegenstnde mit ihren Vorderpfoten herantragen. Rasch holten sie Tafeln und Gestelle von den Seitenwnden und stellten sie nahe beim Feuer auf. Da hrte man ein Bh-bh-bh, und herein kamen einige schneeweie Schafe, die von einem kohlschwarzen Widder gefhrt wurden. Eines trug eine weie Tischdecke, in deren Rand Tierfiguren gestickt waren, andere trugen Teebretter auf ihren breiten Rcken, mit Tpfen, flachen Schsseln, Messern und hlzernen Lffeln, die ihnen die Hunde abnahmen und schnell auf die Tischgestelle legten. Diese waren sehr niedrig, niedrig genug, da selbst Bilbo bequem daran sitzen konnte. Ein Pony schob zwei tiefe Bnke mit breiten binsengeflochtenen Sitzflchen und kurzen, dicken Fen fr Gandalf und Thorin heran und dann ans gegenberliegende Tischende Beorns mchtigen schwarzen Stuhl, der von gleicher Art war (Beorn sa sehr bequem darin und streckte seine groen Beine weit unter den Tisch). Das waren alle Sthle, die er in seiner Halle hatte. Worauf aber sollten die anderen sitzen? Sie wurden nicht vergessen. Die Ponys rollten runde, trommelfrmige Baumkltze herein, die fein und sauber geglttet und selbst fr Bilbo niedrig genug waren. So saen sie bald alle wohl versorgt an Beorns Tafel, und die Halle hatte seit vielen Jahren nicht mehr eine solche Versammlung gesehen. Da stand nun eine Mahlzeit vor ihnen, wie sie sie seit ihrem Besuch im Haus an der Eindgrenze und ihrem Abschied von Elrond nicht mehr erlebt hatten. Das Licht der Fackeln und des Feuers flackerte rund um sie her, und auf der Tafel standen zwei hohe rote Bienenwachskerzen. Whrend der ganzen Mahlzeit erzhlte Beorn in seiner tiefen, rollenden Stimme Geschichten ber die wilden Gegenden auf dieser Seite des Gebirges und besonders ber den dunklen und gefhrlichen Wald, der einen Tagesritt weit sich vor ihnen von Nord nach Sd erstreckte und den Weg nach Osten versperrte: der schreckliche Nachtwald. Die Zwerge lauschten und schttelten ihre Brte, denn sie wuten, da sie sich bald in diesen Wald hineinwagen muten und da nach der berquerung des Gebirges dies die schlimmste aller Gefahren war, die sie zu bestehen hatten, ehe sie in den Herrschaftsbereich des Drachen gelangten. Als das Essen vorber war, fingen sie an, ihre eigenen Geschichten zu erzhlen, aber Beorn schien schlfrig zu werden und ihnen wenig Aufmerksamkeit zu schenken. Sie sprachen meist von Gold und Silber und Juwelen, von Gegenstnden des Schmiedehandwerks, doch Beorn nahm daran keinen Anteil: In seiner Halle gab es nichts aus Gold und Silber, und auer den Messern war kaum etwas aus Metall gefertigt. Vor ihren hlzernen Methumpen saen sie lang noch am Tisch. Von drauen kam die Nacht. Die Feuer in der Mitte der Halle wurden mit frischen Holzkltzen neu aufgebaut, die Fackeln wurden gelscht, und noch immer saen sie im Licht der tanzenden Flammen. Die Sulen der Halle standen hochaufgerichtet hinter ihnen, ihr oberer Teil in Dunkelheit gehllt wie die Bume des Waldes. Ob es nun Zauberei war oder nicht - Bilbo schien es, als ob er ein Gerusch hrte wie Wind in den Zweigen, der am Geblk rttelte, und wie das Schreien der Eulen. Bald sank ihm der Kopf vor Schlfrigkeit vornber, und die Stimmen versanken in weiter Ferne - da wachte er mit einem Ruck auf. Die groe Tr krachte und wurde ins Schlo geworfen. Beorn war gegangen. Die Zwerge saen mit gekreuzten Beinen um das Feuer, und gerade jetzt fingen sie an zu singen. Die Verse erzhlten vom Wind, der ber die drre Heide hinwegbrauste, Rauchfetzen ber dem Drachenlager im Einsamen Berg zerfetzte, dann unter dem Mond, der sein altes, vergilbtes Segel setzte, die Welt verlie und in der sterntiefen Nacht die riesigen Seen der Finsternis aufwhlte. Bilbo fing wieder an einzunicken. Pltzlich stand Gandalf auf "Es ist Zeit fr uns, schlafen zu gehen", sagte er. "Fr uns, aber nicht fr Beorn, nehme ich an. In seiner Halle sind wir heil und sicher aufgehoben. Aber ich warne euch alle, verget nicht, was Beorn uns sagte, ehe er ging: ,Ihr drft nicht hinausgehen, ehe die Sonne kommt, bei Leib und Leben nicht!" Bilbo stellte fest, da seitwrts auf einem Aufsatz zwischen Pfeilern und Auenwand Lager bereitet wurden. Fr ihn gab es eine kleine Strohmatratze und wollene Decken. Sehr froh krabbelte er hinein, auch wenn es Sommerzeit war. Das Feuer war niedergebrannt, und er schlief ein. Doch in der Nacht wachte er auf: Das Feuer war zu glimmender Asche zerfallen; die Zwerge und Gandalf schliefen, nach ihrem Atmen zu urteilen. Der hoch stehende Mond, der durch das Rauchloch im Dach blickte, hatte einen weien Fleck auf den Boden gezeichnet. Von drauen aber waren ein Brummen zu hren und ein Gerusch, als ob ein groes Tier vor der Tr scharrte. Bilbo berlegte, was das bedeuten mochte, ob es Beorn in seiner Verzauberung wre und ob er als Br hereinkommen und sie tten wrde. Er tauchte unter seine Decken, verbarg seinen Kopf und fiel schlielich wieder in Schlaf, obgleich er sich doch so sehr frchtete. Es war heller Morgen, als er aufwachte. Einer von den Zwergen war in dem dunklen Winkel, in dem er lag, ber ihn gestolpert und mit einem Plumps von dem Aufsatz auf den Hallenboden heruntergerollt. Es war Bombur, und er murrte, als Bilbo seine Augen ffnete. "Steh auf, du Faulpelz", sagte er, "oder es bleibt nichts mehr zu frhstcken brig fr dich." Auf sprang Bilbo. "Frhstck", rief er. "Wo ist das Frhstck?" "Zum grten Teil in unserem Bauch", antworteten die anderen Zwerge, die in der Halle umhergingen. "Aber was wir briggelassen haben, steht drauen auf der Veranda. Wir haben uns nach Beorn umgesehen; die ganze Zeit, nachdem die Sonne aufging, aber keine Spur von ihm. Abgesehen von dem Frhstck, das wir drauen vorfanden." "Wo ist Gandalf?" fragte Bilbo und sah zu, da er mglichst rasch etwas zu essen fand. "Oh, Fort und irgendwo drauen", sagten sie ihm. Aber auch vom Zauberer keine Spur an diesem Tag. Kurz vor Sonnenuntergang betrat er die Halle, wo der Hobbit und die Zwerge gerade ihre Abendmahlzeit einnahmen, die ihnen, wie schon den ganzen Tag, Beorns wunderbare Tiere auftrugen. Von Beorn hatten sie seit der letzten Nacht weder etwas gesehen noch gehrt, und sie waren schon sehr verwundert. "Wo ist unser Gastgeber, und wo seid Ihr selbst den ganzen Tag geblieben?" riefen sie alle zugleich. "Eine Frage immer hbsch nach der anderen - und das erst nach dem Abendbrot! Seit dem Frhstck habe ich keinen Bissen mehr gegessen." Schlielich schob Gandalf Teller und Krug von sich - er hatte zwei ganze Brotlaibe verspeist (mchtig bestrichen mit Butter, dazu Honig und dicke Sahne), und dann hatte er noch ein Viertel Met getrunken. Er holte seine Pfeife hervor. "Ich will die zweite Frage zuerst beantworten", sagte er. "Donnerwetter, ist dies ein herrlicher Platz fr Rauchringe!" Und in der Tat - fr lange Zeit konnten sie nichts anderes aus ihm herausbringen. Er war viel zu beschftigt, Rauchringe auf steigen zu lassen, die rund um die Hallenpfeiler schwebten und die unterschiedlichsten Formen und Farben annahmen. Zum Schlu muten sie sich gegenseitig durch das Loch im Geblk hinausjagen. Von drauen wird es sehr seltsam ausgesehen haben, wie ein Rauchring nach dem anderen in die Luft stieg, grne, blaue, rote, silbergraue, gelbe, weie, groe und dnne, kleine, die durch groe hindurchzogen und sich zu Achten vereinigten oder wie ein Schwarm Vgel davonstoben. "Ich habe Brenfhrten aufgesprt", sagte er endlich. "Es mu wohl eine richtige Brenversammlung heut nacht hier drauen stattgefunden haben. Ich merkte bald, da die Fhrten nicht allein von Beorn herrhren konnten : Sie waren viel zu zahlreich und verschieden gro. Ich wrde sagen, es waren kleine Bren, groe Bren, gewhnliche Bren und riesenhafte Bren, die da vom Beginn der Nacht bis fast zum Morgengrauen getanzt haben. Sie kamen aus nahezu allen Richtungen, ausgenommen vom Westufer des Flusses, vom Gebirge. In diese Richtung fhrte blo eine einzige Fhrte - und diese kam nicht, sondern fhrte nur von hier dorthin. Ich folgte ihr bis zum Carrock. Dort verschwand sie im Flu, aber fr mich war das Wasser zu tief und die Strmung zu stark, um hinberzuwechseln. Es ist leicht, wie ihr euch erinnert, von hier aus durch die Furt den Carrock zu erreichen, aber auf der anderen Seite ragt er wie eine Klippe aus einem Strom voller Wirbel. Meilenweit mute ich suchen, ehe ich eine Stelle fand, an der der Flu breit und seicht genug war, damit ich watend und schwimmend hinberkam. Und dann mute ich die Meilen zurckgehen und die Fhrte wieder aufnehmen. Inzwischen war es zu spt geworden, ihr lange weiter zu folgen. Sie fhrte geradewegs auf die Fichtenwlder an der Ostseite der Nebelberge zu, wo wir unsere hbsche kleine Zusammenkunft mit den Riesenwlfen vorletzte Nacht hatten. Und damit hoffe ich, auch eure erste Frage beantwortet zu haben", endete Gandalf, und er sa eine Weile schweigsam da. Bilbo glaubte, er htte erraten, was Gandalf meinte. "Was sollen wir machen", rief er, "wenn er alle Wlfe und Orks herbeiholt? Wir werden gefangen und umgebracht werden! Aber Ihr sagtet doch, Beorn wre keineswegs ihr Freund!" So sagte ich. Seid nicht albern! Besser wr's, Ihr wrdet ins Bett gehen, denn Euer Verstand fngt an zu schnarchen." Bilbo fhlte sich zermalmt, und da ihm nichts anderes einfiel, ging er zu Bett. Und whrend die Zwerge noch sangen, schlief er ein und zerbrach sich dabei noch immer seinen kleinen Kopf Beorns wegen, bis er von Hunderten von schwarzen Bren trumte, die drauen im Hof immerzu rund und rund ihre langsamen, schwerflligen Tnze tanzten. Dann wachte er auf, als jeder andere schlief, und er hrte das gleiche Kratzen, Schnaufen, Scharren und Brummen wie vordem. Am nchsten Morgen wurden sie durch Beorn selbst geweckt. "So, ihr seid also noch hier", rief er. Er hob den Hobbit auf und lachte. "Nicht von Riesenwlfen oder Orks oder bsen Bren gefressen, wie ich sehe", und er klopfte Mister Beutlin hchst respektlos auf die Weste. "Das kleine Kaninchen ist wieder prall und fett von Milch und Honig." Er lachte. "Komm und hol dir noch mehr!" So gingen sie alle mit ihm zum Frhstck. Beorn war ganz verndert. Er schien allerbester Laune und brachte sie mit seinen Geschichten zum Lachen. Sie brauchten sich auch nicht lange zu wundern, wo er so lange geblieben und warum er so freundlich zu ihnen geworden war, denn er erzhlte es ihnen selbst. Er war ber den Flu gegangen und geradewegs auf das Gebirge zu - woraus ihr schlieen knnt, wie rasch er auf den Fen war; jedenfalls als Br. Die verbrannte Wolfslichtung bewies ihm, da dieser Teil ihrer Geschichte wahr sein mute. Aber er hatte mehr als das gefunden : Er hatte einen Riesenwolf, einen Warg, gefangen und einen Ork dazu, die durch die Wlder streiften. Von diesen erfuhr er allerlei Neuigkeiten: Die Orkpatrouillen jagten noch immer mit den Wargen hinter den Zwergen her, und sie waren schrecklich zornig ber den Tod des Groen Ork und weil dem Wolfhauptmann die Nase verbrannt worden und so mancher aus seiner Garde durch das Feuer des Zauberers umgekommen war. Soviel erzhlten sie Beorn, als er sie zum Reden zwang. Aber er vermutete, da da noch mancher bse Streich vorbereitet wurde und da ein berfall der ganzen Orkarmee und der verbndeten Wlfe zu frchten war, ein berfall in die Lnder im Schatten des Gebirges, um die Zwerge zu erwischen oder Rache an Menschen und allen Wesen zu nehmen, die sie beherbergt haben mochten. "Eure Geschichte war eine gute Geschichte", sagte Beorn, "aber jetzt, da ich sicher bin, da sie wahr ist, gefllt sie mir noch einmal so gut. Ihr mt schon entschuldigen, da ich mich nicht auf euer Wort verlassen habe. Wenn ihr selbst am Rand des Nachtwaldes lebtet, wrdet ihr keinem trauen, es sei denn, ihr kennt ihn wie euren Bruder oder noch besser als diesen. Wie die Sache steht, so kann ich euch nur sagen, da ich, so schnell ich konnte, zurckeilte, um mich zu vergewissern, da ihr sicher seid und euch jede Hilfe, die in meiner Macht steht, zuteil wird. Nach alldem werde ich freundlicher ber Zwerge denken. Den Groen Ork erschlagen, wer das bedenkt!" Er lachte zornig in sich hinein. "Was habt Ihr mit dem Ork und dem Warg gemacht?" fragte Bilbo pltzlich. "Kommt und seht!" sagte Beorn, und sie folgten ihm um das Haus. Ein Orkkopf stak auf dem Gatter, und ein Wargfell war drauen an einen Baumstamm genagelt. Beorn war ein schrecklicher Feind. Aber jetzt war er ihr Freund, und Gandalf hielt es fr klug, ihm ihre ganze Geschichte zu erzhlen und den Grund fr ihre Reise, so da sie alle nur mgliche Hilfe von ihm bekommen konnten. Und dies versprach er fr sie zu tun: Er wollte jedem ein Pony geben und Gandalf ein Pferd fr den Marsch bis zum Wald. Dazu sollten sie Nahrungsmittel haben, die bei sorgfltigem Gebrauch fr Wochen reichen und die so verpackt sein sollten, da sie so leicht wie irgend mglich zu tragen waren: Nsse, Mehl, verschlossene Krge mit getrocknetem Obst, rote, irdene Tpfe mit Honig, Zwieback, der sich lange halten wrde und von dem schon eine Handvoll notfalls fr einen langen Marsch gengte. Seine Herstellung war eines seiner Geheimnisse. Aber es war Honig darin, wie in den meisten seiner Nahrungsmittel. Sie schmeckten gut, obgleich sie durstig machten. Wasser, so sagte er, brauchten sie auf dieser Seite des Waldes nicht mitzuschleppen, denn es gbe Bche und Quellen genug am Weg. "Aber euer Pfad durch den Nachtwald ist dunkel, gefhrlich und schwierig", fgte er hinzu. "Wasser ist dort nicht leicht zu finden, und Nahrungsmittel schon gar nicht. Die Zeit fr Nsse ist noch nicht gekommen (obgleich sie kommen und sogar vorbergehen kann, ehe ihr die andere Seite erreicht), und Nsse sind von allem, was dort wchst, das einzige zum Essen. Die Wildnis ist finster und sonderbar und unberechenbar. Ich will euch mit Huten versorgen, in denen ihr Wasser mitnehmen knnt, auch will ich euch Bogen und Pfeile geben. Aber ich zweifle sehr, ob irgend etwas im Nachtwald wirklich geniebar ist. Einen Flu gibt es dort, der schwarz und rasch flieend euren Pfad kreuzt. Trinkt ja nicht aus ihm und badet nicht darin, denn ich habe gehrt, da er verzaubert ist und Schlafmdigkeit und Vergessen bringt. Und in dem trben Schatten dieses Waldes werdet ihr nichts Geniebares oder Ungeniebares schieen knnen, ohne den Pfad zu verlieren. Den Pfad aber drft ihr niemals verlassen, aus keinem noch so wichtigen Grund. Das ist alles, was ich euch raten kann. Jenseits des Waldrandes kann ich euch so gut wie gar nicht helfen. Ihr mt euch auf euer Glck, euren Mut und die Lebensmittel verlassen, die ich euch mitgebe. Mein Pferd und meine Ponys mt ihr am Rand des Waldes, darum mu ich euch bitten, zurckschicken. Ich wnsche euch guten Weg, und mein Haus steht euch offen, wenn ihr je diesen Weg zurckkommt." Sie dankten ihm mit vielen Verbeugungen und dem Schwenken ihrer Kapuzen und manchem "zu Euren Diensten, o Herr der groen hlzernen Hallen!" Aber ihr Herz sank ihnen bei diesen ernsten Worten in die Hose, und sie sprten, da das Abenteuer viel gefhrlicher war, als sie angenommen hatten, denn selbst wenn sie alle Gefahren des Weges bestanden, so wartete doch noch der Drache am Ende auf sie. Den ganzen Morgen waren sie geschftig bei ihren Vorbereitungen. Am frhen Nachmittag aen sie zum letztenmal mit Beorn, und nach der Mahlzeit bestiegen sie die Streitrosse, die er ihnen lieh. Sie riefen ihm manchen Abschiedsgru zu und ritten eilig zum Gatter hinaus. Als sie die hohen Hecken im Osten von Beorns eingefriedetem Land hinter sich lieen, wandten sie sich nach Norden und spter nach Nordwest. Auf seinen Rat hin strebten sie nicht mehr dem Hauptweg quer durch den Wald zu, der sdlich seines Landes begann und der Alte Nachtwaldweg genannt wurde. Wren sie dieser Strae gefolgt, so htte ein kleiner Wasserlauf aus dem Gebirge sie bis zum Gewaltigen Flu gefhrt, viele Meilen sdlich vom Carrock. An diesem Punkt lag eine tiefe Furt, die sie htten kreuzen knnen - wenn sie ihre Ponys noch gehabt htten. Auf der anderen Seite fhrte ein schmaler Steig zum Saum des Nachtwaldes und zum Beginn des Alten Nachtwaldweges. Aber Beorn hatte sie gewarnt, da sich gerade auf diesem Steig oft Orks herumtrieben, whrend der Waldweg selbst, wie er gehrt hatte, zugewachsen war und am stlichen Ende gar nicht mehr benutzt wurde und in unwegsame Smpfe fhrte. Auerdem lag der Ostausgang so weit sdlich des Einsamen Berges, da sie von dort einen langen und schwierigen Marsch nach Norden htten antreten mssen. Nrdlich des Carrocks schlo sich der Saum des Nachtwaldes dichter an die Ufer des Gewaltigen Flusses an, und obgleich hier auch das Gebirge nher herankam, hatte Beorn ihnen geraten, diesen Weg zu gehen. Denn an einer Stelle, die nur wenige Tagesritte nrdlich des Carrocks lag, fand sich der Eingang eines kaum bekannten Pfades quer durch den Nachtwald, der geradewegs auf den Einsamen Berg zulief. "Die Orks", hatte Beorn gesagt, "werden noch hundert Meilen nrdlich vom Carrock den Gewaltigen Flu nicht berqueren, und um mein Haus - nachts ist es wohlgeschtzt! einen groen Bogen machen; aber dennoch: Ich wrde rasch reiten. Denn wenn sie ihren berfall bald ausfhren, so kreuzen sie den Flu im Sden und streifen den ganzen Waldrand ab, um euch den Weg abzuschneiden, und Warge rennen rascher als Ponys. Kurz: Es ist sicherer, wenn ihr euch nach Norden wendet, selbst wenn es scheint, als rittet ihr zurck und gerietet wieder in die Nhe ihres Reiches. Denn das werden sie am wenigsten erwarten; und sie werden lnger reiten mssen, wenn sie euch fangen wollen. Reitet nun los, so schnell ihr knnt!" Deshalb also ritten sie jetzt schweigsam, galoppierten, wo der Grund grasig und eben war; das Gebirge lag finster zu ihrer Linken, und die Linie des Flusses mit seinen Bumen rckte immer dichter heran. Die Sonne hatte sich gerade dem Westen zugewandt, als sie aufbrachen, und am Abend lag sie golden auf dem Land. Es war schwer, gerade jetzt an eine Verfolgung durch Orks zu denken, und als so manche Meile sie von Beorns Haus trennte, fingen sie wieder an zu reden und zu singen und vergaen den finsteren Waldweg, der vor ihnen lag. Aber am Abend, als die Dmmerung kam und die Gipfel des Gebirges im Sonnenuntergang glhten, machten sie Rast und stellten eine Wache auf, und die meisten schliefen mit schweren Trumen ein, in denen das Geheul jagender Wlfe widerklang und das Geschrei der Orks. Doch der nchste Morgen zog strahlend und klar herauf. Es lag herbstlich weier Nebel auf der Erde, und die Luft war kalt. Als die Sonne sich rot im Osten erhob, zergingen die Nebelbnke, und als die Schatten noch lang waren, zogen die _ Zwerge weiter. So ritten sie noch zwei weitere Tage, und whrend der ganzen Zeit sahen sie nichts anderes als Gras und Blumen und Vgel und einzelne Bume und gelegentlich kleine Rudel Hirsche, die sten oder am Nachmittag im Schatten ruhten. Manchmal sah Bilbo Geweihe aus dem hohen Gras ragen, und zuerst dachte er, es wren abgestorbene Baumste. Am dritten Abend hatten sie es sehr eilig, vorwrts zu kommen, denn Beorn hatte gesagt, sie wrden den Eingang des Nachtwaldes frh am vierten Tag erreichen. Sie ritten also nach Einbruch der Dmmerung immer noch weiter, im Mondenschein bis tief in die Nacht. Als das Licht zu schwinden begann, war es Bilbo, als ob er dann und wann auf seiner Rechten oder auf seiner Linken die dunklen Umrisse eines groen Bren in gleicher Richtung trotten sah. Aber als er es wagte, Gandalf darauf aufmerksam zu machen, antwortete der Zauberer nur: "Still, schaut nicht hin! " Am nchsten Tag brachen sie noch vor der Dmmerung auf, obgleich ihre Nachtruhe nur kurz gewesen war. Sobald es hell wurde, sahen sie den Wald auf sich zukommen, als ob er sie erwarte - eine schwarze und finstere Wand. Das Land stieg allmhlich an, und es war dem Hobbit, als ob ein groes Schweigen sie fest umschlo. Wenige Vgel sangen noch. Es gab kein Rotwild, selbst Kaninchen waren nicht mehr zu entdecken. Nachmittags endlich erreichten sie den Rand des Nachtwaldes und rasteten unter dem gewaltig berhngenden Laubwerk der ueren Bume. Ihre mchtigen Stmme waren knorrig, ihre Zweige ineinander verschlungen, ihre Bltter dunkel und lang. Efeu wuchs an ihnen empor und hing bis zur Erde herab. "Ja, hier ist der Nachtwald", sagte Gandalf, der grte aller Wlder in der nrdlichen Welt. Ich hoffe, euch gefllt sein Anblick. Jetzt mt ihr diese vorzglichen Ponys heimsenden, die ihr euch geliehen habt." Am liebsten htten die Zwerge zu murren begonnen, aber der Zauberer sagte, sie seien nicht ganz gescheit. "Beorn ist nicht so weit weg, wie ihr glaubt, und es wre jedenfalls besser, ihr wrdet euer Versprechen halten, denn er ist ein schrecklicher Gegner. Die Augen von Mister Beutlin sind schrfer als eure, falls ihr nicht ebenfalls Nacht um Nacht nach Einbruch der Dunkelheit einen groen Bren neben uns wandern oder in der Ferne im Mondlicht unser Lager beobachten saht. Nicht nur, um fr euch zu wachen und euch zu fhren, sondern auch, um acht auf die Ponys zu haben. Beorn mag euer Freund sein, aber er liebt seine Tiere wie Kinder. Ihr knnt nicht ermessen, was es heit, da er Zwerge so weit und so schnell auf ihnen reiten lie, noch was geschehen wrde, falls ihr versuchen solltet, die Ponys mit in den Wald zu nehmen." "Und was geschieht mit dem Pferd?" fragte Thorin. "Ihr habt nichts davon gesagt, da es ebenfalls zurckgesandt wird." "Nein. Ich schicke es auch nicht zurck." "Und wie ist es mit Eurem Versprechen?" "Das ist meine Sache. Ich schicke es nicht. Ich reite es nmlich zurck!" Da wuten sie, da Gandalf sie am Saum des Nachtwaldes verlassen wrde, und sie waren verzweifelt. Aber was sie auch sagen mochten - nichts konnte seinen Entschlu ndern. "Nun, wir hatten uns damit auseinandergesetzt, als wir auf dem Carrock landeten", sagte er. "Unntz, darber zu streiten. Ich habe, wie ich euch sagte, einige dringende Geschfte im Sden. Und ich habe mich schon genug versptet, als ich mich abrackerte mit euch. Ehe alles vorbei ist, werden wir uns mglicherweise wieder begegnen - hinwiederum natrlich vielleicht auch nicht. Das hngt von eurem Glck und eurem Mut und Sprsinn ab; und ich gebe euch Mister Beutlin mit auf den Weg. Schon vorher habe ich euch gesagt, da mehr in ihm steckt, als ihr glaubt. Ihr werdet nicht allzulang brauchen, das herauszufinden. Seid ein bichen vergngter, Bilbo schaut nicht so sauer drein! Und ihr, Thorin und Kumpanei, seid auch zuversichtlicher und nicht so betrbt! Schlielich ist dies eure Expedition. Denkt an den Schatz am Ende und verget den Wald und den Drachen wenigstens bis morgen frh!" Am nchsten Morgen sagte er. noch immer dasselbe. So blieb also nichts anderes brig, als die Wasserschluche an einer klaren Quelle zu fllen, die sie dicht neben dem Waldeingang fanden, und die Ponys abzupacken. Sie verteilten das Gepck, so gerecht sie es konnten, obgleich Bilbo dachte, da seine Last schrecklich schwer sei. Der Gedanke gefiel ihm gar nicht, da er mit all diesem Kram auf dem Rcken Meilen um Meilen dahintrotten sollte. "Macht Euch nichts draus", sagte Thorin. "Es wird nur allzu bald leichter werden. Nicht lang, und ich frchte, da jeder von uns sich sein Gepck schwerer wnscht, dann nmlich, wenn das Essen knapper wird." Endlich nahmen sie Abschied von den Ponys und drehten ihnen die Kpfe heimwrts. Sie trabten frhlich davon und schienen glcklich zu sein, dem finsteren Nachtwald ihre Schwnze zu zeigen. Als sie davonzogen, htte Bilbo schwren knnen, da etwas wie ein Br den Schatten der Bume verlie und rasch hinter ihnen hertrabte. Jetzt sagte auch Gandalf Lebewohl. Bilbo sa auf der Erde und kam sich sehr unglcklich vor. Er wnschte sich neben den Zauberer aufs hohe Pferd. Nach dem Frhstck (einem sehr rmlichen) war Bilbo in den Wald gegangen, und es schien ihm, als ob er schon am Morgen finster wie die Nacht und sehr geheimnisvoll war. Man fhlt sich bewacht und beobachtet, sagte sich Bilbo. "Auf Wiedersehen!" sagte Gandalf zu Thorin. "Und auf Wiedersehen euch allen! Stracks durch den Wald geht jetzt euer Weg. Verlat ihn nie - weicht ihr ab, dann mchte ich wetten, ihr findet ihn niemals wieder und werdet aus dem Nachtwald nicht herauskommen. Und dann, vermute ich, sehe weder ich noch sonst irgendwer euch jemals wieder." "Mssen wir wirklich hindurch?" sthnte der Hobbit. "Ja, ihr mt", erwiderte der Zauberer, " falls ihr auf die andere Seite kommen wollt! Entweder hindurch oder auf geben. Und ich erlaube Euch nicht, jetzt zurckzukehren, Mister Beutlin. Ich schme mich, da Ihr solche Gedanken habt. Ihr mt an meiner Stelle Obacht auf all diese Zwerge geben", fgte er lachend hinzu. "Nein, nein!" sagte Bilbo. "Das meinte ich ja gar nicht. Ich meinte, ob es da nicht einen Weg drum herum gibt?" "Den gibt es, wenn es euch nichts ausmacht, zweihundert Meilen etwa nach Norden zu wandern oder das Doppelte nach Sden. Aber selbst dann wrdet ihr keinen sicheren Weg finden. Es gibt keine sicheren Wege in diesem Teil der Welt. Erinnert euch : Ihr habt die Eindgrenze berschritten und mt euch hier berall auf allerlei Spe gefat machen. Ehe ihr den Nachtwald im Norden umgehen knnt, wrdet ihr mitten in die Hnge des Grauen Gebirges geraten, und die sind einfach vollgestopft mit Orks, Hobkobolden und Ungeheuern belster Art. Und ehe ihr den Wald im Sden umgehen knntet, wrdet ihr in das Land des Geisterbeschwrers kommen. Und gerade Euch, Bilbo, brauche ich keine Geschichten ber diesen schwarzen Hexenmeister zu erzhlen. Ich rate euch gut : Geht niemals in Gegenden, die sein finsterer Turm berragt! Haltet euch an euren Waldweg, bleibt tapfer, hofft auf das Beste, und mit einer riesengroen Scheibe Glck knnt ihr eines Tages wieder herauskommen und die Langen Smpfe unter euch liegen sehen und hinter ihnen, weit im Osten, den Einsamen Berg, wo der gute alte Smaug haust - und ich hoffe, da er euch nicht erwartet." "Ein groer Trost!", Tatsache, knurrte Thorin. "Lebt wohl Wenn Ihr nicht mit uns gehen wollt, dann zieht besser jetzt ab ohne weitere Reden!" "Gut, lebt wohl, und buchstblich: Lebt wirklich wohl!" sagte Gandalf, er wandte sein Pferd und ritt hinab nach Westen. Aber er konnte der Versuchung nicht widerstehen, das letzte Wort zu behalten. Ehe er auer Rufweite war, drehte er sich noch einmal um, legte die Hnde an den Mund und rief ihnen etwas zu. Ganz schwach hrten sie seine Stimme aus der Ferne: "Lebt wohl! Seid vernnftig, pat gut auf euch auf und verlat niemals den Pfad!" Dann galoppierte er davon und war bald auer Sicht. "Oh, lebt nur wohl und verschwindet!" brummten die Zwerge, die wtend waren, denn Gandalf zu verlieren, das hatte sie in Schrecken versetzt. Und jetzt begann der gefhrlichste Teil ihrer Unternehmung. Ein jeder schulterte das schwere Gepck und die Wasserschluche, wandte sich aus dem Licht, das auf den Lndern drauen lag, und tauchte in den Wald ein. ~Fliegen und Spinnen Sie zogen in einfacher Reihe dahin. Der Eingang des Weges sah wie ein Torbogen zu einem dunklen Stollen aus. Zwei groe Bume, die sich einander zuneigten, bildeten das Eingangsgewlbe. Die Bume waren schon viel zu alt, von Efeu erdrosselt und flechtenbehangen, um mehr als nur wenige schwarz verf'rbte Bltter zu tragen. Der Pfad selbst war schmal und wand sich bald links, bald rechts um die Stmme. Nicht lange, und das Licht des Eingangs war nur noch ein kleiner, leuchtender Ausschnitt weit hinter ihnen. Die Stille war so tief, da ihre Fe dumpf auf dem Boden widerhallten, whrend alle Bume sich berzulehnen und zu lauschen schienen. Als ihre Augen sich an die Finsternis gewhnt hatten, konnten sie ein Stckchen nach jeder Seite in eine Art dster grnes Glimmen schauen. Gelegentlich fiel ein Lichtstrahl, der das Glck hatte, durch das Bltterdach hoch oben zu dringen, ohne vom Gewirr des Astwerks und dem verfilzten Verhau der unteren Zweige aufgefangen zu werden, wie ein schmaler, schimmernder Dolch vor ihnen auf den Boden. Aber das geschah selten, und bald hrte auch das auf. Im Wald gab es schwarze Eichhrnchen. Als Bilbos scharfe, forschende Augen sich eingewhnt hatten, konnte er hin und wieder einen Blick auf sie werfen, wenn sie ber den Pfad fegten oder hinter den Stmmen davontrippelten. Es gab auch andere sonderbare Gerusche, Grunzen, Schnaufen, Rascheln im Unterholz und in den Blttern, die sich an einigen Stellen zu unglaublich hohen Haufen aufgetrmt hatten. Aber von wem die Gerusche herrhrten - das konnte er nicht entdecken. Das Scheulichste, was ihnen begegnete, waren die Spinngewebe: dunkle, dichte Spinngewebe mit auerordentlich dicken Fden, oft zwischen den Bumen, oft auch wirr in den unteren Zweigen auf allen Seiten der Stmme. Aber kein Netz war quer ber den Pfad gespannt. Hielt nun ein Zauber ihn frei, oder gab es sonst einen besonderen Grund - sie konnten es nicht erraten. Es dauerte nicht allzulange, da begannen sie diesen Wald aus ebenso tiefem Herzen zu hassen wie die Stollengnge der Orks, nur schien ihnen der Nachtwald noch unendlicher zu sein. Immer weiter muten sie ziehen, und schon lange wnschten sie sich hei und innig ein bichen Sonne und ein Stckchen blauen Himmel und sehnten sich nach einem Windhauch auf ihrem Gesicht. Unter dem Dach des Waldes aber rhrte sich die Luft nicht. Hier gab es nur ewig whrende Stille, Finsternis und Moder. Selbst die Zwerge sprten das, obgleich sie doch gewohnt waren, in der Erde zu graben und lange Zeit ohne Licht und Sonne zu leben. Aber der Hobbit, der Hhlen nur dazu benutzte, um eine Wohnung hineinzubauen, der jedoch nie einen einzigen Sonnentag darin verbrachte, merkte, wie es ihm allmhlich den Hals zuschnrte. Die Nchte waren am schlimmsten. Es wurde pechfinster, nicht, was ihr so pechfinster nennt, sondern es war wirklich finster wie Pech : so schwarz, da man in der Tat rein gar nichts sah. Bilbo hielt die Hand vor seine Nase, aber er konnte sie nicht sehen. Nun, vielleicht ist es doch nicht richtig zu sagen, da sie rein nichts sahen: Sie sahen Augen. Dicht aneinander gedrckt schliefen sie und wachten reihum. Als die Reihe an Bilbo kam, konnte er rund um sich ein Schimmern in der Schwrze sehen und zuweilen gelbe, rote oder grne Augenpaare, die ihn aus kurzer Entfernung anstarrten und dann langsam verblaten und verschwanden und allmhlich wieder von einer anderen Stelle her zu glhen begannen. Manchmal schimmerten sie auch von den Zweigen dicht ber ihm herab, und das war das entsetzlichste. Aber die Augen, die er am meisten verabscheute, waren bleiche, knopfrunde, schreckliche Augen. Insektenaugen, dachte er, keine Sugetieraugen! Allerdings, sie sind viel zu gro dafr. Obgleich es noch nicht sehr kalt war, versuchten sie, nachts Wachfeuer zu unterhalten; aber das gaben sie bald wieder auf. Es lockte Hunderte und aber Hunderte Augen an, obgleich die Wesen, welcher Art sie auch immer sein mochten, sehr vorsichtig waren und niemals ihren Krper in dem kleinen Flackerlicht des Feuers sehen lieen. Schlimmer aber: Es zog Tausende von dunkelgrauen und schwarzen Nachtfaltern an, von denen einige fast so gro wie eure Hand waren, und die schwirrten und flatterten ihnen um die Ohren. Das hielten sie nicht aus, und die riesenhaften Fledermuse, die so schwarz waren wie ein Zylinderhut, gaben ihnen den Rest. Sie verzichteten auf Wachfeuer und saen in der Nacht und dsten in der gewaltigen, unheimlichen Dunkelheit vor sich hin. All dies nahm kein Ende, und dem Hobbit schien es, als seien Jahre und Jahre vergangen. Auerdem war er stets hungrig, denn sie gingen auergewhnlich vorsichtig mit ihren Vorrten um. Wie die Tage so einander folgten und der Wald doch immer derselbe blieb, fingen sie an, ngstlich zu werden. Die Lebensmittel wrden nicht ewig reichen. Lngst waren sie knapp geworden. Sie versuchten, Eichhrnchen zu schieen, und vergeudeten viele Pfeile, bevor sie eines zur Strecke brachten. Aber als sie es brieten, schmeckte es scheulich, und sie schossen nie wieder auf Eichhrnchen. Durstig waren sie auch, denn sie besaen nicht viel Wasser, und whrend der ganzen Zeit hatten sie weder eine Quelle noch einen Bach gesehen. So stand es mit ihnen, als sie eines Tages ihren Pfad von einem flieenden Gewsser versperrt fanden. Es flo schnell und mchtig dahin, obgleich es an ihrem Pfad gar nicht so breit war. Es war schwarz oder sah in der Dmmerung jedenfalls schwarz aus. Gut nur, da Beorn sie gewarnt hatte, sonst htten sie von diesem Flu getrunken, gleichgltig, wie auch immer seine Farbe war. Und ihre leer gewordenen Wasserschluche htten sie ebenfalls am Ufer gefllt. Jetzt aber waren sie einzig darauf bedacht, den Flu zu kreuzen, ohne einen Tropfen von diesem Wasser auf die Haut zu bekommen. Es hatte hier einmal eine Holzbrcke gegeben, aber sie war verfault und verfallen, und nur die zerbrochenen Uferpfosten waren briggeblieben. Bilbo, der am Ufer kniete und hinberstarrte, schrie : "Dort ist ein Boot am anderen Ufer! Warum in aller Welt kann es nicht auf unserer Seite liegen!" "Wie weit ist es weg?" fragte Thorin, denn mittlerweile hatten sie gemerkt, da Bilbo von allen die schrfsten Augen besa. "Nicht allzu weit. Ich mchte annehmen, nicht mehr als zwlf Meter." "Zwlf Meter! Ich dachte, es wren mindestens dreiig, aber meine Augen sind nicht mehr so gut wie noch vor hundert Jahren. Trotzdem, zwlf Meter sind ebenso gut und so schlecht wie eine ganze Meile. Wir knnen keine zwlf Meter springen, und wir drfen es auch nicht wagen, zu waten oder zu schwimmen." "Kann einer von euch ein Tau werfen?" "Wozu soll das gut sein? Das Boot ist gewi festgebunden, selbst wenn wir einen Haken hineinwerfen knnen, was ich noch bezweifle ..." "Ich glaube aber nicht, da es angebunden ist", sagte Bilbo, "obgleich ich bei diesem Licht natrlich nicht sicher sein kann. Mir scheint, es ist blo ein Stck aufs Ufer gezogen worden, und das ist dort, wo der Pfad ins Wasser fhrt, nicht sehr hoch." "Dori ist der Strkste, aber Fili der Jngste, und auerdem sieht er am besten", entschied Thorin. "Kommt her, Fili, und schaut, ob Ihr das Boot sehen knnt, von dem Mister Beutlin spricht." Fili meinte, er she es. Und nachdem er eine lange Weile hinbergestarrt hatte, um die Richtung festzustellen, brachten ihm die anderen eine Leine. Sie hatten mehrere Leinen mitgenommen, und am Ende der lngsten befestigten sie einen der groen Eisenhaken, die sie sonst dazu benutzten, um das Gepck an ihre Schultergurte zu hngen. Fili nahm den Haken in die Hand, wog ihn eine Weile und schleuderte ihn dann ber den Flu. Patsch, er fiel ins Wasser. "Nicht weit genug!" sagte Bilbo , der nach drben starrte. "Ein paar Ellen mehr, und Ihr httet das Boot getroffen, versucht es noch einmal. Der Zauber, glaub ich, ist nicht so stark, da ein bichen nasses Tau Euch gefhrlich werden kann." Als er es zurckgezogen hatte, nahm Fili zwar den Haken wieder auf, aber mitrauisch blieb er doch. Diesmal warf er mit grerer Kraft. "Ruhig, ruhig!" sagte Bilbo. "Ihr habt den Haken mitten in den Wald drben geworfen. Zieht ihn vorsichtig zurck." Fili holte langsam die Leine ein, und nach einer Weile sagte Bilbo: "Sorgfltig jetzt! Sie liegt auf dem Boot. Haltet blo den Daumen, da der Haken fat!" Er fate. Die Leine wurde straff - und Fili zog vergeblich. Kili kam ihm zu Hilfe, und dann Oin und Gloin. Sie zerrten und ruckten, und pltzlich fielen sie alle auf den Rcken. Bilbo, der noch immer Ausschau hielt, ergriff die Leine und lenkte mit einem Stock das kleine Boot, das ber den Flu geschossen kam. "Hilfe. schrie er, und Balin kam gerade recht, um das Boot zu ergreifen, ehe es von der Strmung erfat wurde. "Es war also doch angebunden", sagte Balin und betrachtete die abgerissene Fangleine, die noch herabhing. "Das war ein guter Ruck, meine Lieben. Und ein Glck, da unsere Leine strker war!" "Wer setzt zuerst ber?" fragte Bilbo. "Ich", antwortete Thorin, "und Ihr geht mit, und Fili und Balin auch. Mehr trgt das Boot nicht auf einmal. Danach Kili und Oin und Gloin und Dori; als nchste Ori und Nori, Bifur und Bofur; als letzte Dwalin und Bombur." ,;Ich bin immer der letzte, das pat mir gar nicht", brummte Bombur. "Lat diesmal einen anderen an den Schlu." "Wenn Ihr nicht so fett wret! Da Ihr es aber seid, mt Ihr bei der leichtesten und letzten Bootslast sein. Fangt nicht an, gegen Befehle zu murren, oder es wird Euch noch etwas bles zustoen." "Ruder gibt es nicht. Wie wollt Ihr das Boot ans andere Ufer zurckbringen?" fragte der Hobbit. "Gebt mir ein anderes Stck Leine und einen anderen Haken", sagte Fili, und als alles bereit war, warf er ihn in die Finsternis nach vorn und so hoch, wie er nur konnte. Da Haken und Leine nicht herunterfielen, muten sie wohl in den Zweigen festhngen. "Steigt ein", sagte Fili, "und einer holt das Boot an der Leine hinber, die drben in den Zweigen sitzt. Ein anderer mu den Haken nehmen, den wir zuerst benutzten, und wenn wir sicher auf der anderen Seite sind, haken wir das Boot damit an, und ihr knnt es zurckziehen." Auf diese Weise gelangten sie bald alle sicher ans andere Ufer des verzauberten Flusses. Dwalin war gerade mit der Taurolle am Arm aus dem Boot geklettert, und Bombur (der noch immer murrte) machte sich bereit, ihm zu folgen, als etwas Bses sich ereignete. Vor ihnen auf dem Pfad war das Gerusch flchtender Hufe zu hren, und aus dem Dmmer tauchten pltzlich die Umrisse eines fliehenden Hirsches auf. Er raste mitten in die Zwerge und warf sie wie ein Kegelspiel um, dann setzte er zu einem Sprung an. Hoch, mit einem mchtigen Satz, sprang er und ber das Wasser hinweg. Aber das andere Ufer rettete ihn nicht. Thorin war der einzige, der sich auf den Fen gehalten und noch seinen Verstand beisammen hatte. Sogleich nach der Landung hatte er fr den Fall, da ein verborgener Hter des Bootes erschiene, den Bogen gespannt und einen Pfeil aufgelegt. Und jetzt sandte er einen schnellen und sicheren Schu hinter dem springenden Tier her. Als der Hirsch das jenseitige Ufer erreichte, stolperte er. Die Schatten verschlangen ihn, aber sie hrten den Hufschlag stocken, und es wurde still. Noch ehe sie zu Ehren dieses Schusses in lautes Lob ausbrechen konnten, vernichtete ein schreckliches Klagegeschrei mit einem Schlage alle Gedanken an Hirschbraten. "Bombur ist hineingefallen! Bombur ertrinkt!" schrie Bilbo. Es war nur zu wahr. Bombur hatte kaum einen Fu an Land, als der Hirsch auf ihn zugerast kam und ber ihn hinwegsetzte. Bombur war gestolpert, hatte dabei das Boot vom Ufer weggestoen und war selbst ins Wasser geplumpst. Seine Hnde rutschten an den glitschigen Uferwurzeln ab, whrend das Boot langsam abzog und verschwand. Sie konnten gerade noch Bomburs Kapuze ber dem Wasser sehen, als sie zum Ufer rannten. Schnell warfen sie ihm eine Hakenleine zu. Seine Hand ergriff sie, und sie zogen ihn an Land. Er war von Kopf bis Fu durchnt, natrlich, aber das war nicht das Schlimmste. Als sie ihn aufs Ufer legten, war er schon fest eingeschlafen. Seine Hand umklammerte so zh die Leine, da sie den Griff nicht zu lsen vermochten. Und er blieb in tiefstem Schlaf, trotz allem, was sie mit ihm anstellten. Noch immer standen sie um ihn herum, verwnschten ihr Migeschick und Bomburs Ungeschicktheit und klagten ber den Verlust des Bootes, der es ihnen unmglich machte, nach dem Hirsch zu suchen. Da hrten sie fernes Hrnerblasen im Wald und Laute, die wie das Klffen von Hunden klangen. Sie wurden ganz still. Und als sie sich niedersetzten, schien es ihnen, als ginge nrdlich des Pfades eine groe Jagd durch den Wald. Freilich, sehen konnten sie nicht das geringste. So saen sie fr eine lange Weile und wagten nicht, sich zu bewegen. Mit einem Lcheln auf seinem wohlgenhrten Gesicht schlief Bombur weiter, als wre er nun glcklich all die Sorgen los, mit denen sie sich herumschlagen muten. Aber auf dem Pfad vor ihnen erschienen pltzlich einige weie Tiere, eine Hindin und zwei Hirschklbchen. Sie waren ebenso schneewei, wie der Hirsch schwarz gewesen war. Vor den tiefen Schatten leuchteten sie hell auf. Noch ehe Thorin den Mund aufmachen konnte, waren drei von den Zwergen aufgesprungen und hatten mehrere Pfeile verschossen. Keiner schien getroffen zu haben. Die Tiere wandten sich um und verschwanden ebenso leise zwischen den Bumen, wie sie aufgetaucht waren. Vergeblich schossen die Zwerge hinter ihnen her. "Halt! Halt!" schrie Thorin. Aber es war zu spt. Die aufgeregten Zwerge hatten ihre letzten Pfeile vergeudet, und die Bogen, die Beorn ihnen mitgegeben hatte, waren jetzt nutzlos. Eine trbsinnige Gesellschaft waren sie in dieser Nacht, und ihre Stimmung wurde in den folgenden Tagen nur noch schlechter. Sie hatten den verzauberten Flu berquert, aber hier sah der Weg genauso verloren aus wie auf der anderen Seite, und der Wald schien unverndert. Wren sie jedoch vertrauter mit diesem Wald gewesen und htten die Bedeutung der Jagd und der weien Tiere, die vor ihnen auf dem Weg aufgetaucht waren, richtig eingeschtzt, htten sie gewut, da sie jetzt auf den Ostrand zugingen. Bald wrden sie, wenn sie Mut und Hoffnung behielten, zu dnnstmmigeren Bumen und sonnenbeschienenen Stellen kommen. Aber sie wuten es nicht, und berdies schleppten sie sich mit dem schweren Bombur ab - so gut es ging und zu viert der Reihe nach, whrend die anderen das Gepck aufteilten. Wenn dies in den letzten Tagen nicht so leicht geworden wre, htten sie es nie geschafft. Doch ein schlummernder, lchelnder Bombur war ein schlechter Ersatz fr ein Gepck voll guter Lebensmittel - auch wenn es noch so schwer sein mochte. In wenigen Tagen kam dann auch die Zeit, wo es praktisch nichts mehr zu essen und zu trinken gab. Im Wald sahen sie ebenfalls nichts Geniebares, nur Pilze und sonderbare Kruter mit fahlen Blttern und von unerfreulichem Geruch. Etwa vier Tagemrsche nach dem verzauberten Flu kamen sie an eine Stelle, die meist von Buchen bestanden war. Anfangs waren sie geneigt, erleichtert den Wechsel zu begren, denn hier gab es kein Unterholz, und die Schatten waren nicht so tief. Es herrschte ein grnliches Licht an beiden Seiten des Pfades. Aber das Licht zeigte ihnen nur endlose Reihen von geraden, grauen Stmmen, wie Sulen einer riesigen Halle im Zwielicht. Man sprte einen Lufthauch und das Sausen des Windes, aber es klang schwermtig. Raschelnd segelten ein paar Bltter herab und erinnerten sie daran, da es drauen Herbst werden wollte. Ihre Fe stberten durch die Bltter zahlloser anderer Herbstzeiten, Bltter, die von den tiefen, roten Teppichen des Waldes ber den Rand des Pfades trieben. Bombur schlief immer noch, und sie waren vllig ausgepumpt. Zuweilen hrten sie ein beunruhigendes Gelchter; zuweilen auch Singen in der Ferne. Das Lachen war kein Orkgelchter, sondern rhrte von hellen Stimmen her, und das Singen war sehr schn. Doch es klang unheimlich und fremdartig, und es war ihnen nicht wohl dabei. Sie beeilten sich, so rasch es ihre schwachen Krfte erlaubten, diese Gegend hinter sich zu lassen. Zwei Tage spter merkten sie, da der Pfad sich zu neigen begann. Nicht lange, und sie fanden sich in einem Tal, das fast ganz von einem mchtigen Schlag Eichen ausgefllt war. "Ist dieser verfluchte Wald immer noch nicht zu Ende?" fragte Thorin. "Da mu einmal jemand auf einen Baum klettern und sich umsehen. Am besten, er nimmt den hchsten Baum, der gleich hier am Weg steht." Natrlich war mit diesem Jemand Bilbo gemeint. Sie whlten diesen Baum, denn wenn der Spher berhaupt Erfolg haben sollte, so mute er den Kopf ber die hchsten Kronen erheben knnen und leicht genug sein, damit die obersten und dnnsten ste ihn trugen. Der arme Mister Beutlin hatte sich nie gro im Baumklettern gebt, aber sie hoben ihn in die unteren ste einer riesenhaften Eiche, die unmittelbar neben dem Pfad wuchs, und dann mute er sich emporarbeiten, so gut er es konnte. Er bahnte sich seinen Weg durch das verfilzte Astgewirr hindurch und bekam manchen Zweig ins Auge. Grn und schwarz schmierte ihn die alte Rinde der greren ste ein. Mehr als einmal rutschte er aus und hielt sich gerade noch im letzten Augenblick fest, aber schlielich, nach einer schrecklichen Anstrengung an einer schwierigen Stelle, wo es auch nicht einen einzigen passenden Ast zu geben schien, gelangte er bis nahe an den Wipfel heran. Whrend der ganzen Zeit kam es ihm vor, als ob Spinnen in dem Baum hausten, und er machte sich Sorge, auf welche Weise er wohl wieder hinunterklettern sollte (wenn er nicht gerade hinunterfallen wollte). Schlielich steckte er seinen Kopf durch das Bltterdach, und da sah er die Spinnen. Aber es waren nur kleine, von gewhnlicher Gre, und sie jagten hinter den Schmetterlingen her. Bilbos Augen wurden vom Licht nahezu geblendet. Er hrte die Zwerge von tief unten heraufrufen, aber antworten konnte er nicht - festhalten und blinzeln, das war alles, was er zunchst tun konnte. Die Sonne schien auerordentlich hell, und es dauerte lange, bis er sich daran gewhnt hatte. Aber danach sah er um sich einen Ozean aus dsterem Grn, den da und dort eine Brise kruselte. Und berall segelten Hunderte von Schmetterlingen. Ich nehme an, es war eine Art Purpurschillerfalter, ein Schmetterling, der die Wipfel der Eichenwlder liebt, aber diese waren keineswegs purpurn, sondern tief samtschwarz ohne irgendeine Zeichnung. Bilbo betrachtete lange die Nachtschillerfalter und geno den Wind in seinen Haaren und im Gesicht. Aber schlielich erinnerte ihn das Geschrei der Zwerge, die vor Ungeduld unten aufstampften, an seine eigentliche Aufgabe. Es stand nicht gut. Sosehr er sich anstrengte, er konnte kein Ende absehen. Bume und Bltter in jeder Richtung. Sein Herz, das beim Anblick der Sonne und beim Gru des Windes frhlich geworden war, sank ihm in die Hose: Da gab es nichts, mit dem er die da unten htte aufmuntern knnen. In Wirklichkeit aber, wie ich schon sagte, waren sie nicht mehr weit vom Rand des Waldes entfernt. Und wenn Bilbo so viel Orientierungssinn gehabt htte, zu erkennen, da sein Ausguckbaum, obgleich selbst sehr hoch, doch nur im Grund eines breiten Tales stand, so htte er gewut, da von seinem Wipfel aus ringsum die Bume wie an den Rndern einer groen Schssel sich auftrmten und da man von hier aus nicht ermessen konnte, wie gro der Wald wirklich war. Aber diesen Sinn hatte Bilbo nicht, und er kletterte voll Verzweiflung hinab. Er erreichte den Boden zerkratzt, erhitzt und elend und konnte im Dmmerlicht unten zunchst nichts unterscheiden. Sein Bericht machte die anderen genauso trbselig und elend, wie er selbst war. "Der Wald geht nach allen Richtungen hin endlos weiter! Was sollen wir blo tun? Und wozu ist es ntze, einen Hobbit auszuschicken!" schrien sie, als ob es seine Schuld wre. Sie kmmerten sich keinen Pfifferling um die Schmetterlinge und wurden nur noch zorniger, als er von der wunderschnen Brise dort oben erzhlte, die sie nicht spren konnten, weil sie viel zu schwerfllig waren, um hinaufzuklettern. An diesem Abend aen sie ihre letzten Krmel, und das erste, was sie am nchsten Morgen sprten, war nagender Hunger. Und das nchste, da es regnete und da hier und dort ein Tropfen schwer auf den Waldboden schlug. Dies hinwiederum erinnerte sie daran, da sie vor Durst geradezu ausgebrannt waren und nichts daran ndern konnten. Man kann einen schrecklichen Durst nicht dadurch lschen, da man unter Rieseneichen steht und auf den Glckszufall eines Regentropfens wartet, der einem auf die Zunge fllt. Das einzige bichen Trost kam ganz unerwartet von Bombur. Er erwachte pltzlich, setzte sich auf und kratzte sich den Kopf Er konnte nicht herausfinden, wo er war, noch warum er solchen Hunger hatte. Er hatte alles vergessen, was seit jenem Maimorgen vor langer, langer Zeit geschehen war. Das letzte, an das er sich erinnerte, war die Gesellschaft im Haus des Hobbits. Sie hatten groe Schwierigkeiten, ihm die ganze Reisegeschichte mit all den unglaublichen Abenteuern begreiflich zu machen. Als er hrte, da es nichts zu essen gab, setzte er sich hin und weinte, denn er fhlte sich schwach und wacklig in den Knien. "Warum bin ich berhaupt erwacht!" rief er. "Ich hatte solch wunderschne Trume. Mir trumte, ich ginge in einem Wald, der ganz hnlich aussah wie dieser, spazieren. Nur war er durch Fackeln an den Bumen erleuchtet, von Lampen, die von den sten herabhingen, und von Feuern, die auf dem Boden brannten. Ein groes Fest wurde da gefeiert und nahm berhaupt kein Ende. Ein Waldlandknig sa dort mit einer Blattkrone, es wurde frhlich gesungen, und ich knnte die Herrlichkeiten weder zhlen noch beschreiben, die es da zu essen und zu trinken gab." "Ihr braucht es gar nicht erst zu versuchen", sagte Thorin. "Wirklich, wenn Ihr nichts anderes erzhlen knnt, dann seid besser still. Wir hatten sowieso schon genug Scherereien mit Euch. Wrt Ihr jetzt nicht aufgewacht, so htten wir Euch mit Euren idiotischen Trumen im Wald liegengelassen. Es macht kein Vergngen, Euch nach Wochen sprlichster Ernhrung spazierenzutragen." Es blieb nichts anderes brig, die Grtel muten fester um die leeren Mgen geschnallt werden, die leeren Scke und das Gepck wurden geschultert, und dann stolperten sie weiter den Pfad entlang. Sie hatten wenig Hoffnung, das Ende zu erreichen, ehe sie sich hinlegen und den Hungertod sterben muten. So gingen sie noch den ganzen Tag, langsam und mhsam, whrend Bombur sthnte, seine Beine wrden ihn nicht mehr tragen, und er wnschte blo, sich hinlegen und schlafen zu knnen. "Nein, das kommt nicht in Frage!" sagten sie. "Lat Eure Beine auch ihr Pckchen schleppen, wir haben Euch lange genug getragen." Wie dem auch sei, pltzlich weigerte er sich, auch nur einen Schritt weiterzugehen, und warf sich auf den Boden. "Geht weiter, wenn ihr Lust habt", sagte er. "Ich fr meinen Teil ziehe es vor, hier zu liegen, zu schlafen und vom Essen zu trumen, wenn ich es anders nicht haben kann. Ich hoffe blo, da ich nie wieder aufwache." Gerade in diesem Augenblick rief Balin, der ein bichen voraus war: "Was war denn das? Mir kam es vor, als schimmerte da ein Licht aus dem Wald." Sie strengten ihre Augen an, und es schien ihnen, als ob sie ein gutes Stck entfernt etwas Rotes in der Dunkelheit schimmern sahen. Und dann blinkten immer mehr Lichter daneben auf Selbst Bombur erhob sich, und sie rannten darauf zu, ohne sich darum zu kmmern, ob dort am Ende Trolle oder Orks auf sie warteten. Die Lichter waren gerade vor ihnen links vom Weg, und als sie auf deren Hhe .gekommen waren, sahen sie deutlich Fackeln und Feuer unter den Bumen brennen - jedoch ein gutes Stck weg von ihrem Pfad. "Das sieht ja aus, als ob meine Trume Wahrheit wrden" , sagte Bombur, der schnaufend herankam. Er wollte geradewegs in den Wald hinein und auf die Lichter zugehen. Aber die anderen erinnerten sich nur allzugut an die Warnung Gandalfs und Beorns. "Ein Fest wrde nichts Gutes bedeuten, wenn wir lebendig nicht wieder zurckkommen knnten", sagte Thorin. "Aber ohne Fest werden wir auch nicht am Leben bleiben", antwortete Bombur, und Bilbo stimmte ihm herzlich bei. So stritten sie eine lange Weile vorwrts und rckwrts, bis sie schlielich bereinkamen, ein paar Spher loszuschicken, die sich an die Lichter heranmachen und mehr darber herausfinden sollten. Aber sie kamen nicht berein, wer geschickt werden sollte - keiner war gerade scharf darauf, verlorenzugehen und seine Freunde nie wiederzufinden. Am Ende hatte trotz aller Warnungen der Hunger das letzte Wort, denn Bombur fuhr fort, all die guten Sachen zu beschreiben, die dort seinem Traum zufolge auf dem Waldfest verspeist wurden. So verlieen alle den Pfad und strzten sich gemeinsam in den Wald. Nachdem sie ein ganzes Stck gekrochen und geschlichen waren, schielten sie um die Baumstmme herum und gewahrten eine Lichtung, wo einige gefllte Bume lagen und der Grund geebnet war. Viel Volk gab es dort, das nach Elben ausschaute. Alles war grn und braun gekleidet, und man sa im Kreis auf zurechtgesgten Kltzen. Ein Feuer brannte in der Mitte, Fackeln waren rings an den Bumen befestigt. Aber der schnste Anblick war doch, da alles a und trank und lustig lachte. Der Duft des gersteten Fleisches war so wunderbar, da keiner die Meinung der anderen abwartete. Alle standen gleichzeitig auf und stolperten auf den Kreis zu mit dem einzigen Gedanken, etwas Ebares zu erbetteln. Doch kaum hatte der erste die Lichtung betreten, als mit einem Schlag, wie durch Zauberei, die Lichter verlschten. Jemand trat hastig das Feuer aus, und es scho wie Raketen in glhenden Funken auf und verzischte. Vollstndige Dunkelheit umgab sie. Keiner konnte den anderen finden - jedenfalls dauerte es geraume Zeit. Wie irre tappten sie in der Finsternis umher, fielen ber Stmme, stieen mit Getse gegen Bume, schrien und machten einen Spektakel, da auf Meilen alles im Wald wach geworden sein mute. Am Ende hatten sie es aber geschafft. Sie fanden wieder zu einem Haufen zusammen und zhlten sich mhsam, indem sie einander abtasteten. Inzwischen hatten sie natrlich ganz und gar vergessen, in welcher Richtung ihr Pfad lag, und so waren sie hoffnungslos verloren zumindest bis zum Morgen. Es blieb nichts anderes brig, sie muten sich, wo sie gerade waren, fr die Nacht einrichten. Sie wagten es nicht einmal, auf dem Boden nach Krmeln zu suchen, aus Furcht, wieder einander zu verlieren. Aber sie hatten sich noch nicht lange hingelegt - Bilbo wurde gerade erst schlfrig -, als Dori, der die erste Wache hatte, aufgeregt flsterte: "Die Lichter kommen wieder heraus! Da! Mehr als vorhin!" Da sprangen sie alle zugleich auf die Fe. Ja, ganz sicher, nicht weit weg waren Massen funkelnder Lichter zu sehen. Sie hrten ganz klar Stimmen und Lachen. Langsam krochen sie einer hinter dem andern darauf zu, jeder hielt sich am Rockscho des Vordermannes fest. Als sie nher kamen, sprach Thorin: "Diesmal kein Drauflosstrzen! Keiner darf aus dem Versteck, ehe ich es sage. Ich werde Mister Beutlin allein vorschicken, damit er mit ihnen reden kann. Vor ihm werden sie sich nicht frchten." (Aber ich mich vielleicht vor ihnen? dachte Bilbo.) "Jedenfalls hoffe ich, da sie ihm nichts antun." Als sie an den Rand des Lichtkreises kamen, stieen sie hinterrcks den armen Bilbo nach vorn. Noch ehe er Zeit fand, seinen Ring anzuziehen, stolperte er mitten in den Schein der Feuer und Fackeln. Das war schlecht. Die Lichter verlschten wie beim erstenmal, und vllige Finsternis strzte herab. Wenn sie vordem unter Schwierigkeit einander wiederfinden konnten, so war es diesmal viel schlimmer. Und den Hobbit konnten sie berhaupt nicht finden. Jedesmal, wenn sie abzhlten, kamen sie blo auf dreizehn. Sie schrien und riefen : "Bilbo Beutlin! Hobbit! Zum Henker mit ihm! He, Hobbit, verflucht, wo steckt Ihr blo?" Aber es kam keine Antwort. Sie wollten gerade alle Hoffnung aufgeben, als Dori aus purem Glck ber Bilbo stolperte. In der Dunkelheit schlug er lngelang hin ber etwas, das er fr einen Baumstamm hielt. Aber dann fand er, da es der Hobbit war, zusammengerollt wie ein Kater und in tiefem Schlaf. Es war nicht einfach, ihn wach zu bekommen, und als er wach war, war er gar nicht entzckt davon. "Ich hatte solch einen hbschen Traum", brummte er, "und darin kam die allerprchtigste Mahlzeit vor." "Guter Himmel Es geht ihm wie Bombur", sagten sie. "Erzhlt uns nichts von Trumen, Traumessen taugen nichts, und fr uns fllt sowieso nichts ab dabei." "Sie sind das Beste, was ich an diesem grausligen Platz bekommen kann", murmelte Bilbo, als er sich neben den Zwergen niederlegte und seinen Schlaf und seinen Traum wiederzufinden suchte. Aber es waren nicht die letzten Lichter im Wald. Spter, als es schon sehr tief in der Nacht, vielleicht schon gegen Morgen sein mochte, kam Kili, der die Wache hatte, weckte alle und flsterte: "Eine richtige Lichterglut ist dort vorn, gar nicht weit weg - Hunderte von Fackeln und viele Feuer. Als ob sie durch Zauberei angezndet worden wren. Hrt blo das Singen und die Harfen!" Nachdem sie eine Weile gelegen und gelauscht hatten, merkten sie, da sie einfach nicht widerstehen konnten. Sie muten nher herangehen und versuchen, Hilfe zu erlangen. Sie standen auf. Und diesmal war das Ergebnis vernichtend. Das Fest, das sie belauschten, war grer und prchtiger als die vorhergehenden. Zu Hupten einer langen Reihe von Festgsten sa ein Waldlandknig mit einer Blattkrone im goldenen Haar - genau, wie Bombur die Gestalt aus seinem Traum beschrieben hatte. Das Elbenvolk reichte Humpen von Hand zu Hand und ber die Feuer hinweg. Einige spielten Harfe, und viele sangen. In ihr schimmerndes Haarwaren Blumen gewunden. Grne und weie Edelsteine blitzten hell an ihren Kragen und Grteln, Gesichter und Lieder strahlten Frohsinn aus. Laut und klar klangen ihre Lieder in die Nacht. Da trat Thorin in ihre Mitte. Pltzlich wurde es totenstill. Alle Lichter verlschten. Die Feuer gingen in schwarze Rauchschwaden auf. Asche und Ru wehten den Zwergen in die Augen, und aufs neue schallte der Wald von ihrem Klagen und Geschrei wider. Bilbo rannte immerzu im Kreis herum (vielmehr dachte er das) und rief unaufhrlich: "Dori, Nori, Ori, Oin, Gloin, Fili, Kili, Bombur, Bifur, Bofur, Dwalin, Balin, Thorin Eichenschild!" Whrend andere, die er weder sehen noch fhlen konnte, genau das gleiche rings um ihn taten (mit einem gelegentlichen "Bilbo" dazwischen). Aber das Geschrei der anderen trieb immer weiter davon, wurde schwcher, und nach einer Weile, so schien es Bilbo, wurden gellende Hilfeschreie daraus. Das geschah jedoch schon aus groer Entfernung. Der Lrm erstarb schlielich ganz. Bilbo blieb allein in der regungslosen Dunkelheit zurck. Nach einer Weile sagte sich Bilbo, da es unsinnig sei, irgend etwas zu unternehmen, ehe der Tag kam und mit ihm ein bichen Helligkeit, und da es ganz falsch wre, jetzt umherzutappen, sich mde zu machen, und das obendrein ohne Hoffnung auf ein gutes Frhstck. So setzte er sich mit dem Rcken an einen Baum, und nicht zum letztenmal wanderten seine Gedanken zu der weit entfernten Hobbithhle mit ihren wunderbaren Speisekammem zurck. Er war tief in Gedanken an Speck und Eier, gerstetes Brot und Butter versunken, als er etwas seine Haut berhren fhlte. Es war wie ein starker, klebrig zher Strick, der sich quer ber die linke Hand zog; und als er sich bewegen wollte, fand er, da seine Beine schon von demselben Zeug eingeschnrt waren. So war er noch nicht ganz aufgesprungen und lag schon auf der Nase. In diesem Augenblick kam die Riesenspinne, die, whrend er vor sich hin duselte, ihn geschftig eingewoben hatte, von hinten heran und warf sich auf ihn. Bilbo konnte nur ihre Augen sehen, aber er fhlte ihre haarigen Beine, die sich damit abrackerten, die entsetzlichen Fden um ihn herumzuwickeln. Welch ein Glck, da er noch rechtzeitig zu Verstand gekommen war! Bald htte er sich berhaupt nicht mehr rhren knnen. Er mute, wie die Dinge standen, verzweifelt kmpfen, bevor er frei wurde. Er schlug das Tier zuerst einmal mit den Fusten ab, denn es versuchte, ihn zu vergiften, damit er stillhielt (wie es die kleinen Spinnen mit Fliegen machen). Aber dann erinnerte Bilbo sich an sein Schwert, und er ri es aus der Scheide. Die Spinne sprang zurck, und er fand Zeit, seine Beine zu befreien. Danach war die Reihe an ihm, anzugreifen. Die Spinne war augenscheinlich nicht mit Wesen vertraut, die solch einen Stachel an der Seite trugen, sonst wrde sie rascher zurckgesprungen sein. Bilbo kam ihr zuvor, ehe sie ausweichen konnte, und er traf sie mit seinem Schwert mitten zwischen die Augen. Da wurde sie irre und sprang und tanzte und warf ihre Beine in schrecklichen Zuckungen, bis Bilbo sie mit einem zweiten Streich ttete. Doch dann strzte Bilbo selbst vornber und erinnerte sich fr eine lange Weile an nichts mehr. Als er wieder zu sich kam, herrschte um ihn das gewhnliche dstergraue Licht des Waldtages. Die Spinne lag tot neben ihm, und seine Schwertklinge war schwarz gefleckt. Aber irgendwie hatte der Tod der Riesenspinne, die er in der Finsternis ganz allein ohne die Hilfe des Zauberers oder der Zwerge besiegt hatte, aus Mister Beutlin einen anderen Hobbit gemacht. Er sprte, da er ein anderer geworden war, wilder und khner, trotz eines leeren Magens. Sein Schwert wischte er am Gras ab und steckte es zurck in die Scheide. "Ich will dir einen Namen geben", sagte Bilbo zu seinem Schwert. "Du sollst Stachel heien." Dann machte er einen Erkundungsstreifzug. Der Wald war stumm und grimmig. Bilbo mute zu allererst einmal seine Freunde suchen, die wahrscheinlich nicht weit waren, falls sie nicht von den Elben (oder von schlimmeren Wesen) gefangen worden waren. Bilbo sprte, da es gefhrlich war zu rufen, und berlegte eine lange Zeit, in welcher Richtung wohl der Pfad lag und in welcher Richtung er zuerst nach den Zwergen fahnden sollte. "Oh, warum erinnerten wir uns nicht an Beorns und Gandalfs Rat!" klagte er. "Jetzt stecken wir in der Klemme. Ich wnschte blo, wir wren zusammen, denn es ist furchtbar, ganz allein zu sein." Am Ende legte er sich, so gut es ging, die Richtung zurecht, aus der in der Nacht die Hilferufe gekommen waren - und mit gutem Glck (er hatte schon von Geburt her eine ordentliche Portion davon) riet er mehr oder weniger richtig, wie ihr gleich sehen werdet. Nachdem er sich also entschieden hatte, schlich er mit uerster Vorsicht los. Hobbits verstehen sich besonders in Wldern auf lautloses Pirschen, wie ich euch schon gesagt habe. Auerdem hatte Bilbo, ehe er aufbrach, den Ring an den Finger gesteckt. Und deshalb konnten die Spinnen ihn weder sehen noch kommen hren. In aller Heimlichkeit hatte er schon ein Stck Wegs hinter sich gebracht, als er voraus einen dichten schwarzen Fleck ausmachte, pechschwarz selbst in diesem Wald noch, wie ein Streif Mitternacht, den der Tag nicht aufhellen konnte. Als er nher herankam, sah er, da die Schwrze von Spinnweben herrhrte, eine dicht hinter und ber der anderen. Und pltzlich sah er auch die riesigen, schrecklichen Spinnen dort in den Zweigen ber ihm hocken, und - Ring hin und Ring her - er zitterte vor Angst, da sie ihn entdecken knnten. Hinter einem Baum stehend, beobachtete er eine Zeitlang eine Gruppe von Spinnen, und in der lautlosen Stille des Waldes entdeckte er, da diese widerwrtigen Geschpfe miteinander sprachen. Ihre Stimmen klangen wie ein Knirschen und Zischen, aber Bilbo konnte vieles, was sie sagten, aufschnappen. Sie sprachen ber die Zwerge! "Das war ein scharfer Kampf. Aber er war die Sache wert", sagte eine. "Sie haben ohne Frage ein ekelhaft dickes Fell. Aber ich wette, es ist innen ein guter Saft drin." "Klar, die schmecken gut, wenn sie ein bichen abgehangen sind", bemerkte eine andere. "Lat sie nicht zu lange hngen", fgte eine dritte hinzu. "Sie sind nicht so fett, wie sie sein sollten. Ich glaube, sie haben in letzter Zeit nicht gut genug zu fressen bekommen." "Ttet sie, sage ich euch", zischte eine vierte, "ttet sie gleich und hngt sie danach noch eine Weile auf." "Die sind jetzt garantiert tot", fing die erste wieder an. "Das sind sie nicht. Ich sah den einen eben noch strampeln. Sie kommen gerade zu sich, wrde ich sagen, nach einem wunderbaren Schlaf Ich werde es euch zeigen." Damit rannte die fette Spinne ein Tau entlang, bis sie zu einem Dutzend Bndeln gelangte. Sie hingen in einer Reihe von einem hohen Ast herab. Bilbo war entsetzt, als er sie so zum erstenmal im Dmmerschatten baumeln sah. Aus manchen Bndeln ragte ein Zwergenfu heraus, oder hier und da kam eine Nasenspitze, ein Endchen Bart oder der Zipfel einer Kapuze zum Vorschein. Die Spinne rannte zum dicksten Paket (ich wette, es ist der arme alte Bombur, dachte Bilbo) und zwickte fest in die herausragende Nase. Ein unterdrckter Schrei drang aus dem Bndel, ein Fu zuckte und trat der Spinne hart in den Bauches war also noch Leben in Bombur! Der Tritt klang, als ob einer einen schlaffen Fuball getreten htte, und die wtende Spinne fiel vom Zweig herab, konnte sich jedoch gerade noch rechtzeitig mit ihrem eigenen Faden fangen. Die anderen lachten. "Du hast vollkommen recht!" riefen sie. "Das Fleisch lebt noch und keilt aus." "Dem werde ich gleich ein Ende machen", zischte die Spinne und kletterte auf den Ast zurck. Bilbo erkannte, da jetzt der Augenblick gekommen war, wo er etwas unternehmen mute. Er konnte nicht zu den Bestien hinaufgelangen, und zum Schieen hatte er auch nichts bei sich. Aber als er sich umschaute, sah er zahlreiche Steine in einer Mulde liegen, die nach einem ausgetrockneten kleinen Wasserlauf aussah. Bilbo war ein ausgezeichneter Kieselsteinschtze, und es dauerte nicht lange, da hatte er einen hbschen, glatten, eirunden Kiesel gefunden, der angenehm in der Hand lag. Als Junge war er ganz eingefuchst auf das Steinewerfen, so da Kaninchen und Eichhrnchen, ja Vgel sogar, schnell wie ein Blitz ihm aus dem Weg wischten, wenn er sich blo bckte. Und selbst als Erwachsener hatte er einen guten Teil seiner Zeit mit Scheibenwerfen, Wurfbolzen, Herzenschieen, Kegelschieben und anderen ruhigen Spielen zugebracht, bei denen es ums Zielen und ums Werfen geht. Wirklich, er konnte allerhand mehr als Rauchringe blasen, Rtsel raten und kochen, allerhand, das aufzuzhlen ich bisher einfach noch nicht die Zeit gefunden habe. Und auch jetzt bleibt keine Zeit dazu. Whrend er Steine auflas, hatte die Spinne Bombur erreicht, dem das letzte Stndlein geschlagen hatte. Im selben Augenblick aber warf Bilbo. Der Stein schlug der Spinne platt auf den Kopf, und sie fiel bewutlos vom Baum, patschte auf die Erde, und all ihre Beine waren ineinander verwickelt. Der nchste Stein pfiff durch ein dickes Netz, zerri die Fden und traf die Spinne, die in der Mitte sa : Ein Schlag, und sie war tot. Aber dann gab es Bewegung in der Spinnenkolonie, das kann ich euch erzhlen, und die Zwerge wurden darber fast vergessen. Den Hobbit konnten die Spinnen zwar nicht sehen, aber sie erfaten sehr gut die Richtung, aus der die Steine kamen. Blitzschnell rannten und schwangen sie sich auf Bilbo zu, wobei sie ihre Fden nach allen Seiten auswarfen, bis die Luft von fliegenden Schlingen erfllt schien. Bilbo jedoch entschlpfte zu einem anderen Platz. Es kam ihm der Gedanke, da er die wtenden Spinnen weiter weg von den Zwergen locken sollte, so weit er konnte. Er mute sie neugierig, rasend und verrckt machen. Als etwa fnfzig an der Stelle angekommen waren, wo er eben noch gestanden hatte, warf er ein paar weitere Steine nach ihnen und auch auf andere, die im Hintergrund geblieben waren. Darm tanzte er um die Bume und fing an, ein Lied zu singen, das sie aufbringen und ihm alle auf den Hals laden sollte - und auch die Zwerge sollten seine Stimme hren. Und so sang Bilbo : "Alte, fette Spinne, spinn dich ein im Baum, alte, fette Spinne, siehst mich nicht im Traum! Atterkopp! Atterkopp! Hast du keinen Faden, fllst du aus dem Baum! Alte, faule Tratsche, schiel nicht um den Ast, alte, faule Tratsche, htt'st du mich gefat! Atterkopp! Atterkopp! Willst du mich erwischen? Fllst ja schon vom Ast!" Das war vielleicht nicht besonders schn, aber schlielich mt ihr bedenken, da er ganz allein dichtete und noch dazu in einem sehr unangenehmen Augenblick. Indessen, er erreichte, was er wollte. Er sang und stampfte und warf noch ein paar weitere Steine : Da waren praktisch fast alle Spinnen hinter ihm her. Einige lieen sich gleich auf den Boden fallen, andere rasten die ste entlang, schwangen sich von Baum zu Baum oder warfen neue Fangleinen in die dunklen Zwischenrume. Viel schneller, als Bilbo erwartet hatte, kamen sie auf seinen Radau heran. Sie waren schrecklich wtend. Ganz abgesehen von den Steinen, hat keine Spinne es gern, wenn sie Atterkopp genannt wird. Und faule Tratsche ist natrlich eine Beleidigung, die sich niemand gefallen lt. Bilbo hastete zu einem anderen Platz. Aber mehrere Spinnen waren zu allen erdenklichen Stellen der Lichtung gerannt, in der sie hausten, und spannten eifrig kreuz und quer Sperren zwischen die Baumstmme. Sehr bald wrde der Hobbit in ein undurchdringliches Netz geraten - das war jedenfalls die Absicht. Bilbo stand in der Mitte der umherjagenden und spinnenden Riesenachtfler. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und sang ein neues Lied: "Die ganze lahme Lmmelei wirft Netze aus, mich zu fangen. Einen besseren Braten findet ihr nicht doch mt ihr mich erst erlangen! Reit doch die blden Augen auf, ihr fetten und faulen Gesellen: Doch wer einen fixen Kerl fangen will, mu es geschickter anstellen." Und damit wandte er sich um und fand, da der letzte Durchla zwischen zwei hohen Stmmen von einem Netz verschlossen war - aber glcklicherweise nicht von einem richtigen Netz, sondern blo von einigen mchtigen Strngen doppelten Spinnengarns, das bereilt vorwrts und rckwrts von Stamm zu Stamm geschlungen war. Da ri er sein Schwert heraus. Er schlug die Stricke entzwei und rannte singend davon. Die Spinnen sahen das Schwert, obgleich ich vermute, da sie nicht wuten, was es war. Und dann kam die ganze Gesellschaft auf dem Boden und in den sten hinter dem Hobbit hergerast, haarige, zuckende Beine, Beischeren und schnappende Spinnenmuler, Augen, die vor schumender Wut brannten. Sie folgten ihm in den Wald, so tief Bilbo es eben wagte. Dann stahl er sich stiller als eine Maus zurck. Sein bichen Zeit war kostbar, das wute er. Wenn den Spinnen die Jagd verleidet war, wrden sie zu ihren Bumen, in denen die Zwerge hingen, zurckkehren. In dieser kurzen Spanne mute er sie retten. Der schlimmste Teil der Aufgabe war, auf den langen Ast zu kommen, von dem die Bndel herunterbaumelten. Ich glaube nicht, da er es geschafft htte, wenn nicht eine Spinne glcklicherweise im Baum ein Seil htte hngen lassen. Obgleich es an Bilbos Hand klebte und ins Fleisch ri, kletterte er mit seiner Hilfe hinauf - um einer alten, verschlagenen, feisten Wachspinne in die Finger zu laufen, die bei den Gefangenen zurckgeblieben war. Sie war eifrig dabei, sie zu zwicken, um festzustellen, wer wohl der saftigste wre. Sie hatte schon vor, das Festmahl zu beginnen, whrend die anderen noch drauen umherjagten. Aber Mister Beutlin hatte es eilig, und ehe die Spinne begriff, was geschah, fhlte sie Bilbos Stachel und rollte tot vom Ast. Bilbos nchste Aufgabe war es, einen der Zwerge zu befreien. Aber wie sollte er das anstellen? Wenn er den Auf hnger durchschnitt, wrde der arme Kerl, patsch, auf die Erde bumsen, und die Erde war ein gutes Stck tiefer. Er schob sich also den Ast entlang (was die bejammernswerten Zwerge wie reifes Obst tanzen und baumeln lie) und erreichte das erste Bndel. Fili oder Kili, dachte er beim Anblick der blauen Kapuze, die oben ein wenig herausschaute. Sieht mehr nach Fili aus, dachte er dann, als er eine lange Nase aus der Verschnrung ragen sah. Indem er sich tief vorbeugte, glckte es Bilbo, die meisten der starken, klebrigen Stricke, mit denen das Opfer eingespult war, zu zerschneiden. Und dann kam in der Tat mit Treten und Gestrampel Fili zum Vorschein. Ich frchte, Bilbo mute bei seinem Anblick lachen, denn Fili, der mit seinen steifen Armen und Beinen ruderte, tanzte mit den Spinnenseilen unter den Achselhhlen genau wie eins jener lustigen Spielzeuge umher, die man an einer Strippe hopsen lt. Jedenfalls wurde Fili auf den Ast gezogen, und dann tat er sein Bestes, um Bilbo zu helfen - obgleich er sich sehr elend fhlte und krank vom Spinnengift war. Eine halbe Nacht und den ganzen nchsten Tag hatte er fest verschnrt hngen mssen und nur die Nase zum Atmen frei gehabt. Es dauerte sehr lange, bis er das widerliche Klebzeug von Augen und Brauen los war, und was seinen Bart anging, so mute er den grten Teil abschneiden. Unterdessen fingen sie an, zuerst einen, dann einen weiteren Zwerg hochzuziehen und freizusbeln. Keinem ging es besser als Fili, und manchem ging es schlechter. Einige waren kaum in der Lage gewesen, richtig zu atmen (wie man sieht, sind lange Nasen manchmal doch sehr ntzlich). Und andere wieder waren strker vergiftet worden. Auf diese Weise retteten sie Kili, Bifur, Bofur, Dori und Nori. Der arme alte Bombur war so erschpft - er war als fettester Brocken immerzu gekniffen und geknufft worden -, da er vom Ast herunterrollte und mit einem Plumps auf die Erde fiel - glcklicherweise auf drres Laub. Da lag er also. Aber es hingen noch immer fnf Zwerge am Ende des Astes, als die ersten Spinnen zurckkamen und noch viel wtender waren als vordem. Bilbo lief gleich zum Astansatz und schlug alle zurck, die heraufgekrabbelt kamen. Als er Fili rettete, hatte er seinen Ring abgenommen und vergessen, ihn wieder anzustecken. Da zischten und sprudelten sie auch schon los: "Jetzt sehen wir dich, du widerliches kleines Geschpf! Wir fressen dich und lassen blo noch Haut und Knochen im Baum hngen. Uff! Er hat einen Stachel? Na warte, wir fassen ihn doch, dann wird er einen Tag oder zwei mit dem Kopf nach unten hngen!" Whrend dies geschah, beschftigten sich die Zwerge mit dem Rest der Gefangenen und zerschnitten die Stricke mit ihren Messern. Bald waren alle frei, obgleich es durchaus nicht klar war, was jetzt geschehen wrde. Die Spinnen hatten sie zwar ohne groe Mhe in der vergangenen Nacht berwltigt, aber die Zwerge waren nicht darauf gefat gewesen, und es war finster. Diesmal jedoch sah es nach einem entsetzlichen Kampf aus. Pltzlich bemerkte Bilbo, da einige Spinnen sich um den armen Bombur dort unten geschart hatten, ihn wieder fesselten und dabei waren, ihn wegzuschleppen. Bilbo stie einen Schrei aus und schlug auf die Spinnen vor ihm ein. Sie machten Platz, und er stolperte und strzte den Baum hinunter mitten in den Haufen unten auf der Erde hinein. Sein kleines Schwert war fr sie ein ganz neuartiger Stachel. Wie er hin und her zuckte! Er glnzte vor Entzcken, wenn er zustach. Ein halbes Dutzend brachte er so zur Strecke, ehe der Rest sich zurckzog und den armen Bombur dem Hobbit berlie. "Runter!", kommt herunter rief er den Zwergen auf dem Ast zu. "Bleibt nicht da oben, ihr werdet eingesponnen!", denn er sah ringsum an den Nachbarbumen Spinnen emporkriechen und die ste ber den Zwergen entlanglaufen. Da kamen die Zwerge auch schon herab, kletternd, springend, plumpsend, elf auf einen Haufen, und die meisten waren noch ganz schwindlig und konnten ihre Beine kaum gebrauchen. Da waren sie also, zwlf an der Zahl, wenn man Bombur einrechnete, der auf der einen Seite von seinem Vetter Bifur, an der anderen von seinem Bruder Bofur gesttzt wurde. Und Bilbo tanzte um sie herum und schwang seinen Stachel. Hunderte von wtenden Spinnen glotzten sie von allen Seiten an. Es sah ziemlich hoffnungslos aus. Dann begann die Schlacht. Einige Zwerge hatten Messer, andere Knppel, und alle konnten sich Steine verschaffen. Bilbo aber hatte seinen Elbendolch. Immer aufs neue schlugen sie die Spinnen ab, und viele Angreifer wurden gettet. Aber lang konnte es so nicht weitergehen. Bilbo war fast gnzlich ausgepumpt. Fest auf den Beinen standen sowieso nur vier von den Zwergen, und bald wrden sie alle wie mde Fliegen berwltigt werden. Schon webten die Spinnen ihre Fangnetze rund um sie von Baum zu Baum. Am Ende fiel Bilbo kein anderer Plan ein, als die Zwerge in das Geheimnis des Ringes einzuweihen. Es gefiel ihm gar nicht, aber etwas anderes blieb ihm nicht brig. "Ich verschwinde jetzt", sagte er. "Ich ziehe die Spinnen hinter mir her - wenn ich kann. Und ihr mt zusammenbleiben und euch in der entgegengesetzten Richtung davonmachen. Hier links - das ist etwa die Seite, wo wir zuletzt die Elbenfeuer sahen." Es war gar nicht einfach, ihnen all das in ihre schwindligen Kpfe einzutrichtern, whrend das Geschrei in den Ohren drhnte, die Knppelschlge prasselten und die Steine surrten. Aber schlielich merkte Bilbo, da er nicht lnger zgern durfte. Die Spinnen zogen ihren Kreis immer enger. Rasch steckte er den Ring an, und zum grten Erstaunen der Zwerge verschwand er. Bald hrte man von rechts unter den Bumen das Lied von den lahmen Lmmeln und das andere vom Atterkopp. Das brachte die Spinnen ganz durcheinander. Sie stellten den Angriff ein, und einige rannten der Stimme nach. "Atterkopp" machte sie so bse, da sie ihren Verstand verloren. Dann fhrte Balin, der Bilbos Plan besser als die anderen begriffen hatte, einen Angriff. Die Zwerge drngten sich zu einem Haufen zusammen, und mit einem wahren Hagelschauer von Steinen trieben sie die Spinnen nach links und brachen durch den Ring. Hinter ihnen hrte pltzlich das Schreien und Singen auf Mit der verzweifelten Hoffnung, da sich Bilbo blo nicht einfangen lie, rannten sie weiter - aber keinesfalls schnell genug. Sie waren krank und todmde, und ihr Laufen war nur noch ein Gehinke und Gehumpel, obgleich die Spinnen dicht hinter ihnen her waren. Dann und wann muten sie sich stellen und die Viecher abschlagen, die sie eingeholt hatten, und schon waren einige Spinnen in den Bumen ber ihnen und warfen ihre langen Klammerseile herab. Es sah sehr ungemtlich fr sie aus, als pltzlich Bilbo auftauchte und sich von der Seite her unerwartet in die berraschten Spinnen strzte. "Lauft zu Lauft zu rief er. "berlat mir die Sbelei Und dann fing er an. Er stach vorwrts und rckwrts, durchschnitt die Fden der Spinnen, hackte nach ihren Beinen und stach nach ihren fetten Buchen, wenn sie ihm zu nahe kamen. Die Spinnen schwollen vor Wut, geiferten und schumten und zischten entsetzliche Flche ber ihn. Aber sie hatten tdliche Angst vor dem zurckgekehrten Stachel und wagten nicht, in seine Nhe zu kommen. Sie mochten fluchen, soviel sie wollten: Ihre Beute zog langsam, aber stetig davon. Es war schrecklich mhevoll und dauerte, so schien es, viele Stunden. Aber am Ende, gerade als Bilbo sprte, da er seine Hand auch nicht zu einem einzigen Streich mehr heben konnte, gaben die Spinnen auf, folgten ihnen nicht mehr, sondern zogen enttuscht in ihren dsteren Winkel zurck. Da merkten die Zwerge, da sie an den Rand eines jener Ringe gelangt waren, in denen Elbenfeuer gebrannt hatten. Ob es jedoch eines der Feuer war, das sie in der vergangenen Nacht gesehen hatten, das konnten sie nicht sagen. Aber es schien, als ob ein freundlicher Zauber an solchen Pltzen wohnte, den die Spinnen nicht mochten. Jedenfalls war das Licht hier frischer grn, das Laubdach weniger dicht und bedrohlich, und sie hatten endlich die Mglichkeit, zu rasten und Atem zu schpfen. Da lagen sie nun, schnauften und atmeten schwer. Aber bald ging die Fragerei los. Sie wollten die Geschichte mit dem Unsichtbarwerden ganz genau erklrt haben, und der gefundene Ring beschftigte sie so sehr, da sie fr eine Weile ihre eigenen Sorgen vergaen. Besonders Balin bestand darauf, die Gollumgeschichte ausfhrlich nebst smtlichen Rtseln immer und immer noch einmal zu hren und vor allem das, was den Ring betraf. Aber die Zeit verging, das Licht wurde schwcher, und dann wurden ganz andere Fragen gestellt. Wo waren sie nur, wo war der Pfad, wo gab es etwas zu essen und was sollten sie als nchstes unternehmen? Das fragten sie immer aufs neue, und es schien, als ob sie von dem kleinen Bilbo die Antwort erfahren wollten. Daraus ist zu ersehen, da sie ihre Meinung ber Mister Beutlin gendert hatten und er in ihrer Achtung sehr gestiegen war (und anders hatte es Gandalf ja auch nicht vorausgesagt). In der Tat, sie vermuteten, da er sich bereits einen wundervollen Hilfsplan ausgedacht hatte, und jammerten nicht mehr soviel. Sie wuten sehr wohl, da sie bald ihren letzten Puster getan htten, wenn Bilbo nicht gewesen wre, und sie dankten ihm mehr als einmal dafr. Einige standen sogar auf und verbeugten sich vor ihm bis auf die Erde, obgleich sie bei dieser Anstrengung vornber fielen und eine ganze Weile berhaupt nicht mehr auf die Beine kommen konnten. Da sie die Wahrheit ber sein Verschwinden erfuhren, minderte ihre Wertschtzung Bilbos in keiner Weise. Sie sahen, da er sowohl Verstand als auch Glck hatte und obendrein einen Zauberring, was allen zusammen sehr ntzlich war. Sie lobten ihn in der Tat so sehr, da Bilbo schon glaubte, irgendwie msse doch wirklich etwas von einem khnen Abenteurer an ihm sein. Er wrde sich jedoch noch unvergleichlich khner vorgekommen sein, wenn es jetzt etwas zu essen gegeben htte. Aber es gab nichts, rein gar nichts. Und keiner war berhaupt noch in der Lage, herumzustbern oder gar nach dem verlorenen Pfad zu fahnden. Der verlorene Pfad! Kein anderer Gedanke wollte mehr in Bilbos mden Kopf kommen. Er sa und starrte die endlosen Baumreihen vor sich an, und nach einer Weile wurden sie alle wieder still. Alle, ausgenommen Balin. Lange nachdem die anderen aufgehrt hatten zu reden und nachdem ihnen die Augen zugefallen waren, murmelte er noch immer und lachte in sich hinein: "Gollum! Jetzt geht mir ein Licht auf! Er ist an mir vorbeigeschlichen - nun ist es mir klar. Lautlos dahergekrochen, nicht wahr, Mister Beutlin? Knpfe berall auf der Torschwelle! Guter alter Bilbo - Bilbo - bobo-bo" - damit schlief er ein, und fr eine lange Weile herrschte vlliges Schweigen. Ganz pltzlich ffnete Dwalin ein Auge und blickte sie der Reihe nach an. "Wo ist Thorin?" fragte er. Sie erschraken furchtbar. Natrlich, da lagen nur dreizehn, zwlf Zwerge und ein Hobbit. Wo aber war Thorin? Sie zerbrachen sich den Kopf, welch bses Verhngnis ihm widerfahren sein mochte. War es Zauberei, oder war er in die Fnge finsterer Ungeheuer geraten? Schauer liefen ihnen ber den Rcken, wie sie so verloren im Wald hockten. Und als der Abend in schwarze Nacht berging, fiel einer nach dem andern in schweren Schlaf voll schauriger Trume. Darin mssen wir sie jetzt liegen lassen. Im brigen waren sie viel zu krank und zu mde, um Wachen aufzustellen oder wenigstens der Reihe nach die Augen aufzuhalten. Thorin aber war viel eher als die anderen gefangen worden. Ihr erinnert euch, wie Bilbo einem Baumstamm gleich in tiefen Schlaf gefallen war, als er in den Lichtkreis der Elben eindrang? Als nchster war Thorin gefolgt. Und als die Lichter auslschten, strzte er um wie ein verzauberter Stein. Aller Lrm der Zwerge, die sich in der Nacht verirrt hatten, alles Geschrei, als sie von den Spinnen gefangen und gefesselt wurden, ja selbst das Getse der Schlacht am folgenden Tag war ungehrt ber ihn hinweggegangen. Dann waren die Waldelben gekommen, hatten ihn gebunden und fortgetragen. Die Feiernden waren natrlich Waldelben gewesen, und Waldelben sind alles andere als ein hinterhltiges Volk. Wenn sie einen Fehler haben, so ist es ihr ausgesprochenes Mitrauen gegen Fremde, und obgleich ihr Zauber sehr stark war, blieben sie doch selbst in jenen Tagen uerst vorsichtig. Sie unterschieden sich sehr von den Hochelben des Westens. Sie waren gefhrlicher als diese und auch nicht so weise. Die meisten von ihnen (und auch ihre in den Bergen zerstreut lebenden Verwandten) stammten von jenen uralten Stmmen ab, die niemals nach Faerie gezogen waren. Dort lebten die Lichtelben, die Unterirdischen (oder Gnomen) und die See-Elben seit langer, langer Zeit. Sie waren schner, weiser und geschickter geworden, hatten manchen Zauber erfunden und ihre Kunstfertigkeit vervollkommnet, so da sie schne und wunderbare Dinge herstellen konnten, ehe sie in die Weite Welt zurckkehrten. Die Waldelben indessen waren im Zwielicht, das vor dem Aufgang von Sonne und Mond herrschte, geblieben. Spter wanderten sie in die Wlder, die gegen Sonnenaufgang wuchsen. Waldsume, von denen sie auf Jagd ziehen oder im Mond- und Sternenlicht weit in das offene Land hinaus rennen und reiten konnten, mochten sie besonders gern. Als die Menschen kamen, zogen sie sich immer mehr in die Dmmerung zurck. Aber es waren und blieben Elben. Und Elben sind gute Wesen. In einer groen Hhle, einige Meilen vor dem Ostrand des Nachtwaldes, lebte zur Zeit unserer Geschichte ihr grter Knig. Vor ihren hohen Steintoren flo ein Strom hinaus in die Smpfe, die sich am Fu der Waldhhen ausbreiteten. Diese Hhle, von der unzhlige kleinere nach allen Seiten abzweigten, wand sich mit all ihren Durchlssen und Hallen tief unter der Erde dahin. Aber sie war heller und gesnder als jede Orkbehausung und weder so tief noch so gefhrlich. Die Untertanen des Knigs lebten und jagten ja meistens in den offenen Wldern. Drauen besaen sie Htten auf der Erde und in den Zweigen. Ihre Lieblingsbume waren Buchen. Die Knigshhle indessen diente als Palast, feste Schatzkammer und in Kriegszeiten dem Volk als Festung. Hier war auch das Verlies fr die Gefangenen. Deshalb schleppten sie Thorin dorthin - nicht sehr rcksichtsvoll, denn Zwerge mochten sie nicht leiden, und berdies hielten sie Thorin fr einen Feind. In alten Tagen hatten sie sogar Krieg mit einigen Zwergengeschlechtern gefhrt, die sie bezichtigten, ihren Schatz gestohlen zu haben. Anstandshalber mu aber gesagt werden, da die Zwerge die Sache anders darstellten. Sie behaupteten nmlich, sie htten nur genommen, was ihnen zustand. Der Elbenknig habe mit ihnen ausgehandelt, sie sollten sein Rohgold und sein Silber schmieden und bearbeiten - und hinterher habe er die Bezahlung verweigert. Und in der Tat, wenn der Elbenknig eine Schwche hatte, so waren es Schtze - besonders aber Silber und geschnittene weie Edelsteine. Obgleich sein Hort reich war, war er doch auf immer mehr bedacht, denn noch war sein Schatz nicht so gro wie der Schatz anderer Elbenfrsten aus vergangenen Zeiten. Seine Leute schrften weder Metalle und Edelgestein, noch bearbeiteten sie es. Sie gaben sich nicht mit Handelsgeschften ab und bestellten auch nicht den Boden. All das war jedem Zwerg wohlbekannt (obgleich Thorins Familie nichts mit dem alten Streit zu tun hatte, von dem ich eben sprach). Infolgedessen war Thorin rechtschaffen wtend, als sie ihren Bann von ihm nahmen und er zur Besinnung kam. Und er nahm sich vor, da man kein einziges Wort ber Gold und Juwelen von ihm hren sollte. Streng blickte der Knig Thorin an, als man ihn vor ihn brachte, und stellte viele Fragen. Aber Thorin antwortete blo, da er vor Hunger bald umkme. "Warum habt Ihr dreimal mein Volk mitten beim Fest angegriffen?" fragte der Knig. "Wir haben Euer Volk nicht angegriffen", antwortete Thorin. "Wir kamen als Bettler, weil wir elenden Hunger hatten." "Wo sind Eure Freunde jetzt, und was machen sie?" "Ich wei es nicht. Aber ich denke, sie sterben vor Hunger im Wald." "Was hattet Ihr im Wald zu schaffen?" "Essen und Trinken suchen, denn wir hatten Hunger." "Aber was fhrte Euch in den Wald hinein?" fragte der Knig wtend. Da schlo Thorin den Mund und wollte kein Wort mehr sagen. "Wie Ihr wollt!" sagte der Knig. "Fhrt ihn fort und setzt ihn hinter Schlo und Riegel, bis er bereit ist, die Wahrheit zu sprechen, und selbst wenn er hundert Jahre dazu braucht." Dann fesselten ihn die Elben und sperrten ihn in einen der untersten Kerker, die mit starken Bohlentren verschlossen waren. Sie gaben ihm viel zu essen und viel zu trinken (allerdings war es nichts sehr Feines). Wie dem auch sei, Waldelben sind keine Orks. Wenn sie Gefangene gemacht haben, benehmen sie sich selbst ihren schlimmsten Feinden gegenber noch ziemlich gesittet. Die Riesenspinnen waren die einzigen Lebewesen, denen sie keinen Pardon gaben. So lag der arme Thorin im Verlies des Knigs. Und nachdem er dankbar Brot, Fleisch und Wasser zugesprochen hatte, begann er darber nachzudenken, was aus seinen unglcklichen Freunden geworden sein mochte. Es sollte nicht lang dauern, bis er dahinterkam - aber das gehrt zum nchsten Kapitel und ist der Anfang eines anderen Abenteuers, in dem der Hobbit abermals seine Ntzlichkeit bewies. ~Fsser unverzollt Am Tag nach der Schlacht mit den Spinnen machten Bilbo und die Zwerge eine letzte verzweifelte Anstrengung, einen Weg hinaus zu finden, ehe sie vor Hunger und Durst umkamen. Sie standen auf und taumelten in die Richtung, die acht von dreizehn fr diejenige hielten, in der ihr Pfad lag. Aber sie fanden nie heraus, ob sie recht hatten. Nochmals wurde einer der blassen Waldestage von tiefschwarzer Nacht abgelst, da sprang pltzlich ringsum ein Lichtschein von vielen Fackeln wie Hunderte von roten Sternen auf. Waldelben mit Bogen und Pfeil rannten auf sie zu und geboten den Zwergen Halt. An einen Kampf war nicht zu denken, selbst wenn die Zwerge nicht in einem solch elenden Zustand gewesen wren. Sie waren sogar froh, da sie gefangengenommen wurden. Gegen Elbenpfeile, die das Auge eines Vogels im Dunkeln treffen, war Widerstand sinnlos. So hielten sie auf der Stelle an, setzten sich und warteten - alle, auer Bilbo, der seinen Ring ansteckte und sich rasch seitwrts in die Bsche schlug. Auf diese Weise zhlten die Elben nie den Hobbit mit, als sie die Zwerge zu einer langen Reihe zusammenbanden und abzhlten. Auch hrten sie nicht, wie er hinter ihrem Fackelschein hertrottete, als sie ihre Gefangenen in den Wald abfhrten. Jedem Zwerg waren die Augen verbunden - aber das machte keinen groen Unterschied, denn selbst Bilbo, dem die Augen nicht verbunden waren, konnte nicht herausfinden, wohin sie gingen. Und weder er noch die anderen wuten, von wo sie aufgebrochen waren. Bilbo hatte genug damit zu tun, die Fackeln nicht aus den Augen zu verlieren, denn die Elben lieen die kranken, mden Zwerge, so schnell es nur eben ging, vor sich hertraben. Der Knig hatte Eile geboten. Pltzlich hielten die Fackeln an. Der Hobbit hatte gerade noch Zeit, sie einzuholen, dann berquerten sie eine Brcke. Es war die Brcke, die ber den Flu hin zum Tor des Knigspalastes fhrte. Das Wasser flo dunkel und schnell und mit mchtigem Rauschen unter ihnen dahin, und auf der anderen Seite waren die Trflgel einer gewaltigen Hhle zu sehen, die in einen steilen, baumbestandenen Hang fhrte. Groe Buchen kamen bis zum Ufer herab und tauchten ihre Wurzeln in den Strom. ber diese Brcke stieen die Elben ihre Gefangenen. Aber Bilbo zgerte. Er schtzte den Anblick von Hhleneingngen nicht. Und so mute er seinen ganzen Mut zusammennehmen, um seine Freunde nicht im Stich zu lassen. Gerade noch rechtzeitig preschte er hinter den letzten Elben her, ehe die groen Torflgel schallend hinter ihm ins Schlo fielen. Die Gnge im Innern waren von rotem Fackellicht erhellt, und die Elbenwache sang beim Marsch durch die sich windenden, einander kreuzenden und hallenden Wege. Sie waren anders beschaffen als die Stollen in der Orkstadt : Sie waren schmaler, lagen weniger tief unter der Erde, und es wehte ein reiner Luftstrom darin. In einer groen Halle, deren Pfeiler aus Fels gehauen waren, sa der Elbenknig auf einem reichgeschnitzten Stuhl. Auf seinem Haupt trug er eine Krone aus Beeren und rotem Laub, denn der Herbst war gekommen. Im Frhling trug er eine Waldblumenkrone. In seiner Hand ruhte ein geschnitztes Eichenzepter. Die Gefangenen wurden vor ihn gefhrt, und obgleich er sie grimmig anblickte, befahl er seinen Leuten, die Fesseln zu lsen, denn die Zwerge sahen zerlumpt und elend aus. "Auerdem brauchen sie hier drinnen keine Fesseln", fgte er hinzu. "Durch die verwunschenen Tore kann keiner entkommen, der einmal hier hereingebracht worden ist." Lange und eingehend verhrte er die Zwerge ber ihre Absichten, was sie planten und woher sie kamen. Aber er erfuhr nicht mehr von ihnen als von Thorin. Sie waren mrrisch und wtend und beabsichtigten gar nicht erst, hflich zu sein. "Was haben wir denn verbrochen, o Knig?" fragte Balin", der jetzt der lteste unter ihnen war. "Ist es ein Verbrechen, wenn man sich im Wald verirrt, hungrig und durstig ist und von den Spinnen berfallen wird? Sind die Spinnen Eure Haustiere oder Schohndchen, da Ihr wtend werdet, wenn ein paar von ihnen umgekommen sind?" Eine solche Frage machte den Knig natrlich nur noch wtender, und er antwortete: "Es ist ein Verbrechen, ohne meine Erlaubnis in meinem Reich umherzustromern. Habt ihr vergessen, wo ihr wart? Habt ihr nicht den Weg benutzt, den mein Volk geschlagen hat? Habt ihr meine Leute nicht dreimal im Wald verfolgt und belstigt, habt ihr nicht die Spinnen mit eurem Geschrei und Getobe aufgebracht? Nach all diesen Friedensbrchen habe ich wohl ein Recht, zu wissen, was euch hierherfhrt. Und wenn ihr es mir jetzt nicht sagen wollt, halte ich euch gefangen, bis ihr Sitte und Anstand gelernt habt!" Dann befahl er, jeden Zwerg in eine Einzelzelle zu sperren und jedem Essen und Trinken zu geben. Aber keiner solle die Erlaubnis haben, die Schwelle seines kleinen Gefngnisses zu berschreiten, bis einer von ihnen willens sei, ihm zu berichten, was er zu hren wnschte. Aber er erzhlte ihnen nicht, da er Thorin gefangenhielt. Es war Bilbo, der es herausfand. Der arme Mister Beutlin! Es war eine lange, mhselige Zeit, die er hier ganz allein verbrachte, immer verborgen. Niemals wagte er den Ring abzunehmen, kaum, da er ein Auge Schlaf riskierte, und auch dann mute er sich die dunkelsten und abgelegensten Winkel suchen, die berhaupt zu finden waren. Um sich zu beschftigen, begann er, durch den ganzen Knigspalast zu wandern. Zauber verschlo die Tore, aber zuweilen, wenn er flink genug war, konnte er hinauswischen. Von Zeit zu Zeit nmlich ritten Gruppen von Waldelben zur Jagd aus (manchmal mit ihrem Knig an der Spitze), oder sie gingen anderen Geschften in den Wldern oder in den Feldern nach. Wenn Bilbo dann sehr behend war, konnte er dicht hinter ihnen hinausschlpfen, obgleich das gefhrlich war. Mehr als einmal wre er beinahe von den Torflgeln erwischt worden, wenn sie hinter den letzten Elben zusammenkrachten. Aber wegen seines Schattens wagte er es nicht, sich unter sie zu mischen (obgleich sein Schatten im Fackelschein nur bla und undeutlich war). Auch hatte er Furcht, da jemand ihn anrempelte und er auf diese Weise entdeckt wurde. Und wenn er wirklich hinausging, was nicht sehr oft geschah, so war auch dies eine miliche Sache. Die Zwerge wollte er nicht verlassen, und im brigen htte er sowieso nicht gewut, wohin er ohne sie gehen sollte. Bei den jagenden Elben konnte er nicht die ganze Zeit mithalten, und so entdeckte er niemals die Wege hinaus aus dem Wald. Es blieb ihm also nichts anderes brig, als verlassen durch den Wald zu streunen. Immer mute er frchten, da er sich verirrte, bis ihm ein Glcksfall die Rckkehr erlaubte. Auerdem litt er drauen Hunger, denn er war kein Jger. Aber im Innern der Hhle konnte er immerhin sein Leben dadurch fristen, da er etwas Ebares aus der Vorratskammer oder vom Tisch stahl, wenn gerade niemand anwesend war. Ich komme mir wie ein Einbrecher vor, der nicht mehr ausbrechen kann, dachte er. Ich mu elend weiter einbrechen, immer im selben Haus, Tag fr Tag. Das ist das dmmste und deste Kapitel bei diesem ganzen verrckten, mhsamen, unerfreulichen Abenteuer! Ich wnschte, ich wre daheim in meiner Hobbithhle unter der brennenden Lampe vor dem warmen Kamin! Oft wnschte er auch, da er dem Zauberer htte eine Botschaft senden knnen. Aber das war natrlich ganz unmglich. Und bald wurde es ihm klar, da, wenn berhaupt etwas getan werden konnte, es ganz allein, und ohne Hilfe, von Mister Beutlin getan werden mute. Schlielich gelang es Bilbo, nachdem er sich ein oder zwei Wochen im Verborgenen herumgedrckt, die Wachen beobachtet, ihnen nachgesprt und jeden sich bietenden Glcksfall wahrgenommen hatte, herauszufinden, wo jeder Zwerg gefangensa. An den unterschiedlichsten Stellen des Palastes entdeckte er die zwlf Zellen, und nach einer Weile kannte er auch die Wege dorthin sehr gut. Wie gro aber war seine berraschung, als er eines Tages einige Wachen belauschte und heraushrte, da da noch ein anderer Zwerg im Gefngnis sa, und zwar an einem besonders tiefen Platz. Er erriet natrlich sofort, da es sich um Thorin handeln msse, und nach einer Weile fand er, da seine Vermutung richtig war. Schlielich konnte er nach groen Schwierigkeiten, als niemand in der Nhe war, sich an ihn heranmachen und ein Wort mit dem Fhrer der Zwerge wechseln. Thorin war zu elend, um lnger mit seinem Migeschick zu hadern, ja, er hatte es sich schon berlegt und wollte dem Knig alles ber den Drachen und die Suche nach dem Schatz erzhlen (und das zeigt, wie kleinmtig er geworden war). Da hrte er Bilbos leise Stimme am Schlsselloch. Zuerst traute er seinen Ohren nicht. Aber dann kam er zu der berzeugung, da er sich doch nicht getuscht haben konnte. Er ging zur Tr - und hatte eine lange gewisperte Unterredung mit dem Hobbit auf der anderen Seite. So konnte Bilbo Thorins Botschaft heimlich jedem einzelnen der gefangenen Zwerge bermitteln. Er erzhlte ihnen, da Thorin, ihr Fhrer, nicht weit weg ebenfalls in einem Kerker sa und da keiner Auftrag und Zweck der Unternehmung an den Knig verraten drfe - jedenfalls nicht, ehe Thorin Weisung gab. Thorins Herz schlug wieder hher, als er erfuhr, wie der Hobbit seine Gefhrten aus den Fngen der Spinnen errettet hatte. Aufs neue war er entschlossen, sich nicht beim Elbenknig loszukaufen, indem er ihm einen Anteil am Schatz versprach, ehe nicht jede Hoffnung auf Flucht zunichte war. Genaugenommen hie das: Ehe der bemerkenswerte Mister Unsichtbar Beutlin (von dem er allmhlich eine sehr hohe Meinung bekam) nicht aufgab, weil ihm nichts Gescheites mehr einfiel. Alle Zwerge stimmten zu, als sie die Botschaft erhielten. Jeder glaubte, der eigene Schatzanteil (den man schon als Eigentum ansah, trotz der Klemme, in der sie saen, und trotz des unbesiegbaren Drachen) wrde bedenklich leiden, wenn die Waldelben etwas davon forderten. Und so vertrauten sie Bilbo, und das war genau das, was Gandalf vorausgesagt hatte. Vielleicht war dies auch einer der Grnde gewesen, weshalb er fortgegangen und sie verlassen hatte. Bilbo indessen war in keiner Weise so hoffnungsvoll wie die Zwerge. Er hatte es gar nicht gern, wenn jemand sich auf ihn verlie, und er wnschte herzlich, der Zauberer stnde ihm zur Seite. Aber da war nichts zu machen. Wahrscheinlich lag der ganze unheimliche Nachtwald zwischen ihnen. Er sa und dachte und dachte, und sein Kopf zerplatzte fast dabei. Aber es kam kein erleuchtender Gedanke. Ein Ring, der unsichtbar macht, ist eine feine Sache. Aber unter vierzehn war er nicht viel wert. Und doch konnte Bilbo, wie ihr natrlich schon erraten habt, am Ende doch noch seine Freunde retten. Und das geschah folgendermaen: Als Bilbo eines Tages herumschnffelte, machte er eine spannende Entdeckung: Die groen Tore waren nicht der einzige Eingang zu den Hhlen - ein Wasserlauf strmte unter den tiefsten Bezirken des Palastes dahin und vereinigte sich mit dem Nachtwaldflu, und zwar ein wenig weiter ostwrts, jenseits des Steilhanges, in den der Haupteingang fhrte. Wo der unterirdische Flu den Berg verlie, kam das Felsdach bis dicht auf den Wasserspiegel herab. An dieser Stelle konnte ein Fallgatter hinab in das Flubett gelassen werden, so da niemand auf diesem Weg herein- oder hinausgelangen konnte. Dieses Fallgatter jedoch stand nicht selten offen, denn es wurde in beiden Richtungen viel benutzt; wer von drauen hier hereinkam, befand sich in einem finsteren, roh geschlagenen Tunnel, der mitten ins Herz des Berges fhrte. Aber an einer Stelle, wo dieser Tunnel unter den Hhlen entlangfhrte, hatte man das Felsdach gesprengt und mit groen, eichenen Falltren versehen. Sie fhrten in die kniglichen Keller. Da standen Fsser, Fsser und abermals Fsser, denn die Waldelben, und besonders ihr Knig, waren ganz .versessen auf Wein - obgleich in diesen Gegenden keine einzige Rebe wuchs. Der Wein wurde, wie viele andere Gter, weither von ihren Verwandten im Sden gebracht oder auch aus fernen Lndern aus den Weinbergen der Menschen. Als Bilbo sich hinter den Fssern verbarg, entdeckte er die Falltren und ihren Verwendungszweck, und als er dort lauerte, belauschte er die kniglichen Diener und erfuhr, wie Wein und andere Gter die Flsse herauf oder auch ber Land bis zum Langen See kamen. Dort schien es noch eine Stadt der Menschen zu geben. Sie war auf Pfahlwerk drauen im Wasser erbaut, eine Schutzmanahme gegen Feinde aller Art und besonders gegen den Drachen im Berg. Von dieser Seestadt aus wurden die Fsser den Nachtwaldflu heraufgebracht. Oft waren sie zu mchtigen Flen zusammengebunden, die den Strom hinauf gerudert oder gestakt wurden. Manchmal wurden sie auch auf flache Boote verladen. Die Elben hinwiederum warfen die leeren Fsser durch die Falltren. Dann ffneten sie die Gatter, und hinaus tanzten die Fsser auf dem Rcken des Flusses, bis die Strmung sie weit stromhinab bis zu jener Stelle trug, wo am Ostsaum des Nachtwaldes das Ufer scharf vorsprang. Dort wurden sie gesammelt, zusammengebunden und zurck zur Seestadt geflt, die im Langen See, gleich an der Mndung des Nachtwaldflusses lag. Eine geraume Zeit sa Bilbo hinter seinem Fa und dachte ber das Fallgatter nach und berlegte, ob es seinen Freunden zur Flucht verhelfen knnte. Schlielich sah er die Anfnge eines tollkhnen Planes vor sich. Das Abendessen war gerade den Gefangenen in die Zellen gebracht worden. Dunkel klang der Schritt der Wachen die Gnge hinab. Sie hatten die Fackeln mitgenommen und lieen alles in tiefer Finsternis zurck. Dann hrte Bilbo, wie der Kellermeister dem Befehlshaber der Wache gute Nacht sagte. "Jetzt kommst du mit", sagte er, "und versuchst den neuen Wein, der gerade eingetroffen ist. Heut nacht habe ich viel zu tun, denn ich mu den Keller von den leeren Fssern rumen. Doch damit die Arbeit besser von der Hand geht, wollen wir erst einmal einen krftigen Zug nehmen!" "Sehr gut", entgegnete der Befehlshaber der Wache lachend. "Ich werde gern mithalten und probieren, ob der Wein fr die knigliche Tafel wirklich der richtige ist. Heut nacht ist ein Fest, und da kann man kein schlechtes Zeug hinaufschicken." Als Bilbo das hrte, wurde er ganz aufgeregt, denn er sah, da das Glck mit ihm war und da er jetzt die Mglichkeit hatte, seinen verzweifelten Plan auszufhren. Er folgte den beiden Elben, bis sie in einen kleinen Keller eintraten und sich an einem Tisch niederlieen, auf dem zwei dicke Bocksbeutel standen. Bald fingen sie an zu trinken und frhlich zu lachen. Bilbo hatte ganz besonderes Glck, denn es mu schon ein sehr starker Wein sein, der Waldelben schlfrig macht. Aber dieser Wein, so schien es, war eine berauschend zu Kopf steigende Lese aus den groen Grten von Dorwinion und nicht fr des Knigs Soldaten und Diener bestimmt, sondern einzig und allein fr den Knig selbst - und auerdem fr kleinere Karaffen und nicht fr des Kellermeisters groen Krug. Sehr bald sank dem Wachhabenden der Kopf vornber. Er legte ihn auf die Tischplatte und fiel in Schlaf Der Kellermeister jedoch, der es nicht zu merken schien, fuhr noch eine Zeitlang fort, mit sich selbst zu reden und zu lachen. Aber bald fiel auch ihm der Kopf auf den Tisch, und er schlief ein und schnarchte neben seinem Freund. Da kroch der Hobbit hinein. Es dauerte gar nicht lang, und der Wachhabende hatte keine Schlssel mehr, aber Bilbo trabte, so schnell er nur konnte, die Gnge hinunter zu den Zellen. Der groe Bund war sehr schwer fr seine Arme, und das Herz schlug ihm bis zum Hals (trotz des Ringes), denn er konnte nicht verhindern, da die Schlssel dann und wann mit einem lauten Kling oder Klang aneinanderschlugen. Und das jagte ihm jedesmal einen Schauder ber den Rcken. Zuerst schlo er Balins Tr auf. Kaum war der Zwerg drauen, so schlo er wieder sorgfltig ab. Balin war hchst berrascht, das knnt ihr euch denken. Und so froh er war, aus seinem jmmerlichen kleinen Felsenkerker herauszukommen, wollte er doch gleich stehenbleiben und Fragen stellen und genau wissen, was Bilbo vorhatte und noch eine Menge mehr. Keine Zeit jetzt!" sagte der Hobbit. "Folgt mir nur. Wir mssen zusammenbleiben und drfen uns auf keinen Fall voneinander trennen. Alle mssen entkommen oder keiner, und dies ist unsere letzte Chance. Wenn wir erwischt werden, dann mag der liebe Himmel wissen, wohin Euch der Knig als nchstes steckt - mit Ketten an den Hnden und an den Fen noch obendrein, vermute ich. Redet nicht, seid vernnftig!" Dann ging er weiter von Tr zu Tr, bis sein Gefolge auf zwlf angewachsen war - von denen keiner sich sehr geschickt anstellte, was natrlich mit der Finsternis und der langen Gefangenschaft zusammenhing. Bilbos Herz drohte jedesmal zu zerspringen, wenn sie sich gegenseitig im Dunkeln anrempelten, wenn sie sich anbrummten oder miteinander flsterten. Zum Henker mit diesem Zwergenspektakel! sagte er zu sich selbst. Aber alles ging gut, und sie trafen auf keine Wache. Schlielich war in dieser Nacht in den Wldern und in den oberen Hallen ein groes Herbstfest im Gange. Fast das gesamte Volk des Knigs vergngte sich dort. Nach vielem Umhertappen erreichten sie weit unten im tiefsten Hhlenbereich und glcklicherweise dicht bei den Kellern Thorins Verlies. Donnerwetter!" sagte Thorin, als Bilbo ihm zuraunte, herauszukommen und sich wieder mit seinen Freunden zu vereinen. "Gandalf sprach die Wahrheit, wie gewhnlich! Ihr seid ein prchtiger Meisterdieb, scheint mir, wenn's soweit ist. Wir sind Euch auf ewig zu Dank verbunden, was auch immer noch geschehen wird. Aber was geschieht jetzt?" Es war Zeit, seinen Plan zu erklren, soweit Bilbo es berhaupt konnte. Aber er war keineswegs sicher, wie die Zwerge ihn aufnehmen wrden. Und in der Tat - seine Befrchtungen waren berechtigt, denn mit einem solchen Gedanken mochten die Zwerge sich nicht im geringsten befreunden. Trotz der Gefahr fingen sie laut zu murren an. "Wir werden zerquetscht und in Stcke gehckselt und ersuft werden obendrein murrten sie. "Wir dachten, Euch wre etwas Vernnftiges eingefallen, als Ihr Euch die Schlssel beschafftet. Aber dies ist eine verrckte Geschichte." "Auch gut", sagte Bilbo niedergeschlagen und ziemlich verrgert. "Kommt zurck in eure hbschen Zellen. Ich sperre euch alle wieder ein, und ihr knnt bequem darin sitzen und einen besseren Plan ausdenken - aber ich werde vermutlich nie wieder an die Schlssel kommen, selbst wenn ich noch einmal die Neigung verspren sollte, es zu versuchen." Das war zuviel fr sie, und sie schwiegen augenblicks still. Am Ende muten sie also doch tun, was Bilbo ihnen vorschlug, denn es war offensichtlich unmglich, einen Weg durch die oberen Hallen zu suchen oder sich einen durch die groen Tore zu bahnen, die am Ende durch Zauber verschlossen waren. Und wenn sie nicht aufgegriffen werden wollten, so muten sie die Nrgelei in den Gngen aufgeben. Sie folgten also dem Hobbit und krochen in die tiefsten Keller. Sie kamen auch an der Tr vorbei, hinter der der Wachhabende und der Kellermeister zu sehen waren. Die beiden schnarchten noch immer mit einem glcklichen Lcheln auf dem Gesicht. Der Wein von Dorwinion bringt tiefe und angenehme Trume. Am nchsten Tag wrde wohl der Befehlshaber der Wache anders dreinschauen, wenn auch der gutmtige Bilbo, ehe sie weiterzogen, sich hineinstahl und ihm die Schlssel wieder an den Grtel hngte. Das wird ihm einen Teil des rgers ersparen, der ihm ohne Frage bevorsteht, sagte Mister Beutlin zu sich selbst. Er war kein schlechter Kerl und geradezu hflich zu seinen Gefangenen. Es wird sie sowieso ganz schn aus der Fassung bringen. Sie werden glauben, da wir einen sehr starken Zauber besitzen, mit dem wir durch all diese verschlossenen Tren hindurchgehen und verschwinden knnen, ja - aber wir mssen uns mchtig beeilen, damit berhaupt etwas daraus wird! Balin wurde beauftragt, den Befehlshaber der Wache und den Kellermeister im Auge zu behalten und sofort Warnungszeichen zu geben, wenn sie sich rhrten. Die anderen schlichen in den benachbarten Keller mit den Falltren. Da war wenig Zeit zu verlieren. Wie Bilbo wohl wute, wrde es nicht lange dauern, bis einige Elben den Auftrag erhielten, hinunterzusteigen und dem Kellermeister zu helfen, die leeren Fsser durch die Tren in den Strom zu werfen. Die Fsser standen schon reihenweise in der Mitte und warteten blo darauf, hinuntergestoen zu werden. Es waren einige Weinfsser dabei. Aber die waren schlecht zu gebrauchen, denn sie konnten nur schwer an einem Ende geffnet werden, ohne da es eine Menge Lrm gab. Auerdem konnten sie nicht so leicht wieder sicher verschlossen werden. Aber da standen noch mehr Fsser in der Reihe, die Butter, pfel und alles mgliche andere in den Knigspalast gebracht hatten. Bald hatten sie dreizehn beisammen, die gerumig genug fr einen Zwerg waren. Einige waren sogar zu gerumig. Als sie hineinkletterten, dachten die Zwerge angstvoll an das Schtteln und Rumpeln, das sie drinnen erleben sollten, obgleich Bilbo sein Bestes tat, um Stroh und anderes Zeug zu finden. Er wollte jeden so ordentlich verpacken, wie es in der kurzen Zeit nur eben mglich war. Schlielich waren zwlf Zwerge verstaut. Thorin hatte viel Verdru gemacht. Er drehte und wand sich in seinem Fa und knurrte wie ein groer Kettenhund in einer viel zu kleinen Htte, whrend Balin, der zuletzt an die Reihe kam, Theater wegen der Luftlcher machte. Er behauptete zu ersticken, noch ehe der Deckel drauf war. Bilbo hatte getan, was er konnte. Er hatte die Lcher in den Seiten abgedichtet und die Deckel so sicher wie nur mglich eingesetzt. Und jetzt blieb er allein zurck, rannte umher, legte letzte Hand an die Verpackung und hoffte gegen alle Vernunft, da sein Plan nicht entdeckt wrde. Nicht einen Augenblick zu frh war Bilbo fertig geworden. Hchstens eine oder zwei Minuten, nachdem er Balins Deckel aufgesetzt hatte, kamen Stimmen nher, war Fackelschein im Gang zu sehen. Mehrere Elben eilten lachend und schwatzend in die Keller und trllerten ein paar Liedfetzen. Sie hatten ein frhliches Fest in der Halle verlassen und wollten, so schnell es ging, dorthin wieder zurckkehren. "Wo ist der alte Galion, unser Kellermeister?" rief einer. "Ich habe ihn heut nacht nicht an den Tischen gesehen. Er sollte doch hier sein und uns zeigen, was zu tun ist." "Wenn dieser alte Bummelant sich versptet, dann werde ich ihm ordentlich die Meinung geigen", sagte ein anderer rgerlich. "Ich habe keine Lust, meine Zeit hier zu verschwenden." "Ha, ha!" hrte man es pltzlich lachen. "Da hngt der alte Gauner mit dem Kinn berm Krug. Er hat sein eigenes Fest mit seinem Freund, dem Befehlshaber, gefeiert." "Schttelt ihn! Rttelt ihn!" schrien die anderen ungeduldig. Aber Galion gefiel es gar nicht, geschttelt und gerttelt und obendrein noch ausgelacht zu werden. "Warum kommt ihr so spt brummte er. "Hier sitze ich und warte und warte, whrend ihr da oben trinkt und euren Spa habt und eure Pflicht darber verget. Kein Wunder, wenn ich vor Mdigkeit eingeschlafen bin." "Kein Wunder?" entgegneten sie. "Nein, der Krug neben Euch erklrt alles viel besser! Kommt, gebt uns eine Kostprobe von Eurem Schlafmittel, ehe wir ber die Arbeit herfallen. Den Gefngnisaufseher braucht Ihr nicht mehr zu wecken, der hat sein Teil, wie es scheint." Dann tranken sie eine Runde und wurden pltzlich mchtig frhlich. Aber ihren Verstand verloren sie doch nicht ganz. "Galion!", schrien einige, Ihr habt Euer Zechgelage offenbar schon recht frh angefangen. Euer Grips war benebelt! Da stecken ja volle Fsser zwischen den leeren - einige sind viel schwerer!" "Macht weiter", knurrte der Kellermeister. "Nichts ist schwerer. Nur eure Arme sind bei der Sauferei schwerer geworden. Diese Fsser hier mssen weg, und keine andern. Tut, was ich sage!" "Gut, schon gut", antworteten sie und rollten die Fsser zur offenen Falltr. "Es kommt ja auf Euren Kopf, wenn des Knigs volle Butterfsser und seine besten Weine in den Flu geschmissen werden, damit die Seemenschen sich auch ein billiges Fest machen knnen." "Roll, roll, roll und roll, roll, was leer, und roll, was voll rums und plumps den Schacht hinunter, Fa um Fa, das schwappt so munter! " So sangen sie, als zuerst ein Fa und dann ein anderes zur dunklen ffnung rumpelte und einige Fu tief in das kalte Wasser gestoen wurde. Einige Fsser waren wirklich leer, andere hbsch mit einem Zwerg ausgestopft. Aber hinunter sausten sie alle, eins nach dem anderen. Mit viel Gekrach und Gebumse strzten sie aufeinander, klatschten ins Wasser, stieen gegen die Tunnelwnde und sausten mit der Strmung davon. Erst in diesem Augenblick bemerkte Bilbo den schwachen Punkt in seinem Plan. Vielleicht habt ihr ihn schon eine ganze Weile vorher entdeckt und Bilbo ausgelacht. Aber ich vermute, ihr httet es an seiner Stelle nicht besser gemacht. Bilbo sa weder in einem Fa, noch war jemand da, der ihn htte einpacken knnen (selbst wenn die Mglichkeit bestanden htte). Es sah also ganz danach aus, als wrde Bilbo diesmal seine Freunde verlieren (die mittlerweile fast alle durch die dunkle Falltr verschwunden waren), als wrde er ein fr allemal zurckbleiben und mte wie ein ewiger Meisterdieb in den Elbenhhlen auf immer sein Leben fristen. Denn selbst wenn er oben durch die Haupttore einmal entkommen konnte, so htte ihn nur ein auerordentlicher Glckszufall wieder mit den Zwergen zusammengefhrt. Bilbo kannte den Landweg nicht, der zum Sammelplatz der Fsser fhrte. Er sorgte sich, was in aller Welt ohne ihn mit den Zwergen geschehen wrde, denn er hatte noch keine Zeit gefunden, ihnen alles zu erklren, was er erfahren hatte oder was er zu tun fr richtig hielt, wenn sie erst einmal den Wald hinter sich hatten. Whrend ihm all diese Gedanken durch den Kopf schossen, stimmten die Elben, die sehr lustig waren, am Stromtor ein Lied an. Einige waren schon dabei, an den Tauen zu ziehen, die das Fallgatter hochhoben, damit die Fsser, sobald sie antrieben, gleich hinausschwimmen konnten. "Rasch den schnellen Strom und weit, heim, wie ihr gekommen seid : Treibt aus dunklem Felsengang, lasset Berg und Elbensang, lat den Wald, der schwarz und schwer kommt von West und Norden her grt den letzten Wildnisbaum, sprt den Nachtwind dort am Saum rauh aus Ost entgegenwehn, hrt das Schilf am Ufer gehn, hrt die Dommel, sprt das Moor, schickt es seine Nebel vor, wie es braut und Nacht um Nacht an den bleichen Tmpeln wacht, folgt dem hohen Sternengang hret der Planeten Klang, und wenn Frhtau fllt ins Land, wandert weiter - ber Sand, ber Kiesel, ber Stein, treibt in Fall und Schnellen ein weit nach Sd, nach Sd und weit in der Sonne Heiterkeit, heim zu Weide, Gras und Wind, grt mit groem Horn das Rind, grt die Herden, grnes Land und der groen Grten Rand, Hgel, Hnge, Beerenstrauch, Blumen, Frchte, Bienen auch und der Sonne Heiterkeit, weit nach Sd, nach Sd und weit heim, wie ihr gekommen seid." Und damit wurde das allerletzte Fa zu den Falltren gerollt! Voll Verzweiflung, und weil er einfach nicht wute, was er sonst tun sollte, klammerte der arme kleine Bilbo sich an dieses letzte Fa und wurde mit ihm ber den Rand gestoen. Rums, da strzte er ins Wasser hinab, und patsch, da klatschte er in den eisigen Strom, und das Fa tanzte ihm ber dem Kopf. Spuckend tauchte Bilbo wieder auf und klammerte sich wie eine Ratte ans Holz. Aber allen Anstrengungen zum Trotz gelang es ihm nicht, hinaufzuklettern. Jedesmal, wenn er es versuchte, rollte das Fa herum und drckte ihn unters Wasser. Es war eines von den wirklich leeren Fssern, und deshalb schwamm es leicht wie ein Kork. Bilbos Ohren waren voll Wasser, aber er konnte die Elben oben im Keller noch singen hren. Da fielen auf einmal krachend die Falltren zu, und die Stimmen starben hinweg. Ganz allein trieb Bilbo in dem eiskalten Wasser des dunklen Tunnels dahin - denn Freunde, die in Fsser verpackt sind, kann man in einem solchen Fall ja nicht mitzhlen. Sehr bald tauchte ein grauer Fleck voraus in der Finsternis auf Bilbo hrte das Knirschen des sich hebenden Fallgatters, und schon befand er sich in der Mitte hopsender, bumsender Massen von Fssern, die eines nach dem andern unter dem Felstor hinaus in den offenen Strom schwammen. Bilbo hatte mehr als genug zu tun, nicht in Stcke zerrieben und zermalmt zu werden. Aber schlielich geriet die rumpelnde Gesellschaft in Bewegung, und ein Fa nach dem andern glitt unter dem Felsbogen ins Freie und trieb davon. Da erkannte er, da es bel um ihn bestellt gewesen wre, htte er jetzt rittlings auf einem Fa gesessen, denn selbst fr einen Hobbit blieb kein Platz mehr unter dem pltzlich sehr niedrigen Felsdach des Stromtores. So trieben sie hinaus und unter den herabhngenden sten der Bume dahin, die beide Ufer sumten. Bilbo fragte sich, wie es seinen Freunden wohl gehen mochte und ob sie in ihren Fssern schon im eingedrungenen Wasser saen? Einige Fsser trieben sehr tiefliegend an ihm vorbei, und er vermutete, da Zwerge drinnen waren. Hoffentlich habe ich die Deckel dicht genug eingesetzt, dachte er. Aber es dauerte nicht lange, da hatte er mit sich selbst genug zu tun und lie die Zwerge Zwerge sein. Er konnte gerade seinen Kopf ber Wasser halten, die Klte schttelte ihn, und er frchtete schon, elendig sterben zu mssen, ehe das Glck sich wandte. Wie lange konnte er sich festhalten? Und Bilbo berlegte, ob er es wagen sollte, loszulassen und zum Ufer zu schwimmen. Aber das Glck wandte sich ihm bald wieder zu. Die Strudel zogen einige Fsser dicht ans Ufer, und dort hingen sie fr eine Weile an einer im Wasser verborgenen Wurzel fest. Bilbo nahm die Gelegenheit wahr, und whrend sein Fa hbsch festgekeilt war, kletterte er hinauf Er krabbelte wie eine halb ertrunkene Ratte aufs Fa, und oben legte er sich buchlings hin, um das Gleichgewicht besser zu halten. Der Wind wehte zwar kalt, aber das war immer noch besser, als Wasser zu schlucken. Bilbo hoffte nur, er wrde nicht pltzlich herunterrollen, wenn die Reise wieder weiterging. Nach kurzer Zeit machten die Fsser sich frei, drehten und wirbelten mit der Uferstrmung davon und trieben in die Mitte hinaus. Da fand Bilbo heraus, da es tatschlich so schwierig war, sich oben zu halten, wie er befrchtet hatte. Immerhin - er schaffte es, obgleich es eine elende Plackerei war. Glcklicherweise war Bilbo ziemlich leicht, und das Fa war eins von der dicken, bauchigen Sorte. Und da es auerdem leck war, hatte es Wasser gezogen. Jedenfalls war ihm zumute, als ob er versuchen wollte, ohne Zaum und Steigbgel auf einem breitrckigen Pony zu reiten, das dauernd bestrebt war, sich im Gras zu wlzen. So trieb Mister Beutlin schlielich zu der Stelle, wo der Wald an beiden Seiten lichter wurde. Er konnte den blassen Himmel zwischen den Bumen sehen. Pltzlich wurde der dunkle Flu mchtig und breit, denn er vereinigte sich mit dem Nachtwaldflu, der rauschend herunter von den Haupttoren des kniglichen Palastes kam. Auf dem Spiegel eines matten Wasserstreifs, der nicht mehr lnger berschattet war, tanzte der Widerschein von Wolken und Sternen. Die rauschenden Strudel des Nachtwaldflusses trieben die ganze Fagesellschaft zum Nordufer, in das die Strmung im Laufe der Zeiten eine weite Bucht gefressen hatte. Diese Bucht hatte ein grobkiesiges Ufer mit berhngenden Rndern; ein herausspringendes Kap aus hartem Fels versperrte das stliche Ende. Im seichten Ufersaum rollten die meisten Fsser auf Grund, whrend einige weiter ostwrts gegen den steinernen Damm rumpelten. Auf den Ufern aber hielten mehrere Elben Ausguck. Sie stakten und flten die Fsser im seichten Wasser zusammen, und nachdem alle ordentlich gezhlt waren, wurden sie zusammengebunden, vertut und bis zum Morgen liegengelassen. Arme Zwerge! Bilbo indessen war jetzt nicht so schlecht daran. Er glitt von seinem Fa, watete zum Ufer und schlich sich zu einigen Htten, die er nicht weit hinter dem Gestade des Flusses entdeckt hatte. Er wrde es sich nicht zweimal berlegen, wenn er uneingeladen ein Nachtessen mitnehmen konnte (falls er dazu Gelegenheit fand). Lange genug war er gezwungen gewesen, sich auf diese Weise durchzuschlagen, und mittlerweile hatte er nur zu gut erfahren, was es heit, wirklichen Hunger zu haben und nicht nur whlerisch vor den Leckerbissen einer wohlgefllten Speisekammer zu stehen. Bilbo hatte den Schein eines Feuers zwischen den Bumen gesehen, und das gefiel ihm in seinen tropfenden, zerfetzten Kleidern, die ihm kalt und klamm am Leibe hingen. Es ist nicht erforderlich, euch viel von den Aufregungen dieser Nacht zu erzhlen, denn wir sind nicht mehr allzu weit vom stlichen Endpunkt unserer Reise entfernt, und damit stehen wir vor dem letzten und grten aller Abenteuer. Machen wir es also kurz. Mit Hilfe des Zauberringes ging zuerst natrlich alles gut, aber Bilbo verriet sich schlielich durch seine nassen Fuspuren und die Tropfen, die er berall, wo er ging und stand, hinterlie. Auch fing ihm die Nase an zu laufen, und wo immer er sich versteckte, wurde er doch entdeckt, weil die schrecklichen Explosionen seines mhsam unterdrckten Genieses ihn verrieten. Sehr bald war im Dorf am Flu die Hlle los, aber Bilbo entkam in die Wlder und schleppte einen Laib Brot, eine Lederflasche Wein und eine Pastete mit - nichts davon gehrte ihm. Den Rest der Nacht mute er na, wie er war, und weit weg von einem Feuer verbringen. Aber er hatte eine Flasche, die ihm half, auch darber hinwegzukommen, und er duselte sogar ein bichen auf einem Haufen trockener Bltter ein, obgleich es doch schon spt war im Jahr und die Nacht ungemtlich khl. Mit einem besonders lauten Nieser wachte Bilbo wieder auf. Es war schon grauer Morgen, und vom Flu scholl frhlicher Lrm herauf. Die Elben bauten ein Flo aus den Fssern, und bald wrden sie damit hinunter zur Seestadt fahren. Bilbo nieste noch einmal. Das Wasser tropfte nicht mehr von ihm herab, aber ihm war mchtig kalt. So rasch seine steifen Beine ihn trugen, rannte er zum Flu hinunter und schaffte es gerade noch, in dem groen Durcheinander unbemerkt aufs Deck des Fsserfloes zu springen. Glcklicherweise schien die Sonne noch nicht. Er warf also keinen peinlichen Schatten. Und er war sehr dankbar, da er eine ganze Weile nicht zu niesen brauchte. Es wurde mchtig mit Stangen im Flu herumgewhlt. Die Elben, die im seichten Wasser standen, hievten an und schoben fort. Die Fsser, die man zusammengezurrt hatte, krachten und knirschten. "Das ist eine verteufelt schwere Ladung!" knurrten einige. "Die Fsser schwimmen viel zu tief - manche sind bestimmt nicht leer. Wren sie am Tage angetrieben, so htten wir mal hineingeschaut", sagten sie. "Keine Zeit jetzt!" rief der Fler. "Stot ab!" Und so trieben sie schlielich davon, langsam zuerst, bis sie das Felsenkap passiert hatten, auf dem andere Elben standen, die sie mit langen Stangen abstieen. Als sie den Hauptstrom erreichten, eilten sie schneller und schneller dem See zu. Sie waren den Verliesen des Knigs entronnen und hatten den Nachtwald durchquert. Aber ob sie noch lebendig oder schon tot waren, das bleibt abzuwarten. ~Ein warmes Willkommen Whrend sie dahintrieben, wurde das Licht des Tages heller und wrmer. Der Flu umstrmte einen steilen Uferabfall, der von links hereinragte. Dicht an seinem steinigen Fu schossen klatschend und gurgelnd die dunklen, tiefen Wassermassen vorbei. Pltzlich trat die Klippe zurck. Das Ufer wurde flach. Die Baumzeilen endeten, und Bilbo bot sich folgender Anblick : Weit ffnete sich die Landschaft vor ihm. berall glnzten Wasserflchen, Einbrche des Flusses in hundert Windungen, Smpfe und Teiche mit unzhligen Inselchen. Aber mitten hindurch fhrte das starke, stetige Stromband, und in der Ferne zeichnete sich, das dunkle Haupt in Wolkenfetzen gehllt, der Berg ab. Die Nachbarhupter im Nordosten und das dazwischenliegende tiefere Land konnte man nicht erkennen. Nur dieser eine Berg erhob sich dort und blickte ber die Moore hinweg zum Nachtwald herber. Der Einsame Berg! Bilbo hatte einen langen, abenteuerlichen Weg hinter sich, um ihn zu sehen. Aber er gefiel ihm ganz und gar nicht. Wie Bilbo nun dem Gesprch der Fler lauschte und die Bruchstcke des Gehrten zusammensetzte, wurde ihm bald klar, da er mehr als Glck hatte, wenn er den Berg berhaupt aus dieser Entfernung sehen konnte. So elend seine Gefangenschaft auch gewesen und so ungemtlich seine augenblickliche Lage war (gar nicht erst zu reden von den Zwergen unter dem Flodeck), so hatte er doch mehr Glck gehabt, als er je geahnt. Die Fler redeten vom Handel auf den Wasserwegen und vom Anwachsen des Verkehrs auf dem Strom, da die Landwege, die vom Osten nach dem Nachtwald fhrten, verfallen waren oder nicht mehr benutzt wurden. Und weiter war die Rede von den Menschen vom See und den Waldelben, die sich darber stritten, wer den Nachtwaldflu offenhalten und wer die Ufer pflegen und warten sollte. Diese Gegend hatte sich seit den Tagen, als die Zwerge noch in dem Berg wohnten, auerordentlich verndert. Fr die meisten Leute war diese Zeit nur dunkle Vergangenheit. Ja selbst in den letzten Jahren und sogar seit den jngsten Berichten, die Gandalf erhalten hatte, war manches anders geworden. Groe berschwemmungen und Wolkenbrche hatten alle Flsse, die ostwrts zogen, anschwellen lassen. Auch hatten sich Erdbeben ereignet, fr die einige der Fler den Drachen Smaug verantwortlich machten (mit einem Fluch oder vielsagendem Kopfnicken zum Berg hin spielten sie auf seine Gegenwart an). Die Smpfe und Moore hatten sich zu beiden Seiten immer weiter ausgebreitet. Pfade waren verschwunden und mancher Reiter und Wanderer dazu, der versucht hatte, die verlorenen Wege wiederzufinden. Sogar der Elbenweg durch den Nachtwald, dem sie auf Beorns Rat hin gefolgt waren, fhrte jetzt zu einer zweifelhaften, wenig benutzten Stelle am stlichen Waldessaum. Einzig und allein der Flu bot noch eine sichere Mglichkeit, von den Rndern des Nachtwaldes zu den vom Berg berragten Ebenen jenseits zu gelangen. Und dieser Flu wurde vom Knig der Waldelben berwacht. So war also Bilbo, wie man sieht, am Ende an den einzigen Weg geraten, der berhaupt etwas taugte. Es htte Mister Beutlin, der zhneklappernd auf den Fssern hockte, sicher ein wenig getrstet, wenn er gewut htte, da die Nachricht von dieser Reise mittlerweile weit in die Ferne bis zu Gandalf gelangt war und dem Zauberer Sorge und Angst eingeflt hatte. Seine Geschfte (die in diese Geschichte nicht hineinspielen) hatte Gandalf abgeschlossen,. und er war drauf und dran, Thorin und seiner Gesellschaft zu Hilfe zu eilen. Aber Bilbo wute es nicht. Alles, was er wute, war, da der Flu weiter- und weiterstrmte, da er hungrig war, einen scheulichen Schnupfen hatte und da er den finsteren Blick nicht leiden mochte, mit dem der Berg, je nher er heranrckte, ihn anstarrte und ihm zu drohen schien. Wie dem auch sei, der Strom nahm nach einer Weile einen mehr sdlichen Lauf, der Berg trat zurck, spt am Nachmittag wurden die Ufer felsig, und der Flu sammelte wieder alle seine Wasser in ein tiefes Bett, und eine rasch dahinbrausende Strmung verlieh dem Flo gute Fahrt. Die Sonne war schon untergegangen, als der Nachtwaldflu mit einer zweiten Kehre nach Osten in den Langen See einmndete. Steinige Klippentore mit breiten, groben Kiesbnken bewachten an jeder Seite die Mndung. Der Lange See! Bilbo hatte sich niemals bisher eine solch riesige Wasserflche vorstellen knnen, es sei denn, das Meer selbst. Der See war so gro, da die Ufer drben schmal und bla aussahen, und er war so lang, da das nrdliche Ende, das auf den Berg hin zeigte, berhaupt nicht zu sehen war. Einzig von der Karte her wute Bilbo, da dort oben, wo jetzt schon die Sterne des Groen Bren funkelten, das Eilige Wasser von Dal herunterkam und zusammen mit dem Nachtwaldflu diesen Raum, der einmal ein gewaltiges Felsental gewesen sein mute, mit tiefen Wassern fllte. Am Sdausgang ergo sich der verdoppelte Strom ber hohe Flle und eilte unbekannten Lndern entgegen. In der stillen Abendluft stand der Lrm der herabschieenden Wasser wie ein fernes Drhnen. Nicht weit von der Mndung des Nachtwaldflusses aber lag die seltsame Stadt, von der er in den Kellern des Elbenknigs hatte erzhlen hren. Die Stadt war nicht am Ufer erbaut worden, obgleich dort ein paar Htten und andere Gebude lagen, sondern weit drauen auf dem See, wo sie vor den Wirbeln des hereinstrmenden Flusses durch ein felsiges Vorgebirge geschtzt war, das eine ruhige Bucht umschlo. Eine mchtige Holzbrcke schwang sich auf krftigen Pfhlen, die aus Baumstmmen gemacht waren, hinber zu der geschftigen hlzernen Stadt. Es war keine Elbenstadt, sondern eine, bewohnt von Menschen, die es wagten, unter dem Schatten des fernen Drachenberges zu leben. Ihr Handel, der von Sden her den groen Flu heraufkam, blhte noch immer. Die Gter wurden unterhalb der Flle auf Karren umgeladen und kamen dann auf kurzem Landweg zur Stadt. Aber in den groen Tagen der Vergangenheit, als Dal im Norden noch reich und glcklich lebte, war auch die Seestadt wohlhabend und mchtig gewesen. Ganze Schiffsflotten hatten die Gewsser bevlkert, Schiffe voll Gold und Schiffe mit Bewaffneten, es hatte Kriege gegeben und Taten, die heute nur noch Legende waren. Die verfaulten Pfhle einer anderen greren Stadt konnten jetzt noch an der Kste gesehen werden, wenn das Wasser whrend der Trockenheit sank. Aber die Menschen erinnerten sich kaum daran, obgleich der eine oder andere noch immer die Lieder von den Zwergenknigen des Gebirges sang, von Thror und Thrain aus dem Geschlecht der Durin, vom Einbrechen des Drachen und dem Fall der Frsten von Dal. Einige sangen auch davon, da Thror und Thrain zurckkehren und schieres Gold durch das Bergtor am Nordende des Sees flieen wrde, ja, da das ganze Land aufs neue von Lachen und Singen erklingen sollte. Aber diese erbaulichen Geschichten nderten nicht viel an ihrer tglichen Geschftigkeit. Kaum war das Fsserflo in Sicht gekommen, da ruderten auch schon Boote aus dem Pfahlgewirr der Stadt heraus. Laute Rufe begrten die Fler, Taue wurden geworfen, Ruder schlugen im Takt, und bald war das Flo aus dem Strom des Nachtwaldflusses herausgeholt und um die hohe Felsenflanke in die kleine Bucht der Seestadt bugsiert. Dort wurde es an der Landseite und nicht weit vom Kopf der groen Brcke vertut. Bald wrden andere Menschen aus dem Sden kommen und einige Fsser mitnehmen, andere mit Gtern fllen, die sie mitgebracht hatten und die fr die Waldelben stromauf bestimmt waren. In der Zwischenzeit lie man die Fsser, wo sie lagen, denn sowohl die Elben als auch die Menschen gingen zur Seestadt hinber: Drben feierten sie ein groes Fest. Sie wren ganz schn berrascht gewesen, htten sie mit ansehen knnen, was unten am Strand geschah, nachdem sie gegangen und die tiefen Schatten der Nacht herabgesunken waren. Zuerst lste Bilbo ein schweres Fa aus dem Verband, stie es zur Kste und ffnete es. Ein Sthnen kam von innen, und heraus kroch ein unglckseliger Zwerg. Nasses Stroh hing in seinem zerzausten Bart. Er war so wund und steif, so zerschlagen und zerschunden, da er sich kaum auf den Fen halten und die letzten Schritte durch das seichte Wasser tun konnte. Sthnend legte er sich auf dem Strand nieder. Er hatte einen ausgehungerten, wilden Blick wie ein Hund, der angekettet eine ganze Woche in seiner Htte vergessen wurde. Es war Thorin. Aber ihr httet es nur an seiner Goldkette erraten und an der Farbe seiner jetzt sehr schmutzigen und zerlumpten himmelblauen Kapuze mit der fleckigen Silberquaste. Es dauerte geraume Weile, bis er dem Hobbit gegenber hflich wurde. "Kurz, seid Ihr lebendig oder tot?" fragte der Hobbit rgerlich. Wahrscheinlich hatte er vergessen, da er eine gute Mahlzeit mehr zu sich genommen hatte als die Zwerge. Auch hatte er Arme und Beine frei bewegen knnen, ganz zu schweigen von der schnen frischen Luft, die er geatmet harte. "Sitzt Ihr noch in Gefangenschaft oder seid Ihr frei? Wenn Ihr etwas zu essen haben und dieses alberne Abenteuer noch weiter fortsetzen wollt - schlielich ist es Euer Abenteuer und nicht das meinige -, so ttet Ihr besser, mit den Armen zu schlagen, die Beine zu massieren und mir zu helfen, die andern herauszuholen, solange die Gelegenheit noch gnstig ist." Thorin sah natrlich ein, da dies richtig war, und nach einigem weiteren Sthnen stand er auf und half dem Hobbit, so gut er es konnte. Es war eine schwierige, scheuliche Aufgabe, im Finstern im kalten Wasser herumzupatschen und die richtigen Fsser herauszufischen. Mit Abklopfen und Rufen wurden lediglich sechs Zwerge entdeckt, die imstande waren zu antworten. Sie wurden herausgeholt und an Land gebracht, wo sie klagend und jammernd herumsaen. Sie waren so zerschunden, durchgeschttelt und klamm, da sie ihre Befreiung in keiner Weise richtig schtzen oder gar Dankbarkeit empfinden konnten. Dwalin und Balin waren mit die Unglcklichsten, und man fragte sie am besten gar nicht erst um Hilfe. Bifur und Bofur waren zwar nicht so schlimm zugerichtet und viel trockener geblieben, aber sie legten sich einfach hin und wollten keine Hand rhren. Fili und Kili jedoch, die (fr Zwerge) noch jung und auch besser mit viel Stroh und in kleineren Fchen verpackt worden waren, kamen sogar lchelnd zum Vorschein. Sie hatten blo eine oder zwei Beulen davongetragen, und die Steifheit in ihren Beinen verschwand nach einer Weile. "Ich hoffe blo, da ich nie wieder pfel riechen mu", sagte Fili. "Mein Fa war eine Apfeltonne. Dauernd pfel zu riechen, wenn man sich kaum rhren kann und kalt und krank vor Hunger ist - das macht einen irre. Ich knnte jetzt stundenlang essen - aber nicht einen einzigen Apfel. " Mit der willigen Hilfe von Kili und Fili entdeckten Thorin und Bilbo auch die noch fehlenden Gefhrten und holten sie heraus. Der arme fette Bombur war entweder eingeschlafen oder bewutlos. Dori, Nori, Ori, Oin und Gloin waren halb ersuft und gaben kaum noch Lebenszeichen von sich. Sie muten einzeln fortgetragen und hilflos auf den Strand gelegt werden. "Gut. Das wre geschafft", sagte Thorin. "Und ich meine, wir sollten nun unserm guten Stern und Mister Beutlin danken. Ich bin sicher, da er ein Recht darauf hat, dies von uns zu erwarten, obgleich ich wnschte, er htte die Reise ein wenig angenehmer in die Wege geleitet. Wie dem auch sei immer noch mehr zu Euren Diensten, Mister Beutlin. Kein Zweifel, wir werden ausgesprochen dankbar sein, wenn wir etwas gegessen und uns wieder ein wenig erholt haben. Inzwischen - was ist das nchste?" "Die Seestadt", sagte Bilbo. "Was denn sonst?" Nichts anderes lag natrlich nher. Thorin, Fili, Kili und der Hobbit verlieen also die Gesellschaft und gingen am Ufer entlang zur Brcke. Dort hatte man eine Wache eingerichtet, aber sie hielt nicht sehr sorgfltig Wache. Es war schon zu lange her, da dies wirklich einmal notwendig gewesen war. Wenn man von den gelegentlichen Streitigkeiten des Fluzolls wegen absah, waren die Menschen mit den Waldelben befreundet. Andere Vlker wohnten weit weg, und viele unter den Jngeren in der Stadt zweifelten offen das Vorhandensein des Drachen an, ja, sie lachten ber die Graubrte und alten Mtterchen, die davon erzhlten, da sie in ihren jngeren Jahren den Drachen durch die Luft hatten fliegen sehen. Darum berrascht es keineswegs, da die Wachen an ihrem Httenfeuer tranken und lachten und weder das Gerusch der Auspackerei noch die Schritte der vier Spher gehrt hatten. Deshalb war ihr Erstaunen gro, als Thorin Eichenschild in die Tr trat. "Wer seid Ihr und was wnscht Ihr?" riefen sie, sprangen auf die Fe und ergriffen ihre Waffen. "Thorin, Sohn von Thrain, Sohn von Thror, Knig unter dem Berg!" sagte der Zwerg mit lauter Stimme. Und ganz so schaute er auch aus, trotz seiner zerrissenen Kleider und der schmutzigen Kapuze. Das Gold glitzerte an seinem Hals und auf seinem Grtel, seine Augen glhten dunkel und tief "Ich bin zurckgekehrt. Ich will den Meister eurer Stadt sprechen." Eine schreckliche Aufregung entstand. Einige der etwas Dmmeren rannten aus der Htte, als ob sie von dem Berg erwarteten, er sei mitten in der Nacht zu purem Gold geworden und die Wasser des Sees dazu. Der wachhabende Hauptmann trat nher. "Und wer sind diese?" fragte er und zeigte auf Fili, Kili und Bilbo. "Die Shne der Tochter meines Vaters", antwortete Thorin, "Fili und Kili aus dem Geschlecht der Durin und Mister Beutlin, der mit uns gekommen ist." "Wenn ihr in Frieden kommt, so legt eure Waffen nieder!" sagte der Hauptmann. "Wir haben keine", sagte Thorin. Und das war leider nur zu wahr; die Waldelben hatten ihnen die Messer genommen und das groe Schwert Orkrist ebenfalls. Bilbo trug zwar noch sein Kurzschwert, verborgen wie immer, aber er erwhnte es nicht. "Wir brauchen keine Waffen, denn wir kehren in unser Eigentum zurck, wie es von alters her prophezeit wurde. Auch knnten wir nicht gegen so viele kmpfen. Bringt uns zu eurem Meister!" "Er feiert ein Fest", sagte der Hauptmann. "Ein Grund mehr, uns zu ihm zu fhren", warf Fili ein, der bei dieser feierlichen Begrung ungeduldig geworden war. "Wir sind nach unserem langen Weg mde und hungrig und haben kranke Kameraden dabei. Macht also schnell und spart Eure Worte, oder Euer Meister wird Euch etwas zu erzhlen haben." "So folgt mir also", sagte der Hauptmann, und mit sechs Mann fhrte er die vier ber die Brcke durch das Stadttor und zum Marktplatz, einer weiten Kreisflche ruhigen Wassers. Sie war von hohen Pfhlen umgeben, auf denen man die greren Huser erbaut hatte, und von langen Holzkais, von denen zahlreiche Treppen und Leitern hinunter zum Seespiegel fhrten. Aus einer groen Halle schimmerten zahlreiche Lichter, erschallte der Lrm vieler, vieler Stimmen. Sie schritten durch die Tore, standen pltzlich zwinkernd im Licht und sahen viel Volk an langen Tischen sitzen. "Ich bin Thorin, Sohn von Thrain, Sohn von Thror, Knig unter dem Berg! Ich kehre zurck!" schrie Thorin mit gewaltiger Stimme von der Tr her, ehe der Hauptmann auch nur den Mund aufmachen konnte. Alles sprang auf. Der Meister der Stadt erhob sich von seinem hohen Stuhl. Aber keiner war so berrascht wie die Fler aus dem Elbenreich, die am unteren Ende der Halle saen. Sie strzten zum Tisch des Meisters und schrien: "Das sind Gefangene unseres Knigs, die entkommen sind, herumstrolchende Zwerge, die keine Auskunft ber sich selbst geben konnten. Sie schlichen durch die Wlder und belstigten unser Volk!" "Ist das wahr?" fragte der Meister. Tatschlich hielt er das fr viel wahrscheinlicher als die Rckkehr des Knigs unter dem Berg (wenn eine solche Person berhaupt je gelebt hatte). "Es ist wahr, da der Elbenknig uns ungerechtfertigt den Weg verlegte und uns ohne Grund ins Gefngnis warf, als wir in unser eigenes Land zurckkehrten", antwortete Thorin. "Aber weder Schlo noch Riegel knnen unsere Heimkehr verhindern - wie es aus alten Zeiten prophezeit ist. Und diese Stadt liegt auch nicht im Reich der Waldelben. Ich spreche zum Meister der Stadt der Menschen vom See und nicht zu den Flern des Elbenknigs." Da zgerte der Meister und blickte von einem zum andern. Der Elbenknig war sehr mchtig in diesen Gegenden, und der Meister der Stadt wnschte keine Feindschaft mit ihm. Auch hielt er nicht viel von alten Liedern. Ihm stand der Sinn nach Handel und Zoll, Frachten und Gold, und alldem verdankte er Ansehen und Stellung. Andere jedoch hatten eine andere Meinung, und bald wurde die Angelegenheit ohne ihn geregelt. Wie Feuer verbreiteten sich die Neuigkeiten vom Hallentor durch die ganze Stadt. Das Volk jubelte drinnen und drauen. Gedrnge und Gerenne herrschte auf den Kais. Einige Leute fingen an, Strophen alter Lieder zu singen, die von der Rckkehr des Knigs unter dem Berg handelten. Da es Thrors Enkel und nicht Thror selbst war, der zurckkehrte, strte sie nicht im geringsten. Andere fielen ein, und der Gesang hallte laut und gewaltig ber den See. "Der Knig unter dem Berge, der Herr im edlen Gestein, der Frst der silbernen Quellen, kehrt in sein Eigen heim. Die Krone wird wieder glnzen, die Harfe wird neu gespannt, im goldenen Echo der Hallen klingt wieder sein Lied ins Land. Die Wlder unter der Sonne, sie rauschen, als wehte ein Wind, das Silber steigt aus den Quellen, das Gold in Strmen rinnt. Dann eilen die frhlichen Flsse, dann glnzen die Seen vor Glck, die Sorgen vergehn und der Kummer: Der Knig kehrt wieder zurck!" So oder hnlich sangen sie (es gab noch viel mehr Strophen), es wurde gelacht und gelrmt, die Harfe geschlagen und gefiedelt. Selbst die ltesten Grovter konnten sich an eine solche Aufregung in der Stadt nicht erinnern. Sogar die Waldelben fingen an, sich darber zu wundern, ja, ihnen wurde angst. Natrlich wuten sie nicht, wie Thorin entkommen war, und sie dachten schon, ihr Knig habe einen ernsten Fehler gemacht. Und was den Meister der Stadt anbetraf, so sah er ein, da ihm nichts brigblieb, als dem ffentlichen Tumult zum mindesten fr den Augenblick nachzugeben und so zu tun, als glaubte er an das, was dieser Thorin sagte. So lie er ihn auf seinem eigenen hohen Stuhl sitzen und gab Kili und Fili neben ihm Ehrenpltze. Selbst Bilbo erhielt einen Sitz an der Ehrentafel. In dem groen Durcheinander erwartete man von ihm nicht einmal eine Erklrung, was er mit der ganzen Geschichte zu schaffen habe, denn in den Liedern war schlielich in gar keiner Weise von ihm die Rede. Nicht lange, und unter erstaunlichen Begeisterungsszenen wurden auch die anderen Zwerge in die Stadt gebracht. Sie wurden verbunden und gefttert, wurden in die Huser auf genommen und verhtschelt, und das auf die allerentzckendste und zufriedenstellendste Weise. Thorin und seinen Gefhrten berlie man ein groes Haus, gab ihnen Boote und Ruderer dazu. Die Volksmenge sa drauen und sang den ganzen Tag, falls sie nicht gerade hurra rief, wenn einer der Zwerge seine Nase zeigte. Einige der Lieder waren alt, aber einige waren auch neuesten Ursprungs und sprachen zuversichtlich von dem pltzlichen Tod des Drachen und ganzen Schiffslasten reicher Geschenke, die den Flu hinab zur Seestadt kommen sollten. Urheber war der Meister selber; doch diese Lieder gefielen den Zwergen nicht besonders. Sonst hatte man sie in jeder Weise zufriedengestellt. Rasch waren sie wieder wohlgenhrt und krftig geworden, und in der Tat, in knapp einer Woche hatten sie sich vllig erholt. Sie waren mit neuen Kleidern in den eigenen richtigen Farben ausgestattet, hatten ihre Brte sauber gekmmt und geschnitten und gingen stolzen Schrittes umher. Thorin sah aus, als ob sein Knigreich bereits zurckerobert und Smaug in hbsche kleine Schnitzel zerhackt worden wre. Und dann wurden (wie er es vorausgesagt hatte) die Gefhle der Zwerge gegenber Bilbo Beutlin von Tag zu Tag warmherziger. Es wurde nicht mehr gesthnt und gemurrt. Die Zwerge tranken auf seine Gesundheit, sie klopften ihm auf den Rcken und machten allerhand Theater mit ihm. Bilbo indessen blieb es gleich, denn er fhlte sich nicht in gehobener Stimmung. Er hatte weder den Anblick des Berges vergessen noch den Gedanken an den Drachen, und auerdem war er schwer erkltet. Drei Tage lang nieste und hustete er. Er konnte berhaupt nicht vor die Tr gehen, und selbst spter noch waren seine Ansprachen bei Festlichkeiten beschrnkt auf ein: "Hersnichen Dang, beine Herrn!" Lngst waren die Elben mit ihrer Fracht den Nachtwaldflu hinauf zurckgekehrt. Im Knigspalast herrschte groe Aufregung. Ich habe leider nie gehrt, was mit dem Kellermeister und dem Befehlshaber der Wache geschehen ist. Natrlich war whrend des Aufenthalts der Zwerge in der Seestadt kein Wort ber Schlssel oder Fsser gesagt worden, und Bilbo achtete peinlich darauf, da er niemals unsichtbar wurde. Jedoch hatte man mehr erraten, als man wute, wenn auch Mister Beutlin immer geheimnisumwittert blieb. Wie dem auch sei, der Knig wute jetzt Ziel und Absicht der Zwerge, oder vielmehr, er glaubte, er wte es. Und zu sich selbst sagte er: Schn, wir werden sehen! Kein Schatz kommt durch den Nachtwald zurck, ohne da wir auch ein Wort mitreden. Aber ich bin sicher, da sie ein schlechtes Ende nehmen, und das geschieht ihnen recht. Er glaubte auf keinen Fall, da Zwerge offen kmpfen und einen Drachen wie Smaug umbringen knnten. Er hatte den starken Verdacht, da sie irgendeine Dieberei oder etwas hnliches vorhatten - und das zeigt, da er ein gescheiter Elb war, gescheiter als die Menschen der Stadt. Und dennoch, wie wir am Ende sehen, hatte er nicht ganz recht. Er sandte seine Spher aus bis zum Gestade des Sees und so weit nordwrts zum Berge zu, als seine Elben nur zu gehen wagten - und wartete. Als zwei Wochen vergangen waren, begann Thorin, an den Aufbruch zu denken. Da in der Stadt noch immer helle Begeisterung herrschte, war die Zeit gnstig, Hilfe zu erhalten. Es wre nicht gut gewesen, lnger zu warten. So sprach er mit dem Meister und den Stadtvtern und sagte, da er und seine Gefhrten aufbrechen und zum Berg weiterziehen mten. Zum ersten Male war der Meister wirklich berrascht und sogar ein wenig beunruhigt. Er fragte sich, ob Thorin am Ende nicht doch ein Abkmmling der alten Knige sein knnte. Nie hatte er es fr mglich gehalten, da die Zwerge sich wirklich dem Drachen Smaug nhern wrden. Er hatte vielmehr geglaubt, es seien Betrger, die frher oder spter entlarvt wrden. Aber er hatte sich geirrt. Thorin war der wirkliche Neffe des Knigs unter dem Berg, und keiner kann abschtzen, was ein Zwerg nicht alles aufs Spiel setzt, wenn er Rache nehmen und sein Eigentum zurckgewinnen will. Dem Meister tat es nicht leid, da er sie ziehen lassen sollte. Es war kostspielig, sie wochenlang zu bewirten, denn ihr Aufenthalt hatte jeden Tag zu einem Feiertag gemacht. Alle Geschfte lagen brach. La sie ziehen und den alten Smaug behelligen, dann sehen wir ja, was fr ein Willkommen ihnen blht, dachte er. Laut sagte er jedoch: "Ganz bestimmt, o Thorin, Sohn von Thrain, Sohn von Thror! Ihr mt Euer Eigentum zurckfordern. Die Stunde ist da, wie es vor Zeiten prophezeit wurde. Was wir Euch an Hilfe geben knnen, soll Euer sein. Wir vertrauen auf Eure Gromut, wenn ihr Euer Reich wiedergewonnen habt." So verlieen eines Tages, obgleich es schon tief im Herbst war, die Winde kalt wehten und berall die Bltter fielen, drei groe Boote die Seestadt. Sie fhrten Ruderer, Zwerge, Mister Beutlin und viel Verpflegung an Bord. Pferde und Ponys waren auf Umwegen vorausgeschickt worden, um sie an ihrem Landeplatz zu erwarten. Meister und Magistrat sagten ihnen auf den breiten Stufen der Stadthalle, die hinunter bis zum See fhrten, Lebewohl. Auf den Kais und aus den Fenstern sang berall das Volk. Die weien Ruder tauchten ins aufspritzende Wasser, und fort zogen sie nordwrts den See hinauf. Der letzte Abschnitt ihrer langen Reise brach an. Das einzige ganz und gar unglckliche Wesen war Bilbo. ~Auf der Trschwelle Zwei Tage ruderten sie ber den Langen See, bogen in das Eilige Wasser ein, und jetzt konnten sie vor sich den Einsamen Berg hoch und grimmig aufragen sehen. Die Strmung war stark, und die Fahrt ging langsam. Am Ende des dritten Tages legten sie am linken, westlichen Ufer an und schifften sich aus. Hier trafen sie ihre Pferde, die weitere Verpflegung und Ausrstung geschleppt hatten, und die Ponys, die zu ihrem eigenen Gebrauch bestimmt waren. Sie packten, was sie konnten, auf die Ponys und lieen den Rest als Reserve unter einem Zelt. Aber keiner der Leute aus der Stadt wollte auch nur eine einzige Nacht bei ihnen bleiben, denn der Schatten des Berges war nah. "Nie und nimmer, ehe nicht die Lieder wahr geworden sind", flsterten sie. In diesen wilden Gegenden war es leichter, an den Drachen zu glauben als an Thorin. Im brigen hatten ihre Vorrte gar keine Wache ntig, denn das ganze Land war leer und verlassen. Ihre Begleitung sagte also Lebewohl und machte sich rasch auf dem Flu und den Uferwegen davon, obgleich die Dunkelheit schon heraufgekommen war. Sie verbrachten eine kalte, einsame Nacht, und ihre Stimmung sank betrchtlich. Am nchsten Tag zogen sie weiter. Balin und Bilbo ritten am Schlu. Jeder von ihnen fhrte ein schwerbepacktes Handpony neben sich. Die anderen waren ein Stck voraus und suchten einen gangbaren Pfad, denn Wege gab es hier nicht. Sie ritten nach Nordwesten, schrg fort vom Eiligen Wasser, und zogen immer nher und nher auf einen mchtigen Auslufer des Berges zu, der ihnen nach Sden entgegenkam. Es war eine mhsame Reise und eine schweigsame und verstohlene dazu. Da klang kein Lied, kein Lachen, kein Harfenspiel, und Stolz und Hoffnung, die sich beim Singen der alten Lieder in ihren Herzen geregt hatten, erstarben langsam. Sie wuten, da sie nun zum Ende ihrer Reise kamen und da es ein schreckliches Ende sein konnte. Das Land um sie wurde de und wst, obgleich es einmal, wie Thorin ihnen erzhlte, grn und freundlich gewesen war. Es gab nur wenig Gras, und es whrte nicht lang, da fanden sie weder Baum noch Strauch. Einzig zerborstene und verkohlte Stmpfe berichteten von ihnen. Sie waren in den Verwstungen des Drachen angelangt, und das Jahr neigte sich dem Ende zu. Sie erreichten den Rand des Gebirges, ohne irgendwelche Gefahren zu bemerken, ja, sie fanden auer der Wildnis, die Smaug rund um sein Lager angelegt hatte, nicht ein einziges Zeichen von ihm. Schwarz und schweigsam lag der Berg vor ihnen, immer hher ragte er auf Sie errichteten ihr erstes Lager an der Westseite des groen Sdauslufers. Der Kamm endete in einer Anhhe, die den Namen Rabenberg trug. Dort war vor Zeiten ein Wachtposten unterhalten worden. Aber sie wagten nicht, den von allen Seiten leicht berschaubaren Berg zu erklettern. Ehe sie damit begannen, die westlichen Auslufer des Berges nach der Geheimtr abzusuchen (an der all ihre Hoffnungen hingen), sandte Thorin Spher aus. Sie sollten Kunde ber das Gebiet sdlich der "Vordertr" einholen. Er whlte zu diesem Vorhaben Balin, Fili und Kili aus. Bilbo begleitete sie. Sie gingen dicht unter den grauen, schweigsamen Klippen des Rabenberges her. Hier wandte sich das Eilige Wasser fort vom Gebirge, nachdem es in der weiten Talflche von Dal eine Schleife beschrieben hatte, und flo rasch und mit lautem Getse hinab auf den Langen See zu. Sein Ufer war kahl und felsig. Steil berragte es den schmalen Strom. Als sie vom hohen Uferrand ber das Eilige Wasser, das schumend und klatschend zwischen gewaltigen Blcken toste, in die weite Talflche blickten, die von den Armen des Berges beschattet war, konnten sie die verwitterten Ruinen von Husern, Trmen und Mauern erkennen. "Da liegt, was von Dal brigblieb", sagte Balin. "Die Berghnge trugen grne Wlder, und das ganze geschtzte Tal war reich und schn in jenen Tagen, als die Glocken noch in der Stadt klangen." Er sah traurig und zornig aus, als er dies sagte. Damals, als der Drache einbrach, war Balin einer der Gefhrten Thorins gewesen. Sie wagten nicht, dem Flu auf das Haupttor zu weiter zu folgen. Sie umgingen also das Sdende des Vorberges, bis sie, hinter einem Fels verborgen, hinbersphen und den dsteren Hhlenrachen in einer groen Klippenwand zwischen den Armen des Berges erblicken konnten. Daraus hervor rauschte das Eilige Wasser - Dampf und dunkler Rauch wlkten ber ihm aus der Tiefe. Nichts rhrte sich, nur Qualm und Wasser und hin und wieder eine schwarze, verdchtige Krhe, die ber die dnis hinwegruderte. Das einzige Gerusch war Wassertosen und manchmal ein rauher Vogelschrei. Balin schauderte. "Lat uns umkehren", sagte er. "Wir knnen hier nichts Gutes ausrichten. Und ich mag diese schwarzen Vgel nicht, die wie Spher des Bsen aussehen." "Der Drache lebt, und er haust in den Hallen unter dem Berg jedenfalls schliee ich das aus dem Rauch", sagte der Hobbit. "Das beweist noch nichts", entgegnete Balin, "obgleich auch ich meine, da Ihr recht habt. Aber Smaug kann auch fr eine Weile ausgeflogen sein oder drauen auf dem Berg liegen und Wache halten. Dann wrden, glaub ich, noch immer Rauch und Qualm aus dem Tor dringen, denn die Hallen innen mssen bis obenhin von seinem widerlichen Dunst voll sein." Mit solch dsteren Gedanken und zu Hupten das rauhe Krhengeschrei, suchten sie ihren mhsamen Weg zurck ins Lager. Es war Juni, als sie in dem freundlichen Haus Elronds zu Gast gewesen waren. Und obgleich jetzt erst der Herbst sich dem Winter zuwandte, schien es ihnen, als wenn jene schne Zeit Jahre zurck liege. Sie waren allein in der gefhrlichen dnis und konnten auf keine weitere Hilfe hoffen. Sie waren zwar am Ziel ihrer Reise angekommen, aber anscheinend weiter denn je zuvor vom guten Ende entfernt. Keiner besa mehr einen Funken Unternehmungsgeist. Das heit, so merkwrdig es klingen mag, Mister Beutlin hatte immer noch ein bichen mehr davon als die andern. Oft lieh er Thorins Karte, starrte sie lange an und grbelte ber die Runen und die Botschaft der Mondschrift, die Elrond gelesen hatte. Er war es auch, der die Zwerge dazu bewegte, endlich die gefhrliche Suche nach der geheimen Tr in den Westhngen zu beginnen. Sie verlegten daraufhin ihr Lager in ein langes Tal, das enger war als der breite Grund von Dal. Niedrige Bergflanken, die von der Hauptmasse des Berges mit langen, steilen Graten nach Westen in die Ebene griffen, flankierten ihn. Hier waren die Verwstungen des Drachen nicht so schrecklich, ja, es wuchs sogar ein bichen Gras fr die Ponys. Von diesem Lager im Westen, das den ganzen Tag, bis die Sonne ber dem Nachtwald zu sinken begann, im Schatten der Steilhnge lag, plackten sie sich in kleinen Gruppen ab, um Pfade hinauf in den Berg zu finden. Wenn die Karte richtig war, mute irgendwo hoch ber den Klippen am Kopf des Tals die verborgene Tr sein. Aber Tag um Tag kamen sie, ohne eine Spur gefunden zu haben, in das Lager zurck. Ganz unerwartet fanden sie, was sie suchten. Eines Tages kehrten Fili, Kili und der Hobbit heim, wobei sie zwischen den verstreuten Felsblcken der Sdseite umherkletterten. Es war um die Mittagszeit, und Bilbo kroch hinter einen groen Stein, der allein stand wie eine einsame Sule. Da stie er auf etwas, das wie roh gehauene Stufen aussah. Die Stufen fhrten bergan. Aufgeregt folgten die Zwerge und fanden Anzeichen eines schmalen Steiges, der sich oft verlor, aber immer wieder zum Vorschein kam. Der Steig fhrte weiter bis auf den Kamm des sdlichen Grates und brachte sie schlielich zu einem noch schmaleren Felsensims, der nordwrts die Wand des Berges kreuzte. Beim Hinabschauen sahen sie, da sie genau ber den Klippen am Kopf des Tales standen und da unter ihnen das Lager sich befand. Schweigsam und dicht an die Felswand gedrckt, folgten sie einer hinter dem andern dem Sims, bis die Wand sich ffnete und sie in einen kleinen Steilkessel einbogen, dessen Boden mit Gras bewachsen war, ein kleiner, runder, stiller Raum. Der Eingang zu diesem Kessel konnte wegen der berhngenden Klippe von unten nicht bemerkt werden. Aber auch aus grerer Entfernung sah man ihn nicht, denn er war so schmal, da er lediglich wie ein dunkler Spalt wirkte. Es war keine Hhle: Von oben schaute der Himmel herein. Aber am hinteren Ende erhob sich eine Wand, die in ihrem unteren, dicht an den Grund anschlieenden Teil so glatt und lotrecht wie Mauerwerk war - jedoch konnte man weder Fuge noch Spalt entdecken. Auch deutete nichts auf Pfosten, Sims und Schwelle. Und Riegel, Schliehaken oder Schlsselloch waren erst recht nicht zu sehen. Aber sie zweifelten nicht daran, da sie endlich die Geheimtr gefunden hatten. Sie klopften die Wand ab, sie stieen davor, warfen sich dagegen und beschworen sie, da sie sich doch bewegen mge. Sie sprachen Bruchstcke halbvergessener Zauberformeln aber nichts rhrte sich. Schlielich setzten sie sich mde zu Fen der Wand ins Gras, und am Abend begannen sie ihren langen Abstieg. In dieser Nacht herrschte groe Aufregung im Lager. Am Morgen wollten sie aufbrechen. Nur Bofur und Bombur sollten als Wache fr die Ponys zurckbleiben und sich um die Lebensmittelvorrte kmmern. Die anderen gingen das Tal hinab, stiegen den gestern gefundenen Pfad hinauf und erreichten den schmalen Sims. Hier konnte man keine Bndel und Lasten tragen, so eng und atemlos steil war er. Ein Abfall von 15o Fu Hhe strzte neben ihnen fast lotrecht auf scharfe Felszacken hinab. Aber jeder von ihnen trug eine Rolle Tauwerk fest um die Hfte gewickelt, und so erreichten sie endlich ohne Zwischenflle den kleinen, grasigen Kessel. Hier errichteten sie ihr drittes Lager und hievten, was sie brauchten, mit Tauen aus der Tiefe empor. Auf dieselbe Weise lieen sie gelegentlich einen der unternehmungslustigeren Zwerge hinab (beispielsweise Kili), um Neuigkeiten auszutauschen oder an der Wache teilzunehmen, whrend Bofur zum Hochlager heraufgezogen wurde. Bombur indessen wollte weder mit dem Seil noch ber den Pfad heraufkommen. "Ich bin zu fett fr solche Flugpartien", sagte er. "Ich wrde blo schwindlig, trte auf meinen Bart, und dann wrt ihr wieder nur dreizehn. Auerdem sind die aneinandergeknoteten Taue viel zu dnn fr mein Gewicht." Glcklicherweise stimmte das nicht, wie man bald sehen wird. In der Zwischenzeit untersuchten einige den Sims ber der Kesselffnung und fanden einen Steig, der hher und hher den Berg hinauffhrte. Aber sie wagten nicht, ihm ein greres Stck zu folgen. Auch htte es nicht viel Nutzen gebracht. Dort oben herrschte eine groe Stille, die durch keinen Vogelruf unterbrochen wurde. Nur der Wind pfiff in den Gesteinsspalten. Sie sprachen leise, niemals riefen oder sangen sie, denn Gefahr brtete hinter jedem Fels. Auch die anderen, die sich abmhten, das Geheimnis der Tr zu entdecken, hatten keinen Erfolg. Sie waren viel zu begierig, um sich um die Runen oder die Mondschrift zu kmmern, sondern versuchten rastlos, in der glatten Oberflche des Felsens herauszufinden, wo die Tr verborgen sa. Sie hatten Spitzhacken und mancherlei anderes Handwerkszeug aus der Seestadt mitgebracht. Zuerst versuchten sie, damit etwas auszurichten. Aber als sie in den Stein schlugen, zersplitterten die Stiele, und der Ruck renkte ihnen fast die Arme aus; der Stahl zerbrach oder verbog sich wie Blei. Ihre Kenntnisse im Stollenbau, das wurde ihnen klar, taugten nichts fr den Zauber, der dieses Tor geschlossen hielt. Und das Echo ihrer Klopferei jagte ihnen einen Schrecken nach dem anderen ein. Bilbo fand das Sitzen auf der Trschwelle eine langweilige und mhselige Beschftigung. Natrlich gab es da keine richtige Trschwelle; aber sie hatten sich daran gewhnt, den kleinen, grasigen Platz zwischen Wand und Kesselffnung spaeshalber "Trschwelle" zu nennen. Es erinnerte sie an Bilbos Worte, die vor langer Zeit bei der unerwarteten Gesellschaft in der Hobbithhle gefallen waren. Damals hatte er gesagt, sie brauchten sich blo auf die Trschwelle zu setzen, und es wrde ihnen schon etwas einfallen. Und sitzen und nachdenken taten sie jetzt, oder sie wanderten planlos umher und wurden von Tag zu Tag mrrischer. Ihr Unternehmungsgeist war bei der Entdeckung des Pfades ein wenig gestiegen, aber jetzt sank er wieder in die Stiefel hinunter. Und trotzdem wollten sie nicht aufgeben und davonziehen. Der Hobbit war brigens keineswegs munterer als die Zwerge. Er wollte nichts anderes mehr tun als mit dem Rcken zur Felswand sitzen und nach Westen durch die ffnung starren, ber die Klippen und ber die weiten Lnder hinweg bis zu der schwarzen Mauer des Nachtwaldes hin und weiter in jene Fernen, in denen er zuweilen ganz klein und schwach die Nebelberge zu erblicken glaubte. Wenn die Zwerge ihn fragten, was er da mache, so antwortete er: "Ihr sagtet, das Auf-der-Trschwelle-Sitzen und Nachdenken wrde meine Aufgabe sein, abgesehen vom Hineinspazieren. Gut. Ich sitze denn und denke nach." Aber ich frchte, er dachte nicht viel an seine Aufgabe, sondern an das, was hinter den blauen Felsen lag: das ruhige Westland, der Hgel und seine Hobbithhle darunter. Mitten im Gras lag ein groer, grauer Stein. Schwermtig starrte Bilbo ihn an, oder er beobachtete die groen Schnecken. Sie liebten offenbar diesen geschtzten Kessel aus khlem Fels, denn es gab zahlreiche merkwrdig groe Schnecken, die langsam ihre klebrigen Silberstreifen ber die Felswnde zogen. "Morgen fngt die letzte Herbstwoche an", sagte Thorin eines Tages. "Und nach dem Herbst kommt der Winter", fgte Bifur hinzu. "Und das nchste Jahr kommt nach diesem", sagte Dwalin, "und unsere Brte werden wachsen und ber die Klippe hinab ins Tal reichen, ehe hier sich etwas rhrt. Was tut unser Meisterdieb eigentlich fr uns? Da er einen unsichtbarmachenden Ring hat und angeblich ein ganz besonderer Knner ist, habe ich schon einmal gedacht, er knnte ja durch das Vordertrchen einsteigen und ein bichen umhersphen." Bilbo hrte es, denn die Zwerge saen ber ihm in den Felsen. Ach, du meine Gte! dachte er, die sind ja auf schne Gedanken gekommen ! Immer bin ich es, der ihnen aus Schwierigkeiten helfen soll, zum mindesten, seit der Zauberer uns verlassen hat. Was soll ich tun? Ich habe ja immer geahnt, da mir am Ende etwas Schreckliches zustoen wird. Die unglckselige Gegend von Dal wiederzusehen und das qualmende Tor, das ist zuviel fr mich! In dieser Nacht fhlte er sich sehr elend, kaum konnte er schlafen. Am nchsten Tag streunten die Zwerge in allen Richtungen umher. Einige schafften den Ponys unten Bewegung, andere streiften auf dem Berghang umher. Bilbo aber sa den ganzen Tag dster in dem grasigen Kessel, starrte auf den Stein oder blickte durch die enge ffnung hinaus. Er hatte das sonderbare Gefhl, da er auf irgend etwas wartete. Vielleicht kommt heute der Zauberer ganz pltzlich zurck, dachte er. Wenn er seinen Kopf hob, konnte er einen Streifen des fernen Waldes sehen. Als die Sonne sich nach Westen wandte, lag goldener Schimmer ber den Wipfeln, als ob das Licht in den letzten welken Blttern glhte. Bald sah er den orangefarbenen Ball tiefer und tiefer sinken. Bilbo ging zur ffnung, und da stand fahl und bla ein schmaler neuer Mond ber dem Rand der Erde. Genau in diesem Augenblick hrte Bilbo ein scharfes Krachen hinter sich. Im Gras auf dem grauen Stein sa eine ungewhnlich groe Drossel. Sie war nahezu kohlschwarz, und ihre blagelbe Brust war dunkel gefleckt. Krach ! Sie hatte eine Schnecke gefat und schmetterte sie gegen den Sims. Krach ! Krach ! Pltzlich verstand Bilbo. Alle Gefahr vergessend, trat er an den Simsrand und rief die Zwerge, laut und mit den Armen winkend, herbei. Die am nchsten waren, kamen ber die Felsen herangestolpert oder eilten, so schnell es ging, den Sims entlang. Sie wunderten sich sehr, was in aller Welt wohl geschehen war. Die anderen schrien und wollten aufgehievt werden (auer Bombur natrlich, der schlief). Schnell erklrte Bilbo. Da wurden sie still. Der Hobbit stand beim grauen Stein. Ungeduldig und mit zitternden Brten beobachteten die Zwerge. Die Sonne sank tiefer und tiefer, und ihre Hoffnungen begannen zu schwinden. Schlielich versank sie hinter einem Grtel roter Wolken. Die Zwerge sthnten. Aber noch immer stand Bilbo bewegungslos da. Der schmale Mond berhrte den Horizont. Der Abend kam. Doch pltzlich, als ihre Hoffnungen schon ganz vernichtet schienen, stie ein roter Sonnenstrahl wie ein Finger durch einen Wolkenri. Licht drang durch die Kesselffnung und fiel auf die glatte Felswand. Die alte Drossel, die von hoch oben mit schiefgelegtem Kopf und kleinen Augenknpfen zugeschaut hatte, stie pltzlich einen Schrei aus. Lautes Krachen folgte. Ein flaches Stck Gestein splitterte vom Fels und fiel herab : Ein kleines Loch erschien etwa drei Fu ber der Erde. Zitternd Vor Aufregung, da die Gelegenheit ungenutzt vorbeigehen knnte, strzten die Zwerge zur Wand und stemmten sich dagegen - vergebens. "Der Schlssel! Der Schlssel!" rief Bilbo. "Wo ist Thorin?" Thorin eilte herbei. "Der Schlssel!" schrie Bilbo. "Der Schlssel, der bei der Karte war! Versucht es, noch ist Zeit!" Da kam Thorin und zog den Schlssel von seiner Halskette. Er steckte ihn in das Loch. Er pate, und er drehte sich ! Schnapp! Das Licht erlosch, und die Sonne sank. Der Mond war verschwunden, und die Nacht griff in die Himmelswlbung. Jetzt stemmten sie sich alle zusammen gegen die Wand, und langsam gab ein Stck des Felsens nach. Lange, gerade Spalten erschienen und weiteten sich. Eine Tr, fnf Fu hoch und drei Fu breit, zeichnete sich ab und schwang langsam und lautlos nach innen. Es war, als ob Finsternis wie ein Rauch aus der ffnung strmte. Tiefe Finsternis, in der nichts zu erkennen war, lag vor ihren Augen, ein ghnender Rachen, der abwrts in den Berg fhrte. ~Erkundung in der Tiefe Lange standen die Zwerge in der Dunkelheit vor der Tr und stritten, bis Thorin schlielich sagte: "Jetzt ist die Reihe an unserem hochgeschtzten Mister Beutlin, der sich als ausgezeichneter Kamerad whrend unserer langen Reise bewhrt hat. Er ist ein Hobbit voll Tapferkeit und einem Knnen, das seine krperliche Gre bei weitem berragt, und, wenn ich das so ausdrcken darf, begnstigt von einem Glck, das alles bliche und Erlaubte geradezu in den Schatten stellt. Jetzt ist die Zeit fr ihn gekommen, den Dienst zu leisten, um dessentwillen er in unsere Gesellschaft aufgenommen wurde. Jetzt ist die Zeit gekommen, da er sich seinen Lohn verdient." Da ihr mit Thorins Redestil bei wichtigen Anlssen vertraut seid, will ich auf weitere Beispiele verzichten, obgleich er noch eine gute Weile so fortfuhr, wie oben vermerkt. Sicherlich war es ein wichtiger Anla, aber Bilbo wurde ungeduldig. Mittlerweile kannte er Thorin ganz gut und wute, auf was diese Rede hinauslief. "Wenn Ihr damit sagen wollt, da es meine Sache sei, als erster in den geheimen Gang einzudringen, o Thorin Trainssohn Eichenschild - mge Euer Bart immer lnger werden ", bemerkte er rgerlich, "so sagt es gleich und ohne Umschweife. Ich knnte es verweigern. Ich habe Euch schon zweimal aus der Klemme geholfen, und das war kaum in unserem ursprnglichen Vertrag mit einbegriffen, so da ich wohl annehmen darf, bereits einigen Lohn verdient zu haben. Aber da, wie mein Vater zu sagen pflegte, aller guten Dinge drei sind, will ich es diesmal noch nicht verweigern. Vielleicht traue ich meinem Glck mehr zu, als ich es in vergangenen Tagen zu tun pflegte", er meinte den vergangenen Frhling, ehe er sein Haus verlie; doch das schien ihm Jahrhunderte zurck zu liegen. "Aber ganz gleich, ich werde gehen und mir die Sache sofort einmal anschauen und sie auch gleich erledigen. Nun, wer kommt mit?" Er erwartete keine Schar von Freiwilligen und war also nicht enttuscht. Fili und Kili sahen zwar aus, als htten sie Gewissensbisse - sie standen blo auf einem Bein -, aber die anderen machten berhaupt keine Anstalten, sich zu melden, ausgenommen der alte Balin, der den Hobbit ins Herz geschlossen hatte. Er sagte schlielich, er wolle mit hineingehen und Bilbo ein Stck begleiten, so da er immerhin, falls notwendig, nach Hilfe rufen knnte. Was die Zwerge angeht, so mu man zu ihren Gunsten sagen, da sie Bilbo fr seine Dienste wirklich gut bezahlen wollten. Sie hatten ihn mitgenommen, damit er fr sie eine unangenehme Arbeit erledigte, und sie hatten nichts dagegen, wenn der arme kleine Kerl es dann auch tat. Ihrerseits wrden sie ihr Bestes tun, um ihn aus Schwierigkeiten zu holen, wie sie es im Falle der Trolle am Beginn ihrer Abenteuer bewiesen hatten und das, ehe sie den geringsten Anla hatten, Bilbo gegenber dankbar zu sein. Es ist nmlich so: Zwerge sind keine Helden, sondern geschftskluge Leute mit einer sehr hohen Meinung vom Wert des Geldes. Einige sind ein hinterhltiges und verrterisches Volk. Andere sind nicht von diesem Schlag, wie Thorin und Kumpanei. Sie benehmen sich rechtschaffen, falls man nicht zuviel von ihnen erwartet. Hinter Bilbo kamen am fahlen Himmel die Sterne heraus aber tiefe Schwrze verschluckte alles, als er durch das verzauberte Tor kroch und sich in den Berg hineinstahl. Der Weg war viel leichter zu gehen, als er angenommen hatte. Dies war kein Orkgang und keine roh gehauene Waldelbenhhle. Es war ein Gang, den Zwerge geschaffen hatten, die auf der Hhe ihrer Wohlhabenheit und ihrer Geschicklichkeit standen : gerade wie ein Lineal, glatt der Boden und glatt die Wnde. So fhrte er, gleichmig abfallend, unmittelbar hinunter zu einem fernen Ziel in der Finsternis. Nach einer Weile wnschte Balin dem Hobbit viel Glck und hielt an jenem Punkt, von dem noch schwach der Trumri zu erkennen und durch einen merkwrdigen Zufall des Echos das Gewisper der Stimmen vor dem Eingang zu hren war. Dann steckte der Hobbit seinen Ring an. Vom Echo wurde er gewarnt, da er noch grere Sorgfalt walten lassen mute, als es sowieso schon Hobbitgewohnheit ist. Vllig lautlos schlich er weiter, tiefer, immer tiefer hinab in die Finsternis. Er zitterte vor Furcht, aber sein kleines Gesicht war starr und grimmig. Es war ein ganz anderer Hobbit als jener, der ohne Taschentuch Beutelsend unter dem Berg verlassen hatte. Sehr lange war es her, da er kein Taschentuch mehr besa. Leise lste er seinen Dolch in der Scheide, schnallte den Grtel fester und zog weiter. Jetzt bist du ganz und gar hineingerasselt, Bilbo Beutlin, sagte er zu sich selbst. Du hast dich damals in der Nacht, als die Gesellschaft bei dir zusammenkam, auf dieses Abenteuer eingelassen, und nun sieh zu, wie du wieder herauskommst. Du liebe Zeit! Fr soviel Dummheit mu man bestraft werden! So sagte diejenige Seite in ihm, die mit den Tuks am wenigsten zu schaffen hatte. Ich habe nicht die geringste Erfahrung in drachengehteten Schtzen. Der ganze Krempel knnte auf ewig hier liegenbleiben, wenn ich blo jetzt aufwachen und feststellen knnte, da dieser hundsgemeine Stollen hier meine Eingangshalle daheim wre. Aber er wachte nicht auf. Er ging weiter und immer weiter, bis auch der geringste Schimmer der Tr hinter ihm verschwunden war. Bilbo war ganz allein. Auf einmal war es ihm, als wrde es wrmer. Glht da unten nicht etwas, geradewegs vor mir? dachte er. Wirklich, da glhte etwas, und als er weiterging, wurde es immer deutlicher. Es war kein Zweifel mglich: Ein roter Lichtschein wurde stndig heller. Auerdem war es ohne Frage richtig hei im Tunnel geworden. Qualmstrhnen zogen an ihm vorbei, und Bilbo fing an zu schwitzen. Auch drang ein Gerusch in seine Ohren, eine Art Blubbern, wie von einem riesigen Topf, der auf einem Feuer rttelte. Und dazwischen rumorte es wie das Schnurren eines gigantischen Katers. Es wuchs sich zum unmiverstndlichen Gurgeln eines Riesentieres aus, das in tiefem Schlaf schnarchte. Da blieb Bilbo stehen. Und als er endlich weiterging, war es die grte Heldentat, die er je vollbracht hatte. Die schrecklichen Begebenheiten spterhin waren, damit verglichen, ein Nichts. Den wirklichen Kampf focht er ganz auf sich gestellt im Tunnel aus, noch ehe er die berwltigende Gefahr sah, die auf ihn wartete. Nach kurzem Halt also ging er weiter, und ihr knnt euch Bilbo vorstellen, wie er am Ende des Tunnels ankam, einer ffnung von etwa derselben Gre und Beschaffenheit wie die Geheimtr oben: Des Hobbits kleiner Kopf spht hindurch. Vor ihm liegt in den Wurzeln des Gebirges der unterste Keller, das Verlies der alten Zwerge. Der Raum ist fast dunkel, so da man seine Gre nur erraten kann. Aber vom Felsboden der Halle steigt ein gewaltiges Glhen auf: das Glhen von Smaug! Da lag er, der rotgoldene Drache, und war fest eingeschlafen. Ein Rasseln fuhr aus Schlund und Nstern, Strhnen von Rauch, aber sein Feuer gloste nur schwach im Schlummer. Unter ihm, unter seinen Gliedern und dem mchtigen, auf geringelten Schwanz, neben ihm und weiter berall auf dem unsichtbaren Boden, lagen zahllose Haufen kostbarer Dinge, verarbeitetes und nichtverarbeitetes Gold, Gemmen und Juwelen und Silber, das im Lichtschein rotfleckig schimmerte. Smaug lag mit zusammengefalteten Flgeln wie eine unendlich groe Fledermaus ein wenig auf der Seite, so da der Hobbit seine Brust erblicken konnte und seinen langen, fahlen Wanst, in dem vom langen Liegen auf dem kostbaren Bett Gemmen und Stcke aus Gold fest verkrustet waren. Hinter Smaug, wo die Wand am nchsten war, konnte man Kettenhemden, Helme und Streitxte schimmern und Schwerter und Speere hngen sehen. Und dort standen auch in Reihen groe Krge und andere Gefe, gefllt mit einem Reichtum, der nicht abzuschtzen war. Bilbo verschlug es einfach den Atem, das ist das mindeste, was man sagen konnte. Nachdem die Menschen ihre Sprache verndert hatten, die sie in jenen Tagen voller Wunder von den Elben gelernt, gibt es keine Worte mehr, die seine Verblffung beschreiben knnten. Bilbo hatte schon frher von Drachenhorten erzhlen und singen hren, aber der Glanz, die Wonne, der Bann eines solchen Schatzes hatten ihn bisher nie sehr beschftigt. Sein Herz war wie verzaubert und von zwergischem Verlangen erfllt. Reglos starrte er, den furchtbaren Wrter fast vergessend, auf das Gold, das sich weder zhlen noch schtzen lie. Er starrte, und es war, als ob Jahre vergangen wren, bis er sich von diesem Anblick losri. Aus dem Schatten der Tr stahl Bilbo sich ber den Fuboden zum Rand des nchstliegenden Schatzhgels. ber ihm lag der Drache, eine schauerliche Gefahr selbst noch im Schlaf Bilbo ergriff einen groen zweihenkligen Pokal, der so schwer war, da er ihn gerade noch tragen konnte, und schielte ngstlich hinauf zum Drachen. Smaug zuckte mit einer Schwinge, ffnete eine Klaue, sein drhnendes Schnarchen nderte den Ton. Da floh Bilbo. Aber der Drache erwachte nicht - nicht jetzt. Er wechselte blo in eine andere Art Trume hinber, Trume von Gier und Gewalt, whrend er in seiner Raubhalle lag und der kleine Hobbit sich den ganzen langen Tunnel zurck abmhte. Sein Herz schlug wild, und seine Beine zitterten noch fieberhafter als beim Herweg. Aber doch hielt er seinen Pokal fest, und in seinem Kopf herrschte nur der eine Gedanke : Ich habe es geschafft. Da werden sie Augen machen! Ein Krmer, aber kein Meisterdieb - sagten sie nicht so? In der Tat! Jetzt werde ich solche Sprche nicht mehr hren! Und er hrte sie auch nicht mehr. Balin war berglcklich, den Hobbit wiederzusehen. Er war ebenso erfreut wie berrascht. Er hob Bilbo hoch und trug ihn an die frische Luft. Es war Mitternacht, Wolken hatten die Sterne verdeckt, aber Bilbo lag da mit geschlossenen Augen, schwer atmend und glcklich, da er die frische Luft wieder in seinen Lungen spren konnte. Die Ausgelassenheit der Zwerge bemerkte er kaum, hrte nicht, wie sie ihn lobten, sprte nicht, wie sie ihm auf den Rcken klopften und sich und alle ihre Angehrigen auf Generationen hinaus in seinen Dienst stellten. Noch immer reichten die Zwerge den Pokal einander zu und sprachen mit Begeisterung von ihrem wiedergewonnenen Schatz, als pltzlich ein schreckliches Gerumpel tief im Berg begann. Es war, als ob ein alter Vulkan sich besonnen htte und einen neuen Ausbruch vorbereitete. Beinahe wre das Tor hinter ihnen zugeschlagen; ein Stein auf der Schwelle verhinderte es. Aber den langen Tunnel herauf kam aus den fernsten Tiefen der frchterliche Widerhall von Gebrll und Getrampel, das den Boden unter ihnen erzittem lie. Da vergaen die Zwerge augenblicks ihre Freude und ihre selbstzufriedene Prahlerei. Voll Angst hockten sie sich hin. Mit Smaug muten sie eben doch noch rechnen. Es ist nicht gut, wenn man einen lebenden Drachen bersieht, noch dazu, wenn man gleich neben ihm lebt. Drachen knnen zwar keinen sinnvollen Gebrauch von ihrem Reichtum machen, aber in der Regel kennen sie ihren Besitz bis aufs Gramm, besonders, wenn sie sehr lang darauf gelegen haben. Und Smaug war keine Ausnahme. Aus einem ungemtlichen Traum (in dem ein kleiner, unbedeutender Krieger, der jedoch ein bitteres Schwert und ungewhnlichen Mut zeigte, eine unerfreuliche Rolle spielte) war er in Halbschlaf hinbergewechselt und aus dem Halbschlaf nun erwacht. Es roch nach etwas Fremdem in der Halle. Ob es ein Luftzug war von dem kleinen Loch dort oben her? Er war nie ganz glcklich damit gewesen, obgleich es so unbedeutend aussah. Voll Mitrauen schielte er hinauf und rgerte sich, da er es nie zugestopft hatte. Krzlich war es ihm beinahe vorgekommen, als htte er den schwachen Widerhall eines Klopfens vernommen, das von weit oben bis zu seinem Lager herabgedrungen war. Smaug rhrte sich und streckte seinen Hals vor, um zu schnuppern. Da vermite er den Pokal! Diebe! Feuer! Mord! Seit er in den Berg gekommen war, hatte Smaug so etwas noch nicht erlebt. Seine Wut berschritt jede Beschreibung. Einer solchen Wut begegnet man nur, wenn reiche Leute, die mehr besitzen, als sie brauchen, etwas verlieren, das ihnen schon lange gehrt hat, das sie aber niemals benutzt oder sich berhaupt nur gewnscht haben. Er spie Feuer, die Halle rauchte, er rttelte an den Festen des Berges. Vergebens warf er seinen Schdel gegen das kleine Loch. Dann rollte er seine ganze Lnge zusammen, brllte wie unterirdischer Donner und raste von seinem tiefen Lager durch das groe Tor hinaus in die gewaltigen Gnge des Bergpalastes und hinauf zum Hauptausgang. Den ganzen Berg abzujagen, bis er den Dieb gefat, zertreten und zertrampelt hatte, war sein einziger Gedanke. Er strzte aus dem Tor. Das Wasser stieg als wtender, pfeifender Dampf auf. Und dann rauschte der glhende Smaug hoch in die Luft und lie sich in einem Feuerball von grnen und scharlachroten Flammen auf dem Berggipfel nieder. Die Zwerge hrten das schreckliche Rauschen seiner Schwingen. Sie preten sich gegen die Wnde ihrer kleinen Grasterrasse und krochen unter Steine. So hofften sie den furchtbaren Augen des jagenden Drachen zu entgehen. Hier wren sie alle umgekommen, wenn sie ihren Bilbo nicht gehabt htten. "Rasch, rasch", schnaufte er. "Die Tr Der Tunnel! Hier drfen wir auf keinen Fall bleiben!" Durch diese Worte zur Besinnung gebracht, waren sie kaum dabei, in den Gang zu entwischen, als Bifur einen Schrei ausstie: "Meine Vettern! Bombur und Bofur - wir haben sie vergessen, sie sind noch unten im Tal!" "Sie werden erschlagen werden und unsere Ponys auch, und all unsere Vorrte sind verloren!" sthnten die anderen. "Und wir knnen nichts daran ndern!" "Unsinn! " sagte Thorin, der seine Wrde wieder gewann. "Wir knnen sie nicht im Stich lassen. Geht hinein, Mister Beutlin und Balin, Ihr auch, und ihr beiden, Fili und Kili - der Drache soll uns nicht alle haben. Jetzt, ihr anderen, wo sind die Taue? Rasch!" Dies waren wahrscheinlich die schlimmsten Augenblicke, die sie bis jetzt durchzustehen hatten. Das schreckliche Fauchen des zornigen Smaug hallte droben von den Felswnden wider. In jedem Augenblick konnte er wie ein glhender Strom herunterschieen oder durch die Luft wirbeln und entdecken, wie sie am gefhrlichen Steilabfall wie die Irren an den Tauen zogen. Bofur kam glcklich herauf, und es blieb alles ruhig. Dann kam Bombur schnaufend und japsend hinterher. Die Taue krachten. Aber noch immer blieb alles ruhig. Hierauf folgten Handwerkszeug und Verpflegungsbndel. Und dann brach die Gefahr ber sie herein. Ein schwirrendes Gerusch kam aus der Luft. Rote Lichter tanzten auf den Spitzen der Felsgrate. Der Drache brauste heran. Kaum hatten sie Zeit, in den Gang zu flchten und ihre Bndel hineinzuschleppen, als Smaug aus dem Norden heranscho. Seine Flammen fegten ber die Berghnge. Seine mchtigen Schwingen brausten wie brllender Sturm. Sein heier Atem verbrannte das Gras vor dem Tor, drang durch den Spalt, den sie offengelassen hatten, und versengte die im Verborgenen Liegenden. Drauen flackerte Feuer, und schwarze Felsschatten tanzten einen wirren Tanz. Dann brach wieder Finsternis herein, als der Drache sich davonmachte. Die Ponys schrien vor Entsetzen, zerrissen die Seile und galoppierten davon. Da scho der Drache hinab, verfolgte sie und war verschwunden. "Das ist das Ende unserer armen Tiere", sagte Thorin. "Nichts, was Smaug einmal gesehen hat, entkommt ihm. Hier sind wir, und hier werden wir bleiben mssen; es sei denn, jemand kommt auf den Gedanken und wandert unter Smaugs Augen die langen Meilen offenen Landes zum Flu zurck." Das war kein angenehmer Gedanke. Sie krochen ein bichen tiefer in den Gang hinein. Da lagen sie nun und klapperten mit den Zhnen, obgleich es warm und stickig war, bis die Dmmerung durch den Trspalt schimmerte. Dann und wann in der Nacht konnten sie das Gebrll des fliegenden Drachen hren, der immer noch um die Bergflanken jagte. Manchmal wuchs es an, dann erstarb es wieder. Die Ponys und die Lagerspuren, die er entdeckt hatte, brachten ihn darauf, da Menschen stromauf vom See gekommen waren und den Berg von jenem Tal aus erstiegen hatten, wo er die Ponys angepflockt fand. Aber die Tr entzog sich seinen sphenden Augen, und der kleine, hochwandige Kessel hielt die schlimmsten Flammen ab. Lange hatte er vergebens gejagt, bis der Tau seinen Zorn khlte und er zu seinem goldenen Lager zurckkehrte, um zu schlafen und neue Krfte zu sammeln. Den Diebstahl aber wrde er nie vergessen, nie vergeben, selbst wenn ein Jahrtausend ihn in einen still schwelenden Fels verwandeln sollte. Smaug konnte warten. Still und schweigsam kroch er in seine Hhle und schlo die Augen nur halb. Als der Morgen kam, lste sich der Schrecken der Zwerge ein wenig. Sie sahen ein, da Gefahren dieser Art schlechterdings unvermeidlich waren, wenn man es mit einem solchen Wchter zu tun hatte, und da es nicht gut wre, gerade jetzt die Unternehmung abzublasen. Auch konnten sie gar nicht aus der Falle heraus, wie Thorin schon angedeutet hatte. Ihre Ponys waren davongelaufen oder gettet, und sie htten schon eine ganze Weile warten mssen, bis Smaugs Wachsamkeit wieder so weit eingeschlfert war, da sie den langen Weg zu Fu wagen durften. Glcklicherweise hatten sie von den Vorrten so viel gerettet, da es fr eine Weile reichte. Sie stritten lange darber, was jetzt getan werden sollte. Jedoch es fiel ihnen nichts, aber auch gar nichts ein, wie sie Smaug loswerden konnten. Nun, das war ja schon immer der weiche Punkt in ihren Plnen gewesen. Bilbo fhlte sich veranlat, dies zu bemerken. Aber wie es in der Natur von Leuten liegt, die ganz und gar verwirrt sind, so fingen sie jetzt an, gegen den Hobbit zu murren. Ja, sie beschimpften ihn fr das, was ihnen erst so sehr gefallen hatte. Bilbo, der den Pokal gestohlen hatte, war jetzt schuld, da Smaugs Zorn so frh entflammt war. "Was soll ein Meisterdieb denn anderes tun?" fragte Bilbo rgerlich. "Ich wurde nicht angestellt, um Drachen zu tten das ist Kriegshandwerk. Schtze sollte ich stehlen. Ich machte den besten Anfang, den ich machen konnte. Oder habt ihr erwartet, da ich den ganzen Hort von Thror auf einmal auf dem Rcken herschleppe? Wenn hier jemand zu murren hat, so bin ich es. Ihr httet fnfhundert Meisterdiebe mitbringen sollen und nicht blo einen. Es wirft bestimmt ein gutes Licht auf euren Grovater, aber ihr knnt nicht behaupten, da ihr mir jemals das Riesenausma seines Reichtums klargemacht habt. Ich mte Hunderte von Jahren schleppen, um alles heraufzuholen - falls ich fnfzigmal so gro und Smaug so zahm wie ein Kaninchen wre." Hierauf baten die Zwerge natrlich um Verzeihung. "Was aber schlagt Ihr vor, Mister Beutlin?" fragte Thorin hflich. "Ich habe im Augenblick keine Idee - falls es Euch um den Abtransport des Schatzes zu tun ist. Das hngt offensichtlich ganz davon ab, ob das Glck sich noch einmal wendet und wir Smaug loswerden knnen. Mit Drachen fertig zu werden liegt ganz und gar nicht in meiner Linie. Aber ich will mein Bestes tun und darber nachdenken. Persnlich, das mu ich sagen, habe ich keine Hoffnung, und ich wnschte blo, ich wre glcklich wieder zu Hause." "Das spielt im Augenblick keine Rolle. Was soll jetzt geschehen, heute?" "Schn, wenn Ihr wirklich meinen Rat haben wollt, so meine ich, da wir nichts anderes tun knnen, als da zu bleiben, wo wir sind. Am Tage knnen wir bestimmt ohne groe Gefahr hinauskriechen und Luft schpfen. Vielleicht brauchen wir nicht allzulang zu warten und knnen einen oder zwei zurck zum Lager am Flu schicken, damit unsere Vorrte ergnzt werden. Aber in der Zwischenzeit sollte nachts jeder schn brav im Tunnel sein. Und jetzt will ich Euch ein Angebot machen. Ich nehme meinen Ring und schleiche heute mittag hinunter. Denn wenn berhaupt, dann macht Smaug heute mittag ein Nickerchen. Und dann werde ich ja sehen, was mit ihm los ist. Vielleicht kommt etwas dabei heraus. Jeder Wurm hat seine weiche Stelle, pflegte mein Vater zu sagen, obgleich ich glaube, da sich dieser Spruch nicht auf persnliche Erfahrung grndete." Natrlich nahmen die Zwerge das Angebot sehr gern an. Lange schon war der kleine Bilbo in ihrer Hochachtung gestiegen, ja, jetzt war er der wahre Fhrer ihrer Unternehmung. Er hatte eigene Plne und eigene Gedanken. Als es Mittag wurde, war Bilbo bereit zu einer neuen Expedition hinab in den Berg. Gewi, gern tat er es nicht, aber da er mehr oder weniger wute, was auf ihn wartete, war es nicht mehr ganz so schlimm. Htte er mehr von Drachen und ihrer Verschlagenheit gewut, so wre er furchtsamer gewesen und htte kaum gehofft, da er Smaug beim Mittagsschlaf antreffen knnte. Die Sonne schien, als er losging, aber im Gang herrschte finstere Nacht. Das Licht der fast geschlossenen Tr verblate rasch, als Bilbo hinunterstieg. So lautlos waren seine Bewegungen, da ein sanfter Windhauch kaum weniger Gerusch verursachen konnte. Und deshalb war er ganz schn stolz auf sich, als er sich der unteren Tr nherte. Nur das allerschwchste Glimmen war zu sehen. Der alte Smaug ist abgekmpft und eingeschlafen, dachte er. Er kann mich nicht sehen, und gehrt drfte er mich auch nicht haben. Nur Mut, Bilbo! Aber entweder hatte er vergessen, oder er hatte nie davon gehrt, da Drachen eine vorzgliche Witterung besitzen. Auch ist es seltsam, aber sie knnen im Schlaf ein halbes Auge zur Wache offenhalten, falls sie Verdacht hegen. Smaug sah jedenfalls fest eingeschlafen aus, nahezu tot und dunkel. Kaum einen Schnaufer, der mehr war als ein Hauch unsichtbaren Dampfes, gab er von sich, als Bilbo abermals durch. den Eingang sphte. Der Hobbit wollte gerade in die Halle treten, als er pltzlich einen dnnen, durchdringend roten Strahl unter dem hngenden Lid von Smaugs linkem Auge gewahrte. Smaug tat nur so, als ob er schliefe! Er bewachte den Tunneleingang! Hastig flchtete Bilbo zurck und pries seinen Ring. Dann sprach Smaug: "Dieb! Ich rieche dich, ich spre deinen Luftzug. Ich hre deinen Atem. Komm! Bediene dich, hier ist genug!" Aber so unerfahren war Bilbo nicht in der Drachenkunde, da er diese Einladung fr bare Mnze hielt. Und wenn Smaug hoffte, ihn auf diese Weise zum Nherkommen zu bewegen, so wurde er enttuscht. "Nein, vielen Dank, o Smaug, du Frchterlicher!" erwiderte er. "Ich wollte keine Geschenke von dir haben. Ich wollte dich nur anschauen und sehen, ob du wirklich so gro bist, wie die Geschichten erzhlen. Ich glaubte nmlich nicht daran." "Glaubst du es jetzt?" fragte der Drache und war ein wenig geschmeichelt, obgleich er kein einziges Wort Bilbos fr wahr hielt. "In der Tat, Lieder und Sagen kommen berhaupt nicht an die Wirklichkeit heran, o Smaug, du grtes und schrecklichstes aller Unglcke", erwiderte Bilbo. "Fr einen Dieb und Lgner hast du hbsche Umgangsformen", sagte der Drache. "Mein Name scheint dir wohlvertraut zu sein. Aber ich kann mich nicht erinnern, da ich dich zuvor schon einmal gerochen htte. Wer bist du, und woher kommst du, wenn ich fragen darf?" "Du darfst gern fragen! Ich komme unten vom Berg und unter den Bergen her. Und ber die Berge ging es auch. Und durch die Luft. Ich bin derjenige, der unsichtbar kommt." "Das glaube ich gern", sagte Smaug. "Aber das ist gewi nicht dein gewhnlicher Name." "Ich bin der Spurfinder, der Netzschlitzer, die stechende Fliege. Ich wurde wegen der Glckszahl genommen." "Wunderschne Titel", hohnlchelte der Drache. "Aber Glckszahlen treffen nicht immer." "Ich bin derjenige, der seine Freunde lebendig einsargt, sie ertrnkt und dann doch wieder lebendig aus dem Wasser zieht. Ich kam aus dem Ende eines Beutels, aber ber mich kam kein Beutel." "Das klingt nicht sehr glaubwrdig", schnaufte Smaug. "Ich bin der Freund von Bren und der Gast von Adlern. Ich bin ein Ringfinder und Glckstrger. Und ein Fareiter bin ich auch", fuhr Bilbo fort, denn er hatte Spa an der Rtselei gefunden. "Das ist schon besser", sagte Smaug. "Aber la deine Phantasie nicht mit dir durchgehen!" Dies ist sicher die richtige Art, mit Drachen zu reden, wenn man seinen eigentlichen Namen nicht verraten will (was sehr klug ist) und durch glattes Verweigern sie nicht schrecklich erzrnen mchte (was sehr unklug wre). Kein Drache kann dem Zauber einer Rtselsprache widerstehen. Es macht ihm auch nichts aus, wenn er mit den Versuchen, sie zu lsen, Zeit vergeudet. Es gab eine Menge Nsse fr Smaug zu knacken, und Smaug verstand kein Wort (obgleich ihr wahrscheinlich mehr versteht, denn ihr kennt ja die Abenteuer, auf die Bilbo mit diesen Rtseln anspielte). Aber Smaug glaubte, er verstnde genug, und er lachte tief in sein verschlagenes Innere hinein. Ich dachte es mir schon heute nacht, sagte er hhnisch zu sich selbst. Seemenschen, irgendein Plan dieser elenden, mit Fssern handelnden Seemenschen, oder ich will eine Eidechse sein. Ich bin seit langer, langer Zeit nicht mehr da unten gewesen. Aber das werde ich bald ndern. "Sehr gut, o Fareiter", sagte er laut. "Vielleicht war Fa der Name deines Ponys. Vielleicht auch nicht, obgleich es fett genug war. Du kannst meinetwegen unsichtbar sein - aber gegangen bist du nicht den ganzen Weg. La dir erzhlen, da ich heute nacht sechs Ponys gefressen habe. Und die anderen werde ich auch bald fangen und fressen. Als Anerkennung fr dieses vorzgliche Frhstck will ich dir zu deinem Besten einen guten Rat geben: La dich, soweit du es vermeiden kannst, nicht mit Zwergen ein!" "Zwerge?" fragte Bilbo und spielte den berraschten. "Mach mir nichts vor!" antwortete Smaug. "Ich kenne den Geruch (und den Geschmack) von Zwergen. Nichts kenne ich besser als gerade den. Erzhl mir nicht, da ich ein von Zwergen gerittenes Pony verspeise und es nicht merke! Du wirst ein bles Ende nehmen, wenn du dich mit solchen Freunden abgibst, Dieb Fareiter. Mir macht es nichts aus, du kannst umkehren und es ihnen gern erzhlen." Aber er sagte Bilbo nicht, da ihm da ein weiterer Geruch in der Nase stak, den er ganz und gar nicht herausfinden konnte, den Geruch des Hobbits nmlich. Mit dem hatte er keine Erfahrung, und das verwirrte ihn mchtig. "Vermutlich bekamst du einen anstndigen Lohn fr den Pokal, letzte Nacht? " fuhr er fort. "Sag' schon, stimmt es? berhaupt nichts! Das sieht ihnen hnlich. Und wetten, da sie drauen herumliegen, whrend du die gefhrliche Arbeit verrichten darfst! Du darfst fr sie holen, was du ergattern kannst, wenn ich nicht aufpasse - und das fr die da drauen? Und du sollst einen anstndigen Anteil erhalten? Glaub es nicht. Wenn du lebend davonkommst, kannst du froh sein." Bilbo wurde es allmhlich ungemtlich. Jedesmal, wenn Smaugs umherschweifendes Auge, das im Schatten nach ihm suchte, ber ihn hinwegblitzte, zitterte er. Ein unerklrliches Verlangen ergriff ihn, herauszukommen, sich zu zeigen und Smaug die Wahrheit zu sagen. Er war in der Tat in ernster Gefahr, dem Drachenzauber zu erliegen. Aber er nahm seinen Mut abermals zusammen und sagte: "Du weit nicht alles, o Smaug, du Mchtiger! Nicht allein das Gold brachte uns hierher." "Ha! Ho! Du gibst das ,uns` zu!" lachte Smaug. "Warum sagst du nicht gleich ,uns vierzehn` und gibst zu, was ich sage, Mister Glckszahl? Ich freue mich zu hren, da ihr auer dem Gold noch andere Geschfte hier zu erledigen habt. In diesem Fall wre es vielleicht ntzlich, hier nicht allzuviel Zeit zu verschwenden! Ich wei nicht, ob es dir klar geworden ist? Selbst wenn du das Gold Stck um Stck stehlen knntest, was vielleicht hundert Jahre dauern wrde -, dann kannst du es gewi nicht weit schleppen. Was willst du im Gebirge damit? Was willst du im Wald damit? Donner und Blitz! Hast du niemals an die Beute gedacht? Den vierzehnten Teil, vermute ich - so oder so hnlich, das war doch die Abmachung, nicht wahr? Aber wie steht es mit der Ablieferung, wie mit dem Transport? Wie mit bewaffneten Wachen und Zoll?" Laut lachte Smaug. Er hatte ein hinterhltiges, verschlagenes Herz. Auch wute er, da seine Vermutungen nicht weit von der Wirklichkeit entfernt waren. Aber er glaubte, da die Menschen vom See mit im Spiel waren und da der grte Teil des Raubes in jener Stadt am Ufer bleiben sollte, die in seinen jungen Tagen einmal Esgaroth geheien hatte. Ihr werdet es vielleicht nicht glauben wollen, aber der arme Bilbo war berrumpelt. Bisher hatte er all seine Gedanken und Krfte darauf gerichtet, zum Berg zu kommen und den Eingang zu finden. Nie hatte er sich den Kopf darber zerbrochen, wie man den Schatz fortbringen knnte, und gewi nicht, wie sein eigener Anteil bis nach Beutelsend unterm Berg geschafft werden sollte. Ein scheulicher Verdacht wuchs in ihm auf Hatten auch die Zwerge diesen wichtigen Punkt vergessen, oder lachten sie sich schon die ganze Zeit ber ins Fustchen? Das ist die Wirkung, die Drachenzauber auf den Unerfahrenen hat. Bilbo htte auf der Hut sein sollen - aber Smaug war eine berwltigende Persnlichkeit. "Ich will dir etwas verraten", sagte Bilbo und mute sich anstrengen, seinen Freunden treu zu bleiben und den Mut zu behalten. "Das Gold war blo ein Hintergedanke. Wir kamen ber den Berg hinweg und unter dem Berg hindurch, auf Wellen und mit dem Wind - aus Rache. Sicher, o Smaug, du unendlich Reicher, du mut begreifen, da dein Erfolg dir erbitterte Feinde gemacht hat!" Jetzt mute Smaug schrecklich lachen - ein verheerendes Lachen, das Bilbo einfach auf den Boden warf, whrend hoch droben im Gang die Zwerge zusammenkrochen und sich nichts anderes vorstellen konnten, als da es mit dem Hobbit ein pltzliches und scheuliches Ende genommen htte. "Rache! " schnaufte er, und das Aufglhen seiner Augen erhellte die Halle vom Boden bis zur Decke mit Scharlachblitzen. "Rache! Der Knig unter dem Berg ist tot, und wo sind seine Nachkommen, die ihn zu rchen wagen? Girion, Frst auf Dal, ist tot. Und wie ein Wolf unter den Schafen habe ich sein Volk gefressen. Wo sind seine Enkelshne, die es wagen, mir zu nahen? Ich tte, wen und wo und wann ich will, und keiner kann mir widerstehen. Ich brachte die alten Krieger um, und solche Krieger gibt es heute in der Welt nicht mehr. Und damals war ich noch jung und zart. Jetzt aber bin ich alt und stark, stark, stark, Dieb dort im Schatten!" Er glotzte zu Bilbo hinber. "Meine Rstung ist ein zehnfacher Schild, meine Zhne sind Schwerter, meine Klauen Speere, das Aufschlagen meines Schwanzes ist ein Donnerkeil, meine Schwingen sind Wirbelstrme, und mein Atem bringt den Tod!" "Ich habe immer geglaubt", sagte Bilbo mit furchtsamem Ruspern, "da Drachen unterwrts etwas empfindlicher sind, besonders in der Gegend der, hm, Brust, sagen wir mal. Aber zweifellos, ein so gersteter gewaltiger Drache hat daran gedacht." Smaug hielt kurz in seiner Prahlerei inne. "Eure Kenntnisse sind veraltet", schnappte er. "Unten wie oben bin ich mit Eisenschuppen und steinharten Gemmen ausgerstet. Keine Klinge dringt jemals hindurch." "Ich htte es mir denken knnen", sagte Bilbo. "Wirklich, nirgendwo ist einer, der dir das Wasser reichen knnte, o Frst Smaug, du Undurchdringlicher. Welch eine Herrlichkeit, eine Weste aus feinsten Diamanten zu besitzen!" "Ja, in der Tat, das ist selten und wundervoll", erwiderte Smaug, der sich ungewhnlich geschmeichelt fhlte. Er wute nicht, da der Hobbit bei seinem ersten Besuch schon einen Blick auf seine eigentmliche Unterbekleidung geworfen hatte und da es ihn aus ganz besonderen Grnden gelstete, noch einmal genauer nachzuschauen. Der Drache rollte sich herum. "Schau", sagte er. "Was meinst du dazu?" "Das ist ja toll! Wunderbar! Vollkommen und fehlerlos! Geradezu verblffend!" rief Bilbo laut. Aber im Innern dachte er: Alter Narr! Da ist doch ein leerer Fleck an seiner linken Brust, so nackt wie eine Schnecke ohne Haus! Nachdem er das gesehen hatte, wollte Mister Beutlin auf schnellstem Weg verschwinden. "Sehr schn", sagte er. "Aber jetzt will ich deine Herrlichkeit nicht lnger stren und dich deines vielbentigten Schlafs nicht lnger berauben. Ich glaube, da Ponys schwer zu fangen sind, wenn sie einen groen Vorsprung haben, und mit Meisterdieben ist das ebenso!" fgte er als Abschiedsgru hinzu, whrend er davonjagte und den Gang hinauffloh. Es war eine unglckselige Bemerkung, denn der Drache spie enorme Flammen hinter ihm her. Und so schnell Bilbo auch geflchtet sein mochte, war er doch lngst nicht weit genug gerannt, als Smaug seinen grlichen Kopf gegen den Tunneleingang schlug. Glcklicherweise pate der mchtige Kopf keineswegs ganz hinein. Aber die Nstern spien Feuer und Qualmwolken hinter Bilbo her, so da er beinahe das Bewutsein verlor. Blind vor Schmerz und Angst stolperte er weiter. Er hatte sich schon sehr geschmeichelt gefhlt, weil er sich so klug mit Smaug unterhalten konnte, aber der Fehlgriff am Schlu brachte ihn zu Verstand. Lach nie ber Drachen, solang sie lebendig sind, Bilbo, du Narr! sagte er zu sich selbst - und das wurde spter einer seiner Lieblingssprche (heute ist es sogar ein Sprichwort). Du hast noch lngst nicht dieses Abenteuer hinter dir, fgte er hinzu, und damit sollte er recht haben. Fast war es Abend geworden, als Bilbo wieder herauskam, stolperte und auf der Trschwelle in Ohnmacht fiel. Die Zwerge brachten ihn wieder zum Bewutsein und kmmerten sich um seine Brandblasen - so gut sie es konnten. Aber es dauerte noch lange, bis die Haare auf seinem Hinterkopf und auf seinen Fersen wieder richtig nachgewachsen waren. Sie waren versengt und bis auf die Haut hinunter gekruselt. Seine Freunde taten ihr Bestes, um ihn wieder aufzumuntern. Sie waren begierig auf seinen Bericht, und ganz besonders interessierte es sie, warum der Drache einen solch schrecklichen Spektakel gemacht hatte und auf welche Weise Bilbo entkommen war. Aber der Hobbit hatte Sorgen, und er fhlte sich unbehaglich. Sie hatten ihre Last damit, berhaupt etwas aus ihm herauszuholen. Nachdem er sich jetzt die Sache noch einmal berlegte, bedauerte er manches, was er zu Smaug gesagt hatte, und er war durchaus nicht darauf versessen, es zu wiederholen. Die alte Drossel sa dicht neben ihm auf einem Felsen und lauschte mit schiefem Kopf auf jedes Wort, das gesprochen wurde. Dies zeigt so richtig, welch schlechte Laune Bilbo hatte: Er nahm einen Stein und warf ihn nach der Drossel. Sie flatterte nur zur Seite und setzte sich gleich wieder. "Zum Henker mit diesem Vogel! " rief Bilbo rgerlich. "Ich glaube, er hrt zu, und ich kann ihn einfach nicht mehr sehen!" "Lat ihn zufrieden! " sagte Thorin. "Drosseln sind freundlich und gutmtig. Dies ist ein sehr alter Vogel, und es kann sein, da es der letzte Abkmmling jener uralten Rasse ist, die damals zahm in der Umgebung meines Vaters und Grovaters lebte. Es war eine langlebige und zauberische Rasse, und diese Drossel hier kann durchaus ein paar hundert Jahre alt sein. Die Leute von Dal hatten die Gabe, ihre Sprache zu verstehen. Sie benutzten die Drosseln als Boten und schickten sie zu den Menschen an den See und sonstwohin." "Schn, und so wird dieser Vogel bald Neuigkeiten nach Seestadt zu bringen haben, falls er darauf aus ist", sagte Bilbo, "obgleich ich nicht annehme, da dort noch irgend jemand briggeblieben ist, der sich um die Drosselsprache kmmert." "Aber warum, was ist denn geschehen? " riefen die Zwerge. "Nun erzhlt doch endlich!" So erzhlte Bilbo schlielich alles, woran er sich erinnern konnte, und er vertraute ihnen an, da er ein sehr unangenehmes Gefhl habe. Er meinte, der Drache habe aus seinen Rtseln ber ihre Abenteuer und die Ponys viel zuviel herausgeraten. "Ich bin sicher, Smaug wei, da wir von Seestadt gekommen sind und Hilfe von dort erhalten haben. Und ich habe das schreckliche Gefhl, da sein nchster Ausflug dorthin gehen wird. Ach, ich wnschte blo, ich htte nie etwas vom Fareiter erzhlt. In dieser Gegend wrde selbst ein blindes Kaninchen gleich an die Menschen vom See denken." "Nun ja, wennschon! Es ist nicht mehr zu ndern, und es ist sehr schwer, der Fragerei eines Drachen auszuweichen. Das habe ich oft genug gehrt", sagte Balin, der ihn gerne trsten wollte. "Meiner Meinung nach habt Ihr Euer Bestes getan - Ihr habt etwas sehr Wichtiges herausgefunden. Auerdem seid Ihr lebendig zurckgekehrt, und das ist mehr, als die meisten von denen berichten knnen, die mit Smaug oder einem anderen von seiner Sippschaft gesprochen haben. Zu wissen, da der alte Lindwurm auf seiner Diamantenweste eine nackte Stelle hat, ist ein Geschenk des Himmels." Dies lenkte das Gesprch in eine andere Bahn, und sie stritten ber die Drachentterei von den mannigfaltigsten historischen und mythischen Gesichtspunkten aus, sprachen auf geregt ber die verschiedenen Hiebe und Haken und Tiefschlge und die unterschiedlichsten Angriffe und Kriegslisten, mit denen die Drachenttereien vollbracht zu werden pflegten. Die allgemeine Meinung war, da das Umbringen eines schlafenden Drachen gar nicht so leicht war, wie man annehmen sollte, und da ein solcher Versuch viel leichter miglcken knnte als ein khner Frontalangriff. Whrend der ganzen Zeit lauschte die Drossel auf ihre Wort, bis sie schlielich, als die Sterne herauskamen, still ihre Flgel ausbreitete und davonflog. Doch whrend sie immer noch sprachen und die Schatten lnger wurden, fhlte sich Bilbo immer unglcklicher, und seine dunklen Vorahnungen wuchsen. Endlich unterbrach er sie. "Ich bin ganz sicher, da wir an dieser Stelle hier vllig ungeschtzt sind", sagte er, "und ich sehe keinen Grund, warum wir hier noch sitzen. Der Drache hat das schne frische Gras verbrannt, die Nacht ist gekommen, und es ist kalt geworden. Auerdem habe ich das deutliche Gefhl, da dieser Platz bald wieder angegriffen wird. Smaug wei jetzt, wie ich hinunter in seine Halle gekommen bin, und ihr knnt ihm schon zutrauen, da er auch wei, wo der Eingang des Stollens liegt. Wenn ntig, zerschlgt er die ganze Bergflanke zu Krmeln, um uns den Eintritt zu verwehren. Und wenn wir dabei zerschmettert werden, so wird ihm das noch lieber sein." "Ihr seid ein richtiger Schwarzseher, Mister Beutlin!" sagte Thorin. "Warum hat Smaug das untere Ende nicht blockiert, wenn er so sehr darauf versessen ist, uns nicht herankommen zu lassen? Nichts tat er, sonst htten wir ihn gehrt." "Ich wei es nicht, ich wei es nicht - vielleicht unterlie er es, weil er mich wieder zu sich hereinlocken wollte, vielleicht auch, weil er auf die Jagd heute nacht wartet oder weil er sein Schlafzimmmer nicht demolieren mchte, wenn er es irgend verhindern kann. Aber mir wre es lieber, wenn ihr darber nicht strittet. Smaug kann jede Minute herausfahren, und unsere einzige Hoffnung ist, gut in den Stollen zu kommen und die Tr zu schlieen." Es war ihm so ernst, da die Zwerge schlielich taten, was er sagte, obgleich sie das Schlieen der Tr vorerst noch aufschoben. Es schien ihnen doch ein verzweifelter Plan zu sein, denn keiner wute, ob oder wie man die Tr jemals von innen wieder ffnen konnte. Und der Gedanke, auf einem Platz eingesperrt zu sein, dessen einziger Weg hinaus durch das Drachenlager fhrte, war in keiner Weise verlockend. Auch schien alles ruhig zu bleiben, drauen sowohl als auch drunten im Stollen. Fr eine Weile setzten sie sich nicht weit von der halboffenen Tr drinnen im Stollen nieder und fuhren fort in ihrem Gesprch. Sie sprachen ber die hinterhltigen Bemerkungen des Drachen ber die Zwerge. Bilbo wnschte, er htte sie nie gehrt oder er knnte wenigstens beruhigt sein, da die Zwerge es ehrlich meinten. Sie beteuerten nmlich, da sie berhaupt noch nie daran gedacht htten, was geschehen wrde, wenn der Schatz gewonnen war. "Wir wuten, da es ein verzweifeltes Abenteuer wrde", sagte Thorin, "und wir wissen es auch jetzt noch. Aber wenn wir den Schatz erobert haben, meine ich, wird auch Zeit genug sein, darber nachzudenken, was zu tun ist. Und was Euren Anteil angeht, Mister Beutlin, so versichere ich Euch, da wir mehr als dankbar sind und da Ihr Euer Vierzehntel sogleich auswhlen knnt, wenn wir etwas zum Teilen haben. Es tut mir leid, wenn Ihr Euch um den Transport sorgt, und ich gebe zu, da die Schwierigkeiten gro sind. Die Lnder, durch die wir gekommen sind, werden nicht friedlicher geworden sein. Aber wir werden tun, was wir fr Euch tun knnen und unseren Kostenanteil bernehmen, wenn die Zeit gekommen ist, glaubt es, oder glaubt es nicht!" Dann wandte sich das Gesprch dem Schatz selbst und den Gegenstnden zu, an die sich Thorin und Balin erinnerten. Sie htten gern gewut, ob sie noch alle unberhrt in der Halle lagen: die Speere, die fr die Heere des groen Knigs Bladorthin gefertigt worden waren (er lebte schon lange nicht mehr). Jeder hatte eine dreifach geschmiedete Spitze, ihre Schfte waren mit kunstreichen Goldarbeiten eingelegt, aber sie waren nie ausgeliefert oder bezahlt worden. Schilde, die fr lngst gestorbene Krieger hergestellt worden waren. Der groe goldene Kelch von Thror, mit zwei Griffen, gehmmert und mit Vgeln und Blumen verziert, deren Augen und Bltenbltter aus Juwelen bestanden. Vergoldete, versilberte, undurchdringliche Kettenhemden. Der Halsschmuck von Girion, Frst auf Dal, zusammengefgt aus 5oo tiefgrnen Smaragden. Girion hatte ihn fr die Ausrstung seines ltesten Sohnes hergegeben. Ein Kettenhemd aus winzig kleinen Ringgliedern, wie es nie zuvor gemacht worden war, denn es bestand aus lauterem Silber, von der Kraft und Strke dreifach gehrteten Stahls. Aber das Wunderbarste von allem war der groe weie Edelstein, den die Zwerge unter den Wurzeln des Berges gefunden hatten: das Herz des Berges, der Arkenjuwel von Thrain. "Der Arkenjuwel! Der Arkenstein!" murmelte Thorin in die Finsternis, halb trumend, das Kinn auf die Knie gesttzt. "Er war einer Kugel mit tausend Facetten gleich, er schimmerte wie Silber im Schein des Feuers, wie Wasser im Sonnenlicht, wie Schnee unter den Sternen, wie Regen unter dem Mond!" Bilbo jedoch hatte sich frei gemacht von der verhexten Sehnsucht nach dem Schatz. Whrend ihres Gesprchs hrte er nur halb zu. Er sa der Tr am nchsten. Mit einem Ohr lauschte er, ob drauen ein Gerusch aufkommen wollte, mit dem andern hrte er ber das Gemurmel der Zwerge hinweg, ob weit unten sich etwas regte. Die Finsternis wurde tiefer und tiefer, und Bilbo wurde immer unruhiger. "Schliet die Tr! " bettelte er. "Ich frchte diesen Drachen bis ins Mark. Die Stille gefllt mir viel weniger als der Aufruhr in der letzten Nacht. Schliet die Tr, ehe es zu spt ist!" Etwas in seiner Stimme machte den Zwergen die Geschichte ungemtlich. Thorin schob zgernd seine Trume beiseite, stand auf und trat den Stein fort, der die Tr festhielt. Dann legten sie sich gegen die Tr, und mit einem Schnappen und einem leisen Klingen fiel sie ins Schlo. Keine Spur von einem Schlsselloch war auf der Innenseite briggeblieben. Sie waren im Berg eingeschlossen! Und nicht einen Augenblick zu frh. Kaum waren sie ein Stck in den Tunnel hinabgegangen, als die Bergflanke wie vom Aufkrachen eines Rammbockes getroffen wurde, als htten Riesen einen Mauerbrecher aus gewaltigen Eichenstmmen dagegengeschleudert. Der Fels drhnte, die Wnde krachten, Steine fielen von der Decke ihnen auf den Kopf Was bei offener Tr geschehen wre, mchte ich nicht ausdenken. Sie flohen tiefer in den Tunnel, froh, da sie noch lebendig waren. Von drauen drang das Gebrll und Gerumpel des wtenden Smaug herein. Er zerbrach die Felsen zu Splitt, zerschmetterte Wnde und Klippen mit den Schlgen seines gewaltigen Schwanzes, bis ihr kleiner, luftiger Lagerplatz, das verbrannte Gras, der Drosselstein, die von Schnecken bedeckten Wnde, der schmale Sims und alles andere zu einem Trmmerwirrwarr zerschmettert waren und eine Lawine zersplitterten Gesteins ber die Klippe hinab ins Tal strzte. In aller Stille hatte Smaug sein Lager verlassen, lautlos war er in die Luft aufgeflogen. Und dann schwebte er langsam und schwer durch die Dunkelheit, wie eine riesige Krhe, hinab mit dem Wind zum Westhang des Berges. Er hoffte, unerwartet irgend etwas oder irgendwen dort fangen und den Tunneleingang ersphen zu knnen, den der Dieb benutzt hatte. Als er aber niemand und nichts fand, selbst dort nicht, wo der Eingang sein mute, da entbrannte er in Zorn. Nachdem er seine Wut ausgelassen hatte, fhlte er sich wohler, und in seinem Herzen dachte er, da er von dieser Seite her nie wieder wrde gestrt werden. Indessen hatte er noch eine andere Rechnung zu begleichen. "Fareiter!" schnaufte er. "Euer Fu kam von der Wasserseite her, Ihr kamt zweifellos den Strom herauf Euer Geruch ist mir rtselhaft, aber wenn Ihr schon nicht einer von diesen Menschen am See seid, so hattet Ihr doch ihre Hilfe. Jetzt werde ich ihnen ins Gedchtnis rufen, wer der wahre Knig unter dem Berg ist!" Er erhob sich in einer Wolke von Feuer und flog hinweg, sdwrts, zum Eiligen Wasser. ~Nicht zu Hause Unterdessen saen die Zwerge in der Finsternis. Tiefe Stille lastete auf ihnen. Sie aen wenig und sprachen wenig. Sie konnten die Zeit nicht messen und wagten kaum, sich zu rhren, denn das Gewisper ihrer Stimmen klang rumorend im Tunnel wider. Schliefen sie ein, so wachten sie wieder zu Finsternis und lautloser Stille auf Nach unzhligen Tagen des Wartens (so schien es ihnen), als sie fast erstickt und betubt vom Luftmangel waren, konnten sie es nicht lnger ertragen. Selbst der Krach des zurckkehrenden Drachen wre ihnen willkommen gewesen. Sie frchteten, da hinter dieser Stille eine seiner verschlagenen Teufeleien steckte. Aber sie konnten nicht auf ewig hier sitzen bleiben. "Wir wollen versuchen", sagte Thorin, "ob die Tr zu ffnen ist. Ich mu Wind auf meinem Gesicht spren, sonst sterbe ich. Lieber von Smaug im Freien zerschmettert werden, als hier drinnen jmmerlich ersticken!" Einige Zwerge standen auf und krochen dorthin zurck, wo die Tr einmal gewesen war. Aber sie fanden, da das obere Ende des Stollens zerstrt und von herabgebrochenem Fels versperrt war. Weder Schlssel noch Zauber, die diese Tr einmal bewegt hatten, wrden sie je wieder ffnen. "Wir sitzen in der Falle", sthnten sie. "Dies ist das Ende. Hier werden wir sterben." Aber gerade jetzt, da die Zwerge am verzweifeltsten waren, fhlte Bilbo eine seltsame Erleichterung in seinem Herzen, als ob ein schwerer Alpdruck von ihm gewichen sei. "Kommt!" sagte er. "Solange noch Leben da ist, ist auch Hoffnung da, wie mein Vater zu sagen pflegte. Und aller guten Dinge sind drei. Ich gehe noch einmal in den Stollen hinunter. Zweimal war ich dort, als ich wute, da ein Drache am anderen Ende lauerte. Und jetzt wird der dritte Versuch gewagt, da vermutlich keiner dort unten ist. Jedenfalls : Der einzige Weg hinaus fhrt hinunter. Und diesmal, meine ich, wre es am besten fr euch, wenn ihr alle mich begleiten wrdet." In ihrer Verzweiflung stimmten sie zu, und Thorin war der erste, der an Bilbos Seite hinabging. "Seid bitte wirklich vorsichtig", wisperte der Hobbit, "und so still, wie ihr nur sein knnt! Kann sein, da kein Smaug dort unten liegt, aber es kann auch sein, da er doch dort liegt. Wir wollen keine berflssigen Gefahren eingehen!" Tief, tief hinab schlichen sie. Natrlich konnten sich die Zwerge, was Lautlosigkeit angeht, nicht mit dem Hobbit vergleichen. Sie schnauften und scharrten, und der Widerhall vervielfltigte die Gerusche auf schreckliche Weise. Aber wenn auch Bilbo dann und wann aus Furcht stehenblieb und lauschte, nichts rhrte sich dort unten. Kurz vor dem Stollenende - so gut er das abschtzen konnte - streifte Bilbo den Ring an seinen Finger und ging voraus. Aber es war gar nicht ntig : Die Finsternis war vollkommen. Alle waren unsichtbar, mit Ring oder ohne Ring. Die Finsternis war in der Tat so schwarz, da, als der Hobbit unerwartet den Stollenausgang erreichte, er mit den Hnden in Luft griff, vorwrts stolperte und lngelang hinab in die Halle rollte! Da lag er nun mit dem Gesicht auf dem Boden und wagte nicht, aufzustehen oder auch nur zu atmen. Aber nichts rhrte sich. Kein Lichtschimmer war zu sehen. Und doch schien ihm, als er schlielich den Kopf hob, als ob dort etwas Bleiches und Weies schimmerte, ber ihm, weit fort in der Dunkelheit. Sicherlich war es kein Drachenfeuer, obgleich der Gestank des Lindwurms noch schwer in der Halle stand und Bilbo den Drachendunst auf der Zunge schmeckte. Schlielich konnte es Mister Beutlin nicht lnger ertragen. "Verdammter Smaug, elender Wurm!" quietschte er laut. "Hrt auf, Verstecken zu spielen! Gebt mir Licht, und dann fret mich, wenn Ihr mich fangen knnt!" Schwach lief das Echo durch die unsichtbare Halle. Aber eine Antwort erhielt Bilbo nicht. Er stand auf und wute nicht, in welche Richtung er gehen sollte. "Jetzt mchte ich aber doch wissen, was in aller Welt Smaug treibt", sagte er. "Ich glaube, Smaug ist heute nicht zu Hause (heute morgen, heute nacht, oder was fr eine Tageszeit es immer ist). Wenn Oin und Gloin ihre Zunderbchsen nicht verloren haben, knnten wir vielleicht ein bichen Licht machen und uns umschauen, ehe sich das Glck wendet. Licht!" schrie er. "Kann jemand Licht machen?" Die Zwerge hatten sich natrlich furchtbar erschrocken, als Bilbo mit einem Bums ber die Stufe hinab in die Halle gefallen war, und sie saen eng aneinandergedrckt am selben Fleck, wo er sie verlassen hatte. "Pst, pst! " zischten sie, als sie seine Stimme hrten. Und obgleich ihm dies half, festzustellen, wo sie waren, blieb es das einzige, was er aus ihnen herausbringen konnte. Aber schlielich, als er auf den Boden stampfte und wtend mit seiner schrillen Stimme "Licht" schrie, gab Thorin nach. Oin und Gloin wurden zurck zum Gepck an den Anfang des Stollens geschickt. Nach einer Weile zeigte ein flackernder Schein ihre Rckkehr an. Oin hatte einen kleinen Kienspan in der Hand, und Gloin trug ein ganzes Bndel unter dem Arm. Rasch trottete Bilbo zur Schwelle zurck und nahm die Fackel in Empfang. Doch konnte er die Zwerge nicht dazu berreden, auch die anderen Kienspne anzuznden oder zu ihm herunterzukommen. Wie Thorin vorsichtig auseinandersetzte, war Mister Beutlin offiziell noch immer ihr Meisterdieb und Kundschafter. Wenn er es fr richtig hielt, ein Licht zu riskieren, so war das seine Sache. Sie wrden droben im Stollen auf seinen Bericht warten. Die Zwerge sahen, wie der kleine, dunkle Umri des Hobbits, der sein sprliches Licht hoch ber sich hielt, in die Halle ging. Dann und wann, als er noch nahe genug war, konnten sie einen Schimmer erhaschen oder ein leises Klingen erlauschen, wenn er ber irgend etwas Goldenes stolperte. Das Licht wurde immer kleiner, whrend er tiefer in die riesige Halle wanderte. Dann begann es aufzusteigen und in der Luft zu tanzen. Bilbo war dabei, den groen Schatzberg zu erklimmen. Bald stand er auf der Spitze, und noch immer ging er weiter. Jetzt sahen die Zwerge, wie er anhielt und sich kurz niederbeugte aber den Grund kannten sie nicht. Es war der Arkenjuwel, das Herz des Berges, Bilbo erriet es aus Thorins Beschreibung. Wirklich, zwei solche Edelsteine konnte es nicht geben, selbst in einem so wunderbaren Schatz nicht, nicht in der ganzen Welt. Die ganze Zeit schon hatte dieser weie Schein vor Bilbo geleuchtet und seine Schritte zu sich hingelenkt. Langsam wurde er zu einer kleinen, bleich leuchtenden Kugel. Und jetzt, da er nher kam, brach sich das schwankende Licht seiner Fackel in dieser Kugel, die in mannigfaltigen Farben aufblitzend funkelte. Endlich blickte Bilbo auf sie hinab, und es verschlug ihm den Atem: Vor seinen Fen leuchtete der groe Edelstein im eigenen inneren Licht. Und doch nahm der Juwel, der von den Zwergen, die ihn vor langer, langer Zeit aus dem Herzen des Berges ausgegraben, geschnitten und geschliffen hatten, jeden Strahl auf, der auf ihn fiel, und verwandelte ihn in zehntausend Funken weien Glanzes, durchsetzt mit regenbogenfarbigem Glitzern. Pltzlich streckte Bilbo, von seinem Zauber angezogen, den Arm nach ihm aus. Seine kleine Hand konnte ihn nicht umschlieen. Es war ein groer und schwerer Juwel. Aber er hob ihn auf, schlo die Augen und versenkte ihn in seine tiefste Tasche. Nun bin ich in der Tat ein Dieb, dachte er. Zwar, irgendwann mu ich es den Zwergen einmal erzhlen - aber das hat ja Zeit. Sie haben doch selbst gesagt, da ich mir meinen Anteil heraussuchen sollte. Nun, wenn ich die Wahl htte, wrde ich dies hier nehmen und ihnen den ganzen Rest berlassen! Dennoch hatte er das unangenehme Gefhl, da sich das Heraussuchen durchaus nicht auch auf diesen wunderbaren Juwel erstrecken sollte und da er damit noch rger haben wrde. Bilbo ging weiter. Er stieg die andere Seite des groen Schatzberges hinab, und der Schimmer seiner Fackel verschwand aus dem Gesichtskreis der wartenden Zwerge. Aber bald sahen sie ihn weit in der Ferne wieder. Bilbo wanderte zur anderen Seite der Halle hinber. Er ging, bis er zu den groen Toren auf der anderen Seite kam, und dort erfrischte ihn ein Luftzug, der jedoch um ein Haar sein Licht ausgeblasen htte. Zaghaft sphte er durch die Tore und erblickte groe Gnge und den undeutlichen Anfang breiter Treppen, die hinauf in die Finsternis fhrten. Und noch immer hatte er nichts von Smaug gesehen oder gehrt. Gerade wollte er umkehren, als ein schwarzer Schatten auf ihn herabscho und sein Gesicht streifte. Bilbo schrie auf und fuhr zurck, strauchelte und schlug hin. Die Fackel fiel ihm aus der Hand und erlosch. Blo eine Fledermaus, hoffe und vermute ich! dachte er jmmerlich. Aber was mache ich jetzt? Wo ist Osten, Sden, Norden und Westen? "Thorin, Balin, Oin; Gloin, Fili, Kili! " schrie er, so laut er nur konnte - in der weiten, dichten Schwrze war es nur ein schwaches kleines Gerusch. "Hilfe, das Licht ist ausgegangen! Einer soll herkommen und mir helfen!" Zur Zeit hatte ihn all sein Mut verlassen. Schwach in der Ferne hrten die Zwerge seine Schreie. Das einzige Wort, das sie verstanden, war "Hilfe! " "Was im Himmel, auf der Erde oder unter ihr ist passiert?" sagte Thorin. "Um den Drachen kann es kaum gehen, sonst wrde er jetzt nicht weiterschreien." Sie warteten einen Augenblick oder zwei, und noch immer konnte man kein Drachenrumoren hren. Nichts, kein Gerusch, nur Bilbos ferne Stimme. "Kommt, einer von euch, holt ein anderes Licht! " befahl Thorin. "Es scheint, wir mssen unserem Meisterdieb helfen." "Ja, jetzt ist die Reihe an uns", sagte Balin, "und ich bin gern bereit, zu gehen. Auerdem ist im Augenblick sicher keine Gefahr zu befrchten." Gloin entzndete einige Fackeln, und dann krochen sie alle hinaus, einer nach dem andern, und eilten, so schnell es ging, an der Wand der Halle entlang. Es dauerte auch nicht lange, bis sie Bilbo trafen, der ihnen entgegenkam. Seine Lebensgeister waren wieder erwacht, sobald er das Blinken ihrer Lichter entdeckte. "Blo eine Fledermaus und eine verlschte Fackel, nichts von Belang!" antwortete er auf ihre Fragen. Obgleich sie doch sehr erleichtert waren, htten sie ihn am liebsten ausgeschimpft, weil er sie wegen einer Nichtigkeit in Schrecken versetzt hatte. Aber was sie erst gesagt htten, wenn er ihnen in diesem Augenblick vom Arkenjuwel berichtet htte, das wei der liebe Himmel. Die flchtigen Blicke, die sie auf den Schatz werfen konnten, hatten das Feuer in ihren Zwergenherzen neu entfacht. Und wenn das Herz eines Zwerges, selbst des ehrwrdigsten und ordentlichsten, durch Gold und Edelsteine einmal entflammt ist, so wird es khn und kann sogar grimmig werden. Man brauchte die Zwerge nicht lnger zu drngen. Da sie die Chance einmal hatten, brannten sie richtig darauf, die Halle auszukundschaften. Und fr den Augenblick waren sie bereit, zu glauben, da Smaug nicht zu Hause war. Jeder nahm eine brennende Fackel, und dann irrten ihre erstaunten Blicke erst nach der einen Seite und dann nach der anderen. Sie vergaen ihre Angst, vergaen jegliche Vorsicht. Laut sprachen sie, riefen einander zu, hoben die alten Schtze aus dem groen Durcheinander auf oder hingen sie von der Wand ab, hielten sie ins Licht und streichelten sie zrtlich. Fili und Kili waren besonders guter Laune, denn sie fanden noch zahlreiche goldene Harfen, die mit Silbersaiten bespannt waren. Sie nahmen sie von der Wand und spielten darauf. Und da es Zauberharfen waren (und von dem Drachen, der fr Musik nur ein sehr geringes Interesse hatte, nicht berhrt worden waren), waren sie noch immer richtig gestimmt. Eine wunderbare Melodie, die hier schon lange nicht mehr erklungen war, erfllte die dunkle Halle. Aber die meisten Zwerge waren praktischer veranlagt : Sie sammelten Edelsteine, stopften sie in ihre Taschen, und was sie nicht tragen konnten, lieen sie mit einem Seufzer wieder aus der Hand fallen. Thorin war dabei nicht der letzte. Aber unentwegt suchte er an allen Enden etwas, das er nicht finden konnte. Es war der Arkenjuwel; doch vorerst sprach er zu niemandem darber. Die Zwerge nahmen jetzt Panzer und Waffen von den Wnden und rsteten sich. Thorin sah kniglich aus in seinem vergoldeten Kettenhemd. Im Grtel, der mit scharlachfarbenen Edelsteinen besetzt war, trug er eine Axt mit silbernem Stiel. "Mister Beutlin", rief er, "hier ist die erste Rate Eurer Belohnung. Werft Euren alten Rock fort und zieht diesen hier an!" Damit legte er Bilbo ein kleines Kettenhemd an, das vor langer Zeit fr einen jungen Elbenprinzen angefertigt worden war. Es bestand aus versilbertem Stahl. Dazu gehrte ein Grtel, der mit Perlen und Kristallen bestickt war. Ein leichter Lederhelm, verstrkt durch Stahlreifen, reich geprgt und am Rand mit weien Edelsteinen besetzt, wurde dem Hobbit auf den Kopf gestlpt. Ich fhle mich auerordentlich, dachte Bilbo. Aber komisch sieht es bestimmt aus. Wie wrden sie zu Hause ber mich lachen! Trotzdem, es wre schn, wenn ich jetzt einen Spiegel zur Hand htte. Wie dem auch sei, Mister Beutlin behielt einen klaren Kopf und lie sich nicht wie die Zwerge vom Gold verzaubern. Lange ehe seine Gefhrten aufhrten, die Schtze zu untersuchen, war er es leid geworden. Er setzte sich auf den Boden, unruhig, was diese Herumwhlerei fr ein Ende nehmen sollte. Fr einen khlen Trunk aus Beorns hlzernen Humpen wrde ich ein gut Teil dieser kostbaren Kelche hingeben! dachte er. "Thorin! " rief Bilbo laut. "Was jetzt? Wir sind zwar bewaffnet, was vermag aber eine Rstung gegen Smaug, den Schrecklichen? Dieser Schatz ist noch lange nicht zurckgewonnen. Wir sollten uns jetzt nicht um den Schatz kmmern, sondern um einen Fluchtweg. Wir haben unser Glck schon zu lange auf die Probe gestellt!" "Ihr sprecht die Wahrheit!" antwortete Thorin und kam wieder zu Verstand. "Wir wollen gehen! Ich werde Euch fhren. Nicht in tausend Jahren werde ich die Wege in diesem Palast vergessen." Dann rief er die anderen. Sie sammelten sich, und whrend sie ihre Fackeln hoch ber den Kopf hielten, durchschritten sie die offenen Tore. Aber sie schauten noch oft genug mit sehnschtigen Blicken zurck. Ihre glitzernden Rstungen hatten sie mit ihren alten Mnteln bedeckt, ihre bunten Helme mit den zerlumpten Kapuzen. So folgten sie Thorin, eine Kette von kleinen Lichtern in der Finsternis, hielten oft vor Furcht an und lauschten, ob nicht ein Gerusch die Rckkehr des Drachen anzeigte. Obgleich aller Schmuck lngst vermodert und zerstrt war, besudelt und durch das Kommen und Gehen des Untiers verbrannt, kannte Thorin doch jeden Durchgang und jede Wegkehre. Sie stiegen lange Treppen hinauf, wandten sich und gingen weite, widerhallende Gnge hinab, wandten sich wieder und erstiegen andere Treppen und immer neue Treppen. Sie waren glatt und sauber in den Fels gehauen, breit und angenehm zu gehen. Immer hher hinauf stiegen die Zwerge und stieen auf kein Zeichen von Lebendigem - ausgenommen flchtige Schatten, die beim Nahen ihrer im Luftzug flackernden Fackeln davonschwirrten. Allerdings waren die Treppenstufen nicht fr Hobbitbeine gemacht, und Bilbo fhlte schon, da er bald nicht mehr weiterkonnte - da hob sich die Decke, und es ffnete sich ein Gewlbe, das der Lichtschein der Fackeln nicht mehr erreichte. Man konnte einen weien Schimmer entdecken, der durch eine ffnung hoch droben hereindrang; die Luft schien frischer. Vor ihnen zeigte sich hinter groen Toren, die halb verbrannt waren und schief in den Angeln hingen, ein schwaches Licht. "Dies ist Thrors groe Halle", sagte Thorin, "die Fest- und Ratshalle. Jetzt ist das Haupttor nicht mehr weit." Sie durchschritten den verwsteten Raum. Verrottete Tische, Sthle und Bnke lagen umgestlpt, verkohlt und verfault da. Schdel und Gebeine vermoderten zwischen Weinkrgen, Humpen, zerbrochenen Trinkhrnern und Staub. Als sie am anderen Ende einige weitere Tren durchschritten hatten, drang das Gerusch flieenden Wassers an ihre Ohren, und das graue Licht wurde pltzlich heller. "Der Ursprung des Eiligen Wassers", sagte Thorin, "von hier aus luft es zum Haupttor. Folgen wir ihm!" Aus der dunklen ffnung einer Felswand sprang sprudelndes Wasser und strmte in Strudeln durch einen engen Kanal, der in alten Tagen durch kenntnisreiche Hnde gerade und tief in den Stein gehauen worden war. Neben ihm lief ein gepflasterter Weg, der so breit war, da mehrere Leute nebeneinander auf ihm gehen konnten. Diesen Weg eilten sie entlang, folgten einer groen Kurve, und pltzlich sahen sie weitflutendes Tageslicht vor sich. Ein hoher Rundbogen erhob sich, an dem noch berreste alten Schnitzwerks zu erkennen waren, so verwittert, zersplittert und geschwrzt es auch sein mochte. Matte Sonne schimmerte drauen ber den ausgreifenden Flanken des Berges, goldene Strahlen fielen auf das Pflaster der Torschwelle. ber ihnen flatterte ein Schwarm Fledermuse, den die rauchenden Fackeln aufgeschreckt hatten. Als sie hinausliefen, glitten ihre Fe auf den Steinen aus, die durch das Ein- und Ausfliegen des Drachen glatt und glitschig geworden waren. Vor ihnen strzte mit mchtigem Rauschen das Wasser zu Tal. Sie warfen ihre blassen Fackeln auf den Boden und starrten mit geblendeten Augen ins Licht. Das Haupttor war erreicht. Drauen, vor ihnen, lag Dal. "Erstaunlich", sagte Bilbo. "Nie htte ich es fr mglich gehalten, da ich einmal meine Nase aus diesem Ausgang stecken knnte. Und nie htte ich geglaubt, da es so herrlich sein wrde, die Sonne wiederzusehen und den Wind in den Haaren zu spren. Aber - dieser Wind ist kalt!" Und so war es in der Tat. Eine schneidend scharfe Brise wehte aus Ost, eine stumme Drohung des nahenden Winters. Der Wind wirbelte ber und um die Bergflanken herum ins Tal hinab und seufzte zwischen den Felsen. Nach den langen Tagen und Nchten in der Treibhauswrme der vom Drachen heimgesuchten Hhle zitterten sie nun in der Sonne. Pltzlich merkte Bilbo, da er nicht nur mde, sondern auch auerordentlich hungrig war. "Es scheint", sagte er, "der Morgen geht vorber, und es drfte lngst Frhstckszeit sein, wenn berhaupt von einem Frhstck die Rede sein kann. Aber ich glaube nicht, da Smaugs Torschwelle der sicherste Platz fr eine geruhsame Mahlzeit ist. Bitte, gehen wir irgendwohin, wo wir fr ein Weilchen ruhig sitzen knnen." "Sehr richtig!" entgegnete Balin. "Und ich denke, ich wei auch den Weg, den wir nehmen sollten. Der alte Ausguckposten auf der sdwestlichen Seite des Berges wre der richtige Platz fr uns." "Wie weit ist das?" fragte der Hobbit. "Fnf Stunden Weg, nehme ich an. Es wird sich schwer gehen. Der Pfad vom Haupttor am linken Ufer entlang scheint auf gebrochen zu sein wie ein Sturzacker. Doch schaut her! Von der zerstrten Stadt wendet sich der Flu pltzlich nach Osten. An diesem Punkt gab es einmal eine Brcke hinber zu den sehr steilen Felsstufen, die hinauf aufs rechte Ufer fhrten und weiter zu dem Weg, nach dem Rabenberg. Dort gibt es (oder gab es) einen kleinen Pfad, der von diesem Weg abzweigt und sich zum Ausguck hinaufwindet. Eine harte Kletterei, selbst wenn die alten Stufen noch da sind." "Du lieber Himmel!" sthnte der Hobbit. "Noch mehr klettern und noch mehr laufen und alles ohne Frhstck. Ich mchte blo wissen, wieviel Frhstcke und andere Mahlzeiten wir in diesem finsteren Fluren - und zeitlosen Loch bergangen haben!" Genau gesagt, waren zwei Nchte und ein Tag verstrichen, seit der Drache die verwunschene Tr zerschmettert hatte. Aber Bilbo hatte die Zeitrechnung ganz und gar verloren. Ob es nun eine Nacht oder eine ganze Woche Nacht gewesen war - fr Bilbo blieb es das gleiche. "Kommt", sagte Thorin und lachte. Seine Lebensgeister waren wieder erwacht, und er klimperte vergngt mit den Juwelen in der Tasche. "Nennt meinen Palast nicht ein finsteres Loch! Wartet blo, bis er sauber gefegt und neu tapeziert ist!" "Das wird gewi nicht vor Smaugs Tod sein", sagte Bilbo dster. "Inzwischen - wo mag er stecken? Ich gbe ein gutes Frhstck dafr, wenn ich es wte. Hoffentlich hockt er nicht oben auf dem Gipfel und glotzt auf uns herunter!" Dieser Gedanke strte die Zwerge sehr, und sie sahen schnell ein, da Bilbo und Balin recht hatten. "Wir mssen weg von hier", sagte Dori. "Mir kommt es vor, als bohrten sich Smaugs Blicke in meinen Rcken." "Ein kalter, einsamer Platz", bemerkte Bombur. "Zu trinken gibt es vielleicht etwas, aber zu essen keine Spur. Eine solche Gegend macht auch einen Drachen hungrig." "Kommt, los", riefen die andern. "Wir wollen Balins Pfad nehmen!" So stolperten sie zwischen den Blcken am linken Fluufer weiter - rechter Hand war die Felsmauer pfadlos -, und die Leere und Verwstung ernchterten sogar Thorin wieder. Die Brcke, von der Balin gesprochen hatte, fanden sie lngst verfallen, und die meisten Brckensteine lagen als glattgeschliffene Blcke im seichten, brausenden Flu. Aber ohne groe Schwierigkeit konnten sie das Wasser durchwaten. Sie fanden die alten Felsstufen und erkletterten das hohe jenseitige Ufer. Nachdem sie ein kurzes Stck gegangen waren, stieen sie auf den alten Weg und erreichten bald einen tiefen, von Felsen geschtzten Einschnitt. Da rasteten sie und hatten endlich ihr Frhstck - so gut das ging, hauptschlich Cram und Wasser. (Wenn ihr nicht wit, was Cram ist, so kann ich nur sagen, da ich das Rezept zwar ebenfalls nicht kenne, aber es ist etwas Zwiebackhnliches. Es hlt sich unendlich lange frisch, schmeckt nach nichts, soll sehr krftigend sein, ist aber gewi nichts Aufregendes. Im Gegenteil, es ist eigentlich zu nichts anderem ntze als zur bung der Kauwerkzeuge. Die Menschen vom See stellten es fr lange Reisen her.) Danach ging es weiter. Der Weg wandte sich westwrts, verlie den Flu, und die breite Schulter des nach Sden weisenden Bergvorsprungs rckte immer nher. Endlich erreichten sie den Bergpfad. Er kletterte steil aufwrts. Einer trabte langsam hinter dem andern, bis sie schlielich am spten Nachmittag den Grat erreichten und die winterliche Sonne im Westen untergehen sahen. Sie entdeckten eine flache Stelle, offen nach drei Seiten. Aber im Norden wurde sie durch eine Felsmauer geschtzt, in der sich eine trhnliche ffnung befand. Von dieser Tr aus hatte man einen weiten Rundblick nach Osten, Sden und Westen. "Hier", sagte Balin, "hielten sich in alten Tagen unsre Wachposten auf. Die Tr dort hinten fhrt in eine aus dem Felsen gehauene kleine Halle, die als Wachraum diente. Es gab mehrere solche Pltze rund um den Berg. Aber in jenen Tagen des Glcks schien Wachsamkeit verlorene Mhe zu sein. Die Posten wurden bequem. Sonst wren wir vielleicht frher vor dem Drachen gewarnt worden, und alles wre anders gelaufen. Immerhin, hier sind wir fr eine Weile in guter Deckung; wir sehen viel und werden selbst nicht gesehen." "Das nutzt nichts, wenn man beobachtet hat, wie wir hergekommen sind", bemerkte Dori, der immer hinauf zum Berggipfel schielte, als ob er Smaug dort oben wie einen Hahn auf der Kirchturmspitze vermutete. "Wir mssen unser Glck versuchen", entgegnete Thorin. "Heute knnen wir sowieso nicht weiter." "Hrt! Hrt!" schrie Bilbo und warf sich auf den Boden. In der Wachhalle gab es Platz fr hundert. Dahinter lag noch eine andere, kleinere Kammer (weiter fort von der kalten Auenseite). Sie war vllig verlassen. Selbst wilde Tiere hatten sie, seit Smaug gekommen war, nicht mehr benutzt. Hier setzten sie ihr Gepck ab. Einige warfen sich hin und schliefen sogleich ein, aber die andern kauerten sich in der Nhe der Auentr nieder und berieten ihre Plne. In all ihren Gesprchen kamen sie jedoch immer wieder auf die eine Frage zurck : Wo war Smaug? Sie schauten nach Westen, und dort war kein Zeichen von ihm zu entdecken; im Osten keines, im Sden keines - aber im Sden sammelte sich eine groe Schar Vgel. Die Zwerge starrten auf sie hin und wunderten sich. Aber als die ersten kalten Sterne heraufzogen, hatten sie den Grund fr diese Versammlung noch immer nicht verstanden. ~Feuer und Wasser Wenn ihr, wie die Zwerge, etwas ber Smaug erfahren wollt, so mssen wir zu jenem Abend zurckkehren, als er die Tr zerschmetterte und in rasender Wut davonflog. Die meisten Menschen der Seestadt Esgaroth waren in ihren Husern, denn der Wind wehte kalt aus Osten, und sie froren. Aber einige wenige gingen ber die Kais und beobachteten, wie sie es gern taten, auf den glatten Flchen des Sees das Licht der Sterne, wenn sie am Himmel aufleuchteten. Von der Stadt aus verdeckte die Silhouette jener niedrigen Vorberge am anderen Ende des Sees, durch die das Eilige Wasser sich von Norden her einen Weg bahnte, nahezu den ganzen Einsamen Berg. Nur den hohen Gipfel konnte man bei klarem Wetter erkennen. Selten nur schauten die Menschen dorthin, denn dieser Gipfel war selbst im Morgenlicht ein unheimlicher Anblick. Nun aber war er in der Finsternis der Nacht gnzlich verschwunden. Pltzlich leuchtete der Gipfel dennoch auf Ein flchtiges Glhen berzog ihn und erlosch wieder. "Schaut", sagte einer. "Schaut die Lichter dort wieder. Vergangene Nacht, behaupteten die Wchter, waren sie ebenfalls von Mitternacht bis zur Frhdmmerung zu sehen. Irgend etwas geht dort vor." "Vielleicht schmiedet der Knig unter dem Berg sein Gold" , bemerkte ein anderer. "Lang her, da er nach Norden zog. Es wird Zeit, da die alten Lieder wahr werden." "Von welchem Knig redet ihr?" fragte ein dritter mit grimmiger Stimme. "Viel wahrscheinlicher ist, da das verheerende Feuer vom Drachen stammt, vom einzigen Knig unterm Berg, den wir je gekannt haben." "Geht, Ihr prophezeit immer nur schwarzes Unglck", erwiderten die anderen. "Alles mgliche, von berschwemmungen angefangen bis zu vergifteten Fischen. Denkt Euch einmal etwas Hbscheres aus." Da leuchtete pltzlich in den Vorbergen ein helles Licht auf, und das Nordende des Sees begann wie schieres Gold zu glhen. "Der Knig unter dem Berg!" schrien sie. "Sein Kronschatz schimmert sonnengleich, sein Gold trgt jeder Flu ins Reich. Das Eilige Wasser, seht nur, trgt lauteres Gold aus dem Berg!" riefen sie. berall ffneten sich Fenster. Eilige Fe rannten ber Treppen und durch Gnge. Ein gewaltiger Begeisterungssturm erhob sich. Aber der Mann mit der grimmigen Stimme rannte zum Meister. "Der Drache kommt", schrie er, "oder ich will ein Narr sein. Reit die Brcke ab! Zu den Waffen, zu den Waffen!" Pltzlich erklangen warnende Trompeten. Lang hallte das Echo von den Felsksten zurck. Die Hochrufe brachen ab, die Freude verwandelte sich in Schrecken. Und so geschah es, da der Drache die Menschen nicht ganz unvorbereitet traf. Seine Fluggeschwindigkeit war nicht gering, und es dauerte nicht lange, bis sie ihn wie einen Feuerfunken herankommen sahen. Immer gewaltiger, blendend heller wurde der Drache, und die klugen Leute sahen nun ein, da die Prophezeiungen sich leider ins Gegenteil verkehrten. Noch blieb ihnen ein wenig Zeit. Jedes Gef in der Stadt wurde mit Wasser gefllt. Jeder Krieger war in Waffen, jeder Bolzen und jeder Pfeil lag griffbereit. Die Brcke zum Ufer wurde abgerissen und zerstrt, ehe das schreckliche Getse des nahenden Drachen lauter wurde und der See sich unter dem schaurigen Flgelschlag feuerrot kruselte. Mitten in das Geschrei und Jammern brach der Drache ber sie herein. Er schwang sich zur Brcke herab - und sah sich berlistet. Die Brcke war verschwunden, und seine Feinde saen drben auf einer Insel im tiefen Wasser - zu tief, zu dunkel und zu kalt fr einen Drachen. Htte er sich hineingestrzt, so wrde sich ein solcher Dampf erhoben haben, da das ganze Land ringsum fr Tage in dichtem Nebel versunken wre. Aber der See war mchtiger als Smaug. Sein tiefes Wasser htte die Feuerglut des Drachen gelscht, ehe er hinber gelangte. Brllend kehrte er um und flog ber die Stadt. Ein Hagel dunkler Pfeile prasselte ihm entgegen. Sie klirrten gegen seine Schuppen und Juwelen, entzndeten sich in Smaugs vernichtendem Atem und fielen brennend und aufzischend in den See, ein Feuerwerk, wie man es sich prchtiger nicht vorstellen kann. Das Schwirren der Bogensehnen und das Schrillen der Trompeten machten Smaug blind vor Wut und Zorn. Keiner hatte jahrhundertelang gewagt, ihm eine offene Schlacht zu liefern. Und wenn jener Mann mit der grimmigen Stimme nicht gewesen wre (Bard war sein Name), so htte es auch jetzt keiner gewagt. Bard rannte umher und schrie den Bogenschtzen Mut zu. Er zwang den Meister, da er ihnen befahl, bis zum letzten Pfeil zu kmpfen. Feuer scho dem Drachen aus dem Maul. Fr eine Weile kreiste er hoch in der Luft und erleuchtete den ganzen See. Die Bume an den Ufern schimmerten wie Kupfer und Blut. Ihre dunklen Schatten irrten gespenstisch am Boden. Dann brach Smaug geradewegs in den Pfeilhagel hinein, tollkhn in seiner Wut, und hatte nicht acht, ob sein Schuppenpanzer den Menschen zugekehrt war oder nicht: Sein einziger Gedanke war, die Stadt in Brand zu setzen. Feuer sprang von den Strohdchern und von den Balkenenden auf, whrend Smaug sich immer von neuem herabstrzte, wendete und zurckkehrte. Was ntzte es, da alle Dcher mit Wasser begossen wurden, ehe er kam. Abermals flogen die Wassereimer hundert Hnde entlang, wo immer ein Brand ausbrach. Aber immer wieder kehrte der Drache zurck. Ein Schlag mit seinem Schwanz, und die groe Halle strzte krachend zusammen. Hoch sprang die nicht mehr zu erstickende Flammensule in die Nacht. Noch ein Angriff und noch einer: Der Feuersturm erfate ein Haus nach dem anderen, und es krachte zusammen. Kein Pfeil hielt Smaug zurck, keiner verletzte ihn mehr als ein Mckenstich drben in den Smpfen. Schon sprangen an allen Seiten der Inselstadt die Menschen ins Wasser. Frauen und Kinder flchteten in die Lastboote des Markthafens. Waffen wurden fortgeworfen. Kummer und Trauer herrschten, wo vor noch gar nicht langer Zeit die alten Lieder ber die Zwerge und die kommenden frohen und heiteren Zeiten erklungen waren. Jetzt verfluchten sie die Zwerge. Der Meister aber flchtete zu seinem groen, vergoldeten Boot und hoffte, in der allgemeinen Verwirrung davonrudern und sich in Sicherheit bringen zu knnen. Bald wrde die ganze Stadt vernichtet sein, heruntergebrannt bis auf den dunklen Spiegel des Sees. Das jedenfalls war Smaugs Absicht. Er hatte nichts dagegen, da sie in ihre Boote kletterten. Das wrde eine schne Jagd geben! Oder er wrde sie auf dem See aushungern. Gingen sie aber an Land, so wrde er schon wissen, was er zu tun hatte. Den ganzen Uferwald wrde er in Brand setzen, Feld und Weideland ausdorren. Gerade jetzt aber betrieb er die Vernichtung der Stadt wie einen Sport. Seit Jahren hatte ihm nichts mehr solchen Spa gemacht. Aber da hielt immer noch eine Schar Bogenschtzen zwischen den brennenden Husern stand. Ihr Fhrer war Bard mit der grimmigen Stimme und dem steinernen Gesicht. Obgleich seine Freunde ihn wegen der prophezeiten berschwemmungen und vergifteten Fische verlacht und verspottet hatten, kannten sie doch seinen Wert und seinen Mut. Einer seiner Vorfahren war Girion, Frst von Dal, dessen Frau und Kind auf dem Eiligen Wasser dem Untergang entronnen waren. Jetzt scho er mit einem groen Eibenbogen, bis alle seine Pfeile - ein einziger ausgenommen - verschossen waren. Dicht neben ihm prasselten die Flammen. Seine Kameraden verlieen ihn. Er spannte den Bogen zum letzten Male. Pltzlich flatterte aus dem Dunkel etwas auf seine Schulter. Er erschrak - aber es war nur eine alte Drossel. Furchtlos lie sie sich dicht neben seinem Ohr nieder und brachte seltsame Nachricht. Bard wunderte sich, da er die Sprache der Drossel verstehen konnte. Aber er war ja ein Sohn von Dal. "Warte", sagte sie zu ihm. "Der Mond kommt herauf Schau auf die linke Seite von Smaugs Brust, wenn er ber dir kreist!" Und whrend Bard staunend zuhrte, erzhlte sie ihm, was im Berg geschehen und was dort oben gesprochen worden war. Dann zog Bard die Bogensehne bis ans Ohr. Der Drache flog niedrig kreisend zurck, und als er herankam, erhob sich der Mond ber dem Ostufer und versilberte Smaugs gewaltige Schwingen. "Pfeil", sagte der Bogenschtze, "schwarzer Pfeil, ich habe dich als letzten aufgespart. Du hast nie gefehlt, immer habe ich dich wiedergefunden. Ich habe dich von meinem Vater erhalten, und auch er erhielt ihn als Erbe aus alten Tagen. Wenn du wirklich aus den Schmieden des wahren Knigs unter dem Berg kommst, so flieg jetzt, und Glck sei mit dir!" Der Drache scho tiefer denn je herab, und als er sich wandte, versprhte seine untere Panzerseite im Mondlicht weies Edelsteingeglitzer - aber ein einzelner Fleck blieb stumpf Der groe Eibenbogen schwirrte, und der schwarze Pfeil verlie in gradem Flug die Sehne, geradewegs hinauf zu jenem stumpfen Fleck in der linken Brustseite, ber dem sich die Vordertatze zum Schlag erhoben hatte. Der Pfeil schlug ein - und Widerhaken, Schaft und Feder verschwanden, so scharf war sein Flug. Mit einem Schrei, der Menschen ertauben lie, Bume fllte und Steine zersplitterte, scho Smaug feuerspeiend in die Hhe, berschlug sich und krachte von oben zu Tode getroffen herab. Mitten in die Stadt fiel der Drache. In seinem Todeskampf schlug er Esgaroth in funkensprhende Trmmer. Der See brach herein. Eine gewaltige Dampfwolke erhob sich, wei vor der tiefen Finsternis unter dem Mond. Ein Zischen, ein aufschieender Wirbel - dann war Stille. Und dies war das Ende von Smaug und Esgaroth, nicht aber von Bard. Der Mond stieg hher und hher, und der Wind blies laut und kalt. Er drehte seltsam verzwirnte Wolkensulen und jagende Felsen aus dem weien Nebel, trieb ihn fort nach Westen und zerfetzte ihn ber den Smpfen am Rande des Nachtwaldes. Wie schwarze, kleine Pnktchen trieben zahlreiche Boote ber den See, und der Wind trug die Stimmen der Menschen von Esgaroth ber das Wasser, die ihre verlorene Stadt, ihr Hab und Gut und ihre zerstrten Huser beklagten. Indessen war trotz allem Anla genug, dankbar zu sein wenn man es auch gerade in diesem Augenblick nicht von ihnen erwarten konnte. Mindestens drei Viertel der Stadtbevlkerung war mit dem Leben davongekommen. Ihre Wlder, Weiden und Felder, das Vieh und die meisten ihrer Boote waren heil geblieben. Und der Drache war tot. Was das bedeutete, hatten sie noch gar nicht begriffen. Am westlichen Ufer sammelten sich die jammernden Menschen. Sie froren im kalten Wind. Ihre erste Verbitterung machte sich Luft gegen den Meister, der die Stadt allzu rasch verlassen hatte, whrend mancher noch bereit war, sie zu verteidigen. "Er mag einen gescheiten Kopf haben, was Geschfte angeht, besonders fr seine eigenen", murrten einige. "Aber wenn es ernst wird, dann ist kein Verla auf ihn." Und sie priesen Bards Mut und seinen letzten wunderbaren Schu. "Wenn er blo nicht gefallen wre", klagten alle. "Wir wrden ihn zum Knig machen. Bard, der Drachenschtze, aus dem Geschlecht von Girion! Welch ein Jammer, da er tot ist!" Mitten in ihre Rede trat eine groe Gestalt aus dem Schatten der Nacht, triefend vor Nsse, das schwarze Haar wirr ber Gesicht und Schulter hngend - aber der Stolz sprach aus seinen Augen. "Bard ist nicht tot!" sagte er. "Er tauchte unter und verlie schwimmend Esgaroth, als der Feind geschlagen war. Ich bin Bard aus dem Geschlecht von Girion. Ich bin der Drachentter." "Knig Bard! Knig Bard!" schrien sie, indessen der Meister mit den Zhnen knirschte. "Girion war Frst auf Dal, nicht Knig von Esgaroth!" sagte er. "In der Seestadt whlten wir von jeher unter den Alten und Weisen einen Meister aus. Nie haben wir die Herrschaft kriegerischer Mnner geduldet. Lat euren Knig Bard zurck in sein angestammtes Reich gehen - durch seinen Mut ist Dal frei geworden. Nichts hindert seine Rckkehr. Und jeder, der will, kann mit ihm gehen, wenn ihm die kalten Steine im Schatten des Berges lieber sind als die grnen Ufer des Sees. Wer gescheit ist, bleibt hier, denkt an den Wiederaufbau der Stadt und geniet, wenn es soweit ist, ihren Frieden und Reichtum." "Wir wollen Knig Bard!" schrie das in der Nhe stehende Volk ihm als Antwort zu. "Wir haben genug von Geldzhlern und alten Mnnern!" Und die weiter entfernt Stehenden nahmen den Ruf auf und schrien: "Hoch der Bogenschtze und nieder mit den Geldzhlern!", bis das Geschrei das ganze Ufer entlang widerhallte. "Ich bin der letzte, der Bard, den Bogenschtzen, gering achtet", sagte der Meister vorsichtig (denn Bard stand dicht neben ihm). "Heute nacht hat er sich einen hervorragenden Platz unter den Wohlttern unserer Stadt verdient. Er ist wert, da man zahlreiche, unsterbliche Heldenlieder ber ihn singt. Aber, warum, o Volk", und dabei reckte sich der Meister auf seine Fuspitzen und sprach sehr laut und klar, "warum schiebt ihr alle Schuld auf mich? Fr welchen Fehler wollt ihr mich absetzen? Wer weckte den Drachen aus seinem Schlaf, das mchte ich fragen? Wer erhielt von uns reiche Geschenke und gromtige Hilfe und machte uns glauben, da die alten Lieder wieder wahr wrden? Wer rechnete mit unserem guten Herzen und unserer Leichtglubigkeit? Wie sah denn das Gold aus, das sie als Dank zu uns den Flu herab geschickt haben? Drachenfeuer und Vernichtung! Von wem also sollten wir die Wiedergutmachung des Schadens fordern, die Hilfe fr unsre Witwen und Waisen?" Wie ihr seht, hatte dieser Mann seine Stellung als Meister der Stadt Esgaroth nicht umsonst erhalten. Der Erfolg seiner Rede war, da das Volk seinen Wunsch nach einem neuen Knig fr den Augenblick vllig verga und Thorin und seine Gesellschaft zur Zielscheibe ihres rgers machte. Ungezgelte, bittere Worte wurden laut. Einige von denen, die damals die alten Lieder am lautesten gesungen hatten, schrien sich jetzt heiser, da die Zwerge den Drachen vorstzlich gegen sie auf gestachelt htten! "Ihr Narren!" sagte Bard. "Warum Schande und Zorn auf diese unglcklichen Geschpfe laden? Ohne Zweifel kamen sie zuerst im Feuer um, als Smaug sich gegen uns wandte." Dann aber, mitten in seiner Rede, rhrte sich der Gedanke in seinem Herzen, da der mrchenhafte Schatz jetzt ohne Hter und Eigentmer im Berg lag, und er schwieg pltzlich. Er dachte an die Worte des Meisters, dachte an die wiederaufgebaute Stadt Dal, ber der goldene Glocken klingen sollten, wenn er nur die Menschen finden konnte fr dieses Werk. Schlielich erhob er seine Stimme abermals: "Dies ist nicht die Zeit fr bse Worte, Meister. Auch sollten wir nicht gerade jetzt gewichtige Vernderungen erwgen. Arbeit wartet auf uns. Ich diene Euch noch immer. Nach einer gewissen Zeit jedoch werde ich vielleicht noch einmal ber Eure Worte nachdenken und mit jedem, der mir folgen will, nach Norden ziehen." Damit schritt er davon, um bei der Anlage der Lager zu helfen und fr die Kranken und Verwundeten zu sorgen. Aber der Meister starrte finster hinter ihm her und blieb auf seinem Fleck sitzen. Er dachte viel nach und sagte wenig - wenn es nicht gerade darum ging, Leute herbeizurufen, die ihm Feuer zum Wrmen und etwas zu essen bringen sollten. berall, wohin Bard jetzt auch ging, fand er, da sich unter dem Volk die Gesprche ber den gewaltigen Schatz, der nun nicht mehr bewacht wurde, wie ein Lauffeuer verbreitet hatten. Die Leute sprachen nur noch von dem Schadenersatz, den sie bald erhalten wrden, darber hinaus von Reichtmern, mit denen sie die verlockenden Dinge aus dem Sden kaufen wollten. Das munterte sie bei ihrer harten Arbeit ordentlich auf. Und das war gut so, denn die Nacht war bitter kalt. Ein Dach ber dem Kopf konnten nur wenige erhalten (der Meister hatte eines), und Lebensmittel gab es auch nur in sehr beschrnktem Mae (selbst beim Meister waren sie knapp). Durch die Nsse und Klte und die Sorgen dieser Elendsnacht wurde mancher, der unverletzt die Vernichtung der Stadt berstanden hatte, krank und starb. Und die folgenden Tage sahen viel Unglck und Hunger. Unterdessen hatte Bard die Zgel in die Hand genommen. Er ordnete alle Angelegenheiten, wie er es fr gut hielt (jedoch stets im Namen des Meisters). Es war eine schwere Aufgabe, das Volk zu fhren und die Vorbereitungen zum Schutz und zur Unterbringung der Menschen zu treffen. Wahrscheinlich wren die meisten in dem harten Winter gestorben, der allzu rasch auf diesen Herbst folgte, wenn keine Hilfe gekommen wre. Aber die Hilfe kam bald. Bard hatte sofort Eilboten fluauf in den Wald geschickt, um Hilfe beim Elbenknig zu erbitten. Diese Boten waren auf ein aufbrechendes Heer gestoen, obwohl erst drei Tage nach dem Tod von Smaug vergangen waren. Von den Vgeln, die sein Volk liebten, und von eigenen Kundschaftern hatte der Elbenknig die Neuigkeit erfahren. Er wute also, was geschehen war. Denn in der Tat, die Aufregung unter allem, was an der Grenze des vom Drachen verwsteten Landes Flgel trug, war nicht gering. Die Luft war von kreisenden Vogelschwrmen erfllt, und die rasch fliegenden Eilboten schossen kreuz und quer ber den Himmel. ber dem Saum des Nachtwaldes pfiff und schrie und fltete es in allen Vogelsprachen. Weit ber dem Wald verbreitete sich das Wort: "Smaug ist tot!" Laub raschelte, erschreckt hielten alle den Atem an. Und noch ehe der Elbenknig fortritt, hatte die Nachricht sich nach Westen bis zu den Fichtenwldern der Nebelberge verbreitet. Beorn in seinem Holzhaus hatte sie gehrt, und die Orks hielten Rat in ihren finsteren Hhlen. "Das wird die letzte Nachricht von Thorin Eichenschild sein", sagte der Knig. "Ich frchte, er wre besser mein Gast geblieben. Wie dem auch sei, es blst ein schlechter Wind", fgte er hinzu, "der bringt keinem Gutes. " Denn auch er hatte die Sage von dem mrchenhaften Reichtum Thrors nicht vergessen. So kam es, da Bards Botschafter ihn mit zahlreichen Speertrgern und Bogenschtzen auf dem Marsch fanden. In mchtigen Scharen sammelten sich Krhen ber seinem Heer, denn sie dachten, da ein Krieg bevorstnde, wie es ihn . seit langen Zeiten in diesen Gegenden nicht mehr gegeben hatte. Aber als der Knig Bards Bittgesuch vernahm, hatte er Mitleid, denn er war der Frst eines guten und freundlichen Volkes. So nderte er die Richtung, und anstatt geradewegs zum Einsamen Berg zu marschieren, eilte er, dem Flu folgend, zum Langen See. Da er nicht genug Boote und Fle fr sein Heer hatte, war er gezwungen, den langsameren Fuweg zu whlen. Er sandte jedoch groe Mengen von Vorrten auf dem Wasserweg voraus. Indessen, Elben sind leichtfig, und obgleich sie in jenen Tagen wenig an Mrsche gewhnt und die verrterischen, unsicheren Landstriche zwischen dem Nachtwald und dem Langen See ihnen kaum vertraut waren, ging der Zug schnell voran. Bereits am fnften Tag nach Smaugs Tod erreichten sie die Seeufer und schauten auf die Trmmer von Esgaroth. Sie wurden herzlich willkommen geheien, und das verwundert gewi nicht. Die Menschen und ihr Meister waren bereit, als Gegenleistung fr die Hilfe des Elbenknigs zuknftig jeden Handel abzuschlieen. Ihre Plne waren bald gemacht. Der Meister blieb mit den Kindern und Frauen, den Alten und Kranken zurck. Einige Handwerker und viele geschickte Elben gesellten sich zu ihnen. Es wurden Bume gefllt und Holz gesammelt, das man ihnen aus dem Nachtwald den Flu herab zuschickte. Dann begannen sie, fr den nahenden Winter Vorsorge zu treffen und zahlreiche Htten am Ufer zu errichten. Auch planten sie unter der Leitung des Meisters eine neue Stadt, die noch schner und grozgiger als die alte angelegt werden sollte - allerdings nicht am selben Platz. Sie verlegten sie weiter nordwrts, hher das Ufer hinauf, denn sie hatten fr alle Zeiten Furcht vor dem Wasser, in dem der tote Drache lag. Nie wieder wrde er zu seinem goldenen Schlaflager zurckkehren. Kalt wie Stein lag er auf dem Grund der Untiefe ausgestreckt. Dort konnte man noch viele Jahre lang bei ruhigem Wetter seine gewaltigen Knochen zwischen den zerstrten Pfhlen der alten Stadt sehen. Aber nur wenige wagten es, den verfluchten Ort zu berqueren, und keiner versuchte je, in das zitternde Wasser hinabzutauchen und die kostbaren Juwelen zu bergen, die von seinem verrottenden Panzer herabfielen. Alle waffenfhigen Mnner aber und der grte Teil der Mannschaft des Elbenknigs machten sich zum Aufbruch bereit, nach Norden zum Einsamen Berg. So durchschritt am elften Tage nach dem Fall der Stadt die Vorhut das Felsentor am Ende des Sees und erreichte die vom Drachen verwsteten Lnder. ~Die Wolken sammeln sich Und nun wollen wir zu Bilbo und den Zwergen zurckkehren. Die ganze Nacht hindurch wachte einer von ihnen, aber als der Morgen kam, hatte keiner Anzeichen einer Gefahr gehrt oder gesehen. Immer dichter jedoch sammelten sich die Vogelschwrme. Ihre Scharen kamen von Sden geflogen. Und unaufhrlich schrien und klagten die Krhen, die den Berg nie verlassen hatten. "Etwas Merkwrdiges geschieht!" sagte Thorin. "Die Zeit fr den Herbstzug ist vorbei. Und dies sind Vgel, die im Land bleiben. Da sind Stare und ganze Scharen von Finken, und weiter drben kreisen zahllose Aaskrhen, als sollte hier eine Schlacht stattfinden." Pltzlich zeigte Bilbo hinaus: "Da ist auch die alte Drossel wieder!" rief er. "Sie ist offenbar davongekommen, als Smaug die ganze Bergseite zerschmetterte. Aber ich vermute, da die Schnecken droben vernichtet wurden." Wirklich, die alte Drossel war wieder da. Und als Bilbo auf sie zeigte, flog sie heran und setzte sich dicht vor ihnen auf einen Stein. Dann schlug sie mit den Schwingen und sang. Endlich legte sie den Kopf schief, als ob sie lauschte, und wieder sang sie, und wieder lauschte sie. "Ich glaube sie will uns etwas sagen", meinte Balin. "Aber ich kann leider der Rede dieser Vgel nicht folgen, sie ist zu schnell und zu schwierig. Knnt Ihr sie vielleicht verstehen, Beutlin?" "Nicht sehr gut", entgegnete Bilbo (genaugenommen konnte er berhaupt nichts verstehen)."Aber der alte Bursche scheint furchtbar aufgeregt zu sein." "Ich wnsche blo, es wre ein Rabe", sagte Balin. "Und ich dachte, Ihr knntet Raben nicht leiden! Mir schien, Ihr wret ihnen lieber aus dem Weg gegangen, als wir hier heraufkamen." "Das waren Krhen! Verdchtig aussehende, hliche Gesellen und roh obendrein. Ihr httet blo hren sollen, was fr Schimpfworte sie hinter uns herriefen. Raben jedoch sind ganz anders. Fr gewhnlich herrschte groe Freundschaft zwischen ihnen und Thrors Volk. Oft brachten sie uns geheime Nachrichten. Sie wurden mit blitzenden Gegenstnden belohnt, auf die sie rein nrrisch waren und die sie in ihren Nestern verbargen. Sie leben viele Jahre, ihr Gedchtnis ist lang, und sie berliefern die Weisheit ihren Kindern. Als ich noch ein junger Zwergenbursche war, kannte ich manchen von den Raben persnlich. Diese Anhhe wurde Rabenberg genannt, weil ein gescheites, berhmtes Rabenpaar hier hauste, der alte Carc und seine Frau. Sie nisteten genau ber dem Wachraum. Aber ich glaube nicht, da sich noch einer vom alten Stamm hier aufhlt." Kaum hatte er geendet, als die Drossel einen schrillen Pfiff ausstie und unverzglich davonflog. "Wir verstehen sie nicht", sagte Balin, "aber ich bin sicher, da dieser alte Vogel uns verstanden hat. Haltet gut Wache und seht zu, was geschieht." Nicht lange, und sie hrten ein Flgelschlagen. Die Drossel kehrte zurck. Und mit ihr kam ein uralter, fast blinder Vogel, der nur noch schwerfllig flog und einen kahlen Kopf hatte. Es war ein hochbetagter, auerordentlich groer Rabe. Steif setzte er sich vor ihnen auf den Boden, schlug mde ein paarmal mit den Schwingen und hpfte Thorin entgegen. "O Thorin, Sohn von Thrain, und Balin, Sohn von Fundin, krchzte er (Bilbo verstand, was er sagte, denn er benutzte die gewhnliche und nicht die Vogelsprache). "Ich bin Roc, Sohn von Carc. Carc ist tot, aber Ihr kanntet ihn einst gut. Es ist zwar schon einhundertdreiundfnfzig Jahre her, da ich aus dem Ei kroch, aber nie werde ich vergessen, was mein Vater mir sagte. Jetzt bin ich Herr der groen Bergraben. Wir sind nur wenige, aber wir erinnern uns gut an den Knig der alten Zeiten. Die meisten meines Volkes sind unterwegs, denn es stehen im Sden wichtige Ereignisse bevor, Ereignisse, die Euch freuen, aber auch andere, die Euch Sorge machen werden. Schaut, die Vgel kommen aus Sd und Ost und West zum Berg und nach Dal zurck, denn das Wort geht um: Smaug ist tot!" "Tot! Tot?" schrien die Zwerge. "Tot! Dann haben wir unntz Angst vor ihm gehabt - dann ist der Schatz unser!" Sie sprangen auf und vollfhrten Luftsprnge vor Freude. "Ja, tot", sagte Roc. "Die Drossel hier - mgen ihr nie die Federn ausfallen - sah ihn sterben. Wir drfen ihren Worten glauben. Sie sah ihn in der Schlacht von Esgaroth fallen, drei Nchte zuvor, beim Aufgang des Mondes." Es dauerte geraume Zeit, bis Thorin die Zwerge dazu brachte, still zu sein und den Nachrichten des Raben weiter zu lauschen. Als er schlielich die ganze Geschichte des Kampfes erzhlt hatte, fuhr Roc fort: "Soweit die erfreuliche Seite, Thorin Eichenschild. Ihr knnt ohne Gefahr zu Eurem Palast zurckkehren. Der ganze Schatz ist Euer - im Augenblick. Aber viele versammeln sich, nicht nur die Vgel. Die Nachricht vom Tod des Wchters ist weit und breit im Land umgegangen, und die Sage, die Jahr um Jahr von dem Reichtum Thrors erzhlt wurde, ist nie aus dem Gedchtnis geschwunden. Viele sind begierig, einen Anteil an der Beute zu bekommen. Schon ist ein Elbenheer im Anmarsch, und die Aaskrhen sind mit ihnen, denn sie hoffen auf Kampf und Schlacht. Am See murren die Menschen, da sie all ihr Leid den Zwergen verdanken, denn sie sind obdachlos, und viele starben. Smaug vernichtete ihre Stadt. Auch sie wollen einen Teil von Eurem Schatz, ob Ihr nun lebt oder ob Ihr tot seid. Eure Klugheit mu entscheiden, was Ihr tun wollt. Aber dreizehn - das ist nur ein kleiner Rest des mchtigen Volkes von Durin, das einmal hier lebte und heute weit zerstreut ist. Wenn Ihr auf meinen Rat hren wollt, so traut nicht dem Meister der Seemenschen, sondern dem, der den Drachen mit seinem Bogen erschossen hat. Es ist Bard aus dem Stamm derer von Dal, Abkomme Girions; er ist ein grimmiger, aber gerechter Mann. Wir mchten nach all der Verwstung wieder Frieden sehen zwischen Zwergen und Menschen und Elben wie es frher war. Aber es kann Euch viel Gold kosten. Ich habe gesprochen." Da brach Thorin in Zorn aus. "Unser Dank, Roc, Carcs Sohn!" sagte er rauh. "Ihr und Euer Volk sollen nicht vergessen werden. Aber kein Gran unseres Goldes soll Dieben oder Gewaltttigen zufallen, solange wir noch einen Atemzug tun. Wenn Ihr uns mehr noch zu Dankbarkeit verpflichten wollt, so bringt uns Nachricht ber jeden, der heranzieht. Auch mchte ich Euch bitten, wenn einer von euch noch jung und stark beschwingt ist: Sendet Boten zu unseren Verwandten in den Bergen des Nordens, westlich oder stlich von hier, und erzhlt ihnen von unserer gefhrlichen Lage. Aber fliegt zuerst zu meinem Vetter Dain in die Eisenberge, denn er hat viele gut bewaffnete Leute und wohnt uns am nchsten. Bittet ihn um hchste Eile!" "Ich heie diesen Entschlu weder gut noch schlecht," krchzte der Rabe, "aber ich will tun, was getan werden kann." Damit flog er langsam davon. "Zurck jetzt zum Berg!" schrie Thorin. "Wir haben wenig Zeit zu verlieren!" "Und wenig zu essen!" fgte Bilbo hinzu, der auf diesem Gebiet stets praktisch dachte. Fr ihn war das Abenteuer mit dem Tode Smaugs zu Ende - ein groer Irrtum brigens -, und er wrde den grten Teil seines Anteils hingegeben haben, um den drohenden Streit friedlich zu lsen. "Zurck zum Berg!", schrien die Zwerge als ob sie ihn nicht gehrt htten. So mute Bilbo mit ihnen gehen. Da euch die Ereignisse schon bekannt sind, wit ihr, da die Zwerge noch einige Tage vor sich hatten. Sie erkundeten abermals die Hhlen und fanden, wie sie es vermutet hatten, da nur das Haupttor als einziges offengeblieben war. Alle anderen Tore (ausgenommen natrlich die kleine Geheimtr) waren seit langem von Smaug zerstrt und gesperrt worden. Nicht eine Spur war briggeblieben. Sie begannen also hart zu arbeiten, denn sie muten den Haupteingang befestigen und einen neuen Pfad anlegen, der ins Tal hinabfhrte. Werkzeuge der alten Bergarbeiter, Steinbrecher und Bauleute fanden sich massenweise. Zwerge waren in solchen Aufgaben noch immer sehr geschickt. Whrend ihrer Arbeit brachten die Bergraben ihnen fortlaufend Nachrichten. Sie hrten, da der Elbenknig sich zum See gewandt hatte, und so blieb ihnen noch eine Atempause. Noch besser, sie erfuhren, da drei ihrer Ponys entkommen waren und wild an den Ufern des Eiligen Wassers umherstreiften, nicht weit von dem Platz, wo sie den Rest ihrer Vorrte gelassen hatten. Und whrend die anderen in ihrer Arbeit fortfuhren, wurden Kili und Fili unter der Fhrung eines Raben ausgesandt, um die Ponys zu fangen und soviel sie tragen konnten mitzubringen. Vier Tage waren sie unterwegs, und inzwischen hatten sie erfahren, da die vereinigten Heere der Menschen und Elben dem Berg zueilten. Aber jetzt wuchs ihr Mut, denn sie hatten fr einige Wochen zu essen - hauptschlich Cram, versteht sich, und Cram hatten sie sehr satt; trotzdem ist Cram immer noch besser als gar nichts. Schon war das Tor durch eine Quadermauer gesperrt, die zwar ohne Mrtel gebaut, aber nichtsdestoweniger mchtig und hoch war. Scharten waren ausgespart, durch die man beobachten (oder schieen) konnte - aber einen Eingang hatten die Zwerge nicht frei gelassen. Hinein und hinaus kletterten sie mit Leitern. Material hievten sie mit Tauen hoch. Fr den Austritt des Flusses hatten sie unter der Mauer einen niedrigen Gewlbebogen gebaut. Aber gleich vor dem ehemaligen Eingang war das enge Bett des Flusses so erweitert worden, da eine breite Wasserflche sich von der Bergwand bis zu den Fllen erstreckte, ber die der Flu hinunterstrzte. Wenn man nicht schwimmen wollte, konnte man sich dem Eingang nur noch auf einem ganz schmalen Sims dicht entlang der rechten Klippe (von drauen gesehen) nhern. Fili und Kili hatten die Ponys nur bis zu den Stufen ber der alten Brcke gebracht. Dort waren sie abgeladen und reiterlos zurck nach Sden zu ihren Besitzern geschickt worden. Dann kam eine Nacht, in der vor ihnen in Dal viele Lichter von Lagerfeuern und Fackeln aufflammten. "Sie sind da", rief Balin. "Und ihr Lager ist sehr gro. Sie mssen unter dem Schutz der Dmmerung auf beiden Seiten des Flusses ins Tal gekommen sein." In dieser Nacht schliefen die Zwerge wenig. Noch war das Morgenlicht schwach, als eine Schar sich ihnen nherte. Hinter ihrer Mauer beobachteten die Zwerge, wie die Leute das Tal entlangzogen und langsam heraufkletterten. Nicht lange, und man konnte erkennen, da es Menschen vom See waren, kriegsmig bewaffnet, und Bogenschtzen der Elben. Schlielich kletterten die ersten ber die wsten Blcke und erschienen oben am Beginn der Flle. Gro war ihre berraschung, als sie die breite Wasserflche vor sich sahen und das Tor von einer Mauer frisch gehauener Quadern versperrt. Als sie so dastanden, auf die Mauer zeigten und durcheinanderredeten, rief Thorin ihnen zu: "Wer seid ihr" (er rief mit sehr lauter Stimme),"die ihr kommt, als wolltet ihr Krieg tragen zu den Toren von Thorin, Sohn von Thrain, Knig unter dem Berg. Was wollt ihr?" Aber sie antworteten nicht. Einige wandten sich rasch zurck, die anderen gafften noch eine Weile das Tor an und seine Befestigung, und dann folgten sie ebenfalls. An diesem Tag wurde das Lager verlegt, mitten zwischen die ausgreifenden Bergflanken. Die Felsen hallten von Stimmen und Liedern wider, wie sie es fr eine lange, lange Zeit nicht mehr getan hatten. Auch Elbenharfen waren zu hren und s klingende Musik. Und wie das Echo heraufdrang, war es, als erwrmte sich die kalte Luft, und ein Duft von Waldblumen und Frhling stieg zu den Zwergen herauf. Da wnschte Bilbo nichts sehnlicher, als aus der dunklen Festung zu entfliehen. Er wollte hinuntergehen und an der Frhlichkeit und dem Schmaus am Lagerfeuer teilnehmen. Auch einige der jngeren Zwerge waren gerhrt und murmelten, da ihnen ein anderer Ausgang ihres Abenteuers lieber gewesen wre und da sie dieses Volk drauen besser als Freunde willkommen heien sollten. Doch Thorin schaute finster drein. Dann brachten auch die Zwerge Harfen und Instrumente aus dem alten Schatz und musizierten, um sein Gemt zu beschwichtigen. Aber ihr Lied war dem der Elben nicht vergleichbar. Es hnelte sehr dem alten Gesang, den sie in Bilbos kleiner Hobbithhle angestimmt hatten. Doch dieses Lied gefiel Thorin. Er lchelte wieder und wurde frhlich. Sogleich berechnete er die Entfernung zu den Eisenbergen und wie lang es dauern wrde, bis Dain den Einsamen Berg erreichen konnte, falls er sogleich aufgebrochen war. Aber Bilbos Herz wurde schwer: Die Rede klang allzu kriegerisch. Am nchsten Morgen sahen sie frh eine Schar Speertrger den Flu berqueren und das Tal heraufkommen. Mit sich fhrten sie das grne Banner des Elbenknigs und das blaue Banner vom See. Sie kamen heran, bis sie dicht vor der Mauer unter dem Eingang standen. Wieder rief ihnen Thorin mit lauter Stimme zu: "Wer seid ihr, die ihr in Waffen zu den Toren Thorins, des Sohns von Thrain, Knig unter dem Berg, kommt?" Diesmal erhielt er Antwort. Ein groer Mann schritt nach vorn, dunkles Haar, grimmiges Antlitz, und er schrie: "Gru, Thorin! Warum verschanzt Ihr Euch wie ein Ruber in seiner Hhle? Noch sind wir keine Feinde. Wir freuen uns, da Ihr, was keiner zu hoffen wagte, noch am Leben seid. Wir kamen und nahmen an, da wir niemand mehr hier am Leben fnden. Jetzt aber, da wir Euch hier treffen, ist es angebracht, Unterhandlung zu fhren und Rat zu halten." "Wer seid Ihr, und worber wollt Ihr unterhandeln?" "Ich bin Bard. Durch meine Hand wurde der Drache erschlagen und Euer Schatz befreit. Geht Euch das nichts an? Mehr noch: Ich bin Abkomme und rechtmiger Erbe Girions von Dal, und in Eurem Schatz befindet sich manches aus seinem Schatz und seiner Stadt, was der alte Smaug gestohlen hat. Ist das nicht eine Angelegenheit, ber die gesprochen werden mu? Weiter zerstrte Smaug in seiner letzten Schlacht die Wohnungen der Menschen von Esgaroth, und noch diene ich ihrem Meister. Ich will fr ihn sprechen und fragen, ob Ihr kein Herz habt fr die Sorgen und das Elend seines Volkes? Sie halfen Euch in Eurem Elend, und als Dank habt Ihr, wenn auch ungewollt, ihnen einzig Zerstrung gebracht." Nun, dies waren ehrliche und gerechte Worte, so stolz und grimmig sie auch gesprochen wurden. Bilbo dachte, da Thorin dies auch sogleich zugeben wrde. Natrlich erwartete Bilbo nicht, da sich irgend jemand jetzt daran erinnerte, wie einzig und allein er die verwundbare Stelle des Drachen entdeckt hatte. Und daran tat er gut, denn keiner erwhnte es. Aber Bilbo hatte auch nicht damit gerechnet, was Gold, auf dem ein Drache lange gebrtet hat, fr eine unwiderstehliche Macht ausbt. Und was in den zwergischen Herzen vorgeht, blieb ihm immer ein Rtsel. Viele Stunden hatte Thorin bei diesem Schatz verbracht. Tief hatte sich die Begierde in ihm festgefressen. Obgleich er hauptschlich nach dem Arkenjuwel gefahndet hatte, war er doch von mancher anderen Herrlichkeit, die dort umherlag, gewaltig angezogen worden. Es waren Kleinodien, mit denen sich viele alte Erinnerungen an Sorge und Arbeit verbanden. "Ihr setzt Eure anfechtbarste Forderung an die letzte und wichtigste Stelle", antwortete Thorin. "Kein Mensch hat Anspruch auf den Schatz meines Volkes, weil Smaug, der ihn stahl, ihm Haus und Leben raubte. Der Schatz gehrt nicht ihm. Also knnen auch Smaugs Untaten nicht damit bezahlt werden. Gter und Hilfe, die wir den Menschen vom See verdanken, werden wir anstndig bezahlen - in angemessener Frist. Aber nichts geben wir unter Druck und Gewalt her, nicht einen roten Heller. Solange ein bewaffnetes Heer vor unserer Tr liegt, betrachten wir es als einen hergelaufenen Haufen von Rubern und Strauchdieben. Ich mchte blo wissen, welches Erbteil Ihr unserer Verwandtschaft zuerkannt httet, wenn Ihr den Schatz unbewacht und uns erschlagen gefunden httet." "Die Frage ist berechtigt", antwortete Bard. "Doch Ihr seid nicht tot, und wir sind keine Ruber. Mehr noch, der Reiche soll ber alle Rechtsansprche hinweg mit dem Bedrftigen Mitleid haben, der sich seiner annahm, als er selbst bedrftig war. Auerdem sind meine anderen Ansprche unbeantwortet geblieben." "Wie ich schon sagte: Mit bewaffneten Menschen, die vor meinem Tor liegen, verhandle ich nicht. Und mit dem Volk des Elbenknigs, den ich in wenig guter Erinnerung habe, schon gar nicht. In dieser Auseinandersetzung ist kein Platz fr sie! Packt Euch jetzt, ehe die Pfeile schwirren! Wenn Ihr noch einmal mit mir reden wollt, so schickt zuerst das Elbenheer heim in die Wlder, wohin es gehrt! Und dann kehrt zurck und legt Eure Waffen nieder, wenn Ihr der Torschwelle naht!" "Der Elbenknig ist mein Freund. Er hat dem Volk am See in seiner Not beigestanden, und das, ohne da es einen Anspruch hatte, einzig aus freundnachbarlicher Hilfe", antwortete Bard. "Wir geben Euch Zeit, Eure Worte zu bereuen. Nehmt Euren Verstand zusammen, ehe wir wiederkehren!" Dann gingen sie ins Lager zurck. Noch ehe einige Stunden verflossen waren, kamen die Bannertrger zurck. Trompeter traten vor und bliesen ein Signal. "Im Namen von Esgaroth und im Namen des Waldes", rief einer, "wir sprechen zu Thorin, Thrains Sohn Eichenschild, der sich selbst Knig unter dem Berg nennt. Wir fordern ihn auf, die vorgetragenen Ansprche anzuerkennen. Sonst sei er zum Feinde erklrt. Als mindestes soll er ein Zwlftel des Schatzes an Bard, den Drachentter und rechtmigen Erben von Girion, ausliefern. Von seinem Teil wird Bard Hilfe an Esgaroth leisten. Aber wenn Thorin Freundschaft und Ansehen in den Lndern drauen genieen will, wie seine Vorvter es taten, dann mag er auch vom eigenen Teil beitragen zur Hilfe fr die Menschen vom See." Da ergriff Thorin einen Hornbogen und scho einen Pfeil auf den Sprecher. Er schlug in den Schild und blieb zitternd stecken. "Wenn das Eure Antwort ist", erwiderte der Sprecher, "so erklre ich den Berg fr belagert. Ihr sollt erst abziehen knnen, wenn Ihr selbst um Frieden und Unterhandlung bittet. Rechnet nicht mit bewaffneten Angriffen - wir liefern Euch Eurem Gold aus. Et es auf, wenn es Euch gefllt!" Damit eilten die Botschafter rasch davon. Die Zwerge blieben zurck und waren sich selbst berlassen. So grimmig war Thorin geworden, da keiner, selbst wenn er gewollt, es gewagt htte, ihn zu tadeln. Aber in Wirklichkeit schienen die meisten Thorins Meinung sogar zu teilen - ausgenommen vielleicht der alte, dicke Bombur und Fili und Kili. Bilbo mibilligte natrlich den ganzen Verlauf der Angelegenheit. Er hatte mehr als genug vom Berg. Und drinnen belagert zu werden war ganz und gar nicht nach seinem Geschmack. "Der ganze Ort stinkt noch immer nach dem Drachen", brummte er, "das macht mich krank. Und dieses Cramzeug bleibt mir einfach im Halse stecken." ~Ein Dieb in der Nacht Elend langsam gingen die Tage vorber. Die meisten Zwerge brachten ihre Zeit damit zu, den Schatz zu ordnen und aufzustapeln. Und jetzt sprach auch Thorin vom Arkenjuwel Thrains und bat sie eindringlich, in jeder Ecke nach ihm zu suchen. "Denn der Arkenjuwel meines Vaters", sagte er, "ist mehr wert als ein ganzer Flu aus Gold, und fr mich ist er berhaupt jenseits aller Werte. Diesen Stein erklre ich als mein ausschlieliches Eigentum, und ich werde mich an jedem rchen, der ihn findet und verbirgt." Bilbo hrte das und bekam es mit der Angst zu tun. Er berlegte, was wohl geschehen wrde, wenn man den Arkenjuwel bei ihm fnde - eingewickelt in ein Bndel alter Fetzen, die er als Kopfkissen benutzte. Trotzdem erwhnte er kein Wort, denn als das Elend dieser Tage immer grer wurde, begann ein Plan in ihm zu reifen. Es nderte sich nichts. Die Zeit verging. Aber eines Tages brachten Raben die Nachricht, da Dain mit mehr als fnf hundert Zwergen von den Eisenbergen herbeieilte und nur noch zwei Tagemrsche von Dal entfernt war. Sie rckten von Nordosten an. "Unbemerkt werden sie den Berg nicht erreichen", sage Roc, "und ich frchte, es wird im Tal zur Schlacht kommen. Eine Schlacht aber heie ich nicht gut. Denn obgleich Dains Zwerge ein kampfgewohntes Volk sind, werden sie kaum in der Lage sein, das Heer, das Euch belagert, zu besiegen. Und selbst wenn es ihnen gelingt - was werdet Ihr dabei gewinnen? Winter und Schnee folgen Dain auf den Fersen. Wie wollt Ihr Lebensmittel ohne die Freundschaft und das Wohlwollen der Lnder ringsum erhalten? Der Schatz wird dann wahrscheinlich Euer Tod sein, obgleich es keinen Drachen mehr gibt!" Aber Thorin lenkte nicht ein. "Winter und Schnee werden auch den Menschen und Elben den Spa verleiden", sagte er. "Und das Kampieren im verwsteten Feld wird ihnen schwer zu schaffen machen. Mit meinen Freunden hinter ihnen und dem Winter ber ihnen wird es sich leichter verhandeln lassen." In dieser Nacht raffte Bilbo sich auf. Der Himmel war schwarz und mondlos. Als es vollstndig dunkel geworden war, begab er sich in eine Ecke der Halle gleich am Tor und zog aus seinem Bndel ein Seil hervor. Den Arkenjuwel wickelte er in einen Lappen. Dann kletterte er auf die Quadermauer. Nur Bombur stand oben, denn an ihm war die Reihe, zu wachen. Die Zwerge stellten immer nur einen Posten auf. "Es ist mchtig kalt", sagte Bombur. "Ich wnschte, wir htten ein Feuer hier oben, wie sie es drunten im Lager haben." "Drinnen ist es warm genug", erwiderte Bilbo. "Das mag sein. Aber ich habe bis Mitternacht hier drauen auszuhalten, brummte der dicke Zwerg. Kein schnes Geschft. Nicht, da ich so vermessen wre, eine andere Meinung als Thorin zu haben - mge sein Bart immer lnger wachsen -, aber er hatte schon seit jeher einen verflucht steifen Nacken." "Nicht so steif wie meine Beine", sagte Bilbo. "Ich bin hundemde von diesen Treppen und Steingngen. Ich wrde viel darum geben, wenn ich ein bichen Gras an meinen Zehen spren knnte." "Und ich wrde viel darum geben, wenn ich einen krftigen Schluck in meiner Kehle spren und nach einem guten Abendbrot in einem weichen Bett liegen knnte." "Bedaure, ich kann es Euch nicht verschaffen, denn die Belagerung ist leider noch nicht aufgehoben. Aber ich habe schon lange keine Wache mehr gehabt, und wenn Ihr wollt, bernehme ich Eure. Heut nacht kann ich sowieso keinen Schlaf finden." "Ihr seid ein guter Kerl, Mister Beutlin. Ich nehme Euer Angebot gerne an. Ist irgend etwas los, so weckt mich zuerst, denkt daran! Ich liege in der inneren Halle gleich links. Es ist nicht weit." "Geht nur", sagte Bilbo. "Ich wecke Euch um Mitternacht,. und dann knnt Ihr den nchsten Posten wachrtteln." Kaum war Bombur gegangen, da streifte Bilbo seinen Ring an, befestigte das Tau, glitt die Mauer hinunter und war verschwunden. Fnf Stunden hatte er vor sich. Bombur wrde schlafen (er konnte jederzeit schlafen, und seit dem Abenteuer im Nachtwald versuchte er immer wieder, noch einmal der wunderbaren Trume von damals habhaft zu werden). Alle anderen arbeiteten unten mit Thorin. Es war unwahrscheinlich, da einer heraufkam, ehe die Reihe, Wache zu halten, an ihm war. Es war sehr dunkel: Und als Bilbo den krzlich erst angelegten Steig verlassen hatte und zum unteren Flulauf herunterkletterte, war ihm der Weg unbekannt. Endlich gelangte er zu jener Flubiegung, wo er, wenn er das Lager erreichen wollte, das Wasser berqueren mute. Das Flubett war dort zwar seicht, aber auch sehr breit, und es war fr einen kleinen Hobbit durchaus nicht leicht, hinberzugelangen. Er hatte es indessen fast geschafft, als er auf einem runden Stein ausglitt und mit einem Aufklatschen ins kalte Wasser fiel. Kaum war er das andere Ufer hinaufgeklettert, zitternd und unter Gespritze, als Elben mit brennenden Laternen im Dunkel nach der Ursache des Geruschs suchen kamen. "Das war kein Fisch", sagte einer. "Das mu ein Spion sein. Tut die Laternen weg. Sie helfen ihm mehr als uns, falls es dieses merkwrdige kleine Wesen ist, das ihr Diener sein soll." "Diener, in der Tat. schnaufte Bilbo. Und mitten in seinem Schnaufen mute er herzhaft niesen. Sogleich strzten die Elben auf das Gerusch zu. "Macht Licht an!" sagte Bilbo. "Ich bin hier, falls ihr mich sucht!" Und er streifte den Ring ab und sprang hinter einem Stein hervor. Trotz ihrer berraschung ergriffen sie Bilbo sofort. "Wer seid Ihr? Seid Ihr der Hobbit von den Zwergen? Was macht Ihr hier? Wie konntet Ihr so weit durch unsere Postenkette kommen?" fragten sie ihn. "Ich bin Mister Bilbo Beutlin", antwortete er, "ein Gefhrte von Thorin, wenn ihr es wissen wollt. Euren Knig kenne ich gut vom Sehen - vielleicht kennt er mich nicht so gut. Aber Bard wird sich meiner erinnern. Und Bard mchte ich jetzt sprechen." "Wirklich!" sagten sie. "Und was habt Ihr dabei vor?" "Das, meine guten Elben, ist meine eigene Sache. Aber wenn ihr jemals in eure Wlder heimkehren und diesen trostlos kalten Platz verlassen wollt", antwortete er zhneklappernd, "dann bringt mich eilig zu einem Feuer, wo ich trocknen kann und dann lat mich, so schnell es geht, mit euren Fhrern sprechen. Ich habe nur eine oder zwei Stunden Zeit." So also kam es, da etwa zwei Stunden, nachdem er sich aus dem Tor gestohlen hatte, Bilbo an einem warmen Feuer vor einem groen Zelt sa, und neben ihm saen (und starrten ihn immer noch wie ein Weltwunder an) der Elbenknig und Bard. Ein Hobbit in Elbenrstung, teilweise in eine alte Wolldecke gewickelt, war kein alltglicher Anblick. "Ihr wit", sagte Bilbo in seinem schnsten Geschftston, "da diese ganze Geschichte ein Unding ist. Und was mich persnlich angeht: Ich bin es satt. Ich will zurck, nach Hause, wo die Leute vernnftiger sind. Aber ich habe ein geschftliches Interesse an der Sache. Um genau zu sein: Mein Schatzanteil beluft sich auf ein Vierzehntel, wie ein Brief besagt, den ich glcklicherweise aufgehoben habe." Aus der Brusttasche seines alten Rocks, den er immer noch ber seiner Rstung trug, zog er den eng gefalteten, zerknitterten Brief Thorins, jenen Brief, den er unter der Uhr auf dem Kaminsims gefunden hatte, im Mai! "Ein Anteil an den Gewinnen, versteht Ihr", fuhr Bilbo fort. "Das gibt mir zu denken. Persnlich bin ich nur zu geneigt, Eure Ansprche sorgfltig zu erwgen und was Rechtens ist, vom Gesamtschatz abzuziehen, bevor ich meine eigenen Ansprche stelle. Aber Ihr kennt Thorin Eichenschild nicht so gut, wie ich ihn jetzt kenne. Ich versichere Euch: Er ist bereit, auf seinem Goldhaufen sitzen zu bleiben und zu verhungern, wenn Ihr nicht abzieht." "Meinetwegen soll er", sagte Bard. "Solche Narren verdienen es, da sie verhungern." "Ganz recht", erwiderte Bilbo. "Ich verstehe Eure Ansicht. Indessen kommt der Winter rasch heran. Nicht lange, und Ihr habt Schnee, die Verpflegung wird schwierig - selbst fr Elben, meine ich. Und dann wird es noch andere Schwierigkeiten geben. Ihr habt noch nichts von Dain und den Zwergen der Eisenberge gehrt." "Natrlich. Es ist schon eine lange Zeit her. Aber was hat das jetzt mit uns zu tun?" fragte der Knig. "Das habe ich mir gedacht. Wie ich sehe, habe ich Neuigkeiten gehrt, die Ihr noch gar nicht kennt. Dain, das kann ich Euch verraten, ist zu dieser Stunde weniger als zwei Tagemrsche von hier entfernt und hat mindestens fnfhundert grimmige Zwerge mit sich. Ein gut Teil hat Erfahrung aus den schrecklichen Kriegen zwischen Zwergen und Orks, von denen Ihr ohne Zweifel gehrt habt. Wenn sie hier ankommen, wird es ernste Verwicklungen geben." "Warum erzhlt Ihr uns das? Verratet Ihr Eure Freunde, oder droht Ihr uns?" fragte Bard grimmig. "Mein lieber Bard", quietschte Bilbo, "seid bitte nicht so voreilig! Wie mitrauisch Ihr seid! Ich will nichts anderes, als allen Beteiligten Kummer ersparen. Und jetzt mchte ich Euch ein Angebot machen." "Lat hren!" sagten sie. "Ihr sollt es sehen!" sagte Bilbo. "Hier ist es!" Und er zog den Arkenjuwel heraus und warf die Verpackung weg. Selbst der Elbenknig, der an den Anblick erlesener Schnheit gewhnt war, stand vor Verwunderung auf Auch Bard schaute und staunte und sagte kein Wort. Es war, als ob eine Kugel mit Mondlicht gefllt wre und vor ihnen in einem Netz hinge, das aus den Strahlen khlglitzernder Sterne gewebt worden war. "Dies ist Thrains Arkenjuwel", sagte Bilbo, "das Herz des Berges. Und es ist auch Thorins Herz. Er schtzt es mehr als einen ganzen Flu aus lauterem Gold. Ich gebe es Euch. Ich will Euch helfen, damit Ihr leichter mit Thorin verhandeln knnt." Und damit gab Bilbo, nicht ohne da ihm ein Schauder den Rcken hinunterlief, mit einem leisen Zgern des Bedauerns den wunderbaren Stein an Bard. Bard hielt ihn ganz benommen in der Hand. "Aber wieso gehrt er Euch und Ihr knnt ihn hergeben?" fragte er schlielich mit sichtbarer Anstrengung. "Ach", entgegnete der Hobbit, der sich gar nicht wohl in seiner Haut fhlte. "So ganz richtig gehrt er mir wohl nicht. Aber ich bin bereit, fr den Juwel auf alle meine Ansprche zu verzichten, versteht Ihr? Mag sein, da ich ein Meisterdieb bin - jedenfalls nennen sie mich so. Ich selber habe mich wirklich nie als einer gefhlt. Aber ich bin ein ehrlicher Meisterdieb, hoffe ich, mehr oder weniger jedenfalls. Und jetzt gehe ich zurck, und die Zwerge mgen mit mir anstellen, was sie wollen. Ich hoffe, Ihr jedenfalls findet meine Absicht gut." Der Elbenknig blickte Bilbo aufs neue voll Verwunderung an. "Bilbo Beutlin", sagte er, "Ihr seid es mehr wert, die Rstung eines Elbenprinzen zu tragen, als mancher, der hbscher darin aussah. Aber es sollte mich wundern, wenn Thorin Eichenschild Eure Tat nicht anders einschtzt. Ich kenne die Zwerge vielleicht besser als Ihr. Und so rate ich Euch: Bleibt bei uns. Ihr sollt uns in Ehren dreifach willkommen sein." "Jedenfalls herzlichen Dank", erwiderte Bilbo mit einer Verbeugung. "Aber ich meine, da ich meine Freunde nicht verlassen darf Schlielich sind wir miteinander durch dick und dnn gegangen. Und dem alten Bombur versprach ich, ihn um Mitternacht zu wecken. Wirklich, ich mu gehen, und es eilt sogar." Sie mochten sagen, was sie wollten - Bilbo war nicht zum Bleiben zu bewegen. Eine Eskorte geleitete ihn, und als er ging, grten ihn sowohl der Knig als auch Bard mit Ehrerbietung. Wie sie durchs Lager kamen, stand ein alter Mann, der einen dunklen Mantel trug, vor einem Zelteingang auf, wo er gerade gesessen hatte. Er schritt ihnen entgegen. "Gut gemacht, Mister Beutlin!" sagte er und klopfte Bilbo auf den Rcken. "Es steckt immer noch mehr in Euch, als einer annehmen sollte!" Es war Gandalf Zum erstenmal seit vielen, vielen Tagen fhlte Bilbo sich wirklich glcklich. Aber da war keine Zeit, all die Fragen zu stellen, die sich ihm sofort aufdrngten. "Alles zu seiner Zeit!" sagte Gandalf. "Wenn ich mich nicht irre, geht Euer Abenteuer seinem Ende zu. Allerdings steht Euch sehr bald eine unerfreuliche Zeit bevor. Aber haltet durch! Es kann sein, da Ihr gut durchkommt. Es geht etwas vor, von dem selbst die Raben noch nichts gemerkt haben. Gute Nacht!" Verwirrt, aber ermutigt, hastete Bilbo weiter. Er wurde zu einer sicheren Furt geleitet und trocken ans andere Ufer gebracht. Dann sagte er den Elben Lebewohl und stieg vorsichtig hinauf zum Eingangstor. Eine groe Mdigkeit berfiel ihn. Indessen erreichte er rechtzeitig vor Mitternacht die Mauer. Noch hing das Tau so, wie er es zurckgelassen hatte, und er kletterte hinauf. Er band es los und verbarg es. Dann setzte er sich auf die Mauer und berlegte angestrengt, was jetzt geschehen wrde. Um Mitternacht weckte er Bombur. Dann legte er sich, in seine Schlafdecke eingewickelt, in seiner Ecke nieder, ohne die Dankesrede des alten Zwerges anzuhren (die, so meinte er, er wohl schwerlich verdient htte). Bald war er tief eingeschlafen und verga all seinen Kummer bis zum Morgen. Genau gesagt, er trumte von Eiern und Schinken. ~Die Wolken bersten Frh erklangen am nchsten Tag die Trompeten im Lager. Bald sah man einen einzelnen Eilboten den engen Steig entlanglaufen. In einiger Entfernung blieb er stehen und rief zur Mauer hinauf, ob Thorin jetzt eine neue Abordnung anhren wolle, denn neue Nachrichten seien eingetroffen, die Lage habe sich gendert. "Dain", sagte Thorin, als er es hrte. "Sie haben Wind bekommen von seinem Anmarsch. Ich habe mir gedacht, da das ihre Stimmung ndert. Sagt ihnen, nur wenige sollen kommen, und ohne Waffen. Dann werde ich sie anhren", rief er dem Boten zu. Gegen Mittag sah man, wie das Banner des Waldreiches und das des Sees herangetragen wurden. Eine Schar von zwanzig Leuten nahte. Am Anfang des schmalen Steiges legten sie Schwert und Speer nieder, und dann traten sie an die Mauer heran. Die Zwerge wunderten sich sehr, da sich Bard und der Elbenknig unter ihnen befanden. Vor ihnen stand ein alter Mann in Mantel und Kapuze und trug ein von starken Eisenbndern umfates Holzkstchen. "Seid gegrt, Thorin!" sagte Bard. "Seid Ihr noch immer derselben Meinung?" "Meine Meinung ndert sich nicht mit einigen Sonnenauf und -untergngen", antwortete Thorin. "Seid Ihr gekommen, mige Fragen zu stellen? Das Elbenheer ist noch immer nicht abgezogen, obgleich ich es verlangt habe. Bis dahin kommt Ihr vergeblich, wenn Ihr mit mir verhandeln wollt." "Und es gibt gar nichts, fr das Ihr ein Gran Eures Goldes abgeben wollt?" "Nichts, das Ihr oder Eure Freunde anzubieten htten. " "Und wie ist es mit Thrains Arkenjuwel? " fragte Bard, und in diesem Augenblick ffnete der alte Mann das Kstchen und hielt den edlen Stein hoch. Wei strahlend glnzte er im Morgenlicht. Fassungslos vor Staunen und Verwirrung stand Thorin da. Keiner sagte etwas. Lange Zeit whrte das Schweigen. Dann brach schlielich Thorin die Stille, und seine Stimme zitterte vor Zorn. "Dieser Stein gehrte meinem Vater, dieser Stein ist mein Eigentum, rief er. "Wie kme ich dazu, mein Eigentum zu erkaufen?" Aber er konnte seine Verwunderung nicht lnger zurckhalten und fgte hinzu : "Doch wie fiel das Erbe meines Hauses Euch in die Hnde - falls es nicht sinnlos ist, Diebe danach zu fragen?" "Wir sind keine Diebe", antwortete Bard. "Wir wollen Euch Euer Eigentum gegen unser Eigentum zurckgeben." "Wie habt Ihr ihn bekommen?" schrie Thorin in steigender Wut. "Ich war es", quietschte Bilbo, "der ihnen den Stein gab." Und er schaute in Todesngsten ber die Mauer hinweg. "Ihr! Ihr! " schrie Thorin, drehte sich Bilbo zu und er griff ihn mit beiden Hnden. "Elender Hobbit! Ihr zu kurz geratener - Meisterdieb!" Die Worte gingen ihm aus, und er schttelte Bilbo wie ein Kaninchen. "Beim Bart von Durin! Ich wnschte, Gandalf wre hier! Verflucht soll er sein, warum hat er Euch blo ausgewhlt. Mge sein Bart verdorren! Und was Euch angeht: In die Klippen werde ich Euch schmettern!" schrie er und hob Bilbo hoch in die Luft. "Halt! Euer Wunsch ist erfllt!" sagte eine Stimme. Der alte Mann, der das Kstchen trug, schlug Mantel und Kapuze zurck. "Hier ist Gandalf! Und das zur rechten Zeit, scheint es. Wenn Ihr meinen Meisterdieb auch nicht mgt, so krmmt ihm bitte kein Haar! Stellt ihn auf die Fe. Und dann hrt zu, was er zu sagen hat!" "Ihr steckt alle unter einer Decke", schnaubte Thorin und setzte Bilbo auf die Mauer nieder. "Nie wieder will ich mit einem Zauberer und seinen Freunden etwas zu schaffen haben. Was habt Ihr zu sagen, Rattensohn?" "Lieber Himmel, lieber Himmel", sthnte Bilbo. "Es ist mir auerordentlich peinlich, glaubt mir. Aber vielleicht erinnert Ihr Euch, da Ihr gesagt habt, ich solle mir mein Vierzehntel selbst auswhlen? Vielleicht nahm ich das allzu wrtlich - ich habe mir sagen lassen, da Zwerge in Worten hflicher sind als in Taten. Es gab ja einmal eine Zeit, da schien es, als ob auch Ihr berzeugt wret, da ich Euch von einigem Nutzen war. Rattensohn! Ist das Eure Erkenntlichkeit, die Ihr mir versprochen habt, Thorin? Nehmt es, wie es ist: Ich habe ber meinen Anteil verfgt, wie ich es fr richtig hielt. Und lat es gehen, wie es gehen mu." "Das will ich", sagte Thorin finster. "Und damit will ich auch Euch gehen lassen. Mgen wir uns nie wieder begegnen!" Dann wandte er sich um und sprach ber die Mauer. "Ich bin verraten", sagte er. "Ihr habt es richtig eingefdelt: Auf den Arkenjuwel kann ich nicht verzichten, ich mu ihn wiedererlangen, er ist der Schatz meines Hauses. Fr diesen Stein will ich ein Vierzehntel des Hortes in Silber und Gold hingeben, abgesehen von den Edelsteinen. Das soll der versprochene Anteil des Verrters sein, und mit diesem Lohn mag er gehen. Und Ihr knnt teilen, wie Ihr wollt. Wenig genug wird ihm brigbleiben, daran zweifle ich nicht. Nehmt ihn jetzt, wenn Ihr ihn lebendig haben wollt. Kein freundschaftliches Band verbindet mich mehr mit ihm. Und jetzt schert Euch hinunter zu Euren Freunden", sagte er zu Bilbo, "oder ich werfe Euch hinunter!" "Und wie steht es mit dem Silber und dem Gold?" fragte Bilbo. "Das soll folgen, sobald wir es einrichten knnen", antwortete Thorin. "Aus den Augen!" "Bis dahin behalten wir den Stein", rief Bard zurck. "Der Knig unter dem Berg erweist sich nicht gerade als besonders groherzig", sagte Gandalf. "Aber die Zeiten knnen sich ndern." "Das knnen sie in der Tat", antwortete Thorin. Und schon erwog er, ob er nicht mit Hilfe Dains den Arkenjuwel erobern und den Anteil Bilbos behalten konnte, so sehr lastete der verderbliche Zauber des Schatzes auf ihm. Bilbo wurde die Mauer hinuntergelassen, und er ging mit einem Nichts fr all seine Mhe - abgesehen von der Rstung, die Thorin ihm vorher schon gegeben hatte. Mehr als einer unter den Zwergen schmte sich tief im Herzen und trauerte ber Bilbos Abschied. "Lebt wohl!" rief er ihnen zu. "Als Freunde wollen wir uns wiedersehen." "Verschwindet!" schrie Thorin. "Ihr tragt eine Rstung, die mein Volk geschmiedet hat und die viel zu gut ist fr Euch. Pfeile knnen sie nicht durchbohren, aber wenn Ihr nicht schnell macht, spiee ich Euch bei Euren elenden Fen auf! Also schnell, fort mit Euch!" "Nicht so hastig!" sagte Bard. "Wir lassen Euch Zeit bis morgen. Mittags kommen wir zurck, und dann werden wir sehen, ob Ihr jenen Teil aus dem Schatz gebracht habt, der fr diesen Stein ausgesetzt ist. Ist das ohne Trug geschehen, dann ziehen wir ab, und das Elbenheer kehrt in den Wald zurck. Inzwischen lebt wohl!" Damit gingen sie in das Lager zurck. Aber Thorin sandte Boten ber Roc an Dain, lie ihn davon unterrichten, was geschehen war, und bat ihn, rasch anzurcken. Der Tag verging, und die Nacht verging. Am nchsten Tag sprang der Wind nach Westen um, und es war dunkel und trbe. Noch war es frh am Morgen, als ein alarmierender Ruf im Lager umging. Eilboten waren gekommen und hatten berichtet, da ein Zwergenheer am stlichen Auslufer des Berges erschienen sei und in Eilmrschen auf Dal zustrebte. Dain war gekommen. Er war die ganze Nacht hindurch marschiert, und nun war sein Heer viel frher eingetroffen, als man erwartet hatte. Jeder von seinen Leuten trug ein Panzerhemd aus sthlernen Kettenringen, das bis zu den Knien herabhing. Die Beine waren von einer Panzerhose aus feinsten biegsamen Metallmaschen geschtzt, die nur Dains Volk herstellen konnte. Diese Krieger waren selbst fr Zwerge ungewhnlich stark. In der Schlacht schwangen sie schwere zweihndige Hacken. Auerdem trugen sie ein breites Kurzschwert an der Seite , und ber der Schulter hing ihnen ein Rundschild. Ihre Gabelbrte waren geflochten und hinter die Grtel gesteckt. Ihre Sturmhauben und ihre Stiefel waren aus Eisen, und ihre Gesichter sahen grimmig aus. Trompeten riefen Menschen und Elben zu den Waffen. Nicht lange, und man konnte die Zwerge im Eilschritt das Tal heraufziehen sehen. Zwischen dem Flu und dem Ostauslufer des Berges hielten sie an. Aber einige zogen gleich weiter, berquerten den Flu und nherten sich dem Lager. Dort legten sie ihre Waffen nieder und erhoben ihre Hnde zum Zeichen des Friedens. Bard ging hinaus, um mit ihnen zu reden, und Bilbo folgte ihm. "Wir sind gesandt von Dain, Sohn von Nain", sagten sie auf Bards Frage. "Wir eilen, unsere Verwandten im Gebirge zu begren, denn wir hren, das alte Knigreich sei neu errichtet worden. Aber wer seid Ihr, die Ihr im Tal wie Feinde vor befestigten Toren lagert?" Das war die hfliche und ein bichen altmodische Sprache, wie man sie bei solchen Gelegenheiten anzuwenden pflegte. Mit einfachen Worten besagte es jedoch nichts anderes als: Ihr habt hier nichts verloren. Wir setzen unsern Weg fort, also macht Platz, oder wir werden gegen euch kmpfen. Sie beabsichtigten wohl, zwischen Bergflanke und Flu vorzurcken, denn der schmale Landstreifen schien nicht sonderlich stark bewacht zu sein. Bard verweigerte natrlich den Zwergen, geradewegs auf den Berg zuzugehen. Er war entschlossen zu warten, bis Gold und Silber zum Austausch fr den Arkenjuwel herausgebracht wurden. Er glaubte nicht daran, da dies je geschehen wrde, wenn die Festung erst einmal durch ein solch zahlreiches und kriegerisches Heer bemannt wre. Dain hatte groe Vorratsmengen mitgebracht, denn Zwerge knnen sehr schwere Lasten tragen. Fast alle aus seinem Volk hatten trotz des raschen Marsches neben ihren Waffen gewaltiges Gepck geschultert. So wrden sie wochenlang einer Belagerung standhalten. Inzwischen wrden immer noch mehr Zwerge kommen, denn Thorin hatte viele Verwandte. Auch wrden sie in der Lage sein, irgendein anderes Tor wieder zu ffnen und zu bewachen, so da die Belagerer den ganzen Berg einschlieen muten. Und dafr waren sie nicht zahlreich genug. So sahen in der Tat die Plne der Zwerge aus (die Rabenboten waren geschftig zwischen Thorin und Dain hin und her geflogen). Aber im Augenblick war der Weg versperrt. Nach rgerlichem Wortwechsel zogen die Zwergenboten sich zurck und brummten Verwnschungen in ihre Brte. Bard indessen sandte sogleich zum groen Tor. Aber dort fanden seine Leute weder Gold noch andere Bezahlung : Pfeile schwirrten ihnen entgegen, als sie auf Schuweite herangekommen waren, und in grter Bestrzung hasteten sie zurck. Im Lager herrschte ein Gewhl, als solle im nchsten Augenblick die Schlacht beginnen. Auf dem Ostufer zogen Dains Zwerge entlang. "Narren!" lachte Bard. "Wer wird denn direkt an der Bergflanke vorbeimarschieren! Vielleicht verstehen sie etwas vom Krieg unter der Erde, aber von Schlachten ber der Erde verstehen sie bestimmt nichts. Unsere Bogenschtzen und Speertrger sind in den Felsen auf ihrer rechten Flanke zahlreich genug verborgen. Zwergenpanzer mgen gut sein, aber sie werden bald viel aushalten mssen. Gleich werden wir sie von beiden Seiten angreifen, ehe sie zu bermtig werden!" Aber der Elbenknig sagte : "Ich will doch lieber abwarten, ehe ich diesen Krieg des Goldes wegen beginne. Die Zwerge knnen nicht an uns vorbei, wenn wir es nicht wollen, und knnen auch nichts unternehmen, das wir nicht bersehen. Noch ist Hoffnung. Vielleicht geschieht etwas, das Ausshnung bringt. Wenn es aber trotzdem zu einer unglckseligen Schlgerei kommen sollte, dann wird unsere zahlenmige berlegenheit gengen." Doch er rechnete nicht mit den Zwergen. Sie wuten, da der Arkenjuwel in den Hnden der Belagerer war, und das lie ihnen keine Ruhe. Auch sahen sie, da Bard und seine Freunde zgerten. Und so waren sie zum Handstreich entschlossen, whrend im anderen Lager noch debattiert wurde. Pltzlich und ohne Signal gingen sie stumm zum Angriff ber. Bogensehnen surrten, und Pfeile pfiffen. Die Schlacht konnte jeden Augenblick entbrennen. Aber noch pltzlicher nahte sich mit unheimlicher Geschwindigkeit eine Finsternis. Eine schwarze Wolke flog ber den Himmel. Der Donner eines Wintergewitters rollte mit dem wilden Wind drhnend heran und zerkrachte am Berg, whrend ein Blitz seinen Gipfel aufleuchten lie. Und unter der Gewitterbank schwirrte eine andere Finsternis heran - aber sie kam nicht mit dem Wind. Sie kam als riesige Vogelwolke aus dem Norden, so dicht, da das Tageslicht zwischen den Schwingen nicht mehr zu sehen war. "Halt! " schrie Gandalf, der pltzlich erschien. Mit erhobenen Armen stand er allein zwischen den angreifenden Zwergen und den sie erwartenden Schlachtreihen. "Halt!" schrie er mit einer Stimme, die den Donner bertnte, und sein Stab sandte Strahlen, heller als Blitze, aus. "Unheil ist ber euch alle hereingebrochen! Und viel schneller, als ich es erwartet hatte. Gleich fallen die Orks ber euch her. Bolg aus dem Norden ist gekommen. O Dain: Bolg, dessen Vater Ihr in Moria erschlagen habt. Seht, die Fledermuse schwirren ber seinem Heer wie ein riesiger Heuschreckenschwarm. Sie reiten auf Wlfen. Und die Warge sind mit ihnen!" berraschung und Verwirrung bemchtigte sich aller. Noch whrend Gandalf sprach, nahm die Dunkelheit zu. Die Zwerge hielten an und starrten zum Himmel hinauf. Die Elben sprachen alle durcheinander. "Kommt!" rief Gandalf. "Noch ist es Zeit, sich zu beraten. Dain, Sohn von Nain, mge rasch zu uns herberkommen!" So begann eine Schlacht, mit der niemand gerechnet hatte. Sie wurde die Schlacht der fnf Heere genannt, und sie war entsetzlich. Auf einer Seite kmpften Orks und Wildwlfe, und auf der anderen Elben, Menschen und Zwerge. Und auf folgende Weise kam es dazu : Seit dem Tod des Groen Ork der Nebelberge war der Ha der Unterirdischen zu heller Glut entfacht. Boten eilten hin und her zwischen ihren Stdten, Niederlassungen und Zwingburgen, denn jetzt wollten sie ein fr allemal die Herrschaft im Norden an sich reien. Sie hatten im geheimen Nachrichten gesammelt. berall in den Bergen wurde geschmiedet und gerstet. Dann begann der Feldzug. Sie sammelten sich in Bergen und Tlern und marschierten ausschlielich durch ihre Tunnels oder in der Dunkelheit. Schlielich gelangten sie zu dem groen Berg Gundabad im Norden, wo ihre Hauptstadt lag. Ein gewaltiges Heer versammelte sich hier, das sich bereitmachte, whrend eines Unwetters unerwartet im Sden einzufallen. Dann hrten sie vom Tode Smaugs, und ihre Freude war gro. Nacht um Nacht hasteten sie in Eilmrschen durch das Gebirge und kamen auf diese Weise dicht hinter Dain her. Nicht einmal die Raben wuten etwas von ihrem Kommen, bis sie in die offenen, verwsteten Landschaften zwischen ihren Bergen und dem Einsamen Berg einfielen. Wieviel Gandalf darber wute, steht nicht fest. Aber es war offensichtlich, da er diesen berraschungsangriff nicht erwartet hatte. Und so sah sein Plan aus, den er mit dem Elbenknig und mit Bard fate - und mit Dain, denn der Zwergenfrst hatte sich mit ihnen vereinigt. Die Orks waren die Feinde aller, und so waren jetzt alle anderen Streitigkeiten vergessen. Ihre einzige Hoffnung war, da sie die Orks talauf zwischen die nach Ost und Sd sich erstreckenden Bergauslufer locken konnten. Diese groen Auslufer wollten sie besetzen. Aber das wrde gefhrlich sein, falls die Orks so zahlreich waren, da sie den Berg selbst berwinden konnten. Dann wrden sie von hinten und von oben angreifen. Aber es blieb keine Zeit, einen anderen Plan aufzustellen oder Hilfe anzufordern. Bald zog das Gewitter nach Sdost ab. Die Fledermauswolke kam, tiefer fliegend, ber die Bergseite, schwirrte ber ihre Kpfe hinweg, lschte das Tageslicht aus und erfllte alle mit Furcht und Schrecken. "Zum Berg!" schrie Bard. "Zum Berg! Nehmt eure Pltze ein, solange noch Zeit ist!" Auf dem sdlichen Auslufer, in seinen niedrigeren Hngen und den Felsen an seinem Fue setzten sich die Elben fest. Auf dem stlichen Auslufer rsteten sich Menschen und Zwerge. Aber Bard und einige der gewandtesten Menschen und Elben erkletterten den Grat des Ostauslufers und sphten nach Norden aus. Da sahen sie die Lande vor dem Berg schwarz von heraneilenden Orkmassen. Es dauerte gar nicht lange, und die Vorhut wirbelte um den Bergauslufer und strzte nach Dal hinein. Es waren die schnellsten Wolfsreiter. Ihr Geschrei und Geheul zerri die Luft. Einige wenige mutige Mnner traten ihnen entgegen und leisteten schwachen Widerstand. Viele von ihnen fielen, ehe der Rest sich zurckzog und nach beiden Seiten floh. Wie Gandalf gehofft hatte, sammelte sich das Heer hinter der aufgehaltenen Vorhut und strmte nun wtend ins Tal, zwischen die Bergflanken, wo sie den Feind erwarteten. Ihre roten und schwarzen Banner waren zahllos, wie eine Flut brandeten sie daher, voll rasender Wut und ohne Ordnung. Es war eine schreckliche Schlacht, das schlimmste Erlebnis, das Bilbo je widerfuhr und das er zeit seines Lebens am meisten hate. Aber es mu gesagt werden, da es ein Erlebnis blieb, auf das Bilbo sehr stolz war. Und noch lange erzhlte er nur zu gern davon, obgleich er eine ganz belanglose Rolle darin spielte. Gleich zu Anfang streifte er den Ring auf den Finger und verschwand aus dem Blickfeld - allerdings nicht aus der Gefahr. Ein Zauberring dieser Art ist durchaus kein ausreichender Schutz gegen einen Orkangriff. Er schtzt nicht vor schwirrenden Pfeilen und wild geworfenen Speeren. Aber er hilft, dem Schlimmsten aus dem Weg zu gehen, und bewahrt euren Kopf davor, Ziel fr die Schwertstreiche eines Orks zu sein. Die Elben griffen zuerst an. Ihr Ha gegen die Orks war ein kalter, bitterer Ha. Ihre Speere und Schwerter leuchteten im Zwielicht mit schneidend kalter Flamme - so tdlich war der Ha der sie fhrenden Hnde. Sobald das Heer ihrer Feinde dicht im Tal aufgerckt war, schickten sie einen Pfeilhagel hinein. Jeder abgeschossene Pfeil glhte auf wie ein Feuerstreif. Den Pfeilen folgten tausend Speertrger, die zum Angriff bergingen. Schreie gellten ohrenbetubend. Die Felsen schwrzten sich von Orkblut. Gerade als sich die Orks von dem unerwarteten Angriff erholten und die Elben zum Stehen gekommen waren, erhob sich von der anderen Talseite ein tiefkehliges Gebrll. Mit dem Ruf "Moria!" und "Dain, Dain!" griffen die Zwerge der Eisenberge, ihre Zweihnder schwingend, ein. Neben ihnen bahnten sich die Menschen vom See ihren Weg mit blitzenden Langschwertern. Entsetzen ergriff die Orks. Und kaum hatten sie sich umgewandt, um diesem neuen Angriff zu begegnen, als die Elben mit frischen Scharen auf sie einstrmten. Schon flohen zahlreiche Orks am Flu zurck, um der Falle zu entgehen. Viele ihrer eigenen Wlfe fielen ber sie her und zerrissen Tote und Verwundete. Der Sieg schien nahe, als oben auf den Hhen Kampfgeschrei erklang. Orks hatten das Gebirge von der anderen Seite erstiegen, und schon hingen sie zahlreich in den steilen Hngen ber dem Eingangstor. Tollkhn strmten andere Scharen herab, beachteten nicht die Todesschreie der Orks, die von Klippen und Steilhngen abstrzten. Sie kamen die Pfade vom Hauptmassiv herunter und griffen die Bergschultern von oben her an. Die Verteidiger aber waren nicht zahlreich genug, um diese Pfade lange sperren zu knnen. Das Blatt schien sich zu wenden. Es war nur die erste schwarze Flut, die zurckgeschlagen wurde. Der Tag neigte sich dem Ende zu. Die Orks sammelten sich wieder im Tal. Mit hechelnden Zungen strzten Warge vor, dicht gefolgt von der Leibwache Bolgs, grogewachsenen Orks mit krummen Stahlsbeln. Bald berzog Dunkelheit den strmischen Himmel, whrenddessen schwirrten groe Fledermuse den Elben und Menschen um Kpfe und Ohren oder setzten sich Vampiren gleich auf die Geschlagenen. Jetzt mute Bard den Ostauslufer verteidigen. Schon zogen seine Kampfgefhrten sich langsam zurck, whrend drben auf dem sdlichen Auslufer in der Nhe des Wachpostens am Rabenberg die Elbenfrsten, um ihren Knig geschart, Widerstand leisteten. Pltzlich entstand ein Geschrei, und vom groen Tor erklang Trompetengeschmetter. Sie hatten Thorin vergessen! Thorin Eichenschild hatte Hebebume von innen ansetzen lassen. Krachend strzte ein Teil der Mauer in die schtzende Wasserflche, und hinaus rannte der Knig unter dem Berg, und seine Gefhrten folgten ihm. Mantel und Kapuze hatten sie zurckgelassen. Sie trugen glnzende Rstungen, und zornig glhten ihre Augen. In der Dunkelheit schimmerte die Rstung des groen Zwergenknigs wie Gold in sterbendem Feuer. Von oben warfen die Orks Felsbrocken herab. Aber die Zwerge hielten stand, eilten am Wasserfall hinab und strzten sich in die Schlacht. Wlfe und Reiter fielen oder flohen vor ihnen. Thorin schwang seine Axt mit mchtigen Streichen. Nichts schien ihm etwas anhaben zu knnen. "Hierher! Hierher! Elben und Menschen! Hierher, o meine Brder!" schrie er, und seine Stimme klang wie ein Hornruf. Alle Schlachtordnung miachtend, strzten ihm Dains Zwerge zu Hilfe. Herab kamen auch zahlreiche Menschen der Seestadt. Bard konnte sie nicht halten. Und von der anderen Seite schlossen sich ihm viele Speertrger der Elben an. Noch einmal wurden die Reihen der Orks im Tal zusammengeschlagen. Dunkel und hlich fllten ihre Toten die Ebenen von Dal. Lngst waren die Warge zum Teufel gejagt, und Thorin griff jetzt Bolgs Leibwache an. Aber ihre Reihen konnte er nicht durchbrechen. Hinter dem angreifenden Thorin lagen viele Menschen und Zwerge tot zwischen den erschlagenen Orks - und mancher Elb, der noch lange ein frhliches Leben in den Wldern htte fhren sollen. Und da, wo das Tal breiter wurde, kam Thorins Angriff gar zum Stehen. Seiner Mitstreiter waren zu wenige, seine Flanken offen. Schon muten die Strmenden den Gegensturm auf sich anbranden sehen. Sie wurden zusammengedrngt und auf allen Seiten von den umkehrenden Orks und Wlfen eingeschlossen und angegriffen. Die Leibwache Bolgs warf sich Thorin heulend entgegen und brach in seine Reihen ein, so wie Kstenwellen ber Sandklippen hinwegsplen. Thorins Freunde konnten ihm nicht helfen, denn auch auf dem Berg wurde der Angriff mit neuer Wut aufgenommen. berall wurden Menschen und Elben langsam Schritt um Schritt zurckgedrngt. Auf all dies blickte Bilbo mit tiefer Betrbnis hinab. Er hatte bei den Elben auf dem Rabenberg Stellung bezogen, teils, weil er von dort leichter entkommen konnte, und teils (und das war mehr der Tukseite in ihm zuzuschreiben), weil, wenn es schon um ein verzweifeltes Aushalten ging, er lieber den Elbenknig verteidigte. Auch war Gandalf dort. Er sa auf dem Felsboden und schien in tiefe Gedanken versunken. Vermutlich bereitete er einen letzten Zauberstreich vor, ehe das Ende kam. Und das schien nicht fern zu sein. Nicht mehr lang, dachte Bilbo, und die Orks erobern das Eingangstor, und wir werden alle zusammengehauen, davongejagt oder gefangen. Man mchte heulen, wenn man bedenkt, was wir durchgestanden haben. Ich wollte, der alte Smaug wre auf diesem verwnschten Schatz sitzen geblieben. Das wre mir lieber, als da diese widerlichen Kreaturen ihn bekommen und der arme alte Bombur und Balin, Fili und Kili und alle die andern ein schlimmes Ende finden, und Bard auch und die Menschen vom See und die frhlichen Elben. O Jammer! Ich habe manches Lied von mancher Schlacht gehrt, und ich habe immer gedacht, da auch eine Niederlage ruhmreich sein kann. Aber sie scheint doch sehr ungemtlich zu sein, um nicht zu sagen betrblich. Ach, wenn ich nur aus allem schon heraus wre! Der Sturm zerri die Wolken, und die untergehende Sonne lie den Himmel im Westen rot erglhen. Als Bilbo in der Dunkelheit das pltzliche Aufleuchten sah, drehte er sich um. Und da schrie er auf, denn er hatte etwas bemerkt, was sein Herz hher schlagen lie : schmale, dunkle Schwingen, kniglich vor dem fernen Lichtstreifen. "Die Adler!" schrie Bilbo. "Die Adler kommen!" Seine Augen tuschten sich selten. Die Adler kamen mit dem Wind, eine Fluglinie nach der anderen. Es war ein Heer, das sich aus allen Horsten des Nordens gesammelt haben mute. "Die Adler! Die Adler!" brllte Bilbo begeistert, tanzte und schwenkte die Arme. Wenn die Elben ihn auch nicht sehen konnten, so hrten sie ihn doch. Bald nahmen auch sie den Schrei auf, und er hallte im ganzen Tal wider. Viele erstaunte Augen blickten auf, obgleich noch nichts zu sehen war. "Die Adler!" schrie Bilbo noch einmal, aber in diesem Augenblick schlug schwer ein herabsausender Stein gegen seinen Helm. Bilbo strzte auf den Felsboden und verlor das Bewutsein. ~Der Weg zurck Als Bilbo wieder zu sich kam, war er buchstblich nur zu sich selbst gekommen. Er lag auf den flachen Steinen des Rabenberges, und keiner war bei ihm. Es war ein wolkenloser, wenn auch sehr kalter Tag. Bilbo klapperte mit den Zhnen, und obgleich er so kalt wie Stein war, brannte sein Kopf wie Feuer. Jetzt mchte ich blo wissen, was geschehen ist? fragte er sich. Jedenfalls bin ich noch nicht einer der erschlagenen Helden. Aber ich vermute, da auch das noch passieren kann. Sthnend setzte er sich auf. Als er in das Tal hinausblickte, konnte er keine lebenden Orks ersphen. Nach einer Weile, als sein Kopf ein bichen klarer geworden war, kam es ihm vor, als she er Elben drunten zwischen den Felsen. Er rieb sich die Augen. Gewi, da war auch in einiger Entfernung noch ein Lager in der Ebene. Und was bedeutete das Kommen und Gehen am Haupttor? Da schienen Zwerge eifrig dabeizusein, die Mauer abzutragen. Aber es war totenstill. Kein Ruf, kein Echo, kein Lied. Es war, als stnde eine stumme Trauer in der Luft. Wie dem auch sei, sagte Bilbo und betastete seinen schmerzenden Kopf, wir scheinen gewonnen zu haben. Doch offensichtlich ist es eine sehr traurige Angelegenheit. Pltzlich gewahrte er einen Mann, der den Hang heraufkletterte und auf ihn zukam. "Hallo!" rief Bilbo mit zittriger Stimme. "Hallo! Was ist los?" "Wer ruft da zwischen den Steinen?" fragte der Mann, hielt an und starrte um sich. Er stand gar nicht weit weg von Bilbo. Da erinnerte sich der Hobbit an den Ring. Donnerwetter! sagte er zu sich selbst. Die Unsichtbarkeit hat doch seine Nachteile. Sonst htte ich vermutlich eine angenehme warme Nacht in einem Bett verbringen knnen. Und dann rief er: "Ich bin es, Bilbo Beutlin, Thorins Kampfgefhrte!" und zog rasch den Ring vom Finger. "Gut, da ich Euch gefunden habe!" sagte der Mann und trat nher. "Man braucht Euch, und wir haben lange nach Euch gesucht. Ihr wret schon unter die vielen Gefallenen gerechnet worden, wenn der Zauberer Gandalf nicht gesagt htte, da er Eure Stimme an diesem Platz zuletzt hrte. Man hat mich heraufgeschickt, damit ich Euch hier zum letzten Mal suchen soll. Seid Ihr sehr verletzt?" "Ein hlicher Hieb auf den Kopf, nehme ich an", antwortete Bilbo. "Zwar habe ich einen Helm und einen harten Schdel, aber ich bin krank, und meine Beine fhlen sich wie Stroh an." "Ich trage Euch hinunter ins Lager", sagte der Mann und hob ihn mit Leichtigkeit hoch. Der Mann ging rasch und sicher. Und so dauerte es nicht lang, und Bilbo wurde vor einem Zelt in Dal abgesetzt. Gandalf erwartete ihn. Er trug den Arm in einer Binde. Selbst der Zauberer war nicht ohne Verwundung davongekommen. Im ganzen Heer gab es nur sehr wenige, die die Schlacht ohne Schaden berstanden hatten. " Als Gandalf Bilbo sah, war er hocherfreut. "Beutlin, rief er aus, "wirklich wunderbar! Ihr lebt, welche Freude! Ich zweifelte bereits an Eurem Glck, das Euch sonst immer beisteht. Ein schreckliches Geschft, diese Schlacht, und beinahe nahm es ein verheerendes Ende. Doch alles andre kann jetzt warten. Kommt!" sagte er und wurde ernst. "Drinnen wartet jemand auf Euch!" Damit fhrte er den Hobbit ins Zelt. "Gru Euch, Thorin", sagte Gandalf, als er eintrat. "Ich habe ihn gebracht." Da lag Thorin Eichenschild, von vielen Wunden bedeckt. Seine zerfetzte Rstung und die schartige Axt lagen auf dem Boden. Er schaute auf, als Bilbo an sein Lager trat. "Lebt wohl, guter Dieb", sagte er. "Ich gehe nun zu den Hallen des langen Wartens, um neben meinen Vtern zu sitzen, bis die Welt erneuert wird. Da ich jetzt alles Gold und Silber lasse und dorthin gehe, wo Reichtmer von geringem Wert sind, mchte ich in Freundschaft von Euch scheiden, und ich mchte zurcknehmen, was ich am groen Tor sagte und tat." Bilbo kniete traurig an Thorins Lager nieder. "Lebt wohl, Knig unter dem Berg!" sagte er. "Dies ist ein bitteres Abenteuer, wenn es so enden mu. Und nicht ein Berg von Gold kann es gutmachen. Aber ich bin froh, da ich teilhatte an den Gefahren, die Ihr durchstehen mutet - das ist mehr, als ein Beutlin je verdient hat." "Nein", erwiderte Thorin. "Es steckt mehr Gutes in Euch, als Ihr selbst wit. Mut und Weisheit in einem schnen Ebenma. Wenn mehr von uns Heiterkeit, gutes Tafeln und klingende Lieder hher als gehortetes Gold schtzen wrden, so htten wir eine frhlichere Welt. Aber traurig oder frhlich, ich mu Euch jetzt verlassen. Lebt wohl!" Dann drehte sich Bilbo um. Er ging allein fort, setzte sich nieder und schlug eine Decke um die Schultern, und, ihr knnt es glauben oder nicht, er weinte, bis seine Augen rot und seine Stimme heiser war. Bilbo hatte eine gute kleine Seele. Es dauerte lange, bis er es bers Herz brachte, wieder einen Spa zu machen. Ein Glck, sagte er schlielich zu sich selbst, da ich rechtzeitig aufwachte. Ich wnschte, Thorin wre am Leben, aber ich bin froh, da wir in Freundschaft Abschied genommen haben. Du bist ein Narr, Bilbo Beutlin. Du hast ein groes Theater um diesen Arkenstein gemacht. Und doch gab es eine Schlacht. Sie fand statt trotz all deiner Bemhungen, Ruhe und Frieden zu erkaufen. Aber ich denke, dafr kannst du kaum getadelt werden. Spter erfuhr Bilbo, was geschehen war, whrend er betubt dalag. Aber es machte ihm mehr Kummer als Freude. Und jetzt war er sein Abenteuer wirklich leid. Mit Macht zog es ihn zur Reise heimwrts. Doch das hat noch Weile, und so kann ich euch in der Zwischenzeit etwas ber die Ereignisse erzhlen. Als die Orks sich zum Heereszug versammelten, hatten die Adler sogleich Verdacht geschpft. Ihrer Wachsamkeit konnte das Treiben der Orks im Gebirge nicht gnzlich verborgen bleiben. So hatten sie sich ebenfalls unter dem Groen Adler der Nebelberge in gewaltigen Scharen gesammelt. Als es aber aus der Ferne nach Kampf zu riechen begann, kamen sie gerade noch vor Toresschlu mit dem Sturm herbeigeeilt. Sie waren es, die die Orks von den Berghngen hinunterfegten, in die Abgrnde strzten oder schreiend und vllig verstrt in die Arme ihrer Feinde trieben. Es hatte nicht lange gedauert, bis sie den Einsamen Berg von Orks gesubert hatten, und sowohl die Elben als auch die Menschen konnten von allen Seiten her ihren Freunden unten im Tal zu Hilfe eilen. Aber selbst mit den Adlern als Bundesgenossen waren sie noch an Zahl unterlegen. Und in dieser letzten Stunde erschien Beorn. Keiner wute, wie und woher er kam. Er kam allein und in Brengestalt. Ja, er schien in seiner Wut zu einem riesigen Untier geworden zu sein. Sein Gebrll klang wie Paukendrhnen und Kanonendonner. Er fegte Wlfe und Orks wie Strohhalme und Federn aus dem Weg. Dann fiel er ber die Nachhut her und brach wie ein Donnerschlag durch den Ring, den die Orks um die Zwerge geschlossen hatten. Auf einer niedrigen Hgelkuppe hatten sich die Zwerge um ihre Frsten geschart. Beorn hielt inne und hob Thorin auf, der von Speeren getroffen war, und er trug ihn aus dem Tumult. Rasch kehrte Beorn zurck. Sein Zorn hatte sich verdoppelt, nichts widerstand ihm, keine Waffe schien gegen ihn etwas zu ntzen. Er jagte die Leibwache auseinander, fate Bolg und zermalmte ihn. Da berfiel Entsetzen die Orks, und sie flohen nach allen Richtungen. Mit der neuen Hoffnung gewannen ihre Feinde neue Krfte. Sie verfolgten die Flchtenden und lieen die wenigsten entkommen. Viele trieben sie in das Eilige Wasser, und wer nach Sden oder Westen zu fliehen suchte, den jagten sie in die Smpfe um den Nachtwaldflu, wo der grere Teil der Flchtenden umkam. Und wer bis ins Elbenreich gelangte, wurde dort erschlagen oder in die dunkle Weglosigkeit des Nachtwaldes gelockt, aus dem es kein Auftauchen mehr gab. Die Lieder haben spter erzhlt, da drei Viertel der Orkkrieger an diesem Tag umkamen und die Berge fr viele Jahre Frieden hatten. Noch ehe die Nacht anbrach, war die Schlacht entschieden. Aber die Verfolgung war noch im Gang, als Bilbo in das Lager zurckkehrte. Auer den ernsthaft Verwundeten waren nur sehr wenige im Tal geblieben. "Wo sind die Adler?" fragte er Gandalf an diesem Abend, als er, in viele warme Decken eingewickelt, dalag. "Einige nehmen an der Verfolgung teil", antwortete der Zauberer, "aber die meisten sind zu ihren Horsten zurckgekehrt. Sie wollten nicht lnger bleiben und schieden mit dem ersten Morgenlicht. Dain hat ihren Anfhrer mit Gold gekrnt und ihnen Freundschaft auf immer zugeschworen." ;,Das tut mir leid. Das heit, ich meine, ich htte sie auch noch einmal gern gesehen", sagte Bilbo schlfrig. "Vielleicht treffe ich sie auf dem Nachhauseweg. Jetzt kann ich doch bald nach Hause gehen, nicht wahr?" "Sobald Ihr wollt", entgegnete der Zauberer. Aber es dauerte noch einige Tage, bis Bilbo wirklich auf brechen konnte. Sie begruben Thorin tief unter dem Berg; und Bard legte ihm den Arkenjuwel auf die Brust. "Dort soll er liegen, bis der Berg strzt", sagte er. "Mge er Thorins Volk Glck bringen!" Auf sein Grab aber legte der Elbenknig Orkrist, das Elbenschwert, das er Thorin in der Gefangenschaft abgenommen hatte. Lieder erzhlen, da es immer in der Finsternis auf glhte, wenn Feinde nahten. So konnte die Festung der Zwerge nie durch einen berraschungsangriff genommen werden. Dain, Sohn von Nain, schlug seinen Wohnsitz hier auf und wurde Knig unter dem Berge. Mit der Zeit sammelten sich zahlreiche andere Zwerge in den alten Hallen um seinen Thron. Von den zwlf Gefhrten Thorins blieben zehn. Fili und Kili waren gefallen, als sie Thorin mit ihren Schilden und ihrem Krper verteidigten. Thorin war der ltere Bruder ihrer Mutter. Die anderen blieben bei Dain. Dain aber teilte den Schatz weise, denn es war natrlich nicht lnger mehr die Rede davon, Balin und Dwalin, Dori und Nori und Ori, Oin und Gloin, Bifur, Bofur und Bombur oder Bilbo den geplanten Anteil zu geben. Bard allerdings erhielt ein Vierzehntel allen Goldes und Silbers, ob verarbeitet oder nicht verarbeitet, denn Dain sagte: "Wir wollen den Vertrag des toten Thorin achten, denn er hat seinen Arkenjuwel zurckerhalten." Ein Vierzehntel war ein ber alle Maen groer Reichtum, grer als ihn manch sterblicher Knig sein eigen nennt. Von diesem Schatz sandte Bard dem Meister der Seestadt einen groen Anteil an Gold, und grozgig belohnte er seine Freunde und die Mnner, die ihm gefolgt waren. Dem Elbenknig gab er die Smaragde Girions, Juwelen, wie sie der Knig besonders liebte und die Bard von Dain erhalten hatte. Zu Bilbo aber sagte Dain: "Dieser Schatz gehrt so gut Euch, wie er mir gehrt. Indessen knnen die alten Vereinbarungen nicht aufrechterhalten werden. Zu viele haben einen Anspruch, weil sie ihn mitgewonnen und mitverteidigt haben. Obgleich Ihr bereit wart, all Eure Forderungen fallenzulassen, mchte ich nicht, da Thorins Worte, die er bereut hat, sich erfllen. Von allen mchte ich Euch am reichsten belohnen." "Sehr freundlich von Euch", entgegnete Bilbo. "Aber fr mich ist es wirklich eine Erleichterung. Wie in aller Welt sollte ich einen so groen Schatz ohne Mord und Totschlag den ganzen Weg nach Hause tragen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Und ebensowenig wei ich, was ich zu Hause mit ihm anfangen soll. Ich bin sicher, da er in Euren Hnden besser aufgehoben ist." Schlielich stimmte Bilbo zu, zwei kleine Kisten zu nehmen, eine mit Gold und eine mit Silber (soviel ein krftiges Pony tragen konnte). "Das ist gerade das, was ich schaffen kann", sagte er. Dann war es Zeit, von den Freunden Abschied zu nehmen. "Lebt wohl, Balin", sagte er. "Und lebt wohl, Dwalin. Lebt wohl, Dori, Nori, Ori, Oin, Gloin, Bifur, Bofur und Bombur! Mgen eure Brte sich niemals lichten!" Zum Berg gewandt, fgte er hinzu: "Lebt wohl, Thorin Eichenschild. Und Fili und Kili! Mge euer Andenken niemals vergessen werden!" Die Zwerge vor dem Tor verbeugten sich tief Aber die Worte blieben ihnen in der Kehle stecken. "Lebt wohl, und viel Glck auf allen Euren Wegen!" erwiderte Balin schlielich. "Wenn Ihr uns je wieder besucht und unsere Hallen wieder schn eingerichtet sind, so soll es ein wunderbares Fest werden." "Und wenn ihr jemals bei mir zu Hause vorbeikommt" sagte Bilbo, "so klopft nicht erst an! Tee gibt es um vier. Aber jeder von euch ist zu jeder Zeit willkommen." Dann machte er sich auf den Weg. Das Elbenheer war auf dem Marsch. Und wenn es auch traurig anzusehen war, wie viele fr immer in ihren Reihen fehlten, so waren doch alle froh, da die Welt des Nordens fr lange Zeit glcklicher sein wrde. Der Drache war tot, und die Orks waren vernichtet, und ihre Herzen freuten sich schon, da nach dem Winter ein frhlicher Frhling kommen wrde. Gandalf und Bilbo ritten hinter dem Elbenknig, und neben ihnen schritt Beorn einher, wieder in menschlicher Gestalt. Er lachte und sang mit lauter Stimme den ganzen Weg. So zogen sie bis zum Saum des Nachtwaldes, nrdlich der Stelle, wo der Nachtwaldflu herauskam. Dann hielten sie an, denn der Zauberer und Bilbo wollten den Wald nicht betreten, wenn auch der Knig sie herzlich bat, eine Weile Gste in seinen Hallen zu sein. Sie beabsichtigten, dem Saum des Waldes bis zu seinem Nordende zu folgen und die Einde zu durchqueren, die zwischen ihm und dem Grauen Gebirge lag. Es war ein langer, unerfreulicher Weg, aber jetzt, da die Orks vernichtet waren, schien er sicherer zu sein als die schrecklichen Pfade unter den Bumen. Auerdem nahm auch Beorn diesen Weg. "Lebt wohl, o Elbenknig!" sagte Gandalf. "Frhlichkeit sei in Eurem grnen Wald, denn die Welt ist wieder jung! Und frhlich sei Euer ganzes Volk!" "Lebt wohl, o Gandalf!" erwiderte der Knig. "Mgt Ihr immer dort auftauchen, wo man Eure Hilfe am meisten braucht und am wenigsten erwartet! Je fter Ihr in meinen Hallen erscheint, je mehr werde ich mich freuen!" "Ich mchte Euch bitten", sagte Bilbo pltzlich stotternd und verlegen auf einem Bein stehend, "diese Gabe anzunehmen!", und er holte ein silbernes Perlenhalsband hervor, das Dain ihm beim Abschied gegeben hatte. "Womit habe ich eine solche Gabe verdient, o Hobbit?" fragte der Knig. "Nun, hm, ich dachte, versteht Ihr", antwortete der Hobbit ziemlich verlegen, "da man sich schlielich, hm, fr Eure Gastfreundschaft, hm, ein bichen erkenntlich zeigen sollte. Ich meine, sogar ein Meisterdieb hat seinen Stolz. Ich habe viel von Eurem Wein getrunken und von Eurem Brot gegessen." "Ich nehme Eure Gabe an, o Bilbo", sagte der Knig ernst. "Und Euch ernenne ich zum Elbenfreund und segne Euren Weg. Mge Euer Schatten niemals krzer werden (sonst wird das Stehlen zu leicht)! Lebt wohl!" Bilbo mute viele Mhsale und Abenteuer bestehen, ehe er daheim anlangte. Die Wildnis war noch immer Wildnis geblieben, und in jenen Tagen gab es auer Orks noch manche andere Gefahr. Aber Bilbo wurde gut gefhrt und gut beschtzt - der Zauberer war bei ihm und ein gutes Stck Wegs auch Beorn. Und so geriet er nie in eine ernste Gefahr. Im Mittwinter erreichten sie Beorns Haus, und dort blieben beide fr eine Weile. Weihnachten waren sie gut aufgehoben und hatten eine frhliche Zeit. Von weit her kamen Menschen auf Beorns Einladung zum Festschmaus. Die Zahl der Orks in den Nebelbergen war klein geworden. Noch sa ihnen der Schreck in den Gliedern, und sie hielten sich in den tiefsten Lchern verborgen. Die Warge aber waren aus den Wldern verschwunden, so da die Menschen ohne Furcht reisen konnten. Beorn wurde spter ein groer Huptling in diesen Gegenden und dem Wald. Es wird erzhlt, da viele Generationen lang die Menschen aus seinem Geschlecht Macht hatten, sich in Bren zu verwandeln. Einige waren grimmig und bse, aber die meisten waren in ihrem Herzen so wie Beorn, wenn auch weniger gro und stark. In ihren Tagen wurden die letzten Orks aus den Nebelbergen verjagt, und ein neuer Friede kam fr die Eindgrenze. Es wurde Frhling, ein heller, milder Frhling mit strahlenden Sonnentagen, ehe Bilbo und Gandalf schlielich von Beorn Abschied nahmen. Und obgleich Bilbo Heimweh hatte, ging er mit Bedauern, denn die Blumen in Beorns Garten waren im Frhling nicht weniger wunderbar als im hohen Sommer. Kurz, sie machten sich auf den langen Weg und erreichten den Pa, wo die Orks sie gefangen hatten. Aber sie kamen frh am Morgen dort oben an, und als sie zurckblickten, sahen sie strahlend hell die Sonne ber den ausgedehnten Landschaften leuchten. Dort hinten lag der Nachtwald, blau in der groen Entfernung. Und selbst im Frhling sah sein nher gelegener Saum noch dster grn aus. Am Rande des Horizonts aber war der Einsame Berg zu erkennen. Auf seinem hchsten Gipfel schimmerte immer noch Schnee. "So folgt Schnee auf Feuer, und selbst Drachen finden ihr Ende", sagte Bilbo, und damit wandte er dem groen Abenteuer den Rcken. Die Tukseite in ihm wurde sehr mde, und die Beutlinseite nahm von Tag zu Tag an Strke zu. "Ich habe jetzt nur noch den einzigen Wunsch, mglichst bald in meinem gemtlichen Armsessel zu sitzen!" sagte er. ~Das letzte Kapitel Gerade am 1. Mai kamen sie zurck an den Rand des Tales von Rivendell, wo das Haus an der Eindgrenze stand. Wieder war es Abend. Ihre Ponys waren mde, besonders das eine, das ihr Gepck trug. Und jeder fhlte den Wunsch nach Rast und Ruhe. Als sie den steilen Pfad hinunterritten, hrte Bilbo die Elben wieder in den Bumen singen, als ob sie seit ihrem Abschied nie aufgehrt htten. Und als die Reiter in die unteren Waldlichtungen kamen, begannen sie ein Lied, das ganz hnlich ihrem Lied von damals war. Dann kamen die Elben des Tales herbei, begrten sie und fhrten sie durch das Wasser zu Elronds Haus. Ein herzliches Willkommen wurde ihnen bereitet, und an diesem Abend hrten viele Ohren gespannt dem Bericht ihrer Abenteuer zu. Gandalf erzhlte, denn Bilbo war still und schlfrig geworden. Das meiste kannte er ja, denn er war schlielich dabeigewesen. Aber ab und zu machte er ein Auge auf und hrte zu, wenn eine Geschichte an der Reihe war, die er noch nicht kannte. Auf diese Weise erfuhr er, wo Gandalf gewesen war, denn er belauschte ein Gesprch zwischen dem Zauberer und Elrond. Daraus entnahm er, da Gandalf einem groen Rat aller weisen Zauberer beigewohnt hatte, den Meistern der berlieferung und der guten Zauberkunst, und da sie endlich den Geisterbeschwrer aus seiner finsteren Zwingburg sdlich des Nachtwaldes vertrieben hatten. "Nicht mehr lange", bemerkte Gandalf, "und der Nachtwald wird bestimmt eine glcklichere Gegend werden. Der Norden ist von diesem Schrecken fr lange Zeit befreit. Aber ich wnschte, er wre aus der ganzen Welt verbannt." "Das wre wirklich gut", antwortete Elrond. "Doch ich frchte, das wird nicht zu unserer Zeit geschehen, vielleicht auch fr viele Jahre danach nicht." Als die Geschichten ihrer Reise erzhlt waren, kamen andere Geschichten an die Reihe und abermals andere, Geschichten aus lang zurckliegender Zeit und auch neue Geschichten, ja sogar Geschichten aus berhaupt keiner Zeit, bis Bilbos Kopf auf die Brust sank und er bequem in einer Ecke zu schnarchen begann. Als er aufwachte, fand er sich in einem weien Bett wieder. Der Mond schien durch das offene Fenster, unter dem Elben laut und klar an den Ufern des Flusses sangen. "Singt, Freunde, singt alle, fallt ein in die Weise, der Heidewind spielt um die Baumwipfel leise. Der Mond und die lauschenden Sterne verweilen ber dem Ufer, den Eschen und Erlenzeilen. Tanzt, Freunde, tanzt alle und schlieet den Reigen, das Gras weht wie Samt, wie Wind in den Zweigen, der silberne Flu trgt die Schatten der Weiden als feinstes Gespinst aus schimmernden Seiden. Kein Leid mehr, kein Kummer, die ngste vergangen, zu End das Lied, das wir Elben ihm sangen, Steig hinter die Hgel, schweigsamer Mond - schlaf, Ufergestruch, schlaf, wer in Rivendell wohnt." "Gut, ihr frhliches Volk", sagte Bilbo und lehnte sich aus dem Fenster. "Welche Stunde zeigt der Mond eigentlich an? Euer Wiegenlied wrde einen betrunkenen Ork aufwecken! Aber ich danke euch!" "Und Euer Schnarchen einen versteinerten Drachen - aber wir danken Euch", antworteten sie ihm mit Gelchter. "Es geht jetzt auf den Frhtau zu, und Ihr habt fest geschlafen seit Anbruch der Nacht. Morgen vielleicht seid Ihr von Eurer Mdigkeit geheilt." "Ein kleiner Schlaf in Elronds Haus ist ein groartiges Heilmittel", sagte Bilbo. "Aber ich will noch besser geheilt werden. Also auf ein zweites ,gute Nacht`, liebe Freunde!" Und damit kroch er ins Bett zurck und schlief weit in den Morgen hinein. Bald fiel in Elronds Haus alle Mdigkeit von ihm, und es gab frh und spt viel Spa und Tanz mit den Elben des Tales. Aber selbst ein solches Haus konnte Bilbo nicht lange aufhalten, denn er dachte immerzu an sein eigenes Zuhause. Nach einer Woche sagte er Elrond Lebewohl, beschenkte ihn und ritt mit Gandalf davon. Als sie das Tal verlieen, verdunkelte sich der Himmel, Wind kam auf, und Regen schlug ihnen ins Gesicht. "Der Mai ist eine lustige Zeit", sagte Bilbo. "Aber mir scheint, wir haben ihn hinter uns und kommen nach Hause. Dies ist der erste Vorgeschmack." "Es ist noch ein langer Weg", entgegnete Gandalf. "Aber es ist der letzte", sagte Bilbo. Sie kamen an den Flu, der die eigentliche Grenze der wilden Einde bildete, und zu der Furt unter dem Steilufer, an die ihr euch vielleicht erinnert. Der Flu fhrte Hochwasser, das kam von der Schneeschmelze und vom tagelangen Regen. Aber sie berquerten ihn, wenn auch mit einiger Schwierigkeit, und dann eilten sie weiter, obgleich es Abend wurde. Sie wollten den letzten Abschnitt ihrer Reise hinter sich bringen. Und dieser letzte Teil verlief ebenso wie der erste, ausgenommen, da sie nur zu zweit und schweigsamer waren und diesmal keinen Trollen begegneten. Jeder Punkt des Weges rief Bilbo die Ereignisse und Gesprche wieder ins Gedchtnis, die nun ein ganzes Jahr zurcklagen - ihm schien es, als seien mehr als zehn vergangen -, so da er natrlich rasch den Platz wiedererkannte, an dem das Pony in den Flu gefallen war und wo sie das bse Abenteuer mit Tom, Bert und Bill zu bestehen hatten. Nicht weit ab vom Weg fanden sie das Gold der Trolle, das sie vergraben hatten, noch unberhrt verborgen. "Ich habe genug auf Lebenszeit", sagte Bilbo, als sie es ausgegraben hatten. "Nehmt es, Gandalf, ich wette, Ihr knnt mehr damit anfangen als ich." "Tatschlich, das kann ich", erwiderte der Zauberer. "Aber teile, und teile gerecht! Ihr werdet es vielleicht ntiger haben, als Ihr annehmt." So taten sie das Gold in Scke und hngten sie ihren Ponys, die darber gar nicht erfreut waren, an den Sattel. Danach kamen sie nur noch langsam voran, denn meistens muten sie neben ihren Ponys hergehen. Aber das Land war grn, und der Hobbit trottete zufrieden durch das hohe Gras. Er wischte sich den Schwei mit einem roten Seidentaschentuch aus dem Gesicht - nein, nicht ein einziges seiner eigenen hatte die Reise berlebt, er hatte dieses Tuch von Elrond borgen mssen-, denn der Juni hatte den Sommer gebracht, und das Wetter war wieder klar und hei. Wie alle Dinge ein Ende haben, so auch diese Geschichte. Es kam der Tag, an dem sie jenes Land wiedersahen, in dem Bilbo geboren und erzogen worden war und wo die Landschaft und die Bume ihm ebenso bekannt waren wie seine Hnde und seine Zehen. Als sie eine Anhhe erreichten, sah Bilbo seinen Berg in einiger Entfernung liegen, und er hielt an und sagte pltzlich: "Wege wandern weit und lang ber Felsenpsse, unter Eichen, folgen tief hinab dem Hhlengang, folgen Flu und Strom, die nie das Meer erreichen, ber Schnee, den wei der Winter ausgest, Juniblumen wehen mit den Winden, ber Steine, Moos, im Dmmern spt, unterm Mond in alten Sommerlinden. Wege wandern weit und still, Wolken ziehen drber her und Sternenlieder, doch den mden, alten Fen will Rast die Heimat geben wieder. Augen, die das Feuer sahen und das Schwert, Schreckenstat und Unheil, wilde Pfeile, schauen endlich, was sie lang entbehrt : Wiesensaum und altvertrauter Bume Zeile" Gandalf schaute ihn an. "Mein lieber Bilbo, irgend etwas ist mit Euch los. Ihr seid nicht mehr der alte Hobbit." So berquerten sie die Brcke, gingen vorbei an der Mhle am Flu und kamen endlich zu Bilbos Haustr. "Kreuzschwerenot!" rief Bilbo. "Was geht hier vor?" Ein geschftiges Kommen und Gehen herrschte vor seiner Tr. Leute aller Art, achtbare und weniger achtbare, drngten sich auf seiner Schwelle. Sie gingen hinein, kamen heraus, nicht einmal ihre Fe wischten sie auf der Matte ab, wie Bilbo mit hchstem Mifallen feststellen mute. Wenn er schon berrascht war, so waren es die Leute noch mehr. Bilbo war mitten in eine Auktion geraten. Ein groer Anschlag in Rot und Schwarz hing an der Tr und kndigte an, da am 22. Juni die Herren Whler, Whler & Graber, den nachgelassenen Besitz des seligen Bilbo Beutlin, Hochwohlgeboren, von Beutelsend, unter dem Berg, Hobbingen, versteigern wrden. Beginn der Versteigerung pnktlich zehn Uhr. Jetzt war es fast Mittagszeit, und das meiste hatte schon seine Kufer zu den unterschiedlichsten Preisen gefunden, spottbillig oft, wie es bei Auktionen nun einmal zuzugehen pflegt. Bilbos Vettern, die Sackheim Beutlins, waren sogar schon eifrig dabei, die Zimmer auszumessen, ob wohl ihre eigenen Mbel hineinpaten. Kurz, Bilbo war fr tot erklrt worden, und nicht jeder war glcklich darber, da diese Annahme sich als falsch erwies, selbst wenn er so tat. Seine Rckkehr verursachte sowohl unter als auch ber dem Berg und jenseits des Wassers eine ganz schne Aufregung. Es war schlimmer als ein achtes Weltwunder. Die gesetzlichen Schwierigkeiten konnten jahrelang nicht aus der Welt geschafft werden, und die Erlaubnis, wieder als durchaus lebendig zu gelten, lie lange auf sich warten. Auch dauerte es geraume Weile, bis jene Leute davon berzeugt waren, die bei der Versteigerung die besten Geschfte gemacht hatten. Zum Schlu mute Bilbo, nur um Zeit zu sparen, eine ganze Menge seiner eigenen Mbel zurckkaufen. Viele seiner Silberlffel blieben jedoch auf mysterise Art verschwunden. Bilbo verdchtigte die Sackheim Beutlins, die ihrerseits nie die Echtheit des zurckgekehrten Bilbo Beutlin anerkannten und nie wieder ein Wort mit ihm wechselten. Und in der Tat, Bilbo fand, da er mehr als seine Lffel verloren hatte - er hatte seinen guten Ruf verloren. Er blieb zwar zeit seines Lebens ein Elbenfreund und hatte die Ehre, Zwerge, Zauberer und noch andere merkwrdige Leute, die hier vorberkamen, seine Gste nennen zu knnen. Aber er galt als nicht mehr ganz respektabel. Ja, er wurde von allen Hobbits seiner Nachbarschaft fr verschroben gehalten - ausgenommen von seinen Neffen und Nichten von der Tukseite. Doch selbst deren Freundschaft wurde von den Eltern nicht gern gesehen. Zu meinem Leidwesen mu ich sagen, da ihn das nicht kmmerte. Ja, er war sehr zufrieden. Niemals bisher war ihm das Summen des Teekessels so lieblich erschienen, selbst in jenen ruhigen Zeiten nicht, als die unerwartete Gesellschaft sich bei ihm versammelt hatte. Sein Schwert hing er ber den Kamin. Sein Kettenhemd wurde schn auf einem Stnder in der Eingangshalle aufgebaut (bis er es einem Museum auslieh). Seine Schtze an Gold und Silber hatte er weitgehend in teils ntzlichen, teils verschwenderischen Geschenken angelegt, und das macht, bis zu einem gewissen Grade, die besondere Zuneigung seiner Neffen und Nichten verstndlich. Den Zauberring aber hielt er sorgsam geheim. Er benutzte ihn hauptschlich, wenn unerwnschte Besucher kamen. Bilbo begann, Gedichte zu schreiben, und besuchte oft die Elben. Und obgleich mancher den Kopf schttelte, sich an die Stirn tippte und "armer alter Beutlin" sagte und obgleich nur wenige seine Erzhlungen glaubten, lebte er sehr glcklich bis ans Ende seiner Tage. Und es mu gesagt werden, da es noch auerordentlich lang war bis dorthin. An einem Herbstabend, einige Jahre spter, sa Bilbo in seinem Studierzimmer. Er schrieb an seinen Erinnerungen dachte daran, sie "Dorthin und wieder zurck, Ferienreise eines Hobbits" zu nennen -, als die Trglocke lutete. Es war Gandalf, den ein Zwerg begleitete. Und dieser Zwerg war Balin. "Kommt herein, kommt herein!" sagte Bilbo, und bald saen sie gemtlich am Kaminfeuer. Whrend Balin feststellte, da Mister Beutlins Weste ein bichen praller geworden war (echte Goldknpfe saen darauf), stellte Bilbo seinerseits fest, da Balins Bart um einige Zoll gewachsen und sein mit Edelsteinen gezierter Grtel von groer Schnheit war. Natrlich sprachen sie ber die gemeinsam verlebten Zeiten, und Bilbo fragte, wie es in den Lndern um den Einsamen Berg aussah. Gut ging es anscheinend dort allen. Bard hatte die Stadt Dal wieder erbaut. Menschen waren von der Seestadt und weiter aus dem Sden und Westen zu ihm gekommen. Das ganze Tal war wieder reich bestellt. Im Frhling erfllten Vogelruf und blhende Blumen das verwstete Land und im Herbst Frchte und frhliche Feste. Auch die Seestadt war wieder aufgebaut worden und wohlhabender denn je. Reiche Frachten fuhren das Eilige Wasser stromauf und stromab. Freundschaft herrschte hier zwischen Elben, Zwergen und Menschen. Der alte Meister jedoch hatte ein schlechtes Ende genommen. Bard hatte ihm viel Gold fr sein Seevolk gegeben. Aber da er zu denen gehrte, die leicht solchen Schten verfallen, hatte die Drachenkrankheit ihn angesteckt. Er nahm den grten Teil des Goldes und floh - und verhungerte in der Einde, verlassen von seinen Spiegesellen. "Der neue Meister ist weiser als der alte", sagte Balin, "und sehr beliebt, denn ihm schreiben sie den jetzigen Wohlstand zu. Sie dichten Lieder, in denen es heit, da in seinen Tagen die Flsse schieres Gold fhrten." "Dann sind die alten Prophezeiungen in gewisser Hinsicht ja eingetroffen", bemerkte Bilbo. "Natrlich!" entgegnete Gandalf "Und warum sollten sie nicht eingetroffen sein? Zweifelt Ihr etwa nur deshalb an den Prophezeiungen, weil Ihr selbst tatkrftig mitgewirkt habt, da sie in Erfllung gingen? Ihr glaubt doch nicht etwa, es sei reiner Zufall gewesen, da Ihr all die Abenteuer bestanden habt und all den Gefahren entkommen seid und da all das einzig zu Eurem eigenen Nutzen geschehen ist? Ihr seid ein prchtiger Kerl, Mister Beutlin, und ich bin sehr stolz auf Euch. Aber schlielich seid Ihr doch nur ein kleines Pnktchen in einer sehr groen Welt." "Gott sei Dank", sagte Bilbo lachend und reichte ihm die Tabakdose.